4395/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.12.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Genossinnen und Genossen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend EU-Mercosur-Abkommen

Im November haben zwei Räte auf europäischer Ebene stattgefunden, die sich mit europäischen Wirtschaftsbeziehungen und Handel auseinandergesetzt haben.

Im selben Monat hat Ihre Kollegin Bundesministerin Köstinger eine Erklärung mit einigen Kolleginnen beim Agrarministerrat abgegeben, welche dem Nationalrat bis heute nicht zugegangen ist. Aus einer APA Meldung ist zu erfahren, dass sie dort mehrere Fragen gestellt hat und auch die österreichische Position angesprochen hat (vgl. APA0120 5 Wl 0511 CI/AI Mo, 16.Nov 2020).

Ebenfalls im November berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung von einem Brief von neun Mitgliedstaaten an Kommissionsvizepräsidenten Valdis Dombrovskis, in welchen sie die Vorteile des Deals erläuterten und gleichzeitig mit der vorherrschenden Kritik versuchten aufzuräumen. Portugal übernimmt im Januar die EU-Ratspräsidentschaft von Deutschland und will Mercosur dann laut FAZ- Bericht ganz oben auf die Agenda setzen (vgl. Rückenwind für Mercosur-Deal (faz.net); Stand: 24.11.2020). Ein gemeinsamer Brief des portugiesischen Ministers Augusto Santos Silva mit seinen Amtskollegen aus Spanien, Italien, Tschechien, Dänemark, Schweden, Finnland, Lettland und Estland an den für Handel zuständigen Kommissionsvizepräsidenten Valdis Dombrovskis bildet laut dem Artikel den Auftakt. In dem Brief drängen die MinisterInnen folglich auf eine zügige Unterzeichnung und Ratifizierung des Abkommens.

Überdies haben sich im November Ökonomlnnen weltweit zusammengeschlossen, um ebenfalls in einem Brief kritisch die ökonomischen Folgen des Abkommens darzulegen. Sie kommen zu einem kritischeren Schluss als die 9 genannten Mitgliedstaaten. Der österreichische Ökonom Kurt Bayer hat erläutert, dass er und unterschreibende Kollegen kritisieren, dass das "Modell, mit dem die EU- Kommission die entsprechenden Entscheidungen getroffen hat, auf falschen Annahmen beruht": "Die sozialen und ökologischen Neben- und Spätfolgen wurden beziehungsweise werden nicht einbezogen." Das angewandte Modell sei "technisch nicht ausgereift, und das teilen wir im Brief mit" (vgl.

https://science.apa.at/rubrik/politik_und_wirtschaft/Mercosur wird auch von Oekonomen kritisie rt/SCI_20201109_SCI40111351057371092: Stand: 24.11.2020).

So sehe die EU ein wirtschaftliches Gleichgewicht zum Mercosur-Raum und setze Vollbeschäftigung in beiden Weltregionen voraus, sagt Bayer. "Ein Witz ist natürlich, dass die EU mit einem langfristigen Wachstumseffekt von 0,1 Prozent rechnet. Wir fragen uns, ob es das wert ist, dafür negative ökologische und soziale Folgen in Kauf zu nehmen", erklärt der heimische Wissenschafter. "Bei uns (Österreich, Anm.) ist die kleinstrukturierte Landwirtschaft betroffen durch Agrarimporte aus Brasilien und Argentinien.”

Für die Industrie seien riesige Zollsenkungen in den Mercosur-Ländern vorgesehen. "Das wird die dortige Autoindustrie massiv benachteiligen." Ähnliches gelte für den Pharma- und Maschinenbau. Der EU falle auch auf den Kopf, dass so lange um den Pakt gerungen wurde, so Bayer. 20 Jahre wurde verhandelt. Und seither hat sich viel getan - etwa bei Umweltzielen (vgl.

https://science.apa.at/rubrik/politik_und_wirtschaft/Mercosur wird auch von Oekonomen kritisie rt/SC_20201109_SCI40111351057371092: Stand: 24.11.2020).

