4391/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.12.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Landesverteidigung

betreffend Intransparente Beschaffung von SARS-CoV-2-Antigen-Tests

 

Laut Medienberichten (https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2-am-Sonntag/13890057/ZIB-2-am-Sonntag/14073285/CoV-Tests-Kritik-an-intransparenter-Beschaffung/14805756 und https://kurier.at/ngen/massentests-fragwuerdige-auftragsvergabe/401113251) sei die Beschaffung der Antigentests für die geplanten Massentestungen vergaberechtlich nicht korrekt abgelaufen. 

Dabei geht es um ein Auftragsvolumen von mehr als 67 Millionen Euro. Organisiert werden die Massentestungen vom Bundesheer. Das Verteidigungsministerium hat mit der für öffentliche Aufträge zuständigen BBG (Bundesbeschaffung GmbH) den Einkauf der Tests übernommen. Beauftragt worden sind die IFMS Med GmbH (eine Million Tests), die Siemens Healthcare (fünf Millionen Tests) und der Schweizer Roche-Konzern (vier Millionen Tests). Deren Preise für die Tests variieren laut Medienberichten stark: 4,86 Euro pro Stück bei IFMS, 6,24 Euro bei Siemens und 7,805 Euro bei Roche. Die Preise sind deswegen absurd hoch, weil mehrere Apotheker berichten, kleine Mengen von rund 200 Stück zu je EUR 5,00 einzukaufen. Es ergibt sich bei Millionenbestellungen naturgemäß eine günstigere Preisbemessung.

Die Vergaben wurden nicht offen ausgeschrieben. Dazu sei der Zeitdruck zu groß gewesen, wird von Seiten der BBG argumentiert. Kritiker_innen zufolge ist fraglich, ob die Zeit tatsächlich so knapp gewesen ist: Schon im September 2020 wurden in Österreich Massentests diskutiert. Am 13. Oktober 2020 wurden die Antigentests in die Teststrategie des Gesundheitsministeriums aufgenommen.

Damit habe laut Kritiker_innen die Möglichkeit bestanden, mit verkürzten Fristen ein transparentes Verfahren durchzuführen und im Wettbewerb den besten Preis und die beste Qualität erzielen zu können. Aus den Medien vorliegenden Unterlagen erschließt sich, dass andere Anbieter größere Mengen in angeblich besserer Qualität rascher hätten liefern können. Unternehmen könnten diese Tests mit angeblich besserer Qualität - weil besserer Erkennung der Viren - noch diese Woche für 8 Millionen Stück liefern. Seit September 2020 seien demnach 230 Unternehmen mit Antigentests gelistet, zudem seien die Tests bereits seit März 2020 auf dem Markt.

Auch sei die Qualität der Tests von der BBG weder beim Abschluss der Rahmenvereinbarungen mit den Anbietern für Antigentests noch bei der Auswahl der Tests für die Massentestungen nicht bewertet worden. Wissenschafter_innen - etwa von der MedUni Wien, wo seit einiger Zeit Tests getestet werden - erklären, dass die Qualität der Tests durchaus unterschiedlich sei. Man dürfte sich nicht nur auf die Angaben der Hersteller verlassen. Die Test unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise - bessere Tests zeigen bereits bei einer geringeren Virenlast an, dass die Testperson infiziert ist. Zu einem Vergabeverfahren gehört natürlich immer auch, Qualitätsfragen mitzuberücksichtigen, weil ja der Best- und nicht der Billigstbieter zu finden ist. Qualitätskriterien hätten auch bei der Selektion der möglichen Lieferanten geholfen.

