3742/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.10.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt

betreffend Folgeanfrage - Fragwürdige Studie des ÖIF zur Rolle von Moscheen bei der Integration in Graz

 

Am 04. August 2020 haben NEOS eine parlamentarische Anfrage an die Bundesministerin für Integration gestellt, die sich mit der aufgrund ihrer mangelnden wissenschaftlichen Qualität umstrittenen Studie zur Rolle von Grazer Moscheen in der Integration beschäftigt. Die Anfragebeantwortung, die die Bundesministerin am 02. Oktober übermittelt hat, ist allerdings eine Verhöhnung des Instruments der parlamentarischen Anfrage und ist symptomatisch für den Umgang der türkisen Volkspartei mit parlamentarischen Verfahren sowie der Opposition. Es scheint so, als hätte man vonseiten des Ministeriums keinerlei Interesse daran, die mangelhafte wissenschaftliche Qualität besagter Studie zu thematisieren und für die Zukunft solche mangelhaften Publikationen zu verhindern. Diese Art und Weise der Anfragebeantwortung ist eine klare Missachtung des Parlaments, führt die parlamentarische Anfrage als wichtiges parlamentarisches Kontrollinstrument ad absurdum und ist demokratiepolitisch äußerst bedenklich.

Dass der ÖIF als "ausgegliederte Einrichtung in privatrechtlicher Form" nicht dem parlamentarischen Interpellationsrecht unterliegt, mag rein rechtlich betrachtet korrekt sein, das bedeutet für den Bereich der Integrationspolitik jedoch faktisch, dass der allergrößte Teil der Maßnahmen, Kompetenzen und Prozesse im Bereich Integration sich der parlamentarischen Kontrolle entzieht. Der ÖIF soll laut Regierungsprogramm zu der zentralen Kompetenzstelle für Integration in Österreich werden, alle wichtigen Maßnahmen, Inhalte, Prozesse, Sanktionen etc. werden vom Ministerium zum ÖIF hin ausgelagert. Es ist höchst problematisch, dass die Integrationsministerin durch diese Auslagerung eines für die Gesellschaft so zentralen Politikfeldes gleichzeitig die Verantwortung auslagert, zu bestimmten Maßnahmen, Vorgängen und eben auch Studien Auskunft zu geben. Neben diesem demokratiepolitisch äußerst bedenklichen Vorgehen der Ministerin ist jedoch noch bedenklicher, dass sie nicht einmal auf jene Fragen antwortet, die klar in ihren Kompetenzbereich fallen und zu deren Beantwortung sie durchaus verpflichtet ist.

Diese Folgeanfrage dient der Klärung der nicht beantworteten Fragen, die sich klar an die Ministerin richten und in deren Kompetenzbereich fallen genauso wie der Klärung jener Fragen, die sich aus der enorm mangelhaften Anfragebeantwortung für die zukünftige parlamentarische Praxis ergeben - inhaltlich verweisen wir auf die ursprüngliche Anfrage, deren Inhalt und Kritik nach wie vor aufrecht und unaufgeklärt bleiben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Die ursprüngliche Frage 5 wurde von Ihnen nicht beantwortet, obwohl sie klar in Ihren Kompetenzbereich fällt. Die Frage zielt auf Ihren Umgang als zuständige Integrationsministerin mit der Kritik an der Studie des ÖIF ab: Werden Sie als Integrationsministerin bzw. wird sich das Integrationsministerium öffentlich von der sog. Studie distanzieren?

2.    Die ursprüngliche Frage 7 wurde von Ihnen ebenfalls nicht beantwortet, obwohl sie klar in Ihren Kompetenzbereich fällt. Die Frage zielt ebenfalls auf Ihren Umgang als zuständige Integrationsministerin mit der in der Kritik stehenden Studie des ÖIF ab: Sehen Sie besagte sog. Studie als Handlungsaufforderung, um verstärkt im Bereich der Moscheen als Integrationsorte tätig zu werden und wenn ja, welche Schritte setzen Sie basierend auf den Ergebnissen der sog. Studie?

3.    Die ursprüngliche Frage 8 wurde von Ihnen ebenfalls nicht beantwortet, obwohl sie klar in Ihren Kompetenzbereich fällt. Dass Moscheen und andere religiöse Orte nicht desintegrativ wirken sollen, versteht sich von selbst. Moscheen sind jedoch wie Kirchen etc. nicht dafür verantwortlich, per se integrativ zu wirken, sondern dienen der Religionsausübung, im Christentum genauso wie im Islam. Sehen Sie als Integrationsministerin jedoch aktive Integrationsarbeit, wie sie in der sog. Studie von Moscheen erwartet wird, prinzipiell als eine Aufgabe von Moscheen (bitte beantworten Sie jede der folgenden Unteranfragen)?

a.    Ist aktive Integrationsarbeit nicht vielmehr Aufgabe der zuständigen Bundesministerin und ihres Ministeriums?

b.    Muss es nicht vollkommen genügen, dass eine religiöse Stätte nicht desintegrativ wirkt und der Religionsausübung dient?

c.     Legen Sie denselben Maßstab gesellschaftlicher Integration auch bei den unzähligen Freikirchen in Österreich an, die teilweise erzkonservative und rückschrittliche Ansichten "parallel zur Mehrheitsgesellschaft" vertreten, um es im ÖVP-Wording zu formulieren, z.B. hinsichtlich des traditionellen Familienbildes, der LGBTIQ-Community und Themen wie Abtreibung etc.?

