4378/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.11.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Justiz

betreffend Gudenus-Chats und Ermittlungsverfahren in der BVT-Causa

Anlässlich der Befragung der Auskunftsperson OStA Mag. Wolfgang Handler am 2. April 2019 durch den "BVT"-Untersuchungsausschuss machte die Erstanfragestellerin die Tatsache bekannt, dass die Strafverfahren wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss (§ 288 Abs 1 und 4 StGB) gegen GS Mag. Peter Goldgruber, Dr. Udo Lett, StA Mag. Ursula Schmudermayer, OStA Mag. Wolfgang Handler sowie die drei Hauptbelastungszeugen im Verfahren 6 St 2/18f der WKStA gemäß § 35c StAG auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien eingestellt wurden. 

Medial besonders intensiv wurde auch zu Widersprüchlichkeiten zwischen den Aussagen von GS Goldgruber im Rahmen seiner Befragungen durch den Untersuchungsausschuss und den Aufzeichnungen der fallführenden Staatsanwältin in ihrem Tagebuch berichtet. Während die Staatsanwältin in letzterem vermerkte, GS Goldgruber habe ihr gegenüber u.a. angegeben, er habe von BM Kickl den Auftrag im BM.I "aufzuräumen", bestritt der Generalsekretär des BM.I im Untersuchungsausschuss dazu befragt vehement, eine solche Aussage jemals getätigt zu haben (siehe: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/1000344-Habe-nie-den-Auftrag-erhalten-irgendwo-aufzuraeumen.html). 

Aber auch in zahlreichen anderen Fällen gab es medial breit diskutierte Widersprüchlichkeiten zwischen Aktenlagen bzw. den Aussagen verschiedener Auskunftspersonen. So listet etwa die Presse in ihrem Artikel "Wo sich in der Causa BVT Widersprüche finden lassen" vom 14.11.2018 nicht weniger als 24 exemplarische Widersprüche zwischen Akten, Anfragebeantwortungen und Aussagen von Auskunftspersonen auf (siehe: https://diepresse.com/home/5529755/Wo-sich-in-der-Causa-BVT-Widersprueche-finden-lassen).

Die Oberstaatsanwaltschaft leitete nicht einmal das Ersuchen der Staatsanwaltschaft an die Parlamentsdirektion um Übermittlung der Protokolle weiter. Es wurden daher nicht einmal die Protokolle der Befragungen beigeschafft (siehe: https://diepresse.com/home/innenpolitik/5606059/BVT_Keine-Ermittlungen-gegen-Goldgruber-Lett-Schmudermayer vom 2.4.2019). Gegenüber der "Presse" begründete der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Wien diese Vorgehensweise wie folgt: "Die anonyme Anzeige beruht auf der bloßen pauschalen Bezichtigung, dass diese Personen gelogen haben. Worin sich das zeigt, wurde nicht weiter ausgeführt.“ 

Gemäß § 35c StAG darf von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werden, wenn kein Anfangsverdacht besteht. § 2 StPO regelt das Prinzip der Amtswegigkeit (Offizialprinzip), also die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden zur Aufklärung von zur Kenntnis gelangter Anfangsverdachtslagen. Die Nicht-Annahme eines Anfangsverdachtes im konkreten Fall ist nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Anzeige, wie seitens der Oberstaatsanwaltschaft Wien vorgebracht wurde, lediglich pauschale Bezichtigungen beinhalten möge, so kann von den Strafverfolgungsbehörden doch erwartet werden, dass zumindest die (sehr intensive) Medienberichterstattung zum Thema Widersprüche im BVT-Verfahren beobachtet wird. 

Aufgrund der zitierten Aussage der Oberstaatsanwaltschaft brachte die Erstanfragestellerin detaillierte Anzeigen ein, die jedoch auch nicht dazu führten, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde (siehe https://www.krone.at/2107411 vom 29.2.2020). 

Es besteht die Gefahr, dass Falschaussagen vor Untersuchungsausschüssen gehäuft auftreten, wenn Ermittlungen und in weiterer Folge strafrechtliche Konsequenzen ausbleiben. 

Während das bisherige Vorgehen der Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehbar ist, wurde im Zuge des "Ibiza"-Untersuchungsausschusses die Causa BVT jüngst um eine Facette reicher. Die Auswertung der Chats von Johann Gudenus in der Causa Casinos Austria legt nämlich auch eine Spur zu den Hausdurchsuchungen im BVT 2018. Sieben Wochen vor der Razzia schickte Gudenus demnach eine digitale Visitenkarte an Reinhard Teufel, dem damaligen Kabinettschef des damaligen Innenministers Herbert Kickl. Darauf stand der Name eines Mannes, der gleichfalls der blauen Gesinnungsgemeinschaft angehört: Wolfgang Preiszler, FPÖ-Kommunalpolitiker in Niederösterreich, im Brotberuf Polizist in den Diensten der Wiener Einsatzgruppe zur Bekämpfung von Straßenkriminalität, kurz EGS. Sieben Wochen später, am 28. Februar 2018, führte dieser die rechtswidrige Hausdurchsuchungen beim BVT an.  

