4258/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.11.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend die Zulassung der Kraftstoffsorte E10 in Österreich

Im Kapitel Verkehr und Infrastruktur, Unterkapitel Verkehr, des aktuell gültigen Regierungsprogrammes wird auf Seite 93 die „Forcierte Beimischung von Bioethanol (E10) und Überarbeitung der entsprechenden Zielsetzungen in der Kraftstoffverordnung, um die bestehende heimische Bioethanol-Produktion bestmöglich zu nutzen und den tatsächlichen CO2-Ausstoß im Verkehr laufend zu reduzieren" zum Regierungsziel erklärt.

Obwohl E10 in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie beispielsweise Deutschland, Frankreich, Belgien oder Ungarn seit Jahren erfolgreich angeboten wird, hat Österreich dieses Vorhaben bisher noch nicht umgesetzt. Konkret wurde es bisher verabsäumt, in der Kraftstoffverordnung E10 als Ersatz für das derzeit gebräuchliche Produkt E5 als Kraftstoff für Ottomotoren mit einer Oktanzahl von mindestens 95 verpflichtend vorzuschreiben.

Dazu ist festzuhalten, dass die in Österreich bereits seit Jahren erzeugte Menge an Bio-Ethanol ausreicht, um einen höheren Beimengungsgrad (10 statt 5 Prozent) ohne jeglichen Mehrverbrauch an landwirtschaftlicher Fläche zu bewerkstelligen. Bio-Ethanol wird in Österreich seit Jahren beinahe ausschließlich aus den Abfallprodukten der Erzeugung von pflanzlichem Futter-Eiweiß gewonnen. Eine Konkurrenzsituation von Bioethanol zu Futtermitteln oder gar Nahrungsmitteln ist somit per se ausgeschlossen. Die Europäische Kommission hält in ihrem Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energien" vom 14.10.2020 fest, dass es keine Korrelation zwischen Nahrungsmittelpreisen und der Nachfrage nach Biokraftstoffen gibt.[1] Die "Teller-Trog-Tank"-Diskussion trifft auf Bioethanol "Made in Austria" schlicht nicht zu - im Gegenteil stehen so dem heimischen Markt zusätzlich gentechnikfreie Eiweißfuttermittel zur Verfügung, die es ohne die Bioethanolproduktion nicht gebe.

Der Grund für die Verzögerung bei der Einführung von E10 in Österreich liegt dem Vernehmen nach in der Sorge, gewisse Kraftfahrzeuge könnten bei Verwendung des Kraftstoffes mit dem erhöhten biogenen Beimengungsgrad Schäden erleiden, für die dann die Republik am Amtshaftungswege in Anspruch genommen werden könnte. Um solche Amtshaftungs-Ansprüche hintanzuhalten, wurde vom damaligen

Umweltministerium (jetzt BMK) bereits im Herbst 2019 beim Arbeitskreis der Automobilimporteure eine Liste aller Bestandsfahrzeuge inklusive ihrer E10- Verträglichkeit bzw. Nicht-Verträglichkeit nachgefragt. Diese Nachfrage wurde dem Vernehmen nach jedoch nicht von allen Automobilimporteuren bzw. von manchen nicht im gewünschten Detailgrad beantwortet.

Nunmehr hat sich jedoch herausgestellt, dass Frankreich bei der Einführung von E10 eine Liste der ElO-verträglichen Fahrzeuge in Gesetzes-Rang kundgemacht hat[2]. In Zusammenschau mit der von den Österreichischen Automobilimporteuren (ausreichend genau) überlieferten Liste an E10 verträglichen Benzin-Pkw ergibt sich, dass etwa 95 Prozent des österreichischen Bestandes an Benzinautos (ohne Oldtimer) problemlos mit E10 betankt werden können. Und diese Fahrzeuge können auch hinreichend genau spezifiziert werden, wodurch eine akkurate Information der Konsumenten möglich ist.

Die seitens des BMK dem Vernehmen nach zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, dass bei Einführung von E10 eine Haftung für Schäden an Fahrzeugen drohen könnte, die eben kein E10 vertragen, erscheint in diesem Lichte völlig unbegründet. Eine Liste an E10 verträglichen Fahrzeugen kann problemlos veröffentlicht werden.

