4765/J XXVII. GP

Eingelangt am 30.12.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Reformen im Rettungswesen

 

Das österreichische Rettungswesen liegt grundsätzlich in der Zuständigkeit der Bundesländer beziehungsweise der Gemeinden. Die wichtigsten Grundlagen – wer unter welchen Umständen als Sanitäter tätig sein kann – werden über das Sanitätergesetz allerdings auf Bundesebene festgelegt. Für dieses war in der 26. Gesetzgebungsperiode eine Reform angekündigt, insbesondere die Durchlässigkeit zwischen dem Sanitätswesen und anderen Gesundheitsberufen wurde erwähnt. Die damalige Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein verwies 2018[1] auf eine Evaluierung der GÖG in Bezug auf den Personalmangel in Pflegeberufen, um die Durchlässigkeit zwischen den Gesundheitsberufen zu erhöhen. In der resultierenden Evaluierung kommen Sanitäter allerdings kaum vor, in den vergangenen Jahren gab es keine weiteren Ansätze für Reformen des Sanitätergesetzes.

Anstelle einer umfassenden Reform wurden im Zuge des Jahres 2020 die Kompetenzen von Sanitätern schrittweise ausgebaut, um die COVID-19-Pandemie zu bekämpfen. Gleichzeitig hat die Krise auch gezeigt, dass es einen größeren Bedarf an Sanitätern gibt. Im Rahmen der Ausbildung können Angehörigen anderer Gesundheitsberufe (Mediziner, Pflegeassistenten oder Angehörige der gehobenen Pflegeberufe) Ausbildungen angerechnet bekommen und so von kürzeren Ausbildungszeiten profitieren, allerdings dürfen sie im Rahmen der Sanitätsarbeit bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben. Wer als Angehöriger eines Gesundheitsberufes im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit beispielsweise einen Venenzugang legen oder bestimmte Medikamente verabreichen darf, darf dies während des Dienstes als Sanitäter also nicht. Stattdessen sind Angehörige des Rettungsdienstes verpflichtet, für solche Tätigkeiten auf Notärzte beziehungsweise Notfallsanitäter zu warten – beides Berufsgruppen denen im Vergleich zu Rettungssanitätern weniger Menschen angehören. Würden mehr Berufsgruppen beispielsweise im Register Gesundheitsberufe erfasst werden, könnten diese Kompetenzen transparent für jeden gegenseitig anerkannt werden. Gleichzeitig sind Rettungssanitäter – besonders Ehrenamtliche – statistisch gesehen nicht zu lange im Rettungswesen tätig. Hier könnte durch eine gegenseitige Anrechnung der Anteil der Sanitäter erhöht werden, die in Pflegeberufe wechseln.

In der Praxis können qualifizierte Personen ihre Kompetenzen im Rettungsdienst aber nicht nutzen, gleichzeitig wird die Ausbildung nicht an die erweiterten Befugnisse angepasst. Dadurch wird das Berufsbild der Sanitäter noch unklarer, dieses ist durch das Sanitätergesetz ohnehin nicht ausreichend definiert. So sind Rettungssanitäter beispielsweise für Krankentransporte zuständig, müssen bei Unfällen, Geburten, Herzinfarkten oder Schlaganfällen auch wissen, welche Hilfe Patienten benötigen. Oft können aufgrund der knappen Personalressourcen im Rettungswesen aber nur Zivildiener oder ehrenamtlich tätige Rettungssanitäter eingesetzt werden. Das führt zu Vermischungen der Kompetenzen zwischen Rettungs- und Notfallsanitätern, worunter das Berufsbild leidet. Meist wird dies schließlich nicht durch die gesetzlichen Vorgaben, sondern die Rettungsorganisationen, Bedarf und Verfügbarkeit definiert. Auch, weil es keine einheitlichen Vorgaben zur Ausbildung gibt, sondern jede Rettungsorganisation die Inhalte im Rahmen der Praxis- und Theoriestunden eigenständig gewichten kann (Rettungssanitäter: 100 Stunden Theorie, 160 Stunden Praxis; Notfallsanitäter: 160 Stunden Theorie, 40 Stunden Krankenhauspraxis und 280 Stunden Praxis).

