5212/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.02.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Eskalation einer Demonstration in Innsbruck

 

Die Demonstration „Grenzen töten - gegen Abschiebung und für die Aufnahme von geflüchteten Personen“ am 30.1.2021 in Innsbruck ist Medienberichten zufolge eskaliert.[1] Berichtet wird von 19 Festnahmen und mehr als 100 Anzeigen. TeilnehmerInnen und BeobachterInnen der Demonstration berichten von einem teilweise unverhältnismäßigen Eingreifen der Polizei und Anwendung von überschießender Gewalt. Die Polizei habe sich bei früheren Demonstrationen in Innsbruck um die Sicherung des Straßenverkehrs und der an der Demonstration Teilnehmenden sowie der Passantinnen und Passanten bemüht. Am 30.1.2021 sei das Bild bei der Demonstration „Grenzen töten - gegen Abschiebung und für die Aufnahme von geflüchteten Personen“ jedoch völlig anders gewesen. Diese Vorwürfe sind aufklärungsbedürftig.

Vorweg: Es ist klar, dass Gewalt jedenfalls bereits grundsätzlich abzulehnen ist. Sei es gegen DemonstrantInnen, sei es gegen PolizistInnen. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, den unterschiedlichen Aussagen nachzugehen und für Transparenz und Aufklärung zu sorgen. Würden hier hier verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte wie das Recht auf Versammlungsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung unrechtmäßig eingeschränkt worden sein, müsste das Folgen haben. Auch in schwierigen Zeiten dürfen Grundrechte nämlich nicht willkürlich ausgehebelt werden. Auch Demonstrationen grundsätzlich zu verbieten und daran teilnehmende Menschen unter Generalverdacht zu stellen, kann keine adäquate Antwort sein.

Gleichermaßen geht es nicht an, dass allenfalls gewaltbereite Gruppen friedliche Demonstrationen nutzen, um in diesem Rahmen gegen Gesetze zu verstoßen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres nachstehende:

Anfrage

 

1.    Gab es im Vorfeld der in Rede stehenden Demonstration Informationen oder konkrete Verdachtsmomente, dass sich diese Demonstration von bisherigen in Innsbruck abgehaltenen Demonstrationen hinsichtlich teilnehmenden „besonderen“ Personen(-gruppen) mit erhöhtem Gefährdungspotential unterscheidet?
Wenn ja, welche?

2.    Welche grundlegende Strategie wurde im Einsatzplan der Polizei für die gegenständliche Demonstration festgelegt?

3.    Hat sich diese Strategie von der Strategie bei bisherigen Demonstrationen (mit ähnlicher Intention) in Innsbruck unterschieden?

4.    Wie hat sich die Polizei auf den Einsatz bei der gegenständlichen Demonstration in Innsbruck vorbereitet?

5.    Unterscheidet sich diese Vorbereitung im Vergleich zur Vorbereitung auf andere Demonstrationen (mit ähnlicher Intention)?
Wenn ja, inwiefern und warum?

6.    Wurde am 30.1.2021 im Vergleich zu früheren Demonstrationen (mit ähnlicher Intention) in Innsbruck ein höherer Sicherheitsmaßstab angelegt bzw angeordnet?

Wenn ja, in welcher Art und warum war dies erforderlich?

7.    Wurden PolizeibeamtInnen laut Einsatzplatz im Zuge des Dienstes bei der in Rede stehenden Demonstration zur erhöhten Eigensicherung angeleitet oder angewiesen?

8.    Welches Vorgehen gegen DemonstrantInnen sieht der Einsatzplan für die genannte Demonstration vor?
Es wird ersucht, Aktionen (Anlass) und Reaktionen (Art des Einschreitens) darzustellen.

9.    Gab es einen Kommunikationsplan zur Vermeidung von drohenden Eskalationen und wurde dieser eingehalten?

10. Beinhaltet der Einsatzplan Deeskalationsmaßnahmen?
Wenn ja, welche und wurden die vorgesehenen Maßnahmen von der Einsatzleitung auch angewendet?

11. Wurde im Einsatzplan ein vorzeitiges Auflösen der Demonstration thematisiert?
Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen sollte eine vorzeitige Auflösung der Demonstration erfolgen?

12. Aus welchen konkreten Gründen war ein aktives Einschreiten der Exekutive gegen DemonstrantInnen notwendig?

13. Welche Überlegungen wurden angestellt und waren dafür ausschlaggebend, den Demonstrationszug gerade in der Templstraße, Ecke Michael-Gaismair-Straße, zu stoppen und aufzulösen?

14. Aus der medialen Berichterstattung geht hervor, dass Covid-19 Abstandsregeln offensichtlich nicht eingehalten worden sein sollen. Wurde seitens der Einsatzleitung vor Auswahl des Ortes zur Auflösung der Demonstration eine Risiko- und/oder Gefährdungsanalyse insbesondere zur Vermeidung weiterer Verringerung von Abständen zwischen den DemonstrantInnen aber auch hinsichtlich der Möglichkeit zur Information der nachkommenden Teilnehmenden vorgenommen?

15. Wurde vor Entscheidungsfindung berücksichtigt, dass das Ausweichen für schätzungsweise 600 bis 800 Personen, die an der Demonstration teilgenommen haben, in der Templstraße im Abschnitt zwischen Maximilianstraße und