3661/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.10.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe

 

In der Nacht vom 8. zum 9. September brannte das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos bis auf den Boden ab. Etwa 13.000 Menschen wurden mit einem Schlag obdachlos und verloren den kärglichen Rest ihrer Flüchtlings-Existenz. Österreich reagierte schnell und verweigerte die Aufnahme von Menschen aus Moria. Ein Argument war, dass rasche Hilfe vor Ort wichtiger sei als eine Symbolpolitik, die die Aufnahme von Menschen – selbst Kindern – aus Elendslagern darstellen würde. Minister Schallenberg erklärte am 29.9. im Außenpolitischen Ausschuss sogar, dass unsere Hilfe tausendmal schneller Anwendung finden werde, als das erste Kind umgesiedelt. (Die ersten 139 Flüchtlinge kamen einen Tag nach dieser Prognose, am 30.9., in Deutschland an.)

Genau eine Woche nach dem Brand flog Innenminister Nehammer nach Griechenland. Höchstpersönlich brachte er 55 Tonnen an Hilfsgütern mit und präsentierte diese vor Ort den (teilweise auf Ministeriumskosten mitgereisten) Medien. Die Lieferung beinhaltete 400 Familienzelte und 400 Beleuchtungen, 200 Zeltheizungen, 7400 Decken, 2700 aufblasbare Polster und Matratzen sowie Bettwäsche und 2000 Hygienepakete.

Auch wurde erklärt, dass das BMI eines der größten Transportflugzeuge der Welt, eine Antonow 124 angemietet hatte, um die 55 Tonnen, 300 Kubikmeter und 150 Paletten rasch liefern zu können. Laut APA wäre die bundesheereigene Hercules acht Mal unterwegs gewesen, um die Güter auszuliefern. Und bei Katastrophenhilfe zählt eben Geschwindigkeit.

Unmittelbar nach der medial wirksamen Ankunft des Ministers, der Antonov und der Hilfsgüter kamen letztere (themengerecht) vor Ort in ein Lager. Aber nicht in das selbe wie die Flüchtlinge, wie sich herausstellte. 

Etwa drei Wochen nach dem Brand und zwei Wochen nach der raschen Lieferung begannen NGOs vor Ort zu monieren, dass die Hilfsgüter noch nicht vor Ort eingelangt waren. Verschiedene Anfragen bestätigten, dass sie immer noch in einem Lager in Athen auf Weiterverteilung warteten. Im Außenpolitischen Ausschuss am 29.9. bestätigte Minister Schallenberg, dass die Hilfe noch auf Auslieferung wartete, stellte aber fest, dass Österreich sie bereitgestellt hatte und nun die griechischen Behörden die Verteilung zu bewerkstelligen hätten. Die österreichische Botschafterin in Athen, Hermine Poppeller, erklärte Ö1, dass die griechischen Behörden erst im Begriff wären, den Boden aufzubereiten, um die Zelte auch regen- und winterfest zu machen.

Auch Hygienepakete, für die keine baulichen Vorbereitungen notwendig sind und die laut Hilfsorganisationen dringend benötigt würden, werden laut Botschafterin Poppeller tranchenweise ausgeliefert. Anfangsdatum dieser Auslieferungen wurde keines genannt. Und die Repräsentantin des Österreichischen Roten Kreuzes bezeichnete die Infrastruktur in dem neu aufgebauten Flüchtlingslager Kara Tepe als "sehr, sehr, sehr rudimentär". Zum Beispiel gebe es noch keine einzige Dusche. Das Rote Kreuz fasste die Situation gegenüber Ö1 zusammen, dass es in den Lagern "an fast allem" fehlt.

Da die griechischen Behörden offensichtlich nicht in der Lage sind, Österreichs Soforthilfe effektiv einzusetzen (ungeachtet der Frage, wessen Verantwortung dieses Problem ist), ändert sich der Kalkulus zwischen Hilfe vor Ort und Hilfe durch Verteilung von Flüchtlingen. 

Im bereits genannten Ausschuss vom 29.9. sagte der Außenminister, es gehe nicht darum, ob wir helfen, sondern wie wir helfen. Nachdem Österreich aber den Fokus auf "rasch" gesetzt hatte, scheint es bedenklich dass die Hilfe offensichtlich nicht geeignet war, den vom Brand Betroffenen rasch zu helfen. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    War das BMI das verantwortliche Ministerium für diese Hilfslieferung?

a.    Wenn nicht, welches Ministerium verantwortete stattdessen diese Hilfslieferung?

2.    Wie hoch waren die Gesamtkosten der Flüge von Wien nach Athen und retour?

3.    Weshalb wurden die Hilfsgüter nach Athen und nicht direkt auf die Insel Lesbos gebracht?

4.    Was wurde mit den griechischen Behörden bzgl. des Weitertransports der Hilfslieferung vereinbart?

5.    Wann genau hat welche griechische Behörden um die Lieferung der Hilfsgüter angefragt?

6.    Wann haben Sie diese zugesagt?

7.    Hat das BMI (oder das andere leitende Ministerium) sich vor der Auslieferung der Hilfe mit den griechischen Behörden abgesprochen, was in der Situation am dringendsten benötigt wird?

a.    Wenn ja, wer in Österreich hat mit wem in Griechenland gesprochen?

b.    Wenn ja, welche Güter wurden als am dringendsten benötigt benannt? 

c.    Wenn ja, warum wurden Güter geliefert, die nicht zu den am dringendsten benötigten zählen? 

