3264/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.09.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

 

betreffend Netzwerk Kulinarik – Chronologie eines Versagens

 

Vier Landwirtschaftsminister förderten seit 2005 die Vermarktung von regionalen kulinarischen Produkten elf Jahre lang mit rund 24 Mio. Euro. Das Ziel: Österreich sollte der „Feinkostladen Europas“ werden. Nach massiver Rechnungshofkritik an den vielen parallel existierenden Förderschienen versprach das Ministerium 2016 eine Strukturänderung.[1]

 

Im April 2016 gab das Ministerium den Auftrag für die Errichtung einer "Netzwerkstelle Kulinarik". Insgesamt wurden für diese neue Netzwerkstelle für den Zeitraum von 2016 bis 2022 rund 10,5 Mio. Euro budgetiert. Weitere 7 Mio. Euro wurden zudem in Aussicht gestellt. Die AMA-Marketing hat in einer Bietergemeinschaft mit der Firma Fairify den Zuschlag für die damals neu ausgeschriebene kulinarische Cluster-Förderung im Rahmen der EU-Regionalförderung erhalten. Die AMA-Marketing GmbH sollte als Teil des Netzwerks Kulinarik auch die „Genuss Regionen“, das „Kulinarische Erbe“, die „Beste Österreichische Gastlichkeit“ und weitere regionale Aktionen mitvermarkten. Ein Strategieprozess für den Kulinarik-Sektor wurde gestartet. Kostenpunkt: insgesamt 1,68 Mio. Euro für die ersten zwei Jahre. 2017 zerfiel die Bietergemeinschaft jedoch und in der Folge übertrug das damalige BMNT die Bewirtschaftung der Marke „Genuss Regionen Österreich“ mit 01.08.2019 an die AMA Marketing GmbH.

 

Nach den Verzögerungen durch das Zerbrechen der Bietergemeinschaft 2017, dem Ministerwechsel 2018 und der Neubeauftragung 2019 begann im August zusätzlich noch ein Rechtsstreit um die Marke „Genuss Regionen Österreich.

 

Bekanntlich sind das BMLRT und die AMA Marketing GmbH seit Anbeginn gemeinsame Eigentümer und Inhaber der Marke Genuss Region Österreich (nunmehr provisorisch „AMA Genuss Region(en)“; es laufen diverse Einsprüche beim Patentamt seitens des Vereins Genuss Region Österreich). Die Bewirtschaftung der Marke wurde bis 2016 dem Verein Genuss Region Österreich (samt GRM GmbH) übertragen. Zudem stellt das Ministerium als Miteigentümerin und sohin Mitförderwerberin ihrer Marke EU- wie auch nationale Fördergelder zur Verfügung, deren neue Bewirtschafterin die AMA Marketing GmbH ist. Letztere ist sowohl ihrer Mutter AMA als auch dem BMLRT gegenüber weisungs- bzw. vertragsgebunden. Als Krönung darf die AMA dann den Fördergeldverwaltung und Fördergeldeinsatz ihrer Tochterfirma kontrollieren und absegnen. Diese Konstruktion erscheint rechtlich schwer bedenklich und auch EU-förderrechtswidrig zu sein.[2]

Seit der Rechnungshofkritik sind mehrere Jahre vergangen, die Situation um Netzwerk Kulinarik ist noch immer nicht geklärt. Dieser Umstand führte zu negativen Schlagzeilen und somit auch zum Imageschaden für alle Beteiligten. Was in Erinnerung bleibt ist nicht „Österreich – der Feinkostladen Europas“, sondern Streitereien um Steuergeld.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.    Wie hoch waren insgesamt die Kosten für Netzwerk Kulinarik seit seiner Gründung 2016 bis heute? (Bitte nach Jahren angeben.)

a.    Wie hoch waren jeweils die Personalkosten seit der Gründung des Netzwerks Kulinarik bis heute? (Bitte nach Jahren angeben.)

b.    Wie lauten die anderen Ausgabenkapitel seit der Gründung des Netzwerks Kulinarik? (Bitte ebenfalls nach Jahren aufschlüsseln.)

