4424/J XXVII. GP

Eingelangt am 04.12.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Fragen zum Umsatzersatz

 

Im Rahmen des im November und Dezember österreichweit verordneten "Lock-Downs" wurden zahlreiche Betriebe im Rahmen der COVID-19-SchuMaV und COVID-19-NotMV behördlich geschlossen. Aufgrund der den Unternehmen dadurch erwachsenden Umsatzeinbußen wurde vom BMF der sogenannte "Umsatzersatz" als Förderinstrument für die von diesen Verordnungen direkt betroffenen Branchen und Betriebe aufgesetzt. Dabei werden betroffene Unternehmen im Umfang von bis zu 80% ihrer im Vergleichszeitraum November 2019 erzielten Umsätze entschädigt. Es wird jedoch nach Branchen differenziert: während die meisten behördlich geschlossenen Betriebe mit 80% ihres Umfangs vom November 2019 kompensiert werden, erfolgt die Entschädigung des nach COVID-19-NotMV geschlossene Einzelhandel mit jeweils 20%, 40% oder 60% des Umsatzes des Vergleichszeitraums 2019. 

Diese nach Branchen differenzierten Ersatzraten werden mit  "unterschiedlichen Rahmenbedingungen zwischen Dienstleistung und Handel" begründet, und beruhen laut einer Pressemeldung des BMFs (https://www.bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2020/november/erweiterter-umsatzersatz-fixkostenzuschuss-2.html) auf einer Empfehlung des  Verfassungsdiensts der Republik . Demzufolge gebe es unterschiedliche Branchenkennzahlen, daher habe man für den Handel Abstufungen beim Umsatzersatz vorgenommen, die auf drei Kriterien beruhen: Rohertrag der jeweiligen Branchen, Aufholeffekte, Verderblichkeit und Saisonalität der Waren. In den Richtlinien des Umsatzersatz wurden in Folge in einem Anhang die verschiedenen Ersatzraten nach Handelskategorien aufgelistet (https://www.bmf.gv.at/dam/jcr:8f2d21c2-4b07-46a4-ab12-7420be3e9006/Handelskategorisierung.pdf).

In mehreren öffentlichen Stellungnahmen verteidigt Finanzminister Blümel die unterschiedliche Behandlung des Einzelhandels als mit dem Verfassungsdienstes der Republik Österreich "abgeklärt" (https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/fixkostenzuschuss-bis-juni-2021-verlaengert-96039811 und https://www.diepresse.com/5898816/experte-halt-staffelung-bei-hilfen-im-handel-fur-nachvollziehbar.  In den Debatten im Rahmen des Budgetausschuss am 13. November 2020, betonte der Finanzminister, dass "Gleiches gleich und Ungleiches ungleich" behandelt würde.

Der Österreichische Handelsverband, die private Interessensvereinigung großer Handelsunternehmen, bzw. einzelne Mitglieder erwägen jedoch eine Klage beim Verfassungsgerichtshof (VfGH), sie orten eine Ungleichheit beim staatlichen Ausgleich des Umsatzausfalls (https://www.nachrichten.at/wirtschaft/corona-hilfen-fuer-den-handel-und-dienstleister-die-eckpunkte;art15,3322675). 

Der Umsatzersatz fällt in seiner derzeitigen Form unter die am 09. April 2020 (auf Basis des befristeten Beihilferahmens und Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV; Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats) von der EK genehmigten Liquiditätsregelung in der Höhe von EUR 15 Mrd. Euro. Damit ist der pro Unternehmen maximal mögliche Umsatzersatz mit 800 000 EUR beschränkt (abzüglich anderer bereits vom Unternehmen in Anspruch genommener Beihilfen nach dem Erweiterten Beihilferahmen der EU - https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_496), was bei Unternehmen mit einem hohen monatlichen Umsatz, zu deutlich niedrigeren Umsatzersatzraten führt (so bekommt ein behördlich geschlossenes Modehaus mit einem November-Umsatz von rund 15 Mio. EUR im Jahr 2019 aufgrund der Deckelung mit 800 000 EUR nur in etwa 5% seiner Umsätze ersetzt). 

In den Richtlinien zum Umsatzersatz wird darauf verwiesen, dass sich "die Republik Österreich vorbehält, für die in diesen Richtlinien vorgesehenen Maßnahmen bei der Europäischen Kommission eine gesonderte Genehmigung gemäß Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV (Katastrophenbeihilfe) zu beantragen".

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:



1.    Hat das BMF den Verfassungsdienst der Republik mit einem Gutachten zur Ausgestaltung des Umsatzersatzes beauftragt? 

2.    Falls das BMF ein Gutachten beim Verfassungsdienst in Auftrag gegeben hat - kann dieses Gutachten dem Parlament, bzw. seinen Abgeordneten zur Information zur Verfügung gestellt werden?

3.    Falls das BMF kein Gutachten beim Verfassungsdienst in Auftrag gegeben hat - in welcher anderen Form wurde die vorliegende Maßnahme ("Umsatzersatz") mit dem Verfassungsdienst abgeklärt, bzw. auf welche Aussagen des Verfassungsdienstes beziehen sich  die Aussagen von Finanzminister Blümel wenn er von einer "Empfehlung des Verfassungsdienstes" spricht? 

4.    Falls es eine Abklärung mit dem Verfassungsdienst gibt, bzw. eine derartige Empfehlung -  kann diese öffentlich gemacht werden?

