4075/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.11.2020
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid, 

Genossinnen und Genossen

 

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

 

betreffend was bedeutet die Ampelfarbe ‚Orange‘ für das Distance Learning in den Oberstufen?

 

Am Samstag, 31. Oktober, wurde von Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer Pressekonferenz angekündigt, dass nach dem Ende der Herbstferien am 3. November 2020 alle Oberstufen-SchülerInnen über Distance Learning unterrichtet werden sollen. Zu diesem Zeitpunkt leuchtete die Bildungsampel in fast allen österreichischen Bezirken noch auf ‚Gelb‘. Bei dieser Ampelphase ist kein Distance Learning vorgesehen. Einen Tag zuvor, am Freitag 30. Oktober, wurde die Öffentlichkeit noch von einem Übereinkommen zwischen dem Bildungsministerium und den BildungsreferentInnen der Länder informiert, dass die Schulampel weiterhin auf ‚Gelb‘ bleiben soll. Am 2. November 2020 gab Bildungsminister Faßmann jedoch eine Pressekonferenz, in der er informierte, dass die Bildungsampeln in allen Bundesländern und in allen Bezirken nun auf ‚Orange‘ geschalten werden und die Oberstufen flächendeckend auf Distance Learning umgestellt werden. Auch in verschiedenen Medienberichten zu den neuen Maßnahmen an den Oberstufen wurde mehrmals wiederholt, dass ein Unterricht an der Schule nur für vereinzelte Stunden und Fächer stattfinden kann.

 

Das Informationsschreiben des Bildungsministeriums legt die neue Situation für Oberstufen wie folgt aus:

„Die Vermittlung neuen Stoffs über digitale Medien ist ein schwieriges Unterfangen. Daher soll bei Bedarf schulautonom (wenn das Risiko besteht, Schüler/innen zu verlieren) ein Gruppenunterricht in Präsenz stattfinden, in dem Rückfragen gestellt oder Einheiten nochmals wiederholt werden und dem insgesamt die Funktion eines Tutoriums oder einer spezifischen Förderung innewohnt.[1] Dieser Gruppenunterricht sollte je Gegenstand nicht öfters als einmal in der Woche stattfinden. Entsprechende Kleingruppen sollten maximal 9 Schülerinnen und Schüler umfassen.“[1]

 

Dass das jedoch nur die halbe Wahrheit ist, wird in der Fußnote kurz erwähnt, in der auf einen Erlass des Bildungsministeriums verwiesen wird.

„Diese Vorgangsweise entspricht der Variante 2 des Erlasses GZ 2020-0.669.992 über den Unterricht in der Sekundarstufe II (außer PTS) in der Ampelphase ORANGE“

 

Dieser Erlass wurde Mitte Oktober veröffentlicht, als erstmals in Tirol und Salzburg die Bildungsampel orange erleuchtet und bezieht sich auf den §31 Absatz 3 der COVID-19 Schulverordnung. Dieser besagt, dass die Schulleitung oder die Schulbehörde weitgehende Ausnahmen vom Distance Learning umzusetzen kann:

„Abweichend von Abs. 1 kann die Schulleitung oder die Schulbehörde für Schulstufen, Klassen oder Gruppen für einzelne oder mehrere zusammenhängende Tage oder einzelne Unterrichtsgegenstände Ausnahmen vom ortsungebundenen Unterricht anordnen.“[2]

 

Diese Möglichkeit, trotz der Ampelschaltung auf ‚Orange‘ Schichtunterricht umzusetzen, wurde nicht durch die Novelle vom 2. November 2020[3] (Änderung der COVID-19-Schulverordnung 2020/21) verändert. Trotzdem wurde sie im Informationsschreiben des Bildungsministeriums sowie in der Presseunterlage[4] zur Pressekonferenz verschwiegen. Das ist irritierend, da am 15. Oktober, als die Bildungsampel in verschiedenen Bezirken in Tirol und Salzburg auf ‚Orange‘ geschaltet wurde, das Bildungsministerium den Erlass veröffentlichte und die Schulen darauf aktiv aufforderte die verschiedenen Möglichkeiten des Schulbesuchs bei ‚Orange‘ zu nutzen. Auch der ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner informierte damals:

„Die Ampelfarbe Orange bedeutet nicht notwendig Home-Schooling für Oberstufenklassen. […] Vielmehr stehen den Schulen drei Möglichkeiten offen:

- Bei Schulen mit Internatsbetrieb wird es sinnvoll sein, alle Schüler ab der 9. Schulstufe ins Distance Learning zu schicken.

