3655/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.10.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Thomas Drozda,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend den Verkauf von 51% der Gas Connect Austria GesmbH (GCA) durch die OMV AG an die Verbund AG.

Die OMV hat bereits im Dezember 2016 einen 49%-Anteil an der Gas-Pipelinetochter Gas Connect Austria GmbH an ein Konsortium bestehend aus Allianz und Snam verkauft. Seit März 2020 verhandelte die OMV exklusiv mit Österreichs größtem Stromkonzern Verbund AG über den Kauf des verbleibenden 51%-Anteils an der GCA.

Die Gas Connect sei kein strategisches Geschäft der OMV, "wir müssen nicht selbst Operator sein", sagte OMV Vorstand Rainer Seele Anfang Mai 2020. Das sahen die bisherigen Vorstandsvorsitzenden der OMV die vergangenen 60 Jahre anders.

Die OMV AG ist gemeinsam mit ihren Beteiligungen ein wichtiger Leitbetrieb für den Wirtschaftsstandort Österreich. Die Republik Österreich ist mit 31,5% größter Aktionär der OMV AG. Diese Anteile werden von der ÖBAG gehalten und verwaltet, sie übt auch die Anteilsrechte aus.

Laut ÖBAG-Gesetz werden die Eigentümerrechte des Bundes an der ÖBAG durch den Bundesminister für Finanzen ausgeübt. Der Vorstand der ÖBAG ist unter Einhaltung der aktienrechtlichen und börsenrechtlichen Bestimmungen verpflichtet, dem Bundesminister für Finanzen jederzeit über alle wesentlichen Angelegenheiten und Entscheidungen zu berichten und über Aufforderung des Bundesministers für Finanzen sämtliche Information unverzüglich zur Verfügung zu stellen.

Alleinvorstand der ÖBAG ist MMag. Thomas Schmid (bestellt durch den Finanzminister).

Auch bei der OMV AG sitzt Herr MMag. Thomas Schmid im Aufsichtsrat.

Die Republik Österreich ist aber auch mit 51% größter Aktionär der Verbund AG. Die Anteile der Republik werden im Aufsichtsrat der Verbund AG ebenso durch MMag. Thomas Schmid als Aufsichtsratsvorsitzenden vertreten.

Der Verbund ist nun bereit der OMV für die 51% -Mehrheit an der GCA 271 Mio. Euro zu zahlen und übernimmt weiters Verbindlichkeiten in der Höhe von ca. 165,9 Mio. Euro welche die GCA gegenüber der OMV hat (der genaue Betrag soll erst bei Finalisierung des Deals nach Vorliegen aller behördlichen Genehmigungen feststehen).

Aus dem Kaufpreis ergibt sich derzeit ein Unternehmenswert von 980 Mio. Euro für 100 Prozent einer schuldenfreien GCA. Bei der OMV soll die Transaktion die Verschuldung um über 570 Mio. Euro reduzieren. Dem gegenüber wird ein freier Cash Flow der künftigen Tochter GCA mit jährlich zumindest 20 Mio. Euro pro Jahr erwartet. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) der GCA soll 2019 knapp 130 Mio. Euro betragen haben.

Aus diesem Grund richten die Unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende Anfrage:

1)      Das Geschäftsmodell der GCA stellte in den vergangenen Jahrzehnten einen verlässlichen Beitrag zum konsolidierten Cash Flow der OMV Gruppe dar. Auf Basis welcher Informationen und wirtschaftlichen Annahmen, erfolgt die Entscheidung des Aufsichtsrates bzw. der Eigentumsvertreter der OMV AG, die Anteile an der GCA zu veräußern?

2)      Wann, wie und durch wen wurden österreichische Regierungsvertreter über den geplanten Verkauf des 51%-Anteils an der GCA informiert?

3)      Wann wurden Sie über die Verkaufsabsichten informiert?

4)      Haben Sie mit dem Herrn Bundeskanzler, Herrn Thomas Schmid oder Herrn Rainer Seele zum Thema Gas Connect Austria Gespräche?

5)      Herr MMag. Thomas Schmid vertritt beim Verkauf der GCA als Alleinvorstand die OMV Eigentümerin ÖBAG und gleichzeitig als Aufsichtsratsvorsitzender den Käufer Verbund AG. Wenn ein Vertreter beide Parteien eines Vertrags vertritt (Doppelvertretung) liegt ein Insichgeschäft vor. Wie können Sie beim GCA Verkauf sicherstellen, dass die Interessen beider Vertretenen ÖBAG und Verbund AG optimal wahrgenommen werden und keine Interessenkollision vorliegt?

6)      Der Kaufpreis der Mubadala-Anteile an der Borealis Gruppe durch die OMV um rund 4,1 Mrd. Euro entspricht rund dem halben Wert der gesamten OMV Gruppe. Um diese Transaktion in Zeiten von Umsatzrückgang und sinkenden Cash Flows zu finanzieren, betreibt Vorstand Rainer Seele den Verkauf von historischen Kernelementen der teilstaatlichen OMV, wie der Gasdrehscheibe Baumgarten sowie dem deutschen Tankstellennetz und begibt weiters Anleihen in Milliardenhöhe. Erfolgte der Kauf der Anteile an der Borealis Gruppe laut Einschätzung des ÖBAG-Aufsichtsrates und damit Hüter der Interessen der Republik zu einem gerechtfertigten Preis und zur richtigen Zeit?

