4025/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.11.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Wissenschaftliche Evidenz für Sperrstundenvorverlegung in Salzburg, Tirol und Vorarlberg

 

Laut 1.COVID-19-MV-Novelle vom 24. September 2020 gilt für Salzburg, Tirol und Vorarlberg für Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe, dass "der Betreiber das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 5:00 und 22:00 Uhr zulassen darf". https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2020_II_412/BGBLA_2020_II_412.pdfsig In Tirol gibt es für Hotels keine Ausnahmen bei der vorverlegten Sperrstunde um 22.00 Uhr, während in Salzburg und Vorarlberg Hotelgäste laut Verordnung der Länder, gültig seit 29. September 2020, ausgenommen sind.

Als Begründung für die Sperrstundenvorverlegung wurde von Sebastian Kurz folgendes angeführt:

"Die stark zunehmenden Infektionszahlen sind nicht nur für unser Gesundheitssystem eine große Herausforderung, sondern es stehen auch zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Speziell für den Tourismus und den Handel wird die Lage immer dramatischer, hier geht es nun um die Rettung von zehntausenden Arbeitsplätzen. Daher war es richtig und notwendig, gemeinsam die Entscheidung zu treffen, die Sperrstunde auf 22.00 vorzuverlegen, da besonders viele Infektionen bei ausgelassenen Feiern und Festen auftreten." https://kurier.at/politik/inland/kanzler-sperrstunde-ab-22-uhr-in-tirol-salzburg-und-vorarlberg/401039867

Diese Argumentation ist jedoch bekanntermaßen nicht schlüssig, denn der Großteil der Infektionen findet auch weiterhin im privaten Umfeld, genauer in privaten Haushalten statt. Das zeigen auch die letzten Zahlen der AGES: rund vier Fünftel der zwischen 5. und 11. Oktober aufgetretenen Fälle betrafen private Haushalte und den Freizeitbereich, wobei 436 von insgesamt 734 Cluster dem familiären Bereich zugeordnet werden, was 58,8 Prozent der Neuerkrankungen entsprach. https://orf.at/stories/3185789/ Expert_innen wiesen bereits mehrfach darauf hin, dass eine Vorverlegung der Sperrstunde lediglich eine Verlagerung von Feiern in den privaten Bereich bewirkt. Die Infektionszahlen in Salzburg, Tirol und Vorarlberg stiegen folgerichtig auch im Oktober trotz Sperrstunde um 22 Uhr weiterhin an und folgen damit dem Aufwärtstrend, der sich bereits seit Sommer verzeichnen lässt.

Diese Verordnung ist insbesondere deswegen problematisch, weil der VfGH erst im Juli die Verordnung über das Betretungsverbot für Geschäfte mit einem Kundenbereich von mehr als 400 m² aufhob, weil die sachliche Rechtfertigung fehlte, die im Fall der Sperrstundenvorverlegung ebenfalls höchst fragwürdig ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Welche wissenschaftliche Evidenz liegt der Sperrstundenvorverlegung in Salzburg, Tirol und Vorarlberg zugrunde? Bitte um Übermittlung dieser Daten.

a.    Ist dem BMSGPK eine konkrete, unmittelbare Korrelation zwischen sinkenden Infektionszahlen und früheren Sperrstunden bekannt? Bitte um Übermittlung dieser Daten.

2.    Auf Basis welcher wissenschaftlichen Evidenz wurde die Sperrstunde in diesen drei Bundesländern vorverlegt, nicht aber in den restlichen Bundesländern? Bitte um Übermittlung dieser Daten für jedes Bundesland.

3.    Auf Basis welcher wissenschaftlichen Evidenz wurde die Sperrstunde auf 22 Uhr vorverlegt, nicht aber zum Beispiel auf 20:45 Uhr oder 21:30 Uhr? Bitte um Übermittlung dieser Daten.

a.    Auf Basis welcher wissenschaftlichen Evidenz sind "ausgelassene Feiern und Feste" in Gaststätten offensichtlich erst, wie Bundeskanzler Kurz in seiner Begründung anführte, nach 22 Uhr problematisch?

b.    Was entgegnen Sie Expert_innen, die darauf hinweisen, dass eine Vorverlegung der Sperrstunde Feiern und Zusammenkünfte lediglich in den privaten Bereich verlagern, in dem sich laut AGES ohnehin bereits ein Großteil des Infektionsgeschehens abspielt?

4.    Warum gilt die Sperrstundenvorverlegung für Hotelgäste in Tirol, für jene in Salzburg und Vorarlberg hingegen nicht? Auf Basis welcher Daten wurde diese Entscheidung getroffen?

5.    Falls dieser Verordnung keine wissenschaftliche Evidenz zugrundeliegt, die sowohl die Auswahl der Bundesländer als auch den Zeitraum rechtfertigt: Auf Basis welcher anderen Überlegungen wurde die Sperrstundenvorverlegung für diese drei Bundesländer und für 22 Uhr verordnet?

6.    Salzburg, Tirol und Vorarlberg verzeichnen mit Stand 20. Oktober nach wie vor steigende Infektionszahlen. Offenkundig hat die Sperrstundenvorverlegung nicht den gewünschten Effekt erzielt. Wird diese Regelung trotzdem beibehalten?

a.    Wenn ja, warum?