3575/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.09.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, DI Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Thomas Schmids Rolle in Planung und Ausverhandlung der Borealis-Übernahme

Im März 2020 stockte die ÖBAG-Gesellschaft OMV ihre Anteile am Kunststoff-Spezialisten Borealis von 36 auf 75 Prozent auf. Der Deal mit dem Staatsfonds Mubdala aus Abu Dhabi, der knapp 25 Prozent an der OMV hält, markiert die teuerste Übernahme in Österreichs Industriegeschichte, für den Erwerb weiterer 39 Prozent nimmt die OMV 4,1 Mrd. Euro in die Hand. Die Finanzierung erfordert allerdings Einsparungen in der Höhe von 1,5 Mrd. Euro, eine Kürzung des Investitionsvolumens um 500 Mio. Euro und eine Senkung der operativen Kosten um 200 Mio. Euro.

In einer Aussendung vom 12. März 2020, einen Tag nachdem der Deal in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung abgesegnet worden war, pries OMV-Vorstandsvorsitzender Rainer Seele den Zukauf und versprach unter anderem eine sofortige Steigerung des Gewinns pro Aktie. Seither ist der Aktienkurs der OMV jedoch eingebrochen. Anfang 2020 stand er noch bei rund 50 Euro, inzwischen liegt der Wert einer Aktie bei nur rund 30 Euro. Am 18. März erreichte der Kurs ein Rekordtief von 16 Euro pro Aktie.  

Ein Teil des Kursverlustes ist wohl durchaus auf die Folgen der Corona-Pandemie und Wirren um den Ölpreis im ersten Halbjahr zurückzuführen. Die Borealis-Übernahme wurde allerdings als Diversifizierung der OMV weg vom reinen Erdölkonzern gepriesen, durch welche die Marktkapitalisierung des teilstaatlichen Mineralölkonzerns in Krisenzeiten stabilisiert werden sollte. 

Angesichts dieser düsteren Entwicklung muss im Interesse der Steuerzahler_innen aufgeklärt werden, wer die im Eiltempo abgewickelte Übernahme mit welchen Motiven vorangetrieben hat. Zudem stellt sich die Frage, warum zwischen "Signing" und "Closing" des 4-Milliarden-Geschäfts keine Preisanpassung vorgenommen wurde, obwohl am Ölmarkt markante Schwankungen zu verzeichnen waren - und in weiter Folge, ob der vereinbarte Kaufpreis für 39 Prozent der Anteile angemessen ist. Unklar ist auch, warum die OMV mit einem Schlag auf 75 Prozent aufstocken musste: Weitere 15 Prozent hätten gereicht, um vorerst die Mehrheitseigentümerschaft zu übernehmen - ohne zusätzliche Risiken, die am Ende auf Kosten des Staatshaushalts und der Steuerzahler_innen gehen könnten. 

Von öffentlicher Seite kann diese Fragen neben dem BMF nur ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid ausführlich beantworten. Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der OMV hat er die Tischvorlage begutachtet und die Übernahme im Namen der Republik mitgetragen. Im “Ibiza”-Untersuchungsausschuss bestätigte er, gemeinsam mit dem OMV-Chef auch nach Abu Dhabi gereist zu sein. Bekannt ist, dass Seele und Schmid im März 2019 zusammen mit Sebastian Kurz und Rene Benko nach Abu Dhabi gereist waren. Am 14. Mai 2019 wurde Schmid in den OMV-Aufsichtsrat bestellt. Wenige Tage später platzte die türkis-blaue Bundesregierung. 

Seele sagte wiederum aus, dass er mit Schmid bereits in Kontakt gewesen sei, bevor dieser in den OMV-Aufsichtsrat einzog. Die von Schmid als Kabinettschef und Generalsekretär im BMF angestrebte und verantwortete Umwandlung der ÖBIB in die ÖBAG begrüße er “außerordentlich“. Da die staatliche Beteiligungsagentur nun direkt im Aufsichtsrat vertreten ist, erfolge die “Kommunikation direkt“. „Die Position der ÖBAG wird nun sehr deutlich formuliert“, so der OMV-Chef im Untersuchungsausschuss. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wann wurde das Finanzministerium erstmals von Ideen zur Übernahme der Bolearis AG in Kenntnis gesetzt? 

a.    Wer hat das Finanzministerium davon in Kenntnis gesetzt?  

2.    Wurden die Positionen des Finanzministeriums und der ÖBAG zu den Verhandlungsergebnissen des OMV-Vorstands miteinander abgestimmt? 

3.    Gab es im Vorfeld Meetings zwischen ÖBAG-Vertreter_innen und Mitarbeiter_innen des Finanzministeriums oder des Ministerkabinetts, in denen der Borealis-Kauf Thema war? 

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung der Termindaten und Namen der Teilnehmer_innen.  

4.    Gab es im Vorfeld interne Meetings im Finanzministerium oder Ministerkabinett, in denen der Borealis-Kauf Thema war? 

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung der Termindaten und Namen der Teilnehmer_innen.  

5.    War der Borealis-Kauf jemals Thema auf Reisen von Wirtschaftsdelegationen, an denen Vertreter_innen der OMV und des Finanzministeriums teilnahmen? 

a.    Wenn ja, war bei diesen Reisen auch der ÖBAG-Vorstand vertreten? 

6.    Hat der Finanzminister sich jemals direkt mit OMV-Vorstand Thomas Schmid über die Idee weitere Borealis-Anteile zu kaufen ausgetauscht? 

a.    Wenn ja, welche Position hat der Finanzminister gegenüber dem OMV-Vorstand vertreten?

7.    Hat der Finanzminister sich jemals mit OMV-Aufsichtsräten über die Idee weitere Borealis-Anteile zu kaufen ausgetauscht? 

a.    Wenn ja, mit wem und welche Position hat der Finanzminister gegenüber ihnen vertreten?

8.    War Thomas Schmid als Kabinettschef und Generalsekretär im BMF aktiv in die Planung und Ausverhandlung der Borealis-Übernahme involviert? 

9.    War Thomas Schmid als ÖBAG-Vorstand und OMV-Aufsichtsrat aktiv in die Planung und Ausverhandlung der Borealis-Übernahme involviert?

10. Hat Thomas Schmid Inhalte der Tischvorlage mit dem Finanzminister, seinem Kabinett oder anderen Mitarbeiter_innen des BMF geteilt? 

11. Sind nach Sichtung der Tischvorlage seitens der ÖBAG oder des BMF Abänderungen gefordert worden? 

a.    Wenn ja, welche waren das konkret und wurden sie vorgenommen?