8.    War sich das BMI bewusst, dass die großen Zelte nicht sofort verwendet werden können? 

a.    Wenn ja, warum wurden diese dann mit großer Eile und den damit verbundenen hohen Kosten geliefert?

b.    Warum wurden Heizungen, die erst später benötigt werden, sofort mit großer Eile und den damit verbundenen hohen Kosten geliefert?

9.    Wie wurden die 55 Tonnen an Hilfsgütern so schnell zusammengetragen? Wurden diese zugekauft?

a.    Wenn ja, nach welchen gesetzlichen Regelungen? (Ausschreibungen waren in der kurzen Zeit wohl nicht möglich.)

b.    Wenn ja, von welchen Anbieter_innen?

c.    Wenn ja, wie hoch waren die Gesamtkosten der Lieferung?

d.    Wenn nein, aus welchen Beständen kamen diese Zelte, Beleuchtungen, Heizungen, Decken, Polster, Matratzen, Hygienepakete und Bettwäsche?

e.    Wenn nein, was ist der Marktwert der Lieferung?

10. Sanitäreinrichtungen sind neben Lebensmitteln im Katastrophenfall immer die unmittelbar meist benötigten Hilfsgüter. Warum hat Österreich, das ja wiederholt die Wichtigkeit der raschen Hilfe hervorgehoben hat, keine mobilen WCs oder Duschen geliefert, sondern Heizungen, die erst in mehreren Wochen benötigt werden?

11. Minister Schallenberg hat die österreichischen Hilfsleistungen verteidigt, indem er im Außenpolitischen Ausschuss am 29.9. sagte, die bauliche Aufbereitung des neuen Lagers sei die Verantwortung der griechischen Regierung, ebenso wie die Verteilung der angelieferten Hilfsgüter. Da auch dringendst benötigte Güter, wie Hygienepakete, noch nicht verteilt wurden, stellt sich der Verdacht, die griechischen Behörden wären überfordert.

a.    Im Nachhinein gesehen, wäre es besser gewesen, eine Lieferung der verschiedenen Hilfsgüter in Tranchen je nach unmittelbarem Bedarf auszuliefern?

b.    Im Nachhinein gesehen, wäre es besser gewesen, sofort benötigte Hilfsgüter nicht nach Athen, sondern direkt nach Lesbos zu liefern?

12. Wie hoch waren die Kosten für den Transport?

a.    Was kostete die Anmietung der Antonow?

b.    Haben die Mietkosten Flugkosten beinhaltet? Wenn nein, welche zusätzlichen Kosten entstanden aus der Flugzustellung?

c.    Gab bzw. gibt es zusätzliche Kosten, wie z.B. Lagerkosten, Landegebühren etc.? 

                                      i.Wenn ja, wie hoch waren bzw. sind diese?

13. Wie hoch wären die Kosten für den Transport der gesamten 55 Tonnen nach Athen via LKWs gewesen?

14. Wie hoch wären die Kosten pro Flug einer Hercules des Bundesheeres gewesen?

15. Wie hoch wären die Gesamttransportkosten gewesen, wäre der Transport der Hygienepakete mit einer Hercules des Bundesheeres direkt nach Lesbos erfolgt, der Rest der Lieferung mittels LKW nach Athen?

16. Warum haben Sie, Herr Innenminister an diesem Transportflug teilgenommen? Was waren Ihre Aufgaben im Rahmen dieses Flugs?

17. Welche Personen aus dem BMI begleiteten Sie auf dem Flug aufgrund welcher Arbeitsplatzbeschreibung ihrer Position?

a.    Aus welchem Grund begleiteten Sie die jeweiligen Personen?

b.    Fielen dadurch zusätzliche Personalkosten an?

                                      i.Wenn ja, in welchem Umfang?

18. Wie hoch waren die Gesamtkosten für die auf Ministeriumskosten mitgenommenen Medienvertreter_innen?

a.    Welche Vertreter_innen welcher Medien wurden eingeladen und nahmen auch am Flug teil?

b.    Wenn ja, in welchem Umfang?

19. Wie viele für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Personen nahmen an dem Flug teil?

a.    Wenn ja, wie hoch waren die Kosten für diese?

b.    Wurden externe Personen, wie z.Bsp. Fotograf_innen, für den Flug engagiert?

20. Welche sonstigen Personen begleiteten Sie?

a.    Warum jeweils?

b.    Fielen dadurch Kosten an?

21. Wer hat entschieden eine Österreich-Flagge auf den Gütern anzubringen?

a.    Welchen Zweck erfüllte diese Kennzeichnung?

b.    Wurden alle Teile der Lieferung so gekennzeichnet oder nur der für Medien sichtbare Teil?

c.    Wer hat diese Flagge (bzw. die Flaggen) dort angebracht?

d.    Blieb die Flagge (bzw. die Flaggen) in Athen?

22. Fielen weitere zusätzliche Kosten an?

a.    Wenn ja, welche in welcher Höhe wofür?

23. Welche Lehren zieht das BMI aus dieser Sofortlieferung, die sich nun in einem Lager in Athen befindet?