4067/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.11.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Stephanie Krisper Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Terror in Wien: Wurde ein Waffenverbot durch LPD Wien verhängt?

Am Abend des 2. Novembers 2020  kam es in der Wiener Innenstadt zu einem folgenschweren islamistischen Terroranschlag. Ein behördenbekannter, bereits rechtskräftig nach § 278b StGB verurteilter Mann, schoss mit einer vollautomatischen Waffe in der belebten Gegend zwischen Schwedenplatz und Graben um sich und tötete vier und verletzte zahlreiche weitere Menschen.

Wie sich herausstellte war der Täter nicht nur bereits wegen § 278b StGB rechtskräftig verurteilt gewesen (auf Grund eines gescheiterten Versuchs, nach Syrien zu reisen um sich dem sog. "Islamischen Staat" anzuschließen) und im Dezember 2019 bedingt unter Setzung einer dreijährigen Probezeit aus der Haft entlassen worden, sondern hatte dieser in Begleitung einer zweiten Person im Juli 2020 in der Slowakei auch offenbar erfolglos versucht, Munition für eine AK-47 (oder Nachbau) zu besorgen. Über diesen versuchten Kauf von Munition für eine vollautomatische, und damit in Österreich verbotene Waffe, wurden die österreichischen Behörden seitens der slowakischen Sicherheitsbehörden noch im Juli 2020 in Kenntnis gesetzt.

Im Detail stellt sich die bisher bekannte Lage laut Medienberichten wie folgt dar:

·         Am 23. Juli 2020 übermittelt der slowakische Geheimdienst dem österreichischen Verbindungsbüro bei Europol den Hinweis, dass zwei Tage davor zwei Personen in Bratislava versucht hätten, "Munition des Typs 7,62 x 39 mm für das Sturmgewehr AK 47 (Kalaschnikow)" zu kaufen. Diese Personen verwendeten dabei laut den Unterlagen einen weißen Pkw der Marke BMW mit österreichischem Kennzeichen, dem Schreiben liegen Fotos aus der Überwachungskamera eines Waffengeschäfts bei.

·         Am 10. September 2020 antworten die österreichischen Behörden den Slowaken wieder via Europol-Büro, dass die Polizei bereits einen der beiden Männer identifiziert habe. "Wahrscheinlich handelt es sich dabei um K. F." Und: "Der Genannte ist der österreichischen Polizei in Zusammenhang mit Terrorismus bekannt."

·         Am 2. November 2020 verübt K. F. in den Abendstunden mit mehreren Schusswaffen den Anschlag nahe der zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Synagoge.

Die Justiz, die von Innenminister Nehammer und Kanzler Kurz vor öffentlichem Bekanntwerden dieser Umstände durch Berichte deutscher Medien massiv für die (gesetzmäßige) bedingte Haftentlassung kritisiert wurde, wurde über den versuchten Munitionskauf laut eigenen Angaben erst am Abend des Anschlages und nach Beginn von ebendiesem - kurzum: zu spät - in Kenntnis gesetzt.

Dies ist nicht nachvollziehbar, zumal der versuchte Munitionskauf für eine Kalaschnikow (obschon ohne ausgesprochenem Waffenverbot nach § 12 WaffG für sich alleine wohl nicht strafbar) durch bereits wegen des "Terrorparagraphen" verurteilte Islamisten selbstverständlich eine Information ist, aus der sich der dringende Verdacht auf Verstöße gegen strafrechtliche Normen ergibt - ebenso wie ein dringender Handlungsbedarf. Mit dieser Information hätten die Justizbehörden auf Grund eines dringenden Anfangsverdachts die Möglichkeit gehabt Sicherstellungsanordnungen, Hausdurchsuchungen und auch Festnahmen bis hin zur Untersuchungshaft bzw. eine Festnahme nach § 180 Abs 3 StVG anzuordnen, welche auf Grund der vorliegenden Tatsachen mit höchster Wahrscheinlichkeit zu einem Widerruf der bedingten Haftentlassung bzw. zu einer neuerlichen Verurteilung geführt hätten - und damit den Terroranschlag verhindert hätten.

