4858/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.01.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Covid-Impfstoffe

 

Der Impfstart in Österreich ist chaotisch abgelaufen. Erste Impfungen wurden medienwirksam verabreicht, doch darauf folgte eine mehrtägige Impfpause. Offiziell, um zu garantieren, dass die Impfungen gemäß dem Impfplan des Ministeriums verteilt werden. Nach öffentlichen Diskussionen wurde die Strategie allerdings geändert und die Impfungen bundesweit so rasch wie möglich verteilt (1). Da bei diesem Vorgehen entscheidend ist, wann wie viele Impfdosen vorhanden sind, wäre es auch im Sinne der Öffentlichkeit, Informationen dazu zu haben.

Für größere Liefermengen soll sich auch der Bundeskanzler auf dem Weg eines Telefonats mit Pfizer eingesetzt haben. (2) Bekannt ist, dass im ersten Quartal eine Million Impfdosen geliefert werden sollen (2). Unklar ist allerdings, wie genau es sich auf die verfügbare Menge auswirkt, wenn verschiedene Präparate verimpft werden können oder wenn beispielsweise Produktionsstätten neu eröffnet werden. Zusätzlich hat besonders der Beginn der Pandemie gezeigt, wie fragil die internationalen Lieferketten sind und dass auch die Zulieferung von Rohstoffen in der Medikamenten-/ Impfstoffproduktion Auswirkungen auf die Lieferung von Impfstoffen haben könnte.

Auch der Vergleich mit anderen Ländern wirft Fragen auf. So haben andere Industrieländer deutlich höhere Impfdosen in Relation zur Bevölkerung bestellt. Kanada etwa hat sich so viel Impfstoff gesichert, dass jeder Einwohner bei erfolgreicher Entwicklung aller Impfstoffkandidaten 9,5 Mal geimpft werden könnte (4). Die USA hatten laut Medienberichten (5) bereits im Juli 2020 insgesamt 600 Mio. Dosen bei BioNTech (Verträge und Option) gesichert sowie 500 Mio. Dosen bei Moderna. Es hat außerdem im Oktober/November Hinweise gegeben, dass die beiden Impfstoffe nicht nur besonders wirksam sind, sondern auch wahrscheinlich zuerst zugelassen würden (so wie es dann ja auch gekommen ist). Hinsichtlich Sanofi und AstraZeneca wurde zu diesem Zeitpunkt über Problemen und Verzögerungen berichtet. Zu den ursprünglich bestellten 100 Mio. BioNTech-Dosen und einer Option über 400 Mio. Dosen haben die Vereinigten Staaten Mitte Dezember 2020 weitere 100 Mio. Dosen bei BioNTech bestellt (6).

Im Vergleich: zu diesem Zeitpunkt war schon bekannt, dass die EU nicht so viel Impfstoff gekauft hatte, wie es möglich gewesen wäre (7). Aus einzelnen Ländern wurde berichtet, dass abseits der EU-Vereinbarung zusätzlich Impfstoff gekauft wurde, erst Anfang Jänner wurde von der EU nachbestellt (8). Da diese Kritikpunkte öffentlich bereits mehrmal geäußert wurden, betonte Kommissionspräsidentin van der Leyen, dass die Entscheidung, wie viele Impfdosen bestellt werden, rein von der finanziellen Bereitschaft der Mitgliedsländer abhängig ist. Hier stellt sich also auch die Frage, welche Rolle Österreich in diesem Prozess eingenommen hat und wie die Regierung auf die Kommission eingewirkt hat.

(1) https://www.salzburg24.at/news/oesterreich/corona-impfung-weitere-lieferung-fuer-salzburger-klinik-personal-97958581

(2) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2085580-Kurz-verspricht-900.000-Impfdosen-bis-Maerz.html

(3) https://www.kleinezeitung.at/international/corona/5919745/Impfstoff-fuer-Oesterreich_Kein-Mengenproblem-sondern-nur-noch

(4) https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/rennen-um-den-corona-impfstoff-reiche-laender-kaufen-ruecksichtlos-17104764.html

(5) https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/corona-impfstoff-biontech-und-pfizer-schliessen-milliarden-deal-mit-den-usa-/26027268.html?ticket=ST-36589-F9m4ol2I3wbHOZzXIoj6-ap1

(6) https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/biontech-pfizer-serum-usa-ordern-weitere-100-millionen-dosen-corona-impfstoff-a-d4b6e783-b9d0-4389-9a33-3f77716d7b66

(7) https://apps.derstandard.at/privacywall/story/2000122661162/medien-eu-hat-weniger-impfstoff-gekauft-als-moeglich

(8) https://kurier.at/politik/ausland/eu-bestellt-bei-biontechpfizer-300-millionen-impfdosen-mehr/401149806

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

Beschaffung

1.     Über welche Anzahl Dosen (bzw. Anwendungen) wurden von der Europäischen Kommission wann mit welchem der Hersteller AstraZeneca (AZ), BioNTech (BNT)/Pfizer, Johnson&Johnson (J&), Sanofi/GSK, CureVac und Moderna Abnahmegarantien (AMC) vereinbart?

a.    Welcher Anteil davon entfällt jeweils auf Österreich?

b.    Wann wurden die Verträge jeweils geschlossen?

c.    Welche zusätzlichen Optionen wurden jeweils vereinbart?

d.    Wann wurden die Vertragsverhandlungen jeweils begonnen?

e.    Gab es Aufstockungen der bestellten Mengen (wenn ja: wann jeweils)?

f.     Wie hat sich dies auf die für Österreich zur Verfügung stehenden Dosen ausgewirkt?