Die gesetzliche Festlegung einer Liste von ElO-verträglichen Fahrzeugen durch Frankreich ist ein normativer Akt, der auf Grundlage von Angaben der Fahrzeughersteller erstellt wurde. Dieser normative Akt legt im Sinne einer legislativen Feststellung fest, dass Besitzer der dort genannten Fahrzeuge bedenkenlos E10 tanken können. Die in Frankreich auf den Markt gebrachten Fahrzeuge sind aufgrund der für den gesamten EWR geltenden Typisierungsregelungen als gleichwertig mit jenen anzusehen, die in Österreich importiert bzw. zugelassen werden. Daher ist nicht anzunehmen, dass die in Österreich zugelassenen Fahrzeuge anders verhalten werden als jene, die eine französische Zulassung haben. Der Sachverhalt ist als ident anzusehen. Daher wäre eine Übernahme der durch die französische Gesetzgebung erkannten Verträglichkeit durch die Republik Österreich weder rechtswidrig noch schuldhaft und kann daher auch nicht zu einer schadenersatzrechtlichen Haftung der Republik führen.

Die Bedenken der Automobilimporteure dürften vermutlich, so geht es aus persönlichen Gesprächen hervor, durch unterschiedliche Standards bei der Berechnung von CO2 Emissionen von Kraftfahrzeugen begründet sein. Während in den nationalen Emissions-Statistiken der Beimengungs-Anteil an alternativen Kraftstoffen (biogen Stufe 1,2,3; E-fuels etc.) zum traditionellen fossilen Kraftstoff als emissionsmindernd anerkannt wird, findet eine solche Anrechnung im Falle der sogenannten Flottenziele nicht statt. Selbst ein zu 100% mit alternativen Kraftstoffen betriebenes Fahrzeug schlägt somit in der Rechnung der Automobilhersteller als rein fossil betriebenes Fahrzeug zu Buche. Das ist nicht nur nicht nachvollziehbar sondern auch faktisch falsch. Juristisch scheint hier vielmehr eine klassische Ungleichbehandlung desselben Sachverhaltes und somit eine Verfassungwidrigkeit vorzuliegen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.       Hat das BMK technische Bedenken gegen die umgehende Einführung von E10?

2.       Wenn ja, welche Bedenken sind dies konkret?

3.       Hält das BMK eine in einem namhaften EU-Land in den Gesetzesrang erhobene Liste von „E10"-verträglichen Fahrzeugen für nicht ausreichend, um als Basis für die Information der Konsumenten bei der Einführung einer neuen Kraftstoffspezifikation zu dienen?

4.       Wenn ja, warum reicht dies nicht aus?

5.       Hat das BMK andere juristische Bedenken gegen die umgehende Einführung von E10?

6.       Wenn ja, welche Bedenken sind dies konkret?

7.       Was wurde vom BMK bisher unternommen, um die offenbar bestehenden technischen bzw. juristischen Bedenken, auszuräumen?

8.       Wenn die Bedenken ausgeräumt sind, wann ist dann mit der Zulassung im Rahmen der österreichischen Kraftstoffverordnung zu rechnen?

9.       Hält das BMK die Ungleichbehandlung der Anrechenbarkeit alternativer Kraftstoffe bei der Berechnung nationaler Emission-Statistiken im Vergleich zur Berechnung der sogenannten EU-Flottenziele für gerechtfertigt?

10.   Falls ja, wie rechtfertigt das BMK die offensichtliche Ungleichbehandlung gleichartiger Fakten bzw. Sachverhalte in juristischer Hinsicht?

11.   Falls nein, wird sich Österreich auf europäischer Ebene für die Abschaffung dieser kontraproduktiven Unterscheidung bei der Zählweise von CO2 Emissionen einsetzen?



[1] https://ec.europa.eu/energy/sites/ener/files/renewable_energy_progress_report_com_2020_952.pdf

[2] https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000026582088&categorieLien=id