Meine Fraktion hat sich immer konstant gegen das Mercosur-Abkommen ausgesprochen und dabei nicht nur den Schutz der heimischen Bäuerinnen und Bauern, sondern insbesondere auch den Schutz des Regenwaldes in Brasilien hervorgehoben, sowie auch die sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Folgen des Abkommens dargelegt. Auch der von mir eingebrachte Antrag auf Stellungnahme vom 18.09.2019, welcher von der Mehrheit angenommen wurde und die Grundlage der österreichischen Position bilden sollte, behandelt weitere negative Aspekte des Abkommens. Auch Wissenschafterlnnen haben zuletzt die wirtschaftlichen Vorteile in Frage gestellt.

Alle angenommenen Anträge - auch jene des Bundesrates - fordern eine grundsätzliche Ablehnung des Mercosur-Abkommens - und das ohne jegliche offene Hintertüre. Wogegen das Regierungsprogramm der Bundesregierung in dieser Frage nicht eindeutig genug ist: In einem Kapitel findet man eine Ablehnung und in einem weiteren findet man lediglich die Ablehnung der vorliegenden Form vor.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage

1.  Haben Sie an beiden EU-Räten am 4.11.2020 und am 9.11.2020 teilgenommen?

a. Wenn nein, aus welchem Grund nicht und durch wen wurden Sie vertreten?

2.  Wurde das Mercosur-Abkommen bei einem der beiden Räte thematisiert?

a. Wenn ja, bei welchen und von wem?

3.  Haben Sie diese Gelegenheit genutzt und in diesem Rahmen auf die ablehnende Haltung

Österreichs hingewiesen?

4.  Haben Sie im Zuge dessen auf die mit Mehrheit beschlossenen Anträge beider Kammern

hingewiesen?

a.       Wenn ja, mit welchem Resultat?

b.       Wenn nein, weshalb nicht?

5.  Entspricht die derzeitige demokratische Beschlusslage des Nationalrates und des Bundesrates,

dass Österreich den Mercosur-Pakt in jeder Form ablehnt, auch der inhaltlichen Position

Ihres Hauses?

a. Falls Ihre inhaltliche Position von der derzeitigen demokratischen Beschlusslage des österreichischen Nationalrates abweicht, inwiefern?

c.        Falls Ihre bzw. die inhaltliche Position Ihres Ressorts von der derzeitigen demokratischen Beschlusslage des österreichischen Nationalrates abweicht, werden Sie der derzeitigen demokratischen Beschlusslage Folge leisten und in europäischen Gremien die Ablehnung Österreichs zum Ausdruck bringen?

6.    Welche Mitgliedstaaten sprechen sich neben Österreich noch gegen das Mercosur-Abkommen

aus?

7.  In welchen liegen ähnliche Parlamentsbeschlüsse dagegen vor?

8.  Haben Sie sich mit jenen Ländern zu einer Allianz zusammengeschlossen, die dem Abkommen

kritisch gegenüberstehen, um die Ablehnung zu verstärken?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.       Wenn nein, weshalb nicht?

9.  Haben Sie - ähnlich wie beim Landwirtschaftsrat — auf eine gemeinsame Erklärung jener

Mitgliedstaaten gedrängt, die dem Abkommen ablehnend gegenüberstehen?

a.       Wenn nein, weshalb nicht?

10.   Wie ist der weitere Zeitplan betreffend eine Ratifikation?

11.   Wenn rechnen Sie mit einer neuerlichen Befassung des EU-Rates mit dem Mercosur-

Abkommen?

12. Wird gegenwärtig ein mögliches Splitting des Abkommens auf europäischer Ebene oder

innerhalb der Bundesregierung diskutiert?

13.   Bundesministerin Köstinger hat in den Medien angekündigt, dass die Bundesregierung einem Splitting nicht zustimmen wird. Haben Sie diese Position gegenüber der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten bereits veriautbart?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.       Wenn nein, weshalb nicht?

14.   Sind Sie betreffend Mercosur generell in regelmäßigem Austausch mit Ihrer Kollegin Bundesministerin Köstinger, die sich offenbar ablehnender positioniert?