7)      Auf Basis welcher wirtschaftlichen Prognose, erfolgt die Entscheidung der Eigentumsvertreter der Verbund AG, die Anteile an der GCA als "Stabilisator der Erlöse" zu erwerben?

8)      Beim jüngsten Verkauf des Tankstellennetz der OMV in Deutschland, sollen sich 20 Interessenten gemeldet haben. Welche anderen Anbieter, außer der Verbund AG, zeigten Interesse am Erwerb der GCA und auf Basis welcher Bewertung?

9)      Wie wurde der Kaufpreis von 436,9 Mio. Euro für den Anteil von 51% an der GCA ermittelt?

10)   Die GCA übernahm bisher vorwiegend russisches Erdgas über die seit Jahrzehnten bestehende Jamal- sowie Transgaz-Pipeline durch die Ukraine, die Slowakei sowie Tschechien und Polen. Wie wird die Wahl des Zeitpunktes der Transaktion, vor dem Hintergrund der Fertigstellung von Nord

Stream 2 und den damit einhergehenden substantiell reduzierten Gastransit für die GCA argumentiert?

11)  Mit einer vermarkteten Transportmenge Entry/Exit von 143 Mrd. Kubikmetern, im Jahr 2018, war die GCA bisher eine bedeutende Drehscheibe in Zentraleuropa. Rund 40 Mrd. Kubikmeter Erdgas flössen jährlich alleine durch die Station Baumgarten aber nur rund 20% davon dienten der Versorgung Österreichs. Welche Auswirkungen wird der Wegfall, der künftig über Nord Stream 2 direkt nach Norddeutschland gelieferten Gasmengen, auf den Ertrag der GCA haben?

12)  Rainer Seele hat versichert, dass die Übernahme der GCA durch den Verbund keinerlei Auswirkungen auf die Transsportverträge zwischen OMV und GCA hätte. Wie kann dies sein, wenn das russische Gas künftig über die Nord Stream 2 nach Österreich fließt?

13)  Der in den vergangenen Monaten - auch bereits vor der Coronakrise - stark gefallene Öl- sowie Gaspreis, lässt substantiell geringere Erträge aus dem Transitgeschäft der GCA erwarten. Ist dieser Umstand bei der Bewertung der GCA berücksichtigt worden?

14)  Wurde der zur Kaufpreisermittlung unterstellte EBITDA aus dem Jahr 2019 um den künftig zu erwartenden geringeren Cash Flow bereinigt?

15)  Wurde bei dieser Investitionsentscheidung das gestiegene Marktrisiko durch den Einbruch beim Gaspreis, als auch den Gasliefermengen, durch die geringere Nachfrage (Coronakrise) berücksichtigt?

16)  Die GCA beschäftigt derzeit rund 280 Mitarbeiter. Können Sie ausschließen, dass durch die Übernahme und das künftig geringere Transitvolumen durch die Fertigstellung von Nord Stream 2, Arbeitsplätze an den Standorten der GCA verloren gehen?

17)  Der künftige Verbund-Chef Michael Strugl argumentiert den Erwerb der GCA damit, dass künftig große Mengen Wasserstoff über das Gasnetz transportiert werden könnten. Er räumt aber selbst ein, dass dies "noch Zukunftsmusik" sei und "nicht vor 2030" realisiert würde. Wurde der bis dahin zu erwartende geringere Cash Flow in den Jahren 2020 bis 2030 (durch den Wegfall der Gastransitmenge durch die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 und der noch nicht vorhandenen Wasserstofftransit bis 2030) bei der Kaufentscheidung berücksichtigt?

18)  Die Vision, das Gasnetzwerk der GCA in Zukunft zum Transport großer Mengen Wasserstoff zu verwenden, unterstellt die wirtschaftliche Produktion großer Mengen Wasserstoff, in wenigen großen Industrieanlagen. Welche Anlagen mit welcher Kapazität und an welchen Orten wurden hier angenommen?

19)  Die Vision, das Gasnetzwerk der GCA in Zukunft zum Transport großer Mengen Wasserstoff zu verwenden, unterstellt die wirtschaftliche Distribution zu wenigen Orten hohen Bedarfs oder zu

vielen Orten mit geringerem Bedarf an Wasserstoff. Welche Abnehmerstruktur, mit welchem Bedarf und an welchen Orten wurde hier angenommen?

20)  Über welche europäischen Wasserstoffleitungen, unter Beteiligung der GCA, könnte mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff "von Skandinavien bis nach Süditalien fließen"?

21)  Wie weit sind die politischen Verhandlungen zu europäischen Wasserstoffleitungen auf EU- Ebene und was ist Österreichs Position?

22)  Welches Investitionsvolumen plant die GCA bzw. deren Eigentumsvertreter zur Vorbereitung auf diese europäische Wasserstoffstrategie, in welchem Zeitraum und mit welchen konkreten Maßnahmen (adaptierte Netzstrukturen und Messeinrichtungen, Abstimmungen mit angrenzenden Netzbetreibern)?

23)  Wird die Verbund AG zur Finanzierung des GCA-Zukaufs Anleihen begeben?

24)  Wie beurteilen Sie als Eigentumsvertreter des Bundes und damit Hüter der Interessen der Republik, die Wertentwicklung des von der ÖBAG gehaltenen Aktienpaketes an der OMV Gruppe, welches im vergangenen Jahr rund die Hälfte seines Wertes verlor?