4260/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.11.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Steuermillionen für Wettanbieter und Betreiber von Glücksspielautomaten

Laut Profil-Recherchen müssen die Steuerzahler_innen während des neuerlichen "harten Lockdowns" in dieser Corona-Pandemie für Spieleinsätze in Glücksspielautomaten aufkommen, obwohl diese Jahr für Jahr vielen Spielsüchtigen Haus, Hof und in besonders tragischen Fällen auch Familie oder gar Leben kosten.

"Hintergrund ist die sogenannte Umsatzersatz-Regel von Anfang November. In ihrem Rahmen ersetzt die türkisgrüne Regierung all jenen Betrieben, die behördlich geschlossen wurden, 80 Prozent ihres Umsatzes. Dazu zählen auch Wett- und Automatencafés. In diesem Fall werden nicht nur die Umsätze aus dem Verkauf von Speisen und Getränken ersetzt, sondern auch jene aus dem unmittelbaren Betrieb der Spielautomaten. Das bestätigt das ÖVP-geführte Finanzministerium auf profil-Anfrage." (siehe: https://www.profil.at/wirtschaft/finanzministerium-zahlt-einsaetze-von-gluecksspielautomaten-als-corona-hilfen-aus/401097483)

In Österreich stehen derzeit über 5000 legale bzw. lizenzierte "einarmige Banditen". Laut den Profil-Recherchen generieren sie 13 bis 28 Millionen Euro monatlich. Wenn die Steuerzahler_innen nun 80 Prozent dieser Bruttospielerträge berappen sollen, bewegen sich die öffentlichen Corona-"Hilfen" für private Betreiber der berüchtigten Glücksspielautomaten in einem Bereich zwischen zehn und 22 Millionen Euro monatlich. Der Löwenanteil davon wird aufgrund ihrer marktdominierenden Stellung an die Novomatic AG gehen. 

Für den Handel sieht die Situation ganz anders aus: "Aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen, wie etwa Gewinnspannen, verderbliche Güter, Wiederverkauf und Nachholeffekten, wird der Handel differenziert betrachtet. Grundsätzlich werden 40 Prozent des Umsatzes erstattet werden", hieß es diesbezüglich aus Ihrem Ressort. (siehe: https://www.bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2020/november/bluemel-lockdown-schnell-helfen.html)

Für Glücksspielanbieter ist der Bruttospielertragsersatz allerdings nicht die einzige staatliche Förderung in dieser Corona-Krise. Wie alle anderen können sie auch auf Kurzarbeit zurückgreifen und den Fixkostenzuschuss beantragen. Das bedeutet, dass sie nicht nur 80 Prozent des Umsatzes aus dem Vergleichszeitrum des Vorjahres ersetzt bekommen, sondern dass auch Teile ihrer Personalkosten, Mieten und ähnlicher Ausgaben von öffentlicher Hand getragen werden. 

Aufgrund einer EU-Regelung sind staatliche Zuschüsse für einzelne Unternehmen auf 800.000 Euro pro Instrument bzw. Hilfsmaßnahme begrenzt. Just diese Deckelung - die verhindert, dass Regierende einzelnen Konzernen einen Millionenregen bescheren können - bekämpfen Gernot Blümel und die ÖVP jedoch aktuell. Der Finanzminister über die Deckelung des Fixkostenzuschusses Anfang Oktober 2020: „Neben der Verlängerung über das Jahr 2020 hinaus muss auch die bestehende Obergrenze von 800.000 Euro fallen." (siehe: https://kurier.at/wirtschaft/eu-will-bis-zu-zwei-millionen-euro-fixkostenzuschuss-erlauben/401054797)

Anfrage:

1.    Viele Glücksspiel- und Wettanbieter betreiben auch gastronomische Unternehmungen, deren Umsätze aus dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bereits zu 80 Prozent ersetzt werden. Außerdem werden sämtliche Glücksspiel- und Wettangebote auch online angeboten. Mit welcher Begründung wurde der Bruttospielertragsersatz in der Glücksspiel- und Wettsparte bei 80 Prozent und nicht bei 40 Prozent wie beispielsweise im Handel angesetzt?

2.    Welche Argumente sprechen vonseiten des Finanzministeriums für eine Umsatzerstattung von 80 Prozent für die Glücksspiel- und Wettsparte?

3.    Sieht der Bundesminister hier einen besonderen volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert, zu dem diese Maßnahme betragen soll? 

a.    Wenn ja, worin sieht der Bundesminister den volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert begründet?

b.    Wenn nein, womit begründet der Bundesminister diese Maßnahme sonst?

4.    Gibt es spezielle Regelungen für Glücksspiel- und Wettanbieter, die ihre Angebote auch online anbieten?

a.    Wenn ja: Wie lauten diese?

b.    Wenn nein: Wieso nicht?

