4296/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.11.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Mag.a Selma Yildirim,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Unterhaltsvorschuss in der Corona-Krise

 

 

Soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen wird vielfach über die ökonomische Situation des Elternhaushalts bestimmt, der sozio-ökonomische Hintergrund wird oft vererbt. So sind auch insbesondere Alleinerziehende und ihre Kinder in Österreich mehr als doppelt so oft von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Von den knapp 170.000 alleinerziehenden Elternteilen in Österreich machen über 90% davon Frauen aus. Die Österreichische Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) geht im Jahr 2019 von 167.800 Alleinerziehende in Österreich aus, davon waren 91,4% Mütter und 8,6% Väter, die eine Sorgepflicht für etwa 246.000 Kinder unter 25 Jahren und für ca. 40.000 Kinder, die noch nicht in der Schule sind, hatten.[1] 

 

Diese prekäre Situation hat sich für Frauen in Summe, insbesondere für Alleinerzieherinnen, seit dem Ausbruch der Covid-Pandemie und dem Lockdown Mitte März zusätzlich verschärft. Sie sind in der aktuellen Situation Doppel-, Dreifach- und sogar Vierfachbelastungen ausgesetzt, wenn sie etwa noch zusätzlich zur Lohnarbeit die Care-Arbeit zu Hause übernehmen müssen. Zudem sind Alleinerziehende auch wirtschaftlich besonders belastet, wenn etwa als Selbständige das eigene Einkommen oder auch das Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindsvaters/Elternteils wegfällt. Gerade fehlende oder geringe Unterhaltsleistungen führen in der Regel zu einer massiven finanziellen Belastung. So erzählt eine alleinerziehende Mutter dem Mosaik-Blog unter anderem auch von finanziellen Schwierigkeiten: „Auch der finanzielle Druck ist groß. Ich bekomme keinen Unterhalt. Der Vater lebt in den USA und ohne rechtlichen Druck ist er nicht bereit, etwas zu zahlen. Der Fall ist noch vor Gericht, aber bis zum Entscheid gibt es keine finanzielle Unterstützung und das kann noch lange dauern. Ich würde mir wünschen, dass zumindest während der Corona-Krise allen Kindern der Regelbedarf ausbezahlt wird.[2] 

 

Diese Mehrfachbelastung durch Kindererziehung – und die Kompensation ihres Unterrichts –  Lohnarbeit, finanzielle Engpässe sowie Pflege der Angehörigen, haben vor allem während des Lockdowns Alleinerziehende an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht hat. Aber auch an Kindern geht diese Entwicklung nicht spurlos vorbei. So waren laut einer Studie des ZSI[3] besonders Kinder von Alleinerziehenden vom Home-Schooling belastet. Hier gab fast jedes zweite Kind in Ein-Eltern-Familien an, von der Situation im Ausnahmezustand belastet zu sein. Dieser immense Druck von mehreren Seiten äußert sich nicht zuletzt in vermehrten Konflikten mit den Kindern. Dass in Zusammenhang der Mehrfachbelastung besonders armutsgefährdete Familien, davon großteils Alleinerziehende und ihre Kinder, betroffen sind, geht aus einer umfassenden Studie der Universität Wien zum Thema Homeschooling hervor.[4]

 

Die Österreichische Plattform für Alleinerziehende befürchtet auf Grund der sich verschlechternden Situation eine soziale Krise und appelliert an die Bundesregierung, hier konkrete Maßnahmen auch gegen Frauenarmut zu setzen. Die Justizministerin hat zu Beginn der Pandemie per Verordnung den Zugang zum staatlichen Unterhaltsvorschuss erleichtert, der mit Oktober um zwei Monate, also bis Jahresende 2020, verlängert wurde. Ein Exekutionsantrag vor Gericht ist also vorübergehend keine Voraussetzung mehr für den staatlichen Unterhaltsvorschuss.