Laut Kritiker_innen sei völlig unklar, wie die BBG die Unternehmen auswählt, mit denen sie eine Rahmenvereinbarung abschließt. Aus dem Markt sei zu hören und auch die BBG hat dies auf Nachfrage bestätigt, dass dann mit einem Unternehmen eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird, wenn ein Kunde der BBG sagt, er möchte ein bestimmtes Produkt. Dies sei intransparent und weit ab von einem vergaberechtlich korrekten Beschaffungsprozess. Dies gelte im übrigen nicht nur für die Antigentests sondern auch für eine weitere Reihe von Medizinprodukten.

Die BBG hat laut ihren eigenen Angaben Rahmenvereinbarungen zur Lieferung von Antigentests zur Detektion des SARS-Cov-2 Virus mit 21 Anbietern ( www.bbg.gv.at/information/aktuelle-vertraege) abgeschlossen. Der Großauftrag des Heeres wurde dann von der BBG konkret am 9. November 2020 um 23.16 angefragt. Die Rahmenvereinbarungen mit Siemens und Roche sehen ein maximales Abrufvolumen von drei Millionen Euro vor. Dieses sei bei Roche bereits vor dem Großauftrag bei Weitem überschritten worden, öffentliche Einrichtungen hätten ohne Kontrolle der BBG schon um knapp 20 Millionen Euro bestellt. Das lasse sich im Unternehmensserviceportal, auf dem alle Abrufe aus Rahmenvereinbarungen bekannt gemacht werden müssen, nachlesen.

Auch die genannten Rahmenvereinbarungen der BBG, die ein Abrufvolumen von drei Millionen Euro vorsehen würden, seien nicht im Rahmen eines Vergabeverfahrens ausgeschrieben worden. 

Die BBG ist hinsichtlich der Beschaffung von Corona-Tests bereits routiniert. Im Oktober 2020 hat die BBG etwa für den Wiener Krankenanstaltenverbund ein Vergabeverfahrens mit verkürzten Fristen nach § 74 BVerG 2018 mit öffentlicher Bekanntmachung gestartet und durchgeführt. 

Laut Vergaberechtsexpert_innen kommt eine Notbeschaffung im vorliegenden Fall nicht in Frage. Diese sei nur zulässig, wenn die Nachfrage nicht allgemein am Markt verfügbar sei, was hier bezüglich der Tests nicht zutreffe. Auch seien die zu ergreifenden notwendigen Maßnahmen bereits vorhersehbar, was auch die genannte Teststrategie des Bundes vom 13. Oktober 2020 bestätigt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei öffentlich bekannt gewesen, dass Antigentests beschafft hätten werden müssen. Antigentests seien auch schon früher am Markt gewesen. Ein Vergaberechtsverfahren mit verkürzten Fristen (§ 74 BVergG 2018) hätte durchgeführt werden können. Ein solches könne inklusive Stillhaltefrist in 30 bis 40 Tagen abgewickelt werden. Damit hätte schon vorher oder spätestens Mitte Oktober ein reguläres transparentes Vergabeverfahren mit verkürzten Fristen durchgeführt werden können, das dann Ende November abgeschlossen gewesen wäre.

Hinsichtlich der Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen verweisen das BMLV und die BBG auf den jeweils anderen.

Damit kommen Zweifel an der Transparenz der Vergabe der Antigentests für die Massentestungen auf. Auch die mangelnde Qualität der Tests bzw. Überprüfung derselben wirft Fragen auf. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wurde hinsichtlich der genannten Rahmenvereinbarungen der BBG ein Vergabeverfahren durchgeführt?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn nein, auf Grundlage welcher Kriterien erfolgte die Auswahl der Vertragspartner?

                                      i.Wurde die Qualität der angebotenen Tests dabei einer Bewertung bezogen?

1.    Wenn ja, auf welche Weise und mit welchen Resultaten?

2.    Wenn ja, wurde die sogenannte Nachweisgrenze "Limit of Detection" dabei abgefragt? 

a.    Wenn nein, warum nicht?

3.    Kann sichergestellt werden, dass dabei der sicherste Test ausgewählt wurde?

a.    Wenn ja, wie? 

b.    Wenn nein, warum nicht?

