3703/J XXVII. GP

Eingelangt am 08.10.2020
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

betreffend Rind- und Kalbfleischbilligimporte aus den Mercosur-Staaten

 

 

Laut Statistik Austria wies Österreich im Jahr 2019 eine Eigenversorgung mit Rind- und Kalbfleisch von 142 % auf. Somit wären Importe von Rind- und Kalbfleisch nicht notwendig. Trotzdem wurden 61.364 Tonnen importiert.[1] Dieser internationale Handel ist zwar teilweise durch den Bedarf an verschiedenen regionalen Spezialitäten bedingt, dennoch ist er auch auf seine Sinnhaftigkeit und seine ökologische Bilanz zu prüfen. Vieles kann durch heimische Produktion oder durch Lieferanten mit kürzeren Transportwegen ersetzt werden.

 

Ein großer Teil des Rindfleisches kommt aus weit entfernten Märkten auf der anderen Seite der Welt – vor allem aus Brasilien, aber auch aus Argentinien, Paraguay und Uruguay.

 

„Ein französischer Expertenbericht hat vor den ökologischen Konsequenzen des Handelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Staaten gewarnt. Der von der Regierung in Paris in Auftrag gegebene Text weist darauf hin, dass der ohnehin schon stark zerstörte brasilianische Regenwald durch den Deal weiter leiden würde.

Durch die Öffnung des europäischen Marktes für Rindfleisch aus Südamerika würde in den kommenden sechs Jahren eine Waldfläche von jährlich 5 Prozent zerstört. Insgesamt würde das Abkommen einen Ausstoß von zusätzlich 4,7 bis 6,8 Millionen Tonnen CO2 bedeuten. "Wenn dieses Risiko sich bestätigt, dann wäre die Bilanz zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen und den klimatischen Kosten negativ", heißt es in dem 184 Seiten langen Dokument, das unter Leitung von Stefan Ambec von der Toulouse School of Economics verfasst wurde.“[2]

 

Auf der einen Seite ist durch diese Exportwirtschaft die Zerstörung der Natur in den südamerikanischen Ländern zu befürchten, auf der anderen Seite ist die heimische Landwirtschaft stark unter Druck und leidet unter der Konkurrenz durch Billigimporte. Bereits heute ist die EU umsatzmäßig der drittwichtigste Abnehmer von brasilianischen Rindfleisch.[3] Der ökologische Fußabdruck dieser Importe ist mit der heimischen Produktion nicht zu vergleichen. Die Länge der Transportwege, die Umwelt- und Tierwohlstandards sowie die Betriebsgrößen sprechen aus ökologischer Sicht für unsere heimische Produktion.

 

Auch die ökonomische Komponente ist nicht zu vernachlässigen: so bedeuten die Billigimporte aus riesigen Tierfarmen in Südamerika den Tod für unsere kleinbäuerlichen Betriebe. Unsere heimischen Produzenten liefern nicht nur Fleisch in hoher Qualität, produziert zu den strengsten Umwelt- und Tierwohlstandards, gestalten unsere Kulturlandschaft, sondern erhalten die ländlichen Strukturen. Wenn diese Betriebe zusperren, hat es Folgen für den ländlichen Raum –Arbeitsplätze fallen weg, die Kaufkraft am Land sind, die Wertschöpfung verlagert sich in andere Gebiete oder ins Ausland und die Kulturlandschaft, die für den Tourismus wichtig ist, wird nicht mehr gepflegt. Dies alles sollte bei den Entscheidungen – vor allem bei der Preisbildung – eine Rolle spielen. Für eine solche Kostenwahrheit plädierte auch der Wifo-Agrarexperte Franz Sinabell, so verlangte er in einem Interview, dass bei importierten Lebensmitteln auch die Umweltkosten im Preis enthalten sein müssen.[4]

 

Laut der Landwirtschaftskammer Steiermark werden bereits bis zu 50 Prozent der Verkaufsflächen im Gastro-Großhandel mit importiertem Rindfleisch befüllt. Dabei werden hauptsächlich Edelteile angeboten (Lungenbraten, Beiried), welche meist aus Brasilien und Argentinien stammen. Bei den Edelteilen sind die Preisunterschiede zwischen den Importen und der heimischen Produktion tatsächlich auch besonders groß. So gibt es Rindslungenbraten aus Brasilien bereits um 18,69 Euro pro Kilo zu kaufen, österreichischer Lungenbraten ist nicht unter 36 Euro zu haben. [Stand 04.12.2019][5]

 

Die Konsumenten entscheiden oft nach dem Preis. So lange der ökologische Fußabdruck jedoch nicht im Preis seinen Niederschlag findet, wird unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft mit den großen Tierbetrieben in den Mercosur-Staaten nicht konkurrieren können und langfristig nicht überleben.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundes-ministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.    Wie ist der ökologische Fußabdruck eines Kilos Rindfleisch aus heimischer Produktion verglichen mit den Importen aus den einzelnen Mercosur-Staaten?

