4741/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.12.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend „410-PS-starke Raserei gegen Fairness, Staatsfinanzen und den Klimaschutz“

 

 

Die Fördermaßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung stehen wegen mangelnder Zielgenauigkeit, zögerlicher Abwicklung und dem bürokratischen Aufwand in der Kritik.

 

Welche Blüten die Corona-Hilfe der Regierung zeitigt, gerade auch im Bezug auf den Klimaschutz und die Umverteilungspolitik (von DurchschnittsverdienerInnen hin zu BesserverdienerInnen) belegt ein Beispiel aus dem Bereich Mobilität:

 

Ein Audi e-tron kostet mit Elektroantrieb EUR 59.990,-.

Der Bolide mit einer Höchstleistung von 300 kW (knapp 410 PS) beschleunigt in unter sechs Sekunden von Null auf 100 km/h.

Die glücklichen BesserverdienerInnen, die das Fahrzeug ihr eigen nennen, loben die spritzige Fahrdynamik des Luxusfahrzeugs. Das ist nicht selbstverständlich, bringt es doch beachtliche 2,6 Tonnen (!) Gewicht auf Österreichs Straßen – im Leerzustand.

 

 Der Kauf des Fahrzeugs ist (schon seit längerem) attraktiv:

 

         Entfall des Sachbezuges: Beim Audi e-tron entfällt der Sachbezug für das private Fahren von Firmenautos zu 100 %. Das macht bei einem vergleichbaren Auto mit Verbrennungsmotor 960.- Euro brutto im Monat aus.

 

         Keine NoVA: Es fällt keine Normverbrauchsabgabe an. Das wären bei einem vergleichbaren Dieselfahrzeug ca. 7.500 Euro.

 

         Motorbezogene Versicherungssteuer: Für Elektrofahrzeuge ist in Österreich keine motorbezogene Versicherungssteuer zu entrichten. Das entspricht rund 2.400.- Euro im Jahr im Vergleich zu einem vergleichbaren Auto mit Verbrennungsmotor.

 

         Vorsteuer-Abzug: Im Falle einer unternehmerischen Nutzung berechtigt ein E-Pkw zum anteiligen Abzug der Mehrwertsteuer (bei 40.000 Euro entfallen 8.000 Euro).

 

 

„Peanuts!“ muss sich die Bundesregierung gedacht haben und so freut sich die Kundschaft – von der Firma bis zum Einzelunternehmer, Freiberufler oder sonstigen Selbständigen über massive Zuwendungen beim Kauf dieses Boliden unter dem Titel Corona-Hilfe (Konjunkturstärkungsgesetz 2020). Wohlgemerkt zusätzlich (!) zu den oben genannten Vorteilen. Hervorzuheben sind:

 

 

 

         Investitionsprämie: Satte 14% des Anschaffungspreises quasi als „Cashback“ auf das Konto zurück.

 

 

         Degressive Abschreibung: Anstatt wie üblich den Kaufpreis auf 8 Jahre abzuschreiben, darf jährlich knapp ein Drittel des Anschaffungspreises geltend gemacht werden. Das ergibt also für einen Selbständigen in der viertniedrigsten ESt-Progressionsstufe unter Zugrundelegung des Listenpreises eines Audi e-trons eine Einkomenssteuergutschrift in der Höhe eines halben Kleinwagens (z.B. Volkswagen Modell „up!“) – wohlgemerkt im ersten Jahr.

 

 

 

 

Stark vereinfacht lässt sich sagen: Wer sich dieses rd. 60.000 Euro Luxusauto gönnt, dem greift die Bundesregierung mit (je nach Betrachtung etwas mehr oder etwas weniger als) 30.000 Euro unter die starken Arme.

Dazu kommen noch regionale Förderungen, z.B. 1.000 Euro „e-mobil in N“Ö-Zuschuss in Niederösterreich.

 

Der Bundesregierung ist insofern zu gratulieren, dass der Köder gut ausgelegt war. Es wurde reichlich zugebissen!

 

Alleine bis Ende Oktober 2020 gab es bei den Neuzulassungen von E-Autos ein Plus von 33,2 % gegenüber dem Vorjahr. Das sind 5,1 Prozent aller neuzugelassenen PKW. Laut Umweltministerin Gewesseler lag der Anteil im September 2020 gar bei rund 9 Prozent. Seit der Einführung des Corona-Bonus für E-Autos kommen 3 von 4 der neuen E-Auto-Besitzer in den Genuss der oben geschilderten Maximalleistungen, da es sich um Firmen oder Selbständige handelt.

