3826/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.10.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Maximilian Köllner, Julia Herr und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz

b
etreffend Ermittlungen in der Strafsache „Commerzialbank Mattersburg (CBM)“ II

Mit 2985/AB vom 29.9.2020 wurde die erste diesbezügliche Anfrage von der Justizministerin beantwortet. Unklar bleibt aber weiterhin, warum die WKStA in den Jahren 2015 und 2016 von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen hat (angeblich „kein Anfangsverdacht“). Aufklärungsbedürftig ist daher weiterhin – in Anbetracht der vom Whistleblower im Jahr 2015 geäußerten detaillierten strafrechtlichen Vorwürfe – die Beauftragung der FMA mit der weiteren Prüfung und der Verzicht der WKStA auf selbständige Ermittlungen. Besonders problematisch erscheint jetzt im Nachhinein die Beauftragung der OeNB mit der weiteren Bankprüfung durch die FMA, die damals gerade bei der CBM eine Vor-Ort-Prüfung durchführte.

Zur Aufklärung des Kriminalfalls „Commerzialbank Mattersburg“ wurde im Landeskriminalamt Burgenland die „SoKo Commerz“ eingerichtet. Diese Soko Commerz hat mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu kooperieren, wobei nach der StPO die WKStA das Ermittlungsverfahren leitet und über dessen Fortgang und Beendigung entscheidet.

Medienberichten zu Folge wird nun gegen immer mehr Personen wegen des Verdachts der Begehung von Straftaten (z. B. Verdacht der Bestechung und der Geschenkannahme) bzw. der Beteiligung an denselben ermittelt und diese werden einvernommen. Es ergibt sich zudem nach den letzten Presseberichten der Eindruck, dass mutmaßlich viele kriminelle Taten in diesem Zusammenhang nicht vom Vorstand allein zu verantworten sind, sondern eine Reihe von Personen bei der Begehung dieser Straftaten eingebunden waren bzw. aktiv mitgewirkt haben: sowohl BankmitarbeiterInnen als auch externe BeraterInnen und DienstleisterInnen (z. B. Berufsgeheimnisträger). In diesem Fall besteht wohl der Verdacht von „Organisierter Kriminalität“ (d. h. Bildung einer „kriminellen Vereinigung“).

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehende

Anfrage:

 

  1. Warum wurde die weitere Prüfung der vom Whistleblower im Jahr 2015 geäußerten strafrechtlichen Vorwürfe durch die WKStA an die FMA und von dieser an die OeNB übertragen?

  2. Wie lautete 2015 der Prüfauftrag der WKStA  an die FMA im Wortlaut?
  3. Wie lautete der Prüfauftrag der FMA an die OeNB im Wortlaut?

  4. Ist es richtig (laut Standard vom 29.9.2020), dass die OeNB 2015 die Malversationen mit den ihr erlaubten Mitteln nicht finden konnte und bestimmten Hinweisen nicht nachgehen durfte?

  5. Wenn ja, welche damals geltenden gesetzlichen Regelungen bzw. interne Prüfrichtlinien haben diese Ermittlungen erschwert bzw. welche Mittel waren zum Nachweis dieser Vorwürfe und zur Aufklärung nicht erlaubt?

  6. Teilen auch Sie die Auffassung, dass die OeNB für diese strafrechtlichen Ermittlungen/Prüfungen (Vor-Ort-Prüfungen der CMB) nur begrenzte Befugnisse besaß?

  7. Entspricht der im Standard zitierte fünfseitige Bericht (laut Standard vom 29.9.2020, „…in dem sie anmerkten, was sie alles nicht prüfen dürfen. Zudem stellten sie Vermutungen an, warum die Vorwürfe des Whistleblowers gar nicht stimmen können“) der OeNB an die FMA der damaligen Rechtslage?

  8. Welchen Fehleinschätzungen unterlag damals die OeNB in ihrem Bericht aus der Sicht des Justizressorts ?

  9. Warum wurde dieser Bericht nicht auch an die WKStA ausgefolgt?

  10. Wegen welcher Straftaten wird in dieser Strafsache aktuell gegen verdächtige Personen ermittelt (bitte um Aufzählung/Darstellung der Straftatbestände)? Wie viele Personen sind dies? Wie viele davon waren bzw. sind MitarbeiterInnen der Commerzialbank Mattersburg?

  11. Wegen welcher Straftaten wird in dieser Strafsache aktuell gegen beschuldigte Personen ermittelt?
     

12. Welche Personen werden von der WKStA als Beschuldigte im laufenden Ermittlungsverfahren geführt? Wie viele waren bzw. sind MitarbeiterInnen der Commerzialbank Mattersburg?

  1. Ist das Innenressort befugt, dem Leiter bzw. den Mitgliedern der SoKo Commerz Weisungen zu erteilen, oder ist dies ausschließlich der WKStA vorbehalten? Wenn ja, wie viele und welche Weisungen wurden zu welchem Zeitpunkt bis dato erteilt?

  2. Wem gegenüber hat die Soko Commerz zu berichten? Wie viele Berichte wurden bereits erstattet? Welche Adressaten liegen vor? Wurden seitens des Justizressorts Weisungen erteilt? Wenn ja, wie viele und welche Weisungen wurden zu welchem Zeitpunkt bis dato erteilt?