Im Falle, dass ein aufrechtes Waffenverbot nach § 12 WaffG ausgesprochen worden wäre (was nicht bekannt ist), wäre nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG bereits der versuchte Munitionskauf strafbar gewesen; das Unterbleiben einer Weiterleitung dieser Information an die Justiz wäre diesfalls klar rechtswidrig gewesen. Für die Verhängung eines Waffenverbotes wäre in Wien die LPD Wien zuständig gewesen (vgl. § 48 Abs 1 WaffG iVbm § 8 SPG).

Das unterbliebene Weiterleiten der Informationen aus der Slowakei durch Organisationseinheiten des BM.I stellt einen nach derzeitiger Informationslage nicht nachvollziehbaren Fehler im Vorfeld des Terroranschlages in Wien vom 2. November 2020 dar.

Die Sicherheitsbehörden wären aber selbstverständlich auch von sich aus ermächtigt gewesen, zu ermitteln und hätten diesfalls sogar weitreichende Kompetenzen auf Grund der Spezialbestimmungen des WaffG gehabt. So räumt § 53 WaffG etwa beim Verdacht, dass einem Verbot der Einfuhr oder des Besitzes von Munition zuwidergehandelt wird, eine eigene Durchsuchungsermächtigung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ein.

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Das PStSG wiederum räumt im Bereich der erweiterten Gefahrenerforschung bzw. Gefahrenabwehr in § 11 das Recht zur Durchführung besonderer Ermittlungsmaßnahmen (nach Genehmigung durch den Rechtsschutzbeauftragten bzw. Rechtsschutzsenat) ein - darunter etwa Observation, verdeckte Ermittlung, Einsatz von Abhörtechnik etc..

In Summe bleibt festzuhalten, dass auf Grund der Tatsache, dass die Sicherheitsbehörden

·         trotz Hinweis seitens der slowakischen Behörden zum versuchten Munitionskauf für eine vollautomatische Waffe

·         trotz erfolgreichen Ausforschens jener Personen, die diesen versuchten Kauf durchführen wollten (darunter der spätere Attentäter)

·         trotz Wissen, dass der Attentäter bereits eine Haftstrafe wegen Mitgliedschaft beim sog. "Islamischen Staat" verbüßt hatte und diese seitens der Justiz nur bedingt widerrufen worden war und

·         trotz der damals daher auch ex ante betrachtet selbst für Laien erkennbaren Gefährlichkeit und Dringlichkeit der Situation

weder die Justiz verständigten noch die nötigen Schritte unternahmen um im eigenen Bereich diese Gefahr erfolgreich abzuwehren, nach bisheriger Informationslage von einem folgenschweren und dringend aufklärungsbedürftigen Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden auszugehen ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Bestand gegen den späteren Terroristen ein aufrechtes Waffenverbot nach § 12 WaffG?

a.    Wenn ja, wann wurde dies durch welche Behörde erlassen?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

2.    Ist es korrekt, dass für dessen Erlassung nach § 48 Abs 1 WaffG iVbm § 8 SPG die LPD Wien zuständig gewesen wäre?

3.    Wenn kein Waffenverbot bestand: warum unterblieb dies?

4.    Gibt es eine generelle Praxis, dass es bei Verurteilungen nach § 278b StGB seitens der zuständigen Sicherheitsbehörden 1. Instanz im BM.I zum Ausspruch eines Waffenverbotes kommt?

a.    Wenn dies nicht Praxis ist:  § 12 WaffG ("Waffenverbot") bestimmt, dass dieses auszusprechen ist, "wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dieser Mensch durch mißbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte" - warum ist dies bei nach § 278b StGB Verurteilten aus Sicht des BM.I nicht generell der Fall?

5.    Wäre nach gängiger Praxis des BM.I im Falle eines Munitionskaufes trotz aufrechtem Waffenverbots auf Grund des dringenden Tatverdachts in Richtung § 50 Abs 1 Z 3 WaffG eine Meldung an die Justiz erfolgt?

a.    Wenn nein: warum nicht?