2.    Wie groß sind die landwirtschaftlichen Betriebe mit Rind- und Kalbmast in den einzelnen Mercosur-Staaten?

a.    Wie groß ist die durchschnittliche Fläche der Betriebe in den einzelnen Mercosur-Staaten?

b.    Wie viele Tiere halten die Betriebe durchschnittlich in den einzelnen Mercosur-Staaten?

c.    Werden die Rinder in sogenannten Feedlots gefüttert?

d.    Wie beurteilt das BMKUEMIT die Tierwohlstandards in den in den einzelnen Mercosur-Staaten?

3.    Wie viel Rind- und Kalbfleisch wird aus den einzelnen Mercosur-Staaten importiert? (Bitte um eine Auflistung der letzten fünf Jahre.)

4.    Haben unsere heimischen Produzenten genug Edelteile vom Rind und Kalb für den heimischen Markt?

5.    Warum liefert Südamerika so viele Edelteile vom Rind und Kalb in die EU?

a.    Wie hoch ist der Anteil der Mercosur-Staaten am heimischen Markt mit Rind- und Kalbfleisch?

b.    Wie hoch ist der Anteil der Mercosur-Staaten am heimischen Markt mit Edelteilen von Rind und Kalb?

6.    Wie lange sind die Transportwege aus den einzelnen Mercosur-Staaten?

a.    Wie viele Kilometer im Durchschnitt?

b.    Wie viele Tage im Durchschnitt?

c.    Wie wird die Kühlkette sichergestellt und wie wirkt sich diese auf den ökologischen Fußabdruck aus?

d.    Wird das Fleisch behandelt, damit es so lange haltbar ist?

7.    Warum ist trotz des langen Transportweges der Endpreis des Rind- und Kalbfleisches noch immer niedriger als bei der heimischen Produktion?

8.    Inwiefern unterstützen Sie die Wettbewerbsfähigkeit der Produzenten von heimischen Rind- und Kalbsfleisch?

9.    Werden Sie sich für eine Reduktion der Rind- und Kalbfleischimporte einsetzen?

a.    Wenn ja, auf welche Art?

b.    Wenn ja, ab wann?

c.    Wenn nein, warum nicht?

10. Inwiefern fördern Sie den Marktanteil der heimischen Produzenten von Rind- und Kalbsfleisch in Österreich?

11. Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen zum Mercosur-Freihandelsabkommen?

a.    Welche Position vertreten Sie bei diesen Verhandlungen?

b.    Befindet sich ihre Position im Einklang mit jener der anderen Minister?

c.    Inwiefern arbeitet Ihr Ressort diesbezüglich mit jenem der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zusammen?

12. Welche Pflanzenschutzmittel werden in den Mercosur-Staaten eingesetzt, die aber in Österreich verboten sind?

13. Welche Pestizidwerte sind in den einzelnen Mercosur-Ländern im Vergleich mit der EU und Österreich erlaubt?

14. Können im Tierfutter eingesetzte Pestizide anschließend im Fleisch nachgewiesen werden?

a.    Wenn ja, gibt es diesbezüglich in Ihrem Ressort Studien oÄ?

15. Wie hoch ist der Antibiotikaeinsatz in den einzelnen Mercosur-Staaten im Vergleich zu Österreich?

16. Inwiefern ist der Gentechnikeinsatz in den einzelnen Mercosur-Ländern liberaler als in Österreich?

17. Inwiefern sind die Umwelt- und Klimastandards in den einzelnen Mercosur-Staaten liberaler als in Österreich?

18. Inwiefern sind die Tierwohlstandards in den einzelnen Mercosur-Staaten liberaler als in Österreich?

19. Wie viel Rind- und Kalbfleisch wird aus Österreich in die einzelnen Mercosur-Staaten exportiert? (Bitte um eine Auflistung für die letzten fünf Jahre.)



[1] Statistik Austria, Versorgungsbilanzen, erstellt 28.8.2020

[2] taz" vom 22.09.2020 Seite: 8, Experten: Mehr Abholzung durch Mercosur-Deal

[3] Agrarheute, 25.1.2019, EU importiert wieder mehr Rindfleisch aus Brasilien

[4] "Landwirtschaftliche Mitteilungen" Nr. 18 / 2020 vom 10.09.2020 Seite 3, Ressort: Woche der Landwirtschaft

[5] https://stmk.lko.at/kampf-den-rindfleisch-billigimporten-aus-%C3%BCbersee+2500+3057997