5.    Strebt der Bundesminister danach, die Deckelung des Bruttospielertragsersatzes abzuschaffen?

a.    Wenn ja: Womit begründet der Bundesminister dieses Bestreben?

6.    Wurde bei der Bemessung dieses Bruttospielertragsersatzes vonseiten des Bundesministers berücksichtigt, dass viele Glücksspielanbieter während des Lockdowns weit geringere Ausgaben (z.B. beim Personal und im Einkauf) haben werden als im Vergleichszeitraum des Vorjahres?

7.    Laut Statistiken und Expert_innen aus dem Bereich der Spielsuchtforschung finden "kleines" Glücksspiel wie auch Wettgeschehen zunehmend online statt. Liegen dem Finanzministerium Daten vor, die auf die genaue Zusammensetzung der Glücksspiel- und Wetterlöse von Glücksspiel- und Wettanbietern schließen lassen? 

a.    Wenn ja: Bitte um Übermittlung dieser Unterlagen.

b.    Wenn ja: Wurde bei der Bemessung dieses Bruttospielertragsersatzes berücksichtigt, dass viele Glücksspiel- und Wettanbieter während des Lockdowns vielleicht sogar höhere Umsätze als im Vergleichszeitraum des Vorjahres machen werden?

c.    Wenn nein: Warum wurde diese wesentliche Entwicklung vom Finanzministerium nicht in die Bemessung der Hilfe bzw. Ausformulierung der Maßnahme miteinbezogen?

8.    Liegen dem Finanzministerium Informationen vor, die auf die genaue Aufteilung von Glücksspiel- und Wettumsätzen zwischen Lokalbetreibern, Automatenaufstellern, Wettanbietern etc. schließen lassen? In anderen Worten: Wer verdient an den zu ersetzenden Glücksspiel- und Wettumsätzen aller mit?

a.    Wie hoch ist der Anteil des Bruttospielertragsersatzes für Automatenlokalbetreiber_innen?

b.    Wie hoch ist der Anteil des Bruttospielertragsersatzes für Automatenaufsteller_innen?

c.    Wie hoch ist der Anteil des Bruttospielertragsersatzes für Wettlokalbetreiber_innen?

d.    Wie hoch ist der Anteil des Bruttospielertragsersatzes für Wettanbieter_innen?

9.    Liegen dem Bundesminister Zahlen vor, die auf die Gesamthöhe des Bruttospielertragsersatzes für die Novomatic AG inklusive ihrer Tochterunternehmen in Österreich schließen lassen?

a.    Wenn ja: Mit welcher Summe an Bruttospielertragsersatz rechnet das Finanzministerium im Fall der Novomatic AG? Mit der Bitte um Übermittlung allfälliger Unterlagen und Berechnungen, auf die sich das Finanzministerium stützt.

10. Ist der Novomatic AG bereits die Maximalhöhe von 800.000 Euro für den Fixkostenzuschuss überwiesen worden?

11. Wie viele Mitarbeiter_innen hat die Novomatic AG seit Beginn der ersten Welle im Frühjahr 2020 für wie lange in Kurzarbeit geschickt?

12. Hat die teilstaatliche Casinos Austria AG Anspruch auf einen Bruttospielertragsersatz in der Höhe von 80 Prozent?

13. Wurden vonseiten des Finanzministeriums spezielle Auflagen oder Vorgaben für die Berechtigung auf Bruttospielertragsersatz für Glücksspiel- und Wettanbieter formuliert?

14. Wurden vonseiten des Finanzministeriums spezielle Auflagen oder Vorgaben für die Berechtigung auf Bruttospielertragsersatz für Glücksspiel- und Wettanbieter mit Hinblick auf eine Verbesserung des Spielerschutzes formuliert?

a.    Wenn ja: Wie lauten diese Auflagen oder Vorgaben?

b.    Wenn nein: Wieso hat man vonseiten des Finanzministeriums diese Möglichkeit nicht genutzt, um für eine Verbesserung des Spielerschutzes zu sorgen?

15. Kam es im Laufe des Jahres 2020 zu Treffen zwischen dem Bundesminister und Vertretern der Glücksspielbranche (Novomatic, Admiral, Casinos Austria etc.)?

a.    Wann und wo haben diese jeweils stattgefunden, und mit wem waren die Treffen ad personam?

b.    Wie lauteten die inhaltlichen Agenden für diese Treffen und was wurde konkret besprochen?

16. Wer hat gegenüber dem Bundesminister oder dem Kabinett den Vorschlag getätigt, nicht nur 80 Prozent des gastronomischen Umsatzes in Glücksspiel- und Wettlokalen zu erstatten, sondern den Lokalbetreibern und ihren Partnern (z.B. Novomatic) auch 80 Prozent des Glücksspielumsatzes zu erstatten?