4423/J XXVII. GP

Eingelangt am 04.12.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer und Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt

betreffend Umsatzersatz

 

Im Rahmen des im November und Dezember österreichweit verordneten "Lock-Downs" wurden zahlreiche Betriebe im Rahmen der COVID-19-SchuMaV und COVID-19-NotMV behördlich geschlossen. Aufgrund der den Unternehmen dadurch erwachsenden Umsatzeinbußen wurde vom BMF der sogenannte "Umsatzersatz" als Förderinstrument für die von diesen Verordnungen direkt betroffenen Branchen und Betriebe aufgesetzt. Dabei werden betroffene Unternehmen im Umfang von bis zu 80% ihrer im Vergleichszeitraum November 2019 erzielten Umsätze entschädigt. Es wird jedoch nach Branchen differenziert: während die meisten behördlich geschlossenen Betriebe mit 80% ihres Umfangs vom November 2019 kompensiert werden, erfolgt die Entschädigung des nach COVID-19-NotMV geschlossene Einzelhandel mit jeweils 20%, 40% oder 60% des Umsatzes des Vergleichszeitraums 2019. 

Diese nach Branchen differenzierten Ersatzraten werden mit "unterschiedlichen Rahmenbedingungen zwischen Dienstleistung und Handel" begründet, und beruhen laut einer Pressemeldung des BMFs (https://www.bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2020/november/erweiterter-umsatzersatz-fixkostenzuschuss-2.html) auf einer Empfehlung des  Verfassungsdiensts der Republik . Demzufolge gebe es unterschiedliche Branchenkennzahlen, daher habe man für den Handel Abstufungen beim Umsatzersatz vorgenommen, die auf drei Kriterien beruhen: Rohertrag der jeweiligen Branchen, Aufholeffekte, Verderblichkeit und Saisonalität der Waren. In den Richtlinien des Umsatzersatz wurden in Folge in einem Anhang die verschiedenen Ersatzraten nach Handelskategorien aufgelistet (https://www.bmf.gv.at/dam/jcr:8f2d21c2-4b07-46a4-ab12-7420be3e9006/Handelskategorisierung.pdf).

In mehreren öffentlichen Stellungnahmen verteidigt Finanzminister Blümel die unterschiedliche Behandlung des Einzelhandels als mit dem Verfassungsdienstes der Republik Österreich "abgeklärt" (https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/fixkostenzuschuss-bis-juni-2021-verlaengert-96039811 und https://www.diepresse.com/5898816/experte-halt-staffelung-bei-hilfen-im-handel-fur-nachvollziehbar. In den Debatten im Rahmen des Budgetausschuss am 13. November 2020, betonte der Finanzminister, dass "Gleiches gleich und Ungleiches ungleich" behandelt würde.

Der Österreichische Handelsverband, die private Interessensvereinigung großer Handelsunternehmen, bzw. einzelne Mitglieder erwägen jedoch eine Klage beim Verfassungsgerichtshof (VfGH), sie orten eine Ungleichheit beim staatlichen Ausgleich des Umsatzausfalls (https://www.nachrichten.at/wirtschaft/corona-hilfen-fuer-den-handel-und-dienstleister-die-eckpunkte;art15,3322675). 

Der Umsatzersatz fällt in seiner derzeitigen Form unter die am 09. April 2020 (auf Basis des befristeten Beihilferahmens und Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV; Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats) von der EK genehmigten Liquiditätsregelung in der Höhe von EUR 15 Mrd. Euro. Damit ist der pro Unternehmen maximal mögliche Umsatzersatz mit 800 000 EUR beschränkt (abzüglich anderer bereits vom Unternehmen in Anspruch genommener Beihilfen nach dem Erweiterten Beihilferahmen der EU - https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_496), was bei Unternehmen mit einem hohen monatlichen Umsatz, zu deutlich niedrigeren Umsatzersatzraten führt (so bekommt ein behördlich geschlossenes Modehaus mit einem November-Umsatz von rund 15 Mio. EUR im Jahr 2019 aufgrund der Deckelung mit 800 000 EUR nur in etwa 5% seiner Umsätze ersetzt). 