 

Der formschöne Audi e-tron ist Teil des österreichischen Straßenbildes geworden. Das politische Ziel der Bundesregierung, elektrophilen Luxus auf die Autobahnen zu bringen, wurde sichtlich nicht verfehlt! Dennoch quälen viele fachliche (nicht nur politische) BeobacherInnen folgende

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fragen:

 

 

1)    Inwiefern empfinden Sie es nicht als zynisch, in einer Zeit ausufernder Arbeitslosigkeit Selbständigen die Anschaffung eines Luxusautos im geschilderten Umfang finanziell zu versüßen?

2)    Worin liegt, rein wirtschaftspolitisch betrachtet, der Nutzen eines vorzeitigen (weil durch temporäre Förderung attraktivierten) Auswechselns eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor durch ein Fahrzeug mit E-Motor, wenn, diese doch wesentlich weniger Wartungs- und Serviceleistungen für die KFZ-Branche generieren?

3)    Wie viele Förderzusagen für E-Autos gibt es im Rahmen des Konjunkturstärkungsgesetz 2020 bis dato?

4)    Über welche Modellrechnungen betreffenden den Steuerausfall (inkl. Wartung, sowie MöST) durch E-Autos über deren Lebenszyklus verfügt ihr Haus und wie sehen diese konkret aus?

5)    Über welche Modellrechnungen betreffenden der Vermeidung von klimaschädigenden Gasen durch E-Autos über den Fahrzeug-Lebenszyklus verfügt ihr Haus und wie sehen diese konkret aus?

6)    Inwiefern teilen Sie die Einschätzung von Fachleuten, dass der Steuerausfall alleine aus dem Titel „Entfall des Sachbezuges“  auf Grundlage der mit dem Konjunkturstärkungsgesetz 2020 geförderten Firmendienstwägen ein „Millionenbetrag“ sein wird?

7)    Nach welchen konkreten Gesichtspunkten wurde die Abgrenzung der Förderwürdigkeit von E-Autos, etwa in Bezug auf Gewicht, Leistung oder Akkukapazität, im Rahmen des  Konjunkturstärkungsgesetzes 2020 vorgenommen? 

8)    Im Lichte des Umstands, dass im Herbst 2020 ist ein Liter Diesel in Österreich durchaus unter einem Euro zu bekommen ist – wie stellt sich da in Relation dazu die dargelegte Subventionierung von E-Fahrzeugen als verhältnismäßige Lenkungsmaßnahme im Bezug auf den Klimaschutz dar?

9)    Inwiefern halten sie am Beispiel e-tron die Bezeichnung „Geldgeschenk“ für angebracht, insbesondere unter der berechtigten Annahme, dass nach der vorgeschriebenen Behaltefrist von drei Jahren der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs sogar den effektiven, um Steuervorteile gekürzten Kaufpreis übersteigen könnte?

10)  Inwieweit kann die finanzielle Begünstigung des oben genannten Fahrzeugs in Anbetracht ihrer finanziellen Dimension, als ernstgemeinter Beitrag zur Dekarbonisierung betrachtet werden, wenn etwa über ein Baumpflanzprojekt (z.B. www.plant-for-the-planet.org) mit dem Einsatz von wenigen hundert Euro eine vielfache Co2-Entlastung realisiert werden kann, als über den Lebenszeitraum eines mit zirka 30.000 Euro begünstigten Audi e-tron?

11)  Da das Fahren eines Audi e-tron politisch derart gewollt ist, dass man der betuchten Klientel etwa die Hälfte der Kosten abnimmt – werden sie sich für einen baldigen Ersatz ihres Dienstfahrzeugs durch eine rein elektrisch betriebene Limousine bzw. SUV stark machen?

12)  Falls nicht, warum nicht? 

14) Haben sich Hersteller von Luxusautos, wie etwa Audi, bei Ihnen schon für die Förderung ihrer Produkte aus dem Hochpreissegment bedankt?

15) Falls ja, wie?

16) Warum stellt die Fördergrenze von 60.000 Euro auf den Listen-Basispreis ab, und nicht auf den tatsächlichen Listen-Kaufpreis des einzelnen geförderten Wagen?