2.    Ab wann sollen die Dosen in Österreich jeweils zur Verfügung stehen?

a.    Welche Anzahl Dosen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die USA, das Vereinigte Königreich, Israel, Japan, Kanada Australien und Indien bei welchem Hersteller wann bestellt? Bis wann stehen dort die Lieferungen zur Verfügung?

b.    Warum hat die Europäische Kommission insgesamt so wenige Dosen vorbestellt und nicht auch größere Mengen an Optionen gesichert?

3.    Von den am 23. Dezember 2020 zusätzlich vereinbarten 100 Mio. BioNTech-Dosen für die USA sollen 70 Mio. Dosen bis Ende Juni und weitere 30 Mio. Dosen bis Ende Juli 2021 bereitstehen. Die von der Europäischen Kommission am 29. Dezember 2020 gezogene Option über ESI über 100 Mio. zusätzliche Dosen für die EU garantiert lediglich eine Lieferung „in 2021“. Warum können die zusätzlichen Dosen in den USA schneller geliefert werden als in der EU?

4.    Medienberichten zufolge haben sowohl BioNTech als auch Moderna der EU deutlich höhere Mengen an Dosen angeboten (BioNTech hätte 400 bis 500 Mio. Dosen angeboten statt der dann am 11. November 2020 vertraglich vereinbarten 200 Mio. plus 100 Mio. Dosen als Kaufoption; Moderna bis zu 300 Mio. Dosen statt der dann von der EU am 25. November 2020 gesicherten 80 Mio. Dosen plus 80 Mio. Dosen als Option). Stimmen diese Berichte?

a.    Falls ja: Warum wurden nicht (Teile der) von der EU nicht in Anspruch genommene(n) Dosen des Herstellers BioNTech (nach Medienberichten 100 bis 200 Mio. Dosen) bzw. Moderna (nach Medienberichten 140 Mio. Dosen) für Österreich bestellt?

5.    Spielte es eine Rolle, dass es sich bei Modena um einen rein US-amerikanischen Impfstoff handelt, der der europäischen Pandemie-Bekämpfung eine untergeordnete Rolle spielen sollte?

6.    Wann waren die entsprechenden Daten der Studien zu den Impfstoffen von BioNTech und Moderna bekannt?

a.    Wann waren die Ergebnisse der Studien zu den anderen Impfstoffen der übrigen Hersteller (AstraZeneca, Johnson&Johnson, Sanofi/GSK, CureVac) bekannt (insbesondere Phase II und Phase III)?

b.    Waren diese zu dem Zeitpunkt ähnlich positiv wie die Ergebnisse für den BioNTech- bzw. Moderna-Impfstoff?

c.    Zu welchem Zeitpunkt sind jeweils die ersten zulassungsrelevanten Datenpakete bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA eingereicht worden?

d.    Wann begann jeweils die Bewertung durch den Ausschuss für Humanarzneimittel?

7.    Wurde zu diesem Zeitpunkt (Juli bzw. Oktober bzw. November 2020) auf die Europäische Kommission eingewirkt, die Bestellung des BioNTech- und des Moderna-Impfstoffs auszuweiten?

a.    Wenn ja: warum war das nicht erfolgreich?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Gab es zu dem Zeitpunkt Hinweise von Wissenschaftlern, bei den mRNA Impfstoffen von BioNTech und Moderna aufzustocken? Entweder über die EU oder bilateral.

d.    Wenn ja: warum wurde ihnen nicht gefolgt?

8.    Wurde auf der Grundlage der sehr erfolgreichen Zwischenergebnisse BioNTech oder Moderna über die EU zusätzlicher Impfstoff bei den beiden Unternehmen eingekauft?

a.    Wenn ja: wann und wie viele Dosen?

b.    Welche Liefertermine wurden für diese zusätzlichen Dosen vereinbart bzw. von den Unternehmen in Aussicht gestellt?