4.    Wenn nein, warum nicht?

                                    ii.Wurde berücksichtigt, dass es durch unterschiedliche Tests zu Qualitätsunterschieden kommen kann?

1.    Wenn ja, in welcher Hinsicht?

2.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn ja, welches und auf welche Weise?

d.    Wie hoch ist das Volumen dieser Rahmenvereinbarungen?

e.    Wenn nein, handelte es sich beim Abschluss der Rahmenvereinbarungen um eine Direktvergabe?

                                      i.Wenn ja, mit welcher Begründung?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

1.    Worum handelt es sich sonst?

f.     Wenn nein, wie wurde sichergestellt, dass es dadurch nicht zu unnötigen Mehrausgaben der öffentlichen Hand kommt?

2.    Wurde hinsichtlich der Beschaffung der Antigentests für die Massentestungen ein Vergabeverfahren durchgeführt?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn nein, auf Grundlage welcher Kriterien erfolgt die Auswahl der Vertragspartner?

                                      i.Wurde die Qualität der angebotenen Tests dabei einer Bewertung bezogen?

1.    Wenn ja, auf welche Weise und mit welchen Resultaten?

2.    Wenn ja, wurde die sogenannte Nachweisgrenze "Limit of Detection" dabei abgefragt? 

a.    Wenn nein, warum nicht?

3.    Kann sichergestellt werden, dass dabei der sicherste Test ausgewählt wurde?

a.    Wenn ja, wie? 

b.    Wenn nein, warum nicht?

4.    Wenn nein, warum nicht?

                                    ii.Wurde berücksichtigt, dass es durch unterschiedliche Tests zu Qualitätsunterschieden kommen kann?

                                      i.Wenn ja, in welcher Hinsicht?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn ja, welches und auf welche Weise?

                                  i.    Welche Preise wurden dabei von wem angeboten?

d. Wie hoch ist das Volumen dieser Verträge jeweils und insgesamt?

e. Wenn nein, handelte es sich bei der Beschaffung um eine Direktvergabe?

                                  i.    Wenn ja, mit welcher Begründung?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

1.    Worum handelt es sich sonst?

            f. Wenn nein, wie wurde sichergestellt, dass es dadurch nicht zu unnötigen Mehrausgaben der öffentlichen Hand kommt?

3. Wurde hinsichtlich der Rahmenvereinbarungen der BBG ein Vergabeverfahren mit verkürzten Fristen nach § 74 BVergG 2018 durchgeführt?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, auf welche Weise?

4. Wurde hinsichtlich der Beschaffung der Antigentests für die Massentestungen ein Vergabeverfahren mit verkürzten Fristen nach § 74 BVergG 2018 durchgeführt?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, auf welche Weise?

5. Erfolgte der Abschluss der Rahmenvereinbarungen im Rahmen einer Notvergabe nach § 36 Abs 1 Z 4 BVergG 2018?

a.    Wenn ja, mit welcher Begründung?

                                      i.Wie wurde das Kriterium der Vorhersehbarkeit dabei bewertet?

                                    ii.Wie wurde das Kriterium der Verfügbarkeit am Markt dabei bewertet?

                                   iii.Wie wurde das Kriterium der zwingenden Dringlichkeit dabei bewertet, das auf keinen Fall den öffentlichen Auftraggebern zuzuschreiben sein darf (so auch Art 32 Abs 2 Buchstabe c RL 2014/24/EU)? 

b.    Wenn nein, warum wurde hinsichtlich der Rahmenvereinbarungen kein Vergabeverfahren durchgeführt?

6. Erfolgte die Beschaffung der Antigentests für die Massentestungen im Rahmen einer Notvergabe nach gem § 36 Abs 1 Z 4 BVergG 2018?

a.    Wenn ja, mit welcher Begründung?

                                      i.Wie wurde das Kriterium der Vorhersehbarkeit dabei bewertet?

