3676/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.10.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim und GenossInnen

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Schließen der Einkommensschere zwischen Frauen und Männern im Hinblick auf steuerliche Maßnahmen im Bereich Öffentliche Abgaben

 

 

Mehr als 100 Jahre dauert der Kampf der Frauen für Einkommensgerechtigkeit in Österreich bereits an. Dennoch ist die Einkommensschere in Österreich immer noch weit geöffnet. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Frauen liegt rund 20% unter jenem der Männer. Das ist der fünfthöchste Wert aller EU-Mitgliedsstaaten. Der Anteil der niedriglohnbeschäftigten Frauen ist dreimal so hoch als jener der Männer.[1]

Diesen Gender-Pay-Gap zu schließen, wird noch Jahrzehnte dauern, wenn es in diesem Tempo weitergeht. Eine aktuelle Studie des EGB rechnet mit rund 30 Jahren[2].

Das Wirkungsziel 2 aus 2019 im Bereich Gleichstellung von Frauen und Männern „Gleichmäßigere Verteilung der Erwerbsarbeit wie auch der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern wird durch das Abgabensystem unterstützt.“ Wurde 2020 ersetzt. Das Gleichstellungsziel lautet nun: „Das Abgabensystem setzt positive Erwerbsanreize zur Erhöhung der Erwerbstätigenquote.“ Womit es zu einer Verschiebung der Prioritätensetzung im Wirkungsziel kommt. Die gesellschaftspolitische Orientierung fällt damit weg.[3]

Der Budgetdienst des Bundes beurteilt dies so: „Ein Ausfluss aus der Änderung dieses Wirkungsziels ist auch eine Anpassung der Indikatoren. Bis 2019 wurde ein Zielwert für den Gender Pay Gap bzw. den Anteil der Frauen an der Teilzeitbeschäftigung definiert, die aus Sicht des Budgetdienstes zentrale Problembereiche bei der Gleichstellung adressieren und für die Messung der Weiterentwicklung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Österreich höchst relevant sind. Diese beiden Indikatoren sind nun entfallen.“

Der Rechnungshof ortet in seinem Bericht „Genderaspekte im Einkommenssteuerrecht mit dem Schwerpunkt Lohnsteuer; Follow-up-Überprüfung“ vom Oktober 2020 daher Handlungsbedarf im Hinblick auf die Beseitigung von geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Arbeitswelt.

Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) betonte in seiner Studie im Auftrag des Finanzministeriums die positive Wirkung des unter SPÖ-ÖVP-Regierung mit der Steuerreform 2015/16 ausgebauten Kinderfreibetrags und der Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten auf das Gleichstellungsziel. Dennoch wurden die beiden Maßnahmen ab 2019 unter ÖVP-FPÖ durch den Familienbonus Plus ersetzt.

Der Rechnungshof sieht außerdem viele Faktoren außerhalb des Einflussbereichs des Ministeriums, wie etwa die Konzentration von Frauen im Niedriglohnsektor, das hohe geschlechtsspezifische Lohngefälle, die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungs­angeboten sowie gegenläufige Anreize in anderen Bereichen, die es zu berücksichtigen gilt und empfiehlt daher eine ressort- und gebietskörperschaftenübergreifende Gleichstellungsstrategie. Alle Stakeholder sollen aktiv einbezogen werden, um das Gleichstellungsziel durch ein gemeinsames und akkordiertes Vorgehen schneller und besser erreichen zu können.[4]

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Finanzen nachstehende:

 

Anfrage

 

1. Wurde eine Durchforstung des Einkommenssteuergesetzes 1988 nach Gender pay-gap-relevanten Bestimmungen durchgeführt?

a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis und wann gelangen entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung?

b) Wenn nein, warum nicht bzw. ist eine solche geplant, bis wann wird sie abgeschlossen sein?

2. Werden Sie entsprechend der Empfehlung des Rechnungshofberichtes auf eine ressort- und gebietskörperschaftenübergreifende Gleichstellungsstrategie hinwirken?

a) Wenn ja, wie und bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

3. Planen Sie die Weiterführung des im Bundesfinanzgesetz 2020 nicht mehr vorgesehenen Indikators „Erwerbstätigenquote auf Vollzeitäquivalenz-Basis“?

a) Wenn ja, bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

4. Planen Sie die Wiedereinführung von Indikatoren zur Messung des Gender pay-gap im Bundesfinanzgesetz?

a) Wenn ja, bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

5. Planen Sie steuerliche Maßnahmen, um negative Erwerbsanreize abzubauen und damit die ungleiche Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern zu verringern?

a) Wenn ja, welche und bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

6. Planen Sie steuerliche Maßnahmen, um positive Erwerbsanreize – wie es der Kinderfreibetrag oder die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten waren - zu setzen und damit das Gleichstellungsziel im Bereich öffentliche Abgaben voranzutreiben?

a) Wenn ja, welche und bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

7. Planen Sie steuerliche Maßnahmen, um die Einkommensschere zu verkleinern?

a) Wenn ja, welche und bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

8. Planen Sie von den elf vom Rechnungshof empfohlenen Maßnahmen im Bereich „Genderaspekte im Einkommenssteuerrecht“, von denen bis Ende 2019 nur zwei umgesetzt waren, weitere umzusetzen?

a) Wenn ja, welche und bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

9. Gibt es eine Evaluierung, wie sich der Familienbonus Plus auf das Gleichstellungsziel im Bereich „Öffentliche Abgaben“ auswirkt?

a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b) Wenn nein, ist eine solche geplant und bis wann?

 

10. Planen Sie eine regelmäßige, stichtagsbezogene und standardisierte Auswertung über die Inanspruchnahme steuerlicher Ausnahmebestimmungen?

a) Wenn ja, bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

11. Planen Sie eine eindeutige Geschlechterzuordnung in allen Grunddaten, um darauf basierend valide geschlechtsspezifische Auswertungen durchführen und steuerungsrelevante Entscheidungen treffen zu können?

a) Wenn ja, bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

12. Planen Sie im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern die steuerlichen Maßnahmen mit Transferleistungen und Familienförderungen abzustimmen?

a) Wenn ja, wie und bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

 

13. Welche Überlegungen lagen der Umbenennung des Wirkungsziels 2 von: „Gleichmäßigere Verteilung der Erwerbsarbeit wie auch der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern wird durch das Abgabensystem unterstützt.“ (2019) zu: „Das Abgabensystem setzt positive Erwerbsanreize zur Erhöhung der Erwerbstätigenquote.“ (2020) zugrunde?



[1] Vgl.: https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Genderaspekte_Lohnsteuer.pdf

[2] Vgl.: Tiroler Tageszeitung, 6.10.2020, S. 17.

[3] Vgl.: https://www.parlament.gv.at/ZUSD/BUDGET/2020/BD_-_UG_16-Oeffentliche_Abgaben_BVA-E_2020.pdf

[4] Vgl.: https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Genderaspekte_Lohnsteuer.pdf