4728/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.12.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler,

betreffend Push-Backs an den EU-Außengrenzen

Im Jahre 2016 wurde die Schließung der Balkanroute verkündet. Nun häufen sich Medienberichte, die auf eine gewalttätige Zurückweisungspraxis von Asylwerber_innen durch EU-Mitgliedstaaten entlang der Balkanroute hinweisen. Gemäß dem völkerrechtlich niedergelegten "Non-Refoulement-Gebot" sind Push-Backs an der Grenze jedoch unzulässig, denn die Staaten sind verpflichtet ein Asylgesuch zu prüfen und sicherzustellen, dass die Betroffenen nicht in Länder zurückgeschoben werden, wo ihnen Folter oder eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung droht. Die einzige Ausnahme bringt die Dublin-Verordnung. Laut dieser können Asylwerber_innen in ein anderes EU-Land zurückgeschoben werden, in dem sie bereits registriert sind; dieses ist dann für ihr Asylverfahren zuständig. Medienberichten zufolge praktizieren jedoch zahlreiche EU-Länder illegale Push-Backs in EU-Nachbarstaaten. So gibt es Berichte über Push-Backs durch Italien, Spanien, Frankreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Malta. Besonders an der kroatisch-bosnischen Grenze soll es regelmäßig zu gewalttätigen Zurückweisungen durch kroatische Behörden geben, Österreich und Slowenien sollen an den Kettenabschiebungen bis nach Bosnien beteiligt sein.

Auch Push-Backs durch die griechische Küstenwache sind seit einiger Zeit im Visier von NGOs und Medien. Als Anfang März vorübergehend die Türkei ihre Grenzen geöffnet hatte, legte Griechenland alle Asylverfahren auf Eis und verstärkte die Grenzkontrollen massiv. Medienberichte zufolge sollen die griechischen Behörden Asylsuchende illegal über die Ägäis zurückschieben; insbesondere soll die griechische Küstenwache Schlauchboote mit Asylsuchende an Bord in der Ägäis bewusst blockieren und in Richtung Türkei zurücktreiben. Neuerdings sollen auch Frontexbeamt_innen an Push-Backs beteiligt sein (https://www.sn.at/politik/weltpolitik/frontex-kaempft-mit-schweren-vorwuerfen-96133531). Bisher weist Frontex die Beschuldigungen zurück, jedoch soll eine interne Untersuchungskommission eingerichtet worden sein. Dies wurde kommuniziert, nachdem EU-Innenkommissarin Ylva Johansson von Frontex Aufklärung verlangt hat. Laut Frontex Chef Leggeri soll auch ein Frontex-Komitee eingerichtet werden, welches sich mit den rechtlichen Fragen zu Einsätzen an den Seegrenzen beschäftigen soll. Am 12. November 2020 hat das Frontex Management Board außerdem eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der über eine eingerichtete Untergruppe berichtet wurde, die die Push-Backs im Hinblick auf die Zuständigkeiten nach der Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache prüfen soll.

Die EU-Mitgliedstaaten haben die gemeinsame Verantwortung, den Vorwürfen nachzugehen und bei Bestätigung eine solche menschenrechtsverletzende Vorgehensweise in Zukunft zu verhindern. Wie aus der Anfragebeantwortung 3601/AB 1 vom 30.11.2020 zu 3598/J (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_03598/index.shtml) hervorgeht, haben seit Juli 2019 insgesamt 97 österreichische Polizistinnen und Polizisten im Rahmen von FRONTEX das griechische Asyl- und Migrationswesen unterstützt. Daher muss auch untersucht werden, ob ggf. eine Beteiligung der österreichischen Beamt_innen an Push-Backs stattgefunden hat.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Seit wann wissen Sie von

a.    Kettenabschiebungen entlang der Balkanroute bis nach Bosnien?

b.    Push-Backs an der slowenisch-kroatischen Grenze?

c.    Push-Backs an der kroatisch-bosnischen Grenze?

d.    Push-Backs an der französisch-italienischen Grenze?

e.    Push-Backs an der italienisch-slowenischen Grenze?

f.     Push-Backs an der spanisch-marokkanischen Grenze?

g.    Push-Backs an der ungarisch-serbischen Grenze?

h.    Zurückschiebungen von Asylsuchenden über das Mittelmeer nach Libyen durch maltesische Behörden?

i.      Zurückschiebungen von Asylsuchenden über die Ägäis durch die griechische Küstenwache?

j.      den Beschuldigungen gegenüber Frontex, an illegalen Push-Backs durch die griechische Küstenwache beteiligt zu sein?

2.    Wissen Sie von illegalen Push-Backs durch andere EU-Mitgliedstaaten?

a.    Wenn ja, seit wann durch wen?

b.    Wenn ja, inwiefern (bitte um Auflistung und Aufschlüsselung nach EU-Mitgliedstaat und Grenze)?

c.    Wenn ja, von wie vielen Fällen wissen Sie? Bitte um Aufschlüsselung nach EU-Mitgliedstaat, Grenze und Zeitraum der Zurückschiebungen.