In den Richtlinien zum Umsatzersatz wird darauf verwiesen, dass sich "die Republik Österreich vorbehält, für die in diesen Richtlinien vorgesehenen Maßnahmen bei der Europäischen Kommission eine gesonderte Genehmigung gemäß Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV (Katastrophenbeihilfe) zu beantragen".

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wurde der Verfassungsdienst der Republik vom BMF mit einem Gutachten zur Ausgestaltung des Umsatzersatzes beauftragt? 

2.    Falls das BMF ein Gutachten beim Verfassungsdienst in Auftrag gegeben hat - kann dieses Gutachten des Verfassungsdienstes dem Parlament, bzw. seinen Abgeordneten zur Information zur Verfügung gestellt werden?

3.    Falls das BMF kein Gutachten beim Verfassungsdienst in Auftrag gegeben hat - in welcher anderen Form wurde die vorliegende Maßnahme ("Umsatzersatz") mit dem Verfassungsdienst abgeklärt, bzw. auf welche Aussagen des Verfassungsdienstes beziehen sich  die Aussagen von Finanzminister Blümel wenn er von einer "Empfehlung des Verfassungsdienstes" spricht? 

4.    Falls es eine Abklärung mit dem Verfassungsdienst gibt, bzw. eine derartige Empfehlung -  kann diese öffentlich gemacht werden?

5.    Wurde mit dem Verfassungsdienst abgeklärt, ob die nach Branchen unterschiedlichen Ersatzraten - im Einzelhandel je nach ÖNACE-Nr. 20%, 40% oder 60%, ansonsten 80% - beim Umsatzersatz verfassungskonform sind? Wenn ja, wie lautet die diesbezügliche Einschätzung des Verfassungsdienst?

6.    Wie wird die Verfassungskonformität des Umsatzersatzes von dem Umstand berührt, dass manche Branchen nach ÖNACE-Nr. voll berücksichtigt (z.B. Spiel-, Wett- und Lotteriewesen) werden – bei vielen Branchen aber nur Untergruppen erfasst werden, weshalb einige direkt Betroffene ohne Grund leer ausgehen (z.B. werden bei Veranstaltern die Bühnenbauer oder bei Messen die Messebauer nicht berücksichtigt)? 

7.    Welche Ersatzrate ist für jene Unternehmen vorgesehen, deren ÖNACE-Codes mit unterschiedlichen Ersatzraten angegeben werden (z.B. ÖNACE- Nr.4782 Bekleidung an Verkaufsständen – 80 % nach COVID-19.SchuMaV ABER 60% nach COVID-19-NotV)? Hat dies negative Folgen für die Verfassungskonformität der Maßnahme?

8.    Aufgrund der nach EU-Beihilfenrecht vorgesehenen Deckelung des Umsatzersatzes mit 800 000 EUR bekommen manche behördlich geschlossenen Unternehmen aufgrund ihrer Umsatzhöhe einen Umsatzersatz, der deutlich unter der ihnen nach ÖNACE-Nr. zustehenden Ersatzrate liegt. Wie wirkt sich dieser Umstand auf die Verfassungskonformität der Maßnahme aus?

9.    Jenen Unternehmen, die Anspruch auf Umsatzersatz haben, wird für diesen Zeitraum auch Kurzarbeitsförderung gewährt. Wird durch diese damit möglicherweise verursachte Überkompensation die Verfassungskonformität der Maßnahme beeinträchtigt?

10. Stellt die gleichzeitige Förderung durch Umsatzersatz und Kurzarbeit für den Zeitraum des Bezuges dieser Hilfen eine Überförderung im EU-rechtlichen Sinn dar? Bitte begründen Sie die Antwort.