4386/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.12.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Terror in Wien: Informationsbeschaffung nach § 8 Abs 2 PStSG

 

Am Abend des 2. Novembers 2020 kam es in der Wiener Innenstadt zu einem folgenschweren islamistischen Terroranschlag. Ein behördenbekannter, bereits rechtskräftig nach § 278b StGB verurteilter Mann, schoss mit einer vollautomatischen Waffe in der belebten Gegend zwischen Schwedenplatz und Graben um sich und tötete vier und verletzte zahlreiche weitere Menschen.

In der Zwischenzeit wurden zahlreiche massive Behördenversagen im Vorfeld dieses Anschlages bekannt.

In Summe bleibt festzuhalten, dass auf Grund der Tatsache, dass die Sicherheitsbehörden

·         trotz Hinweis seitens der slowakischen Behörden zum versuchten Munitionskauf für eine vollautomatische Waffe

·         trotz erfolgreichen Ausforschens jener Personen, die diesen versuchten Kauf durchführen wollten (darunter der spätere Attentäter)

·         trotz Wissen, dass der Attentäter bereits eine Haftstrafe wegen Mitgliedschaft beim sog. "Islamischen Staat" verbüßt hatte und diese seitens der Justiz nur bedingt widerrufen worden war

·         trotz Kenntnis über Treffen des späteren Attentäters mit ausländischen Extremisten nach seiner Haftentlassung und

·         trotz der damals daher auch ex ante betrachtet selbst für Laien erkennbaren Gefährlichkeit und Dringlichkeit der Situation

weder die Justiz verständigten noch die nötigen Schritte unternahmen um im eigenen Bereich diese Gefahr erfolgreich abzuwehren, nach bisheriger Informationslage von einem folgenschweren und dringend aufklärungsbedürftigen Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden auszugehen ist.

Nach § 8 Abs 2 PStSG gibt es ein Informationsrecht und eine dazu korrespondierende Verpflichtung zur Information seitens des BVT hinsichtlich der obersten Organe der Vollziehung (Art. 19 B-VG) bei bedeutenden staatsschutzrelevanten Bedrohungen.

 

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Der versuchte Munitionskauf für ein Sturmgewehr in der Slowakei durch einen verurteilten, bedingt entlassenen Terroristen dürfte ohne Zweifel eine staatsschutzrelevante Bedrohung darstellen, die auch im Zuständigkeitsbereich des Kanzlers von Bedeutung ist. 

Die Existenz dieser Regelung war Ihnen bis zu Ihrer Befragung als Auskunftsperson im "BVT-Untersuchungsausschuss" offenbar unbekannt, wie sich aus dem öffentlich abrufbaren Protokoll ebendieser (S 8) ergibt:

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Ex-BVT Direktor Peter Gridling berichtete bei seiner Befragung am 3. Juni 2019 davon, dass sich Ihr Vorgänger als Kanzler, Christian Kern einmal bei ihm mit der Bitte um Information zu einem konkreten Bedrohungsszenario gemeldet habe und diese Auskunft erhalten habe (Protokoll AP S 12).

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Es stellt sich daher die Frage, ob und wann Ihnen Information betreffend den späteren Attentäter zugetragen wurde bzw. generell die Frage, in wie ferne Sie - nachdem Ihnen im Untersuchungsausschuss zur Kenntnis gelangte, dass dies zu Ihren Aufgaben gehört und im PStSG auch so vorgesehen ist - dafür Sorge trugen, dass aktuelle terroristische Bedrohungslagen Ihnen als Bundeskanzler mitgeteilt werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten gehen daher davon aus, dass Sie in dieser Regierungsperiode regelmäßig durch den Leiter des BVT oder durch den Innenminister über staatsschutzrelevante Bedrohungen informiert wurden und diese Auskünfte auch aktiv einholten; unklar ist, ob dies auch im konkreten Falle geschah, und falls dies nicht der Fall war, warum dies unterblieb. 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wann und durch wen erfuhren Sie erstmals vom versuchten Munitionskauf für ein Sturmgewehr durch den späteren Attentäter in der Slowakei (bzw. irgendeine abstrakte Information zu diesem Vorfall)?

a.    Welche Schritte setzten Sie daraufhin wann in Folge?

2.    Wie hielten Sie sich bis zum 2. November 2020 (Tag des Anschlages in Wien) über die aktuelle Sicherheitslage, insbesondere hinsichtlich terroristischer Bedrohungslagen, informiert?

3.    Haben Sie regelmäßig diesbezüglich Informationen eingeholt?

a.    Wenn ja: wie war der diesbezügliche Modus (bitte um genaue Beschreibung: wie häufig wurden Informationen eingeholt, wer bekam dafür welche Vorgaben, etc.)?

b.    Von wem kamen diese Informationen?

c.    Wenn ja: warum konnte es dann geschehen, dass Ihnen die doch auch ex ante betrachtet sehr zentrale Information betreffend des versuchten Munitionskaufes durch den späteren Attentäter in der Slowakei nicht mitgeteilt wurde (Frage 1)?

                                      i.Wer wäre für diese Informationsmitteilung verantwortlich gewesen?

4.    Haben Sie den Innenminister oder den Direktor des BVT je mit Hinweis auf § 8 Abs 2 PStSG angehalten, Ihnen regelmäßige Informationen über die aktuelle Sicherheitslage, insbesondere hinsichtlich terroristischer Bedrohungslagen, zu geben?

a.    Wenn ja: wie war der diesbezügliche Modus (bitte um genaue Beschreibung: wie häufig wurden wann Informationen eingeholt, wer bekam dafür welche Vorgaben, etc.)?

b.    Wenn nein: warum nicht?