3631/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.10.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Besuche in Somaliland

Auf einem Facebook Video von Mitte September sagte Bundeskanzler Kurz, er sei von Besuchen (Plural) in Flüchtlingslagern in Somaliland in seiner Haltung zum Flüchtlingsmisere geprägt worden. Im Plenum des Nationalrats am 23. September wiederholte er die Bedeutung der Eindrücke aus Somaliland auf seine politischen Ansichten und forderte Abg.z.NR Meinl-Reisinger auf, ihn einmal ebendorthin zu begleiten. 

Österreich erkennt Somaliland genauso wenig an, wie die große Mehrheit des Rests der Welt. Somaliland gilt als eine von Somalia abtrünnige Provinz. Die Austrian Development Agency führt Somaliland nicht als Hilfsempfänger; das BMEIA erwähnt die abtrünnige Provinz auf seiner Webseite zwei Mal: (1) Für westliche Staatsangehörige besteht in ganz Somalia (dies gilt auch für Somaliland und Puntland) ein sehr hohes Entführungsrisiko, ausländische Staatsangehörige werden auch immer [...] (2) […] Großraums Mogadischu, wobei jedoch auch in den anderen Landesteilen wie Puntland (Nordosten) und Somaliland (Norden) mit extremer Unsicherheit, Entführungen sowie Terror- und Selbstmordanschlägen gerechnet […] 

Im Außen- und Europapolitischen Bericht sowohl für 2018 and 2019 wird Somaliland nur einmal erwähnt, mit dem jeweils identischen Satz: "Somaliland, das sich 1991 für unabhängig erklärt hat, nimmt an der politischen Willensbildung in Somalia nicht teil."

Auch ein Besuch Somalias erscheint problematisch, da dieser Staat  ein extremes Sicherheitsrisiko birgt und laut BMEIA die Terrormiliz al-Shabaab ungebrochen ist und "Angriffe [...] an der Tagesordnung [stehen]." Auch stellt das BMEIA fest, dass Reisen nach Somalia auf eigene Gefahr durchgeführt werden müssen, da keine konsularische Hilfe gewährleistet werden kann. 

Auch konnte auf den Webseiten des BKA und BMEIA kein Somalia- (oder Somaliland-) Besuch von Sebastian Kurz, als Kanzler oder in seiner Funktion als Außenminister oder Staatssekretär, gefunden werden. Die einzige dort aufgeführte Reise in ein Flüchtlingslager war eine aus dem Jahr 2018, und zwar in das österreichische EZA Fokusland Äthiopien, ein Nachbarland Somalias. Im Zuge dieser Reise besuchte der Kanzler ein Flüchtlingslager in der äthiopischen Provinz Somali/Ogaden. Das Lager lag etwa 100km von Somalia und der somalischen Provinz Somaliland entfernt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1. Wann fanden die Besuche in Somaliland statt? 

2. Wie viele Besuche in Somaliland hat Sebastian Kurz in seinen verschiedenen Regierungspositionen absolviert?

3. Wie wurde diese Besuche ob der prekären Sicherheitslage und der mangelnden Kontrolle der somalischen Regierung Somaliland organisiert?

a. Wurden die Besuche von der anerkannten somalischen Regierung organisiert?

b. Wenn nein, hat die österreichische Bundesregierung die Regierung (oder die dominanten Milizen) eines von Österreich nicht anerkannten, selbsternannten Staats mit der Organisation und der Sicherheit des Kanzlerbesuchs betraut?

i.Wenn ja, sind solche Kontakte zu nicht-anerkannten Regierungen gängige Praxis?

ii.Wenn ja, hat diese Vorgehensweise bei der anerkannten Regierung zu Reaktionen oder Protesten geführt.

iii.Hat der Kanzler andere von Österreich nicht anerkannte abtrünnige Territorien besucht, und wenn ja, welche?

4. Der Kanzler erklärte, dass die Besuche seine Einstellung zur Hilfe vor Ort geprägt hätten. Das einzige bekannte Hilfsprojekt in Somaliland ist die Unterstützung eines NGOs in Burao, Somaliland. Die Black Women’s Health and Family Support wurde dort bei einem "Projekt Nähmaschine" gegen Gewalt gegen Frauen unterstützt. Das einzige darauf hinweisende Dokument stammt aus 2008. Österreich wird auf der Webseite der Organisation heute nicht erwähnt. Welche Projekte in Somaliland hat Kanzler Kurz aufgrund seiner Besuche in Somaliland ins Leben gerufen?

a. Bitte um Auflistung der Projekte sowie der Budgets.