9.    Hat die Bundesregierung über die EU hinaus mit BioNTech und Moderna bilateral über Zukäufe von Impfstoffdosen verhandelt?

a.    Wenn ja: Mit welchem Ergebnis wurde verhandelt?

b.    Welche entsprechenden Verträge wurden abgeschlossen?

c.    Wann wurden die Vertragsverhandlungen dazu begonnen?

d.    Wann wurden die Verträge abgeschlossen?

e.    Über wie viele zusätzliche Dosen laufen die Verträge jeweils?

f.     Warum sind die vereinbarten Mengen der bilateralen Vereinbarungen mit BioNTech und Moderna nicht höher?

g.    Welche Lieferdaten sind jeweils vereinbart/avisiert?

h.    Für wann sind die Lieferungen der zusätzlich eingekauften Impfstoffmengen von Moderna und BioNTech in Österreich zu erwarten?

Produktionsausweitung

1.    BioNTech hat erläutert, dass man mit fünf Herstellern in Europa Verträge abgeschlossen habe, um die Ausweitung der Produktion zu unterstützen (u.a. Dermapharm bei Halle und Polymun bei Wien). Weitere Verträge seien in Verhandlung. Ist der Bundesregierung bekannt, mit welchen europäischen Produktionsstätten BioNTech im Gespräch ist?

a.    Falls ja: Um welche handelt es sich und wie viele davon befinden sich in Österreich?

b.    Hat die Bundesregierung mit BioNTech über Möglichkeiten gesprochen, die Ausweitung der Produktion zu unterstützen?

2.    Die neue Produktionsanlage von BioNTech im deutschen Marburg zeigt, dass auch bestehende Produktionsanlagen genutzt/umgewidmet werden können für die Produktion von mRNA-Impfstoffen. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Umbauten konkret notwendig sind, um die Produktion von mRNA-Impfstoffen zu ermöglichen?

a.    Wäre dies auch mit österreichischen Produktionsstätten wie etwa in Orth an der Donau denkbar?

b.    Wenn ja: welche Standorte wären angedacht?

c.    Ist bekannt, welche Kosten für eine Ausweitung der Produktionskapazitäten anfallen würden?

3.    In China erfolgt nach anfänglicher Versorgung mit in Deutschland hergestellten BioNTechImpfdosen eine Lizenzproduktion des Impfstoffs durch Fosun Pharma. Warum ist nicht auch in der EU eine zusätzliche Lizenzproduktion möglich?

a.    Wurde diese Möglichkeit gegenüber BioNTech thematisiert?

4.    Traditionell werden Impfstoffe in Indien hergestellt. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Impfstoffhersteller eine (Lizenz-)Produktion in Indien planen oder bereits durchführen?

a.    Wie viele Dosen werden aus Indien nach Österreich kommen?

5.    Der Moderna-Impfstoff kommt aus den USA. Er könnte von besonderem Interesse sein, da er weniger Anforderungen an Lagerung und Transport stellt. Wurde mit Moderna über den Aufbau einer Produktionsstätte für den Moderna Impfstoff in Österreich bzw. Europa verhandelt?

6.    Nach Medienberichten verhandeln die US-Regierung und Pfizer darüber, dass die US-Regierung auf Zulieferer einwirken solle, um Vorprodukte prioritär zur Verfügung zu stellen. Pfizer habe auf diese Möglichkeit bereits vor Monaten hingewiesen. Ist dazu Näheres bekannt?

a.    Hat BioNTech oder ein anderes Unternehmen ähnliche Wünsche geäußert?

7.    Anfang Dezember gab es Medienberichte zu einer Korrektur der anfänglichen Produktionsmenge von BioNTech aufgrund von Qualitätsmängeln bei Vorprodukten von Zulieferern. Haben diese weiterhin Einfluss auf die produzierten Mengen?

a.    Welche Maßnahmen könnte der Bund ergreifen, um die Versorgung mit Vorprodukten zu verbessern?

8.    Nach Angaben von BioNTech dauere die eigentliche Herstellung des Impfstoffs eine Woche, danach würden für Qualitätskontrolle und Freigabe weitere drei Wochen benötigt. Wurden Maßnahmen geprüft, um diese Schritte zu beschleunigen?

a.    Wenn ja: welche Beschleunigungsmöglichkeiten gibt es?

9.    Wieviel Zeit nimmt die Chargenprüfung beim BASG in Anspruch? Wurden hier alle Möglichkeiten für eine möglichst rasche Abfertigung ausgeschöpft (z.B. indem Arbeitsschritte parallel statt hintereinander erfolgen)?

10. Der Impfstoff von AZ/Oxford hat in UK die Notfallnutzungserlaubnis erhalten. Eine Zulassung durch die EMA noch im Januar sei nach Presseangaben „unwahrscheinlich“. Mit welchem Zulassungsdatum rechnet das BMGSPK aktuell für den Impfstoff?

Verimpfung

1.    Welche Liefertermine und Liefermengen wurden den Bundesländern im Dezember wann zugesagt, welche Änderungen gab es wann und warum und wie wurden diese kommuniziert ?

2.    Welche Liefertermine und Liefermengen sind den Bundesländern für den Januar und Februar zugesagt, gibt es dabei bereits Änderungsbedarf, wenn ja, welchen und warum?