2.    Welche Förderungen hat das Netzwerk Kulinarik seit seiner Gründung bis heute insgesamt erhalten (bitte nach Jahren angeben)?

a.    Wie hoch war jeweils der Anteil der EU-Förderungen?

b.    Wie hoch waren jeweils die nationalen Förderungen (bitte getrennt nach Bund und Land/Länder)?

3.    Für was werden die bis 2022 budgetierten 10,5 Mio. Euro ausgegeben?

4.    Was wurde genau mit dem Geld (1,68 Mio. Euro) finanziert, welches 2016 die AMA-Marketing in einer Bietergemeinschaft mit der Firma Fairify für die damals neu ausgeschriebene kulinarische Cluster-Förderung erhalten hatte?

5.    Gab es nach Ausstieg der Fairify (bzw. der Fair und Gut) einen Kassasturz bzw. eine finanzielle Sonderkontrolle der Fördergeber bzw. der AMA?

a.    Falls ja, mit welchem Ergebnis und welchen Konsequenzen?

b.    Falls nein, warum nicht?

6.    Wurden seitens der Fördergeber finanzielle Mittel zurückverlangt?

a.    Falls ja, in welcher Höhe?

b.    Falls nein, warum nicht?

7.    Welchen Schaden am Image haben die neuen Marken „Kulinarik Österreich“ bzw. „AMA-Genuss Region“ durch die negativen Schlagzeilen betreffend des Markenstreits und des Fördergeldzwistes mit dem Verein Genussregion Österreich (inkl. GRM Genuss Regionen Marketing GmbH) bisher verursacht?

8.    Wie ist der aktuelle Stand in den laufenden Rechtsstreitigkeiten der 100 %-Tochter der Agrar Markt Austria (Anm.: Die Gesellschafterversammlung der AMA Marketing GmbH besteht bekanntlich aus den beiden Vorständen der Agrar Markt Austria) mit dem Verein Genussregionen Österreich vor dem Zivilgericht bzw. dem Patentamt?

9.    Hat sich das BMLRT (als Nachfolgeministerium des BMLFUW und BMNT) als 50-%-Inhaberin der Markenrechte an den laufenden Rechtsauseinandersetzungen beteiligt?

a.    Falls nein, warum nicht?

b.    Falls ja, welche Kosten sind dafür intern bzw. extern (Rechtsanwalt, etc.) bisher angelaufen?

10. Inwieweit besteht in der neuen Konstruktion zwischen dem BMLRT, der AMA Marketing GmbH und der Genussregion-Markenbewirtschaftung betreffend der Fördergeldzuteilung nicht ein Inhouse-Geschäft?

11. Wurde das Netzwerk Kulinarik zwischengeschaltet, um die rechtlichen Zweifel an der gewählten Konstruktion zu umgehen?

a.    Falls nein, wie beurteilt das Bundesministerium die „organisatorische Konstruktion“?

b.    Falls ja, warum lässt sich das Ministerium auf derartige Konstruktionen ein bzw. hat diesen nicht abgestellt?

12. Wer hat diese fragwürdige Rechtskonstruktion aufgestellt bzw. beschlossen oder angeordnet und haftet dafür?

13. Wurde die Bezeichnung „Netzwerk Kulinarik“ markenrechtlich geschützt?

a.    Falls ja, von wem, wo und wann?

b.    Falls nein, warum nicht?



[1] https://www.addendum.org/news/netzwerk-kulinarik/, zitiert am 11.8.2020

[2] https://www.bmlrt.gv.at/land/lebensmittel/genuss-region/genuss-region-oesterreich-zurueck-zu-den-wurzeln.html und
https://www.addendum.org/news/netzwerk-kulinarik/, zitiert am 12.8.2020