3483/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.09.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Georg Bürstmayr, Süleyman Zorba, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend technischer Details zu den Einsätzen der Gesichtserkennungssoftware

 

Aus mehreren Anfragen (631/J, 2648/J) ergeben sich für die Öffentlichkeit äußerst relevante Informationen in Bezug auf die Gesichtserkennungssoftware, welche seit dem 1. August 2020 in den Regelbetrieb übergangen ist. Zum einen muss die zum Einsatz kommende Gesichtserkennungssoftware genauestens auf ihre juristische und technische Ausführung geprüft werden, um sicherzustellen, dass sie mit den Grundsätzen unserer Demokratie übereinstimmt. Zum anderen ist es aus demokratiepolitischer Sicht unerlässlich, die notwendige Technikfolgenabschätzung als auch Verhältnismäßigkeitsprüfung öffentlich zu diskutieren und die interessierte Bevölkerung, als auch das Parlament, zu involvieren.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende 

ANFRAGE

1.    Aus vorhergehenden Anfragebeantwortungen geht hervor, dass die Algorithmen, auf welchen die Gesichtserkennungssoftware basiert, zu den Betriebsgeheimnissen des Herstellers, der Firma Atos IT Solutions and Services, gehören und deshalb nicht offengelegt werden können. Sind dem Bundesministerium für Inneres selbst die Algorithmen bekannt?

 

a.    Wenn ja: wurden die Algorithmen intern einer Technikfolgenabschätzung unterzogen?

b.    Wenn ja: wann und wo werden die Ergebnisse einer Technikfolgenabschätzung präsentiert?

c.    Wenn nein: wurde eine Offenlegung der Algorithmen verlangt und wann wird eine Technikfolgenabschätzung durchgeführt?

 

2.    Der automatische Abgleich, wie mit der Gesichtserkennungssoftware möglich, stellt im Vergleich zur manuellen Datenauswertung eine neue Dimension des Grundrechtseingriffs dar. Wird vor jedem Abgleich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt?

 

a.    Wenn ja: wer führt diese durch? Wird der Rechtsschutzbeauftragte involviert?

 

3.    Programme wie die Gesichtserkennungssoftware müssen zunächst mit bereits vorhandenen Datensätzen angelernt werden. Ist dem Bundesministerium für Inneres die dafür verwendete Datenbasis bekannt?

 

a.    Wenn ja: um welchen Datensatz handelt es sich?

b.    Wenn ja: woher stammt dieser Datensatz?

c.    Wenn ja: wurde der Datensatz gesichtet und auf mögliche vordefinierte Biases überprüft?

d.    Wenn nein: wann hat das BMI vor, den Datensatz zu prüfen?

 

4.    Handelt es sich bei der Gesichtserkennungssoftware um ein lernendes System? Wird der Datensatz, welcher für das Anlernen der Software verwendet wurde, fortlaufend ergänzt?

 

a.    Wenn ja: besteht für die Firma Atos IT Solutions and Services die Möglichkeit, auf die neuen Datensätze und damit womöglich indirekt auf die Erkennungsdienstliche Evidenz zuzugreifen?

b.    Wenn ja: Werden österreichische Datensätze dadurch (indirekt) anderen Ländern zur Verfügung gestellt, die dasselbe Programm nutzen?

 

5.    Wurde vor Ankauf und Inbetriebnahme der in Österreich verwendeten Software eine Arbeitsgruppe (abseits der Arbeitsgruppe zur Evaluierung des Prümer Datenverbundsystems) eingerichtet, die international bereits existierende Modelle im Bereich der Gesichtserkennungssoftware untersucht hat?

