3637/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.10.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Einreise von Belarus-Diktator Lukaschenko nach Österreich trotz Kontaktverbot im Jahr 2002

 

 

Im Jahr 2002 wurde der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, vom Österreichischen Olympischen Comité nach Tirol eingeladen und dort großzügigst bewirtet. Rechnungen in Gesamtsumme von über 200.000 Euro liegen NEOS vor und bilden die Grundlage für eine parlamentarische Anfrage an den Sportminister (3449/J). 

Lukaschenko regiert Belarus seit 1994 streng autoritär und gilt als der letzte Diktator Europas. Sein Regime verhängt als einziges europäisches Land noch die Todesstrafe, Wahlen werden routinemäßig verfälscht und Oppositionelle an der Teilnahme gehindert und schikaniert. Politische Korruption ist weitläufig. Daher gibt es auf europäischer Ebene seit geraumer Zeit Sanktionen gegen das Regime. Auf europäischer Ebene gab es zum Zeitpunkt des Besuchs von Lukaschenko im Jahr 2002 sogar ein Kontaktverbot auf Regierungsebene (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lukaschenko-urlaub-in-oesterreich-der-besuch-des-diktators-1.1009466). 

Die Bundesregierung unterstützt gegenwärtig europäische Sanktionen gegen Personen aus Belarus, die an Menschenrechtsverletzung, Gewalt und Wahlbetrug beteiligt sind. Ein Vierparteienantrag (ÖVP, SPÖ, Grüne, NEOS) aus dem Plenum vom 23.9.2020 verlangt: "Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht, auf europäischer Ebene die Sanktionen gegen Personen, die für Gewalt, Unterdrückung und Wahlbetrug in Belarus verantwortlich sind, zu unterstützen, laufend genau zu evaluieren/überprüfen und gegebenenfalls auch für eine Erweiterung einzutreten." 

Ein weiterer Antrag der Regierungsparteien aus dem selben Plenum mit dem Titel "EU Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie" will "sich auf EU-Ebene für die Einführung einer unionsweit geltenden Regelung für Sanktionen bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Menschenrechte" einsetzen.

Dass Lukaschenko trotz Kontaktverbotes im Jahr 2002 auf Einladung des ÖOC in Österreich feiern durfte (Partyrechnungen über 40.000 Euro liegen NEOS vor), ist daher befremdlich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Ist es korrekt, dass zum Zeitpunkt des Lukaschenko-Besuchs in Tirol (März 2002) bereits das EU- weite Kontaktverbot auf Regierungsebene gegen das Regime in Belarus bestand?

a.    Wenn ja, mit welcher Begründung wurde Lukaschenko die Einreise bewilligt?

2.    Medienberichte besagen, dass Lukaschenko aufgrund einer Privateinladung des ÖOC das Kontaktverbot umgehen konnte. Ist es Usus, Sanktionen gegen Regierungsmitglieder nicht anzuwenden, wenn diese als Privatpersonen ein Einreiseansuchen stellen?

3.    Ist es Usus, Sanktionen gegen Regierungsmitglieder nicht anzuwenden, wenn diese nicht in ihrer Hauptfunktion (in diesem Fall Staatspräsident) einreisen wollen, sondern in einer Nebenfunktion (in diesem Fall als Vorsitzender des Nationalen Weißrussischen Olympischen Komitees), auch wenn letztere in Zusammenhang mit der Hauptregierungsfunktion steht?

4.    Auf wessen Ansuchen wurde Lukaschenkos Einreise nach Österreich bewilligt?

a.    Wer stellte den Antrag?

b.    Wer im Ministerium hat den Antrag bewilligt?

c.    Gab es Unterstützung aus Bundesregierung oder Landesregierung?

                                      i.Mit wem hatte das Außenministerium in dieser Causa Kontakt? Bitte um Auflistung der einschlägigen Korrespondenz und Schriftvermerke.

d.    Welche Begründung wurde für den Antrag auf Einreisebewilligung vorgebracht?

5.    Lukaschenko war 2019 in Österreich auf Staatsbesuch. Aus welchen Gründen wurde der letzte Diktator Europas damals in Wien empfangen?

6.    Die Bundesregierung unterstützt im Moment auf europäischer Ebene Sanktionen gegen Menschenrechtsverletzer und Demokratieunterdrücker (siehe Begründung). Wäre es unter dem Fokus auf Menschenrechte der gegenwärtigen Regierung möglich, Lukaschenko die Einreise nach Österreich zu gewähren?