3.    Haben Sie bereits zu diesem Thema der Fragen 1 und 2 Gespräche geführt?

a.    Wenn ja, wann und mit wem?

b.    Welchen Inhalt hatten diese Gespräche (bitte nach Person und Datum aufschlüsseln)?

4.    Durch welche wann konkret gesetzten Maßnahmen wurde die "Schließung der Balkanroute" umgesetzt und betrieben?

5.    Setzen Sie sich für die Aufklärung der genannten Beschuldigungen ein?

a.    Wenn ja, gegenüber welchen Staaten bzw. Frontex jeweils wann?

b.    Wenn ja, von wem wurde jeweils hier an Aufklärung gearbeitet?

c.    Wenn ja, welche Information dazu sind dadurch mittlerweile verfügbar?

6.    Wenn ja, wurden die Beschuldigungen bestätigt?

a.    Wenn ja, inwiefern genau?

b.    Wenn hinsichtlich Frontex: inwiefern genau, d.h. seit wann beteiligt sich Frontex demnach an Push-Backs durch die griechische Küstenwache?

c.    Wenn ja, waren österreichische Frontexbeamt_innen an den Push-Backs beteiligt?

7.    Wann haben Sie sich über die Arbeit der internen Untersuchungskommission, die laut Frontex eingerichtet wurde, erkundigt?

8.    Konnten Sie dabei eruieren:

a.    Seit wann arbeitet die Untersuchungskommission?

b.    Wie viele Personen sind in der Untersuchungskommission tätig (bitte um Auflistung)?

c.    Für wie lange ist die Untersuchungskommission eingerichtet?

d.    Gibt es bereits Ergebnisse der Untersuchungskommission?

                                      i.Wenn ja, welche?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

                                   iii.Wenn nein, für wann sind erste Ergebnisse zugesagt?

9.    Mit welchen Maßnahmen unterstützen Sie die Aufarbeitung der illegalen Push-Backs durch die griechische Küstenwache in der Ägäis im Frontex-Verwaltungsrat?

a.    Wie haben Sie sich im Frontex-Verwaltungsrat diesbezüglich positioniert?

10. Mit welchen geeigneten Maßnahmen setzen sich die zuständigen griechischen Behörden für die Aufarbeitung der Sachverhalte ein?

11. Mit welchen geeigneten Maßnahmen setzt Frontex sich für die Aufklärung der Sachverhalte ein?

12. Ein Frontex-Komitee soll sich mit "rechtlichen Fragen zu Einsätzen an den Seegrenzen" beschäftigen. Was wissen Sie über dieses Komitee?

a.    Wie viele und welche Personen sind Teil des Komitees?

b.    Wann soll das Komitee seine Arbeit aufnehmen?

c.    Inwiefern werden Sie sich an der Arbeit des Komitees beteiligen?

d.    Inwiefern werden sich österreichische Polizeibeamt_innen an dem Komitee beteiligen?

13. Sofern es sich dabei nicht um die gleiche Gruppe handelt, wie werden Sie sich an der Untergruppe des Frontex Management Boards beteiligen?

14. Wissen Sie von weiteren Vorhaben außer der frontexinternen Untersuchung, die o.g. Vorwürfe aufzuklären?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn nein, haben Sie die Intention sich für andere Untersuchungen einzusetzen?

15. Erkundigten Sie sich wegen weiterer Beteiligungen von Frontex an Push-Backs an anderen EU-Außengrenzen?

a.    Wenn ja, was war das Ergebnis (bitte nach Grenze aufschlüsseln)?

16. Sollten sich die Vorwürfe gegenüber Frontex bestätigen, inwiefern werden Sie sich dafür einsetzen, dass eine solche Vorgehensweise in Zukunft verhindert wird?

17. Haben Sie sich bisher dafür eingesetzt, illegale Push-Backs von Asylsuchenden an den EU-Außengrenzen zu verhindern?

a.    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen haben Sie dafür wann gesetzt?

b.    Wenn nein, warum nicht?

18. Planen Sie konkrete Maßnahmen für die Verhinderung von illegalen Push-Backs an den EU-Außengrenzen?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, wann und wie sollen diese umgesetzt werden?

19. Gab es auf europäischer Ebene bereits Gespräche für die Verhinderung illegaler Push-Backs durch EU-Mitgliedstaaten?

a.    Wenn ja, wann und mit wem?

b.    Wenn ja, mit welchem Inhalt? Bitte um Auflistung nach Datum und EU-Organ.

c.    Wenn ja, welche Position hat Österreich in den Gesprächen vertreten?

20. Wurden auf europäischer Ebene bereits konkrete Maßnahmen zur Vermeidung illegaler Push-Backs durch EU-Mitgliedstaaten umgesetzt?

a.    Wenn ja, welche und wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

21. Sind auf europäischer Ebene konkrete Maßnahmen für die Verhinderung von illegalen Push-Backs durch EU-Mitgliedstaaten geplant?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, wann und wie sollen diese umgesetzt werden?