  3. Wie lautet hinsichtlich der laufenden bzw. anstehenden Ermittlungen die derzeit aktuelle Prioritätenliste der WKStA?

  4. Wie viele Personen werden im Rahmen der laufenden Ermittlungen als Beschuldigte bzw. als Verdächtige geführt? Wie viele wurden bereits einvernommen? Wie viele davon haben sich der Aussage entschlagen?

  5. Befinden sich darunter auch „Berufsgeheimnisträger“? Wenn ja, wie viele? Welche Berufe üben diese aus?

  6. Wie viele Personen wurden als Zeugen bereits einvernommen? Wie viele davon haben sich der Aussage entschlagen?

  7. Befinden sich unter diesen Zeugen auch „Berufsgeheimnisträger“? Wenn ja, wie viele? Welche Berufe üben diese aus?

  8. Wurden bereits bei den Staatsanwälten, die in den Jahren 2015 und 2016 sowie 2018 mit den illegalen Geschäften der Commerzbank Mattersburg befasst waren, Einvernahmen durchgeführt? Wenn ja, bei welchen Staatsanwälten und zu welchem Zeitpunkt?

  9. Warum wurde in der Staatsanwaltschaft trotz dieser detaillierten Informationen des Whistleblowers kein Anfangsverdacht gesehen und auf selbständige Ermittlungen verzichtet?

  10. In wie vielen Fällen wurde im Zuge der Ermittlungen eine Sicherstellung (§ 110 StPO) bzw. eine Beschlagnahme (§ 115 StPO) von Vermögenswerten durchgeführt? Wie hoch ist insgesamt deren sichergestellter bzw. beschlagnahmter Vermögenswert?

  11. Soll aus Sicht des Justizressorts eine Verwertung sichergestellter bzw. beschlagnahmter Vermögenswerte durchgeführt werden? Wenn nein, warum nicht?

  12. Welche Erlässe sind hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Geltung (bitte um Aufzählung der Erlässe)?

  13. Welche Erlässe kommen in diesem Fall zur Anwendung?

  14. Wurde der Leitfaden des BMJ „Vermögensrechtliche Anordnungen“ bereits überarbeitet?
  15. Bei wie vielen Personen wurden bis dato Hausdurchsuchungen durchgeführt (§ 117 Abs. 2 StPO)? Welche Ergebnisse wurden erzielt?

  16. Gab es auch Hausdurchsuchungen bei „Berufsgeheimnisträgern“? Wenn ja, welchem Berufsstand gehören diese an? Welche Ergebnisse wurden erzielt?

  17. In wie vielen Fällen wurden bis dato Auskünfte aus dem Kontenregister und Auskünfte über Bankkonten und Bankgeschäfte von der Staatsanwaltschaft nach einer gerichtlichen Bewilligung angeordnet und diese auch durchgeführt (§ 116 StPO)? Welche Ergebnisse wurden erzielt? Wurden auch derartige Auskünfte bei „Berufsgeheimnisträgern“ eingeholt?

  18. In wie vielen Fällen wurde eine Beschlagnahme von Briefen durch die Staatsanwaltschaft angeordnet und nach gerichtlicher Genehmigung vorgenommen (§135 Abs.1 StPO)? Welche Ergebnisse wurden erzielt?

  19. In wie vielen Fällen wurde Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung eingeholt (§ 135 Abs. 2 StPO)? Welche Ergebnisse wurden erzielt?

  20. In wie vielen Fällen wurde eine Anlassdatenspeicherung angeordnet und durchgeführt (§ 135 Abs. 2b StPO)? Welche Ergebnisse wurden erzielt?

  21. In wie vielen Fällen kam es zu einer Überwachung von Nachrichten (§ 135 Abs. 3 StPO)? Welche Ergebnisse wurden erzielt?

  22. In wie vielen Fällen wurde eine optische und akustische Überwachung von Verdächtigen/Beschuldigten durchgeführt (§ 136 StPO)? Welche Ergebnisse wurden erzielt?

  23. Wurde der Rechtsschutzbeauftragte mit der Prüfung und Kontrolle all dieser Anordnungen besonderer Ermittlungsmaßnahmen beauftragt? Wenn ja, wann erfolgte dies jeweils?

  24. Wurde von diesem die Durchführung jener jeweils genehmigt? Wenn nein, welche Maßnahmen nicht?

  25. Wie viele der durch diesen Kriminalfall geschädigten Personen haben gegenüber der SoKo Commerz bzw. der WKStA bereits einen Privatbeteiligtenanschluss (PbA) erklärt?

  26. Wurden und werden Zeugen, die durch diesen Kriminalfall geschädigt wurden, nachweislich über die Möglichkeit des Privatbeteiligtenanschlusses (PbA) von der SoKo Commerz bzw. der WKSTA informiert?

  27. Wie viele Amtshaftungsklagen gegen die Republik Österreich wurden bereits gerichtlich eingebracht? Wie hoch sind insgesamt der jeweilige Streitwert und die Klagssummen?

  28. Wann ist aus Sicht der SoKo Commerz bzw. des BMJ mit einem Ende der Ermittlungsverfahren und den Anklage-Erhebungen zu rechnen?