                                    ii.Wie wurde das Kriterium der Verfügbarkeit am Markt dabei bewertet?

                                   iii.Wie wurde das Kriterium der zwingenden Dringlichkeit dabei bewertet, das auf keinen Fall den öffentlichen Auftraggebern zuzuschreiben sein darf (so auch Art 32 Abs 2 Buchstabe c RL 2014/24/EU)? 

b.    Wenn nein, warum wurde hinsichtlich der Rahmenvereinbarungen kein Vergabeverfahren durchgeführt?

7. Im Oktober 2020 hat die BBG für den Wiener Krankenanstaltenverbund ein Vergabeverfahrens mit verkürzten Fristen nach § 74 BVerG 2018 mit öffentlicher Bekanntmachung gestartet und durchgeführt. Warum erfolgte ein solches im vorliegenden Fall nicht? 

a.    Inwiefern ist dieses Verfahren anders gelagert als das in der Begründung genannte?

8. Mit welcher Begründung erfolgte die Beauftragung des Unternehmens Roche in Höhe von rund 46 Millionen Euro (Abrufe durch das BMLV und andere Kunden der BBG zusammengerechnet), wenn das Abrufvolumen der Rahmenvereinbarung mit dieser lediglich 3 Millionen Euro beträgt?

a.    Handelt es sich dabei um eine Direktvergabe?

                                      i.Wenn ja, mit welcher Begründung?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

1.    Worum handelt es sich sonst?

9. Die BBG hat am 9. November 2020 mehrere Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes für die Lieferung von 8 Mio Stück Antigentests aufgefordert. Nach welchen Kritierien wurden die angefragten Unternehmen ausgewählt?

a.    Weshalb wurde eine Angebotsfrist von lediglich 14 Stunden gewählt?

b.    Welche Unternehmen haben dabei Angebote abgegeben?

c.    Welche Unternehmen konnten die geforderte Lieferfrist bis zum 23. November 2020 für 8 Millionen Tests einhalten?

d.    Wurden die Unternehmen zur Nachbesserung ihrer Angebote eingeladen?

                                      i.Wenn nein, warum nicht?

                                    ii.Weshalb datiert das Angebot von Roche mit 17. November, also einem Datum nach Ablauf der Angebotsfrist?

1.    Wurde Roche zur Nachbesserung ihres Angebotes aufgefordert?

e.    Wie wurde das Bestangebot ausgewählt?

                                      i.Nach welchen Kriterien erfolgte dabei die Auswahl der Tests?

                                    ii.Wurden die Ergebnisse der Tests überprüft?

f.     Warum wurden gerade drei Unternehmen bzw gerade die drei Tests ausgewählt?

g.    Wie wird damit sichergestellt, dass die Testergebnisse mit einer einheitlichen Qualität und vor allem mit der besten Qualität erfolgen? Drei Tests bedeuten drei unterschiedliche Qualitäten. Wer entscheidet wo welcher Test mit welcher Qualität eingesetzt wird?

h.    Welche Preise wurden angeboten und von wem?

10. Welche Rolle hatte die BBG bei der Auswahl der Unternehmen, an die der Zuschlag erteilt wurde?

11. Welche Rolle hatte das BMLV bei der Auswahl der Unternehmen, an die der Zuschlag erteilt wurde? 

12. Erfolgte ein Abruf der Antigen-Tests für die genannten Massentests bei den Vertragspartnern der Rahmenvereinbarungen durch das BMLV?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn ja, wurde das BMSGPK dabei eingebunden?

                                      i.Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn nein, durch wen erfolgte der Abruf und mit welcher Begründung?

d.    Wenn ja, wie wurde dabei sichergestellt, dass das Instrument der Rahmenvereinbarung nicht missbräuchlich oder in einer Weise angewandt wurde, durch die der Wettbewerb behindert, ein­ge­schränkt oder verfälscht wird?