- Für andere Standorte wird empfohlen, die Oberstufenklassen in zwei Gruppen zu teilen, die täglich abwechselnd an der Schule bzw. zu Hause lernen.

- Als dritte Möglichkeit können auch einzelne Schüler, Teile von Klassen oder Schülergruppen anlassbezogen an die Schule geholt werden - vor allem beim fachpraktischen Unterricht, bei Unterrichtsgegenständen, in denen eine Prüfungsvorbereitung nötig ist, oder für Einstiegs- und Abschlussklassen.“[5]

Die Bildungssprecherin der Grünen, Sybille Hamann, hat mich auch persönlich in einer Veranstaltung am 2. November informiert, dass es ein großes Anliegen des grünen Koalitionspartners war, den ‚Schichtunterricht‘ auch im November zu ermöglichen. Jedoch wird diese Möglichkeit in keiner Aussendung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung angesprochen. Für die Öffentlichkeit und besonders für die Schulleitungen ist daher nicht klar nachvollziehbar, welche Art des Unterrichts für die Oberstufen bei der Ampelfarbe ‚Orange‘ möglich ist.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

1)      Am Freitag, 30. Oktober 2020 wurde für die Schulen die Ampelfarbe ‚Gelb‘ festgelegt. Einen Tag später wurden jedoch Maßnahmen, die der Ampelfarbe ‚Orange‘ gleich kommen, von Bundeskanzler Sebastian Kurz, ausgerufen. Es wurde der Umstieg auf Distance Learning für die Oberstufen verkündet.

a.      War dieses Vorgehen mit dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung abgesprochen?

b.      Wenn ja, wann gab es hierzu eine Besprechung zwischen dem Bildungsministerium und dem Bundeskanzleramt? Welche Personen waren Teil der Besprechung und wie lange hat diese gedauert?

c.       Wenn nein, warum gab es hierzu keine Besprechung?

d.      Hat das Bildungsministerium dieses Vorgehen mit den zuständigen ReferentInnen der Bundesländer vorab abgesprochen? Wenn ja, wann wurde diese Besprechung durchgeführt, welche Personen waren Teil der Besprechung und wie lange hat diese gedauert?

e.      Gab es Einwände verschiedener Bundesländer bezüglich der Änderung g der Ampelfarbe von ‚Gelb‘ auf ‚Orange‘. Wenn ja, welche?

f.        Hat das Bildungsministerium dieses Vorgehen mit den Bildungsdirektionen abgesprochen? Wenn ja, wann wurde diese Besprechung durchgeführt, welche Personen waren Teil der Besprechung und wie lange hat diese gedauert?

g.      Wann und wie wurden die zuständigen ReferentInnen der Bundesländer über die neuen Maßnahmen informiert?

h.      Wann und wie wurden die Bildungsdirektionen über die neuen Maßnahmen informiert?

i.        Welche Daten und Fakten führten zu einer unterschiedlichen Bewertung der Situation an Bildungseinrichtungen zwischen Freitag, 30. Oktober und Samstag, 31. Oktober?

j.        Wer hat die Entscheidung getroffen, die Bildungsampeln österreichweit auf ‚Orange‘ zu stellen und welche Entscheidungsgrundlage ist dem vorausgegangen?

 

2)      Können die Oberstufen derzeit bei der Ampelphase ‚Orange‘ auch Unterricht im Schichtbetrieb (das bedeutet eine Aufteilung in zwei Gruppen, die abwechselnd zu Hause bzw. an der Schule lernen) durchführen?

a.      Wenn ja, warum wurde dies nicht vom Bildungsministerium kommuniziert?

b.      Wenn nein, warum war dies im Oktober möglich?

 

3)      Welche Unterschiede gibt es in den Maßnahmen bei der Ampelphase Orange zwischen dem 15. Oktober und dem 2. November 2020? Bitte um detaillierte Darstellung.

a.      Welche Daten und Fakten liegen diesen unterschiedlichen Maßnahmen  zugrunde?

 

 

 

 



[1] https://www.bildung-noe.gv.at/service/Verordnungen-zur-Corona-Ampel.html

[2] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20011270

[3] https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2020_II_464/BGBLA_2020_II_464.html

[4] https://www.bmbwf.gv.at/Ministerium/Presse/20201102.html

[5] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201015_OTS0239/taschner-zu-hammerschmid-ampelfarbe-orange-bedeutet-nicht-automatisch-home-schooling