Die Visitenkarte ist Teil eines Auswertungsberichts der WKStA, der sich eigentlich mit Gudenus‘ Rolle in der Casinos-Causa befasst und daher auch dem "Ibiza"-Untersuchungsausschuss vorliegt. Gudenus hatte demnach nicht nur vor den Hausdurchsuchungen Kontakt mit Teufel, sondern auch danach, und auch Wolfgang Preiszler taucht in zeitlicher Nähe zur Razzia im Chatverlauf des damaligen FPÖ-Klubobmanns auf. Am 6. März 2018, eine Woche nach den Hausdurchsuchungen, schickte Gudenus Kickls Kabinettschef eine weitere Nachricht: „BVT Kandidaten Gute Leute“, im Anhang die abfotografierten Visitkarten von zwei BVT-Mitarbeitern. Am 9. März 2018 meldete sich Preiszler selbst bei Gudenus via WhatsApp. „Aus gegebenem Anlass bin ich nicht mehr auf WA, sondern auf Threema“, schrieb der FPÖ-Polizist. Gudenus stand zunächst auf der Leitung: „Was meinst du?“ Daraufhin Preiszler: „Ich wechsel wg der BVT-Ermittlungen den Messenger“ (siehe: https://www.profil.at/oesterreich/die-bvt-affaere-war-die-razzia-2018-von-langer-hand-geplant/400944524). Gegenüber dem "Standard" und dem "profil" gab Teufel an, er habe Gudenus niemals um die Übermittlung des Kontakts zu Preiszler gebeten zu haben. Im BVT-Untersuchungsausschuss hatte er unter Wahrheitspflicht zu Protokoll gegeben, dass er zu keinem Zeitpunkt in die Vorbereitungen der Hausdurchsuchungen involviert gewesen sei. Nach seinem Motiv für die Übermittlung gefragt, ließ Gudenus die beiden Medien wissen: „Wolfgang Preiszler hatte mich gefragt, ob ich ihn bei Herbert Kickl vorstellig machen könnte, weil er beim Einzug im Tross der Ehrengäste des BMI mitgehen wollte“ (siehe: https://www.derstandard.at/story/2000118169193/neu-aufgetauchte-chatprotokolle-belasten-fpoe-in-bvt-affaere). 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wurde seitens einer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren auf Basis des oberhalb ausgeführten Zufallsfundes betreffend Johann Gudenus eingeleitet?

a.    Wenn ja, welche Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall?

b.    Wenn ja, wie viele Personen wurden wann als Zeug_innen vernommen?

c.    Wenn ja, wie viele Personen wurden wann als Beschuldigte vernommen?

d.    Wenn, ja wie ist der Stand des Verfahrens?

e.    Wenn ja, 

                                      i.wurde das Ermittlungsverfahren mittlerweile abgeschlossen?

1.    Wenn ja, wann und zu welchem Schluss kommt die StA?

a.    Wenn ja, ist beabsichtigt, gegen einzelne oder mehrere der Beschuldigten Anklage zu erheben?

                                                                                      i.Wenn ja, gegen wen?

                                                                                    ii.Wann ist beabsichtigt, Anklage zu erheben?

b.    Wenn ja, wurden die Ermittlungen in der Causa eingestellt und aus welchen präzisen Gründen?

2.    Wenn nein, wann kann mit dem Abschluss der Ermittlungen gerechnet werden?

                                    ii.wurden in der Causa Weisungen vom Ministerium oder der OStA Wien erteilt?

1.    Wenn ja, wann, von wem und mit welchem Inhalt?

                                   iii.ist beabsichtigt, in der Causa Weisungen zu erteilen?

1.    Wenn ja, welche Weisungen beabsichtigen Sie in der Sache zu erteilen?

                                   iv.wurde in der Causa ein Vorhabensbericht der StA erstattet?

1.    Wenn ja, mit welchem Inhalt/Vorhaben?

                                    v.wurde in der Causa eine Stellungnahme der OStA erstattet?

1.    Wenn ja, mit welchem Inhalt?

                                   vi.wurden Ihnen bzw. dem Ministerium der Vorhabensbericht und die Stellungnahme bereits vorgelegt?

1.    Wenn ja, wann wurden der Vorhabensbericht der StA und die Stellungnahme der OStA mit welchem Inhalt finalisiert?

                                  vii.hat die StA vor, Anklagen gegen bestimmte Personen zu erheben?

1.    Wenn ja, gegen wen (bzw. wie viele Personen) und aufgrund welcher Delikte?

f.     Wenn nein, wieso nicht?

2.    Sind seit April 2018 neue Anzeigen im Zusammenhang mit Falschaussagen vor dem BVT-Untersuchungsausschuss bei einer Behörde eingelangt?

a.    Wenn ja, wann wurden diese eingebracht, gegen wen sind sie gerichtet und wie lautet der aktuelle Stand?

3.    Wie viele Sachverhaltsdarstellungen wegen vermeintlicher Falschaussage im BVT-Untersuchungsausschuss wurden gegen wen wann eingebracht?

4.    In welchen Fällen bestand kein Anfangsverdacht und wurde daher wann entschieden, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten?

5.    Gegen welche Auskunftspersonen wurden von Amts wegen vermeintlicher Falschaussage im BVT-Untersuchungsausschuss Ermittlungen eingeleitet?

6.    In welchen Fällen wurde demnach aufgrund von Anzeigen oder Wahrnehmungen von Amts wegen wann ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber wann eingestellt?

a.    Wann wurde welche Ermittlungsverfahrenseinstellung veröffentlicht?

7.    In welchen Fällen wurde wann Anklage erhoben?

8.    In welchen Fällen kam es wann zu einer Verurteilung?