4.    Die ursprüngliche Frage 9 wurde von Ihnen ebenfalls nicht beantwortet, obwohl sie klar in Ihren Kompetenzbereich fällt. Kommentator_innen unterstellen der sog. Studie sowie der Schirmherrschaft durch den ÖIF und der erfolgten unreflektierten medialen Berichterstattung, massiven Schaden an der Beziehung zwischen Grazer Muslim_innen und dem ÖIF angerichtet zu haben. Werden Sie als zuständige Bundesministerin hier aktiv den Dialog zu muslimischen Gemeinschaften suchen und versuchen, einem integrationsfeindlichen Klima entgegenzuwirken, welches die fragwürdige sog. Studie und die darauf erfolgte undifferenzierte mediale Berichterstattung zum Thema gewiss befeuert hat?

a.    Haben solche Bemühungen Ihrerseits bereits stattgefunden, da bereits weitere Monate vergangen sind und bis zu Ihrer diesmal hoffentlich erfolgenden Anfragebeantwortung noch vergehen werden?

5.    Die ursprüngliche Frage 10 wurde von Ihnen nicht beantwortet, da der ÖIF als ausgegliederte Einrichtung privatrechtlicher Form nicht unter das parlamentarische Interpellationsrecht fällt und lautet wie folgt: Werden Sie sich in Zukunft dafür einsetzen, dass vom ÖIF in Auftrag gegebene Studien das Mindestmaß an wissenschaftlichen Standards erfüllen, um die Seriosität des ÖIF als Kerninstitution staatlicher Integrationsarbeit zu gewährleisten?

a.    Liegt es außerhalb Ihres Interessensbereiches, beim ÖIF als der zentralen Kompetenzstelle für Integration in Österreich für ein Mindestmaß an wissenschaftlichen Standards bei dessen Publikationstätigkeit zu sorgen?

6.    Wenn Sie als zuständige Integrationsministerin den ÖIF als die zentrale Kompetenzstelle für Integration in Österreich immer mehr stärken wollen, gleichzeitig jedoch zu Tätigkeiten des ÖIF im Rahmen parlamentarischer Anfragen keine Auskunft geben, wie gewährleisten Sie rückwirkend und fortan, dass im Integrationsbereich parlamentarische Kontrolle durch Anfragen weiterhin möglich bleibt (bitte beantworten Sie jede der folgenden Unteranfragen)?

a.    Gedenken Sie auch weiterhin, parlamentarische Anfragen zu Tätigkeiten des ÖIF als der zentralen Kompetenzstelle für Integration in Österreich unter Berufung aus die Grenzen des parlamentarischen Interpellationsrechts nicht zu beantworten?

b.    Eine andere in der Kritik stehende Studie des ÖIF zu sozialen Brennpunkten haben Sie selbst sogar im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert - auch hierzu hat NEOS eine Anfrage eingebracht (3067/J). Da Sie die ÖIF-Studien also offensichtlich sehr wohl als Handlungsgrundlage für Ihre ministerielle Tätigkeit heranziehen, sind Sie dann nicht auch der Meinung, dass Sie zu diesen Studien im Rahmen parlamentarischer Anfragen der österreichischen Bevölkerung Auskunft zu geben haben (3067/J) und was spricht genau dagegen?

c.     Auch die "Dokumentationsstelle Politischer Islam" wird nach dem Vorbild des ÖIF "als unabhängiger Fonds der Republik nach dem Bundesstiftungs- und Fondsgesetz 2015 gegründet". Haben Sie also vor, als Integrationsministerin zur Tätigkeit der "Dokumentationsstelle Politischer Islam" ebenfalls keine Auskunft zu geben?

d.    Haben Sie vor, noch weitere Integrationsbereiche in Form solcher Fonds auszulagern und damit der parlamentarischen Kontrolle durch Anfragen zu entziehen und wenn ja, wie rechtfertigen Sie das in demokratiepolitischer Hinsicht und um welche Bereiche handelt es sich hierbei genau?

7.    Wie erklären Sie abschließend, dass Sie auch die dezidiert an Sie gerichteten Fragen der ursprünglichen Anfrage nicht beantwortet haben, die sich nicht auf Tätigkeiten des ÖIF, sondern auf Ihre Handlungen bzw. Ihren Umgang mit der Problematik bezogen haben?