5.    Wurde mit dem Verfassungsdienst abgeklärt, ob die nach Branchen unterschiedlichen Ersatzraten - im Einzelhandel je nach ÖNACE-Nr. 20%, 40% oder 60%, ansonsten 80% - beim Umsatzersatz verfassungskonform sind? Wenn ja, wie lautet die diesbezügliche Einschätzung des Verfassungsdienstes?

6.    Wie wird die Verfassungskonformität der Maßnahme von dem Umstand berührt, dass manche Branchen nach ÖNACE-Nr. voll berücksichtigt (z.B. Spiel-, Wett- und Lotteriewesen) werden – bei vielen Branchen aber nur Untergruppen erfasst werden, weshalb einige direkt Betroffene ohne Grund leer ausgehen (z.B. werden bei Veranstaltern die Bühnenbauer oder bei Messen die Messebauer nicht berücksichtigt)? 

7.    Welche Ersatzrate ist für jene Unternehmen vorgesehen, deren ÖNACE-Codes mit unterschiedlichen Ersatzraten angegeben werden (z.B. ÖNACE- Nr.4782 Bekleidung an Verkaufsständen – 80 % nach COVID-19.SchuMaV ABER 60% nach COVID-19-NotV)? Hat dies negative Folgen für die Verfassungskonformität der Maßnahme?

8.    Unternehmen, die indirekt von den behördlichen Schließungen nach COVID-19-SchuMaV oder COVID-19-NotMV betroffen sind, haben derzeit kein  Anrecht auf Umsatzersatz - ist es geplant, den Umsatzersatz auch auf diese Unternehmen auszuweiten? Für den Fall, dass das geplant ist, wann wird das passieren? Falls nicht geplant - warum nicht?

9.    Wurde bei der Konzeption des Umsatzersatzes berücksichtigt, dass es für einen im Vergleichszeitraum November 2019 erwirtschafteten Umsatz zu unterschiedlichen Fördersummen kommt, abhängig davon, ob die Unternehmen einer Soll- oder Ist-Besteuerung unterworfen sind? Falls nicht, warum nicht?

10. Aufgrund der nach EU-Beihilfenrecht vorgesehenen Deckelung des Umsatzersatz mit 800 000 EUR bekommen manche behördlich geschlossenen Unternehmen aufgrund ihrer Umsatzhöhe einen Umsatzersatz, der deutlich unter der ihnen nach ÖNACE-Nr. zustehenden Ersatzrate liegt. Wie wirkt sich dieser Umstand auf die Verfassungskonformität der Maßnahme aus?

11. Ist eine Verbesserung bzw. Änderung des Umsatzersatzes in der aktuellen Fassung angedacht, um bestehende Unklarheiten zu beseitigen? Wenn ja, welche Aspekte sollen dabei konkret berücksichtigt werden? Wenn nein, warum sind aus Sicht des BMF keine Änderungen nötig?

12. Wurde bei der Ausgestaltung des Umsatzersatzes von den Experten des BMF auch Rücksprache mit Vertreter der betroffenen Branchen und Unternehmen gehalten? Falls ja, mit wem und in welcher Form? Falls nicht - warum nicht? 

13. Fand im Rahmen der Ausgestaltung des Umsatzersatzes auch ein Austausch mit internationalen Expert_innen statt? Fand insbesondere ein Austausch mit Mitarbeiter_innen des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie oder des deutschen Bundesfinanzministeriums statt, die mit der Ausgestaltung der Novemberhilfe betraut waren? Falls nein, warum nicht? 

14. Warum wurde von Seiten des BMF darauf verzichtet, die den Unternehmen für den Zeit des Umsatzersatz gewährte Förderung der Kurzarbeit vom Umsatzersatz abzuziehen (bei der Novemberhilfe in Deutschland werden die in dem Zeitraum gewährten Kurzarbeitsbeihilfen abgezogen)?

15. Wird durch diese damit möglicherweise verursachte Überkompensation die Verfassungskonformität der Maßnahme beeinträchtigt?

16. In den Richtlinien zum Umsatzersatz wird angekündigt, dass sich "die Republik Österreich vorbehält, für die in diesen Richtlinien vorgesehenen Maßnahmen bei der Europäischen Kommission eine gesonderte Genehmigung gemäß Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV (Katastrophenbeihilfe) zu beantragen". Wie ist diesbezüglich der Verhandlungsstand? 

17. Falls die Verhandlungen zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung bereits abgeschlossen sind - wie lautet das Verhandlungsergebnis und welche Folgen für vom derzeitigen Lockdown (bzw. einer etwaigen Verlängerung) betroffenen Unternehmen wird dieses Ergebnis haben?

18. Auf welche Summe schätzt das BMF die Gesamtkosten für den Umsatzersatz  im Jahr 2020?  

19. Wie hoch ist der bisher insgesamt a. genehmigte und b. tatsächlich ausgezahlte Umsatzersatz?

20. Wie verteilt sich der Umsatzersatz auf Branchen, Betriebsgrößen (MA-Zahl und Umsatzhöhe), Unternehmensform und Region? 

21. Wieviel Anträge auf Umsatzersatz wurden abgelehnt? Was war der Grund der Ablehnung?

22. Wie viele Anträge auf Umsatzersatz wurden a. nach Beantragung, b. nach erfolgter Auszahlung förderrechtlich geprüft?

23. In wie vielen Fällen musste der gewährte Umsatzersatz von Unternehmen zurückgezahlt werden?