Bisher sind Rettungs- und Notfallsanitäter (meist) für eigene Organisationen wie das Rote Kreuz, den Arbeiter Samariter Bund, die Johanniter oder Ähnliche tätig. Je nach Bundesland variieren auch die Anteile der hauptberuflich tätigen Sanitäter. In Folge dessen gibt es keine eigene Standesvertretung für den Berufsstand, Reformbedarf wird deshalb nur selten angemeldet. Stattdessen können Trägerorganisationen im eigenen Ermessen entscheiden – und tun dies aus finanziellen Gründen nur selten. Innerhalb der Belegschaft werden aber immer wieder Reformen und Organisationsänderungen gefordert.

Aufgrund der unklaren Handhabung des Rettungswesens in der Praxis und des notwendigen Handlungsbedarfs, wäre es angebracht, die Versäumnisse der schnellen Gesetzesänderungen im Rahmen einer umfassenden Reform auszugleichen.  

 

[1] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/AB-BR/AB-BR_03194/imfname_692705.pdf

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

Frageblock 1 – Ausbildung

1.    Welche Maßnahmen existieren aktuell, um die Qualitätssicherung in der Ausbildung von Rettungs- und Notfallsanitätern zu garantieren?

2.    Hat das Gesundheitsministerium eine Möglichkeit zu überprüfen, welche Module mit welchen Inhalten Rettungsorganisationen im Rahmen der Ausbildung zum Rettungs- beziehungsweise Notfallsanitäter anbieten?

3.    Wie viele Anwärter müssen die Abschlussprüfung für die Ausbildung zum Rettungssanitäter pro Jahr davon wiederholen? (Bitte um Bekanntgabe der vergangenen fünf Jahre und Aufschlüsselung nach Bundesland und Organisation)

4.    Wie viele davon sind Zivildiener/ ehrenamtlich tätige Sanitäter? (Bitte um Bekanntgabe der vergangenen fünf Jahre und Aufschlüsselung nach Bundesland und Organisation)

5.    Wie viele davon wiederholen die Prüfung und beginnen noch innerhalb ihres Zivildienstes als Sanitäter zu arbeiten? (Bitte um Bekanntgabe der vergangenen fünf Jahre und Aufschlüsselung nach Bundesland und Organisation)

Frageblock 2 - Durchlässigkeit des Systems

1.    Gibt es Pläne, um Kompetenzen aus anderen Berufen für Rettungs- und Notfallsanitäter anzurechnen?

a.    Falls ja: wie soll diese Anrechnung transparent ablaufen?

b.    Falls nein: Welche Schritte sind stattdessen geplant, um den Personalmangel im Rettungswesen abzumildern?

2.    Gibt es Pläne, wie nicht nur andere Kompetenzen von Mitarbeitern auch im Rettungswesen ausgeübt werden können, sondern auch Rettungspersonal in anderen Gesundheitsberufen tätig werden könnte?

 

Frageblock 3 - Berufsbild

1.    Welche Maßnahmen sind angedacht, um das Berufsbild von Rettungs- und Notfallsanitätern zu professionalisieren?

2.    Gibt es Pläne, die Inhalte der Ausbildung quer über alle Rettungsorganisationen zu vereinheitlichen?

3.    Falls ja, welche Rolle soll dafür in Zukunft die Anerkennung von international gängigen Kursformaten (Beispielsweise NAEMT-Kurse) spielen?

4.    Falls ja, ist vorgesehen, die Ausbildung weiterhin in den Händen der Rettungsorganisationen zu belassen oder sollen unabhängige Ausbildungsstellen zuständig sein?

5.    Gibt es Pläne, in weiterer Folge eine eigene Standesvertretung zu schaffen?