 

a.    Wenn ja: welche Personen waren in dieser Arbeitsgruppe involviert? Wurden externe Expertinnen und Experten zu Rate gezogen?

b.    Wenn ja: hat die Arbeitsgruppe eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Gesichtserkennungssoftware durchgeführt?

c.    Wenn ja: wo wurden die Ergebnisse publiziert?

d.    Wenn ja: welche internationalen Modelle wurden zur Entscheidungsfindung herangezogen?

e.    Wenn nein: wieso wurde verabsäumt, auf bereits existierende Erfahrungen, wie beispielsweise aus Großbritannien, zurückzugreifen?

 

6.    Während der Ratspräsidentschaft sah Österreich einen Schwerpunkt auf der Ausarbeitung eines internationalen Datenverbunds von Gesichtserkennungsdaten wie auch einen leichteren Abgleich biometrischer Daten innerhalb der EU und übernahm die Koordinierung und Leitung der Arbeitsgruppe. Strebt das österreichisches Innenministerium einen Ausbau der Überwachung in Europa an?

 

7.    Wie wird technisch sichergestellt, dass die verwendete Gesichtserkennungssoftware lediglich auf die Zentrale Erkennungsdienstliche Evidenz zugreifen kann und nicht auf weitere Datenbanken, welche im Bundesministerium für Inneres geführt werden? 

 

8.    Ist beabsichtigt, die Gesichtserkennungssoftware auch automatisiert mit Nutzerprofilen auf Sozialen Netzwerken (z.B. Facebook) abzugleichen?

a.        Wenn nein: Erfolgt ein manueller Abgleich mit Sozialen Netzwerken?

 

9.    Aus der Anfragebeantwortung 2662/AB XXVII. GP zur Anfrage „Erkenntnisse aus dem Testbetrieb des Gesichtserkennungssystems“ geht hervor, dass es bisher in 582 Fällen zu einem Abgleich mit der Gesichtserkennungssoftware kam. Aufgrund welcher Delikte wurde gegen die beschuldigten Personen jeweils ermittelt? Bitte um eine Aufgliederung der Delikte samt Strafdrohung.

 

10. Aus der Anfragebeantwortung     2662/AB XXVII. GP zur Anfrage „Erkenntnisse aus dem Testbetrieb des Gesichtserkennungssystems“ geht hervor, dass es in 83 Fällen durch den Einsatz der Gesichtserkennungssoftware zu einer Identifizierung des Täters/der Täterin kam.

 

a.    Um welche Delikte handelt es sich? Bitte um eine Aufgliederung der Delikte samt Strafdrohung.

b.    Wie viele false positive Ergebnisse lagen während der Ermittlungen vor?

 

11. Wie groß ist die durchschnittliche effektive Zeitersparnis durch das Einsetzen der Gesichtserkennungssoftware für die Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamten?

 

12. Wo werden die Suchergebnisse, welche mittels der Gesichtserkennungssoftware erzielt werden, während des Ermittlungsverfahrens gespeichert? Wer hat auf diese Suchergebnisse Zugriff?

 

13. Können nach Einsatz der Gesichtserkennungssoftware und nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens Suchergebnisse gespeichert und durch Verknüpfung der Suchergebnisse Profile der betroffenen Personen angelegt werden? 

 

a.    Wenn ja: wo werden die Suchergebnisse gespeichert?

b.    Wenn ja: welche Personen haben Zugriff auf die Suchergebnisse?

c.    Wenn ja: werden derartige Profile angelegt?

d.    Wenn ja: wo werden die Profile gespeichert?

e.    Wenn ja: welche Personen haben Zugriff auf die Profile?

 

14. Können die Suchergebnisse, die mittels der Gesichtserkennungssoftware während eines Ermittlungsverfahrens erzielt wurden, technisch mit anderen, noch offenen, Ermittlungsverfahren in Verbindung gebracht werden?

 

15. Wann werden die Suchergebnisse gelöscht?

 

16. Auf Basis welcher allgemeiner sicherheitspolizeilicher Bestimmungen wird die Gesichtserkennungssoftware verwendet? Welche weiteren gesetzlichen Bestimmungen sind relevant? Bitte um Auflistung der genauen gesetzlichen Bestimmungen.