4022/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.11.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Österreichisches Material im Armenien-Aserbaidschan Konflikt

 

Multiple Internet Quellen berichten vom Einsatz von türkischen Bayraktar TB2 Drohnen auf Seiten der aserbaidschanischen Kräfte im Konflikt in Bergkarabach. So zeigt ein mit armenischer Flagge unterlegtes Video grafisch die Zerstörung angeblich armenischer Kampffahrzeuge (https://www.youtube.com/watch?v=FOBs-kf5tks). Eine Quelle namens Defense Watch berichtet am 21.10.2020 von der Zerstörung von neun Bayraktar Drohnen durch russische elektronische Systeme über Bergkarabach (https://www.youtube.com/watch?v=jeTTxRn659I). Beide Videos finden sich auf youtube und sind nicht verifizierbar.

Es ist bekannt, dass die Türkei Bayraktar Drohnen seit zumindest 2018 in Kampfhandlungen einsetzt. So wurden sie im Nordirak zur Ermordung kurdischer Anführer eingesetzt; auch in Libyen und Syrien gibt es eine Vielzahl von Quellen, die den Einsatz dieser Drohnen bestätigen. Auch hat das aserbaidschanische Militär selbst den Einsatz türkischer Drohnen im Bergkarabach Konflikt bestätigt.

Die Bayraktar Drohne hat einen Österreich-Bezug. Anscheinend ist ihr Motor ein 100 PS Rotax 912 Einspritzer. Die Firma BRP-Rotax ist Teil des Bombardier Konzerns, sitzt aber in Gunskirchen, Oberösterreich, und spezialisiert sich laut ihrer Webseite auf "the development and manufacturing of innovative powertrains for powersports products. As a subsidiary of BRP, world leader in the design, manufacturing, distribution and marketing of motorized recreational vehicles, we are responsible globally for the development and manufacturing of Rotax engines." Die Produktpalette der Unternehmung inkludiert Motoren für "light and ultralight aircraft."

Die Ausfuhr von Kriegsmaterial bedarf nach dem Kriegsmaterialgesetz (KMG) einer Genehmigung durch das Bundesministerium für Inneres, welche im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten nach Anhörung des Bundesministers für Landesverteidigung auszustellen ist, sofern keine völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen. Gegen Aserbaidschan besteht ein OSZE Militärgüterembargo. Auch war Österreich unter den ersten Unterzeichnern des Waffenhandelsvertrags, welcher bei Exportentscheidungen Kriterien wie die Auswirkungen auf Frieden, Sicherheit und Weiterleitungsgefahr berücksichtigt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Ist es zutreffend, dass die österreichische Firma BRP-Rotax den Motor für die bewaffnete türkische Kampfdrohne Bayraktar TB2 herstellt?

a.    Wenn ja, sind Exporte dieser Art in Österreich meldepflichtig? 

                                      i.Wenn ja, hat das Unternehmen diesen Export gemeldet und eine Lizenz erhalten? Wenn ja, von wem und mit welcher Begründung?

2.    Sind Lieferungen von Technologien zum Einbau in Kampfdrohnen nach Einschätzung des BMI vom KMG gedeckt? 

a.    Gilt die obengenannte Technologie als Kriegsmaterial im Sinne des §2 KMG?

b.    Wenn ja, wurde eine Exportbewilligung nach §3 KMG erteilt?

                                      i.Wenn ja, was war die Position des BMI im Bewilligungsverfahren?

                                    ii.Wie werden in der Begutachtung durch drei Ministerien Entscheidungen getroffen? Gilt das Mehrheitsprinzip oder hat das BMI finale Entscheidungsmacht?

                                   iii.Wie wurde die österreichische Politik betreffend Auswirkungen auf Frieden, Sicherheit und Weiterleitungsgefahr im Bewilligungsverfahren berücksichtigt?

3.    Was ist der legale Status von dual-use Technologien in Österreich?

a.    Gibt es eine Definition für dual-use Technologien im Sinne des KMG?

                                      i.Wenn ja, wie wird dual-use im Kontext des KMG definiert?

b.    Werden diese Technologien bei Export oder Durchfuhr ebenfalls einem Bewilligungsverfahren unterzogen?

c.    Wenn nein, warum nicht? 

4.    Liefert die Firma BRP-Rotax weiterhin Motoren dieses Typs oder ähnliche, für militärische Zwecke verwendbare Technologie, in die Türkei?

a.    Wenn nein, wann erfolgten die letzten Lieferungen?

5.    In Anbetracht der Verwendung der Drohne im Bergkarabach Konflikt, was ist die Position des BMI betreffend die Frage, ob weitere Lieferungen gegen die Bestimmungen der österreichischen Neutralität verstoßen?

6.    In Anbetracht der Verwendung der Drohne im Bergkarabach Konflikt, was ist die Position des BMI betreffend die Frage, ob weitere Lieferungen gegen die Bestimmungen des Waffenhandelsvertrags verstoßen?

7.    Ungeachtet der Verwendung der Drohne im Bergkarabach Konflikt, was ist die Position des BMI betreffend die Frage, ob weitere Lieferungen gegen das OSZE Militärgüterembargo verstoßen?

8.    In Anbetracht der Verwendung der Drohne in Konflikten in Syrien und Libyen, würden nach Einschätzung des BMI weitere Lieferungen an die Türkei gegen die Bestimmungen der österreichischen Neutralität verstoßen?

9.    In Anbetracht der Verwendung der Drohne in Konflikten in Syrien und Libyen, würden nach Einschätzung des BMI weitere Lieferungen gegen die Bestimmungen des Waffenhandelsvertrags verstoßen?

10. In Anbetracht der Position der Türkei als Beteiligter in mehreren regionalen Konflikten und als Weiterleiter von Waffen (wie der Bayraktar TB2 Drohne an Aserbaidschan), kann Österreich unter Beachtung seiner eigenen Waffenexportprinzipien (Auswirkungen auf Frieden, Sicherheit und Weiterleitungsgefahr) nach Einschätzung des BMI weiterhin militärisches oder dual-use Material an die Türkei liefern?

11. In Anbetracht der Position der Türkei als Beteiligter in mehreren regionalen Konflikten und als Weiterleiter von Waffen, wird das BMI im Ministerrat anregen, die Türkei auf eine Militärgüterembargoliste zu setzen?