 

Weitere Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang noch nicht angedacht, geschweige denn gesetzt worden, obwohl eigentlich noch immer die Frage nach der Einführung einer Unterhaltsgarantie im Raum steht. Durch das Modell der Unterhaltsgarantie wird sichergestellt, dass diejenigen Alleinerziehenden, die das Kind auch tatsächlich betreuen, unterstützt werden. Der Staat soll in Zukunft Unterhalt bis zur Höhe des Regelbedarfs für ein Kind garantieren, wenn kein oder nur geringer Unterhalt, Unterhaltsvorschuss oder Halbwaisenpension geleistet wird. Gerade jetzt würde es dieser Maßnahme dringend bedürfen.

 

Weitere längst überfällige Maßnahmen sind die Erstellung einer Kinderkostenanalyse, die zur Neuberechnung der Regelbedarfsätze führen würde, sowie bestehende Lücken des Sonderbedarfs zu

schließen. Eine Reform des Unterhaltsrechts ist längst überfällig.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen an die Bundesministerin für Justiz daher folgende

 

Anfrage

 

1.     Wie viele Ein-Eltern-Haushalte gibt es in Österreich? Bitte aufgeschlüsselt nach den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und dem jeweiligen Bundesland.

a)    Wie viele Kinder leben in diesen Ein-Eltern-Haushalten?

b)    Wie alt sind diese Kinder?

 

2.     Wie viele Kinder, die in Alleinerziehenden-Haushalten leben, sind aktuell armuts- oder ausgrenzungsgefährdet? Bitte aufgeschlüsselt nach den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und dem jeweiligen Bundesland.

 

3.     Wie viele Anträge auf Unterhaltsvorschuss wurden seit der Einführung der neuen Regelung im April 2020 gestellt?

 

4.     Wie viele Anträge auf Unterhaltsvorschuss sind bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage anhängig?

 

5.     Wie viele Unterhaltsvorschüsse wurden seit Ausbruch der Pandemie und des damit einhergehenden Lockdowns Mitte März bis zum Zeitpunkt dieser Anfrage herabgesetzt?

a)    Wie viele Alleinerzieherinnen sind davon betroffen?

b)    Wie viele Alleinerzieher sind davon betroffen?

c)     Wie viele Kinder sind davon betroffen?

 

6.     Wie viele Unterhaltspflichtige zahlen seit Ausbruch der Pandemie aufgrund einer Neufestsetzung des Unterhalts weniger Alimente?

a)    Wie viele Alleinerzieherinnen sind davon betroffen?

b)    Wie viele Alleinerzieher sind davon betroffen?

c)     Wie viele Kinder sind davon betroffen?

 

7.     Wird die Neuregelung für den Unterhaltsvorschuss nach Ablauf der Frist (31.12.2020) verlängert?

a)    Wenn ja, ab wann ist die Verlängerung gültig?

b)    Wenn ja, wie lange ist sie gültig?

c)     Wenn nein, warum nicht?

 

8.     Planen Sie, wie im Regierungsprogramm 2020 festgeschrieben, das Unterhaltsrecht umfassend zu reformieren?

a)    Wenn ja, wann und wie?

b)    Wenn ja, haben Sie ExpertInnen im Reformprozess eingebunden?

i.    Wenn ja, welche?

ii.   Wenn nein, warum nicht?

c)     Wenn nein, warum nicht?

 

9.     Wird die Unterhaltsgarantie umgesetzt?

a)    Wenn ja, wann?

b)    Wenn ja, in welcher Form?

c)     Wenn nein, warum nicht?

 

10.  Alleinerziehende bekommen – im Gegensatz zu im Haushalt zusammenlebende Paarfamilien – keine Unterstützungen aus dem Corona-Familienhärteausgleich. Sie sind ebenso von Kürzungen des Familieneinkommens betroffen, wie andere Familien auch; beispielsweise, wenn der getrennt lebende Elternteil arbeitslos geworden oder in Kurzarbeit ist und deshalb keinen oder weniger Unterhalt zahlen kann.  Wird diese Lücke bei den Corona-Unterstützungen für Familien geschlossen?

a) Wenn ja, bis wann?

b) Wenn nein, warum nicht?



[1] https://www.alleinerziehende.org/aktuelles/301-presseaussendung-am-16-oktober-2020.html

[2] https://mosaik-blog.at/alleinerzieherinnen-corona/

[3] https://www.zsi.at/en/object/project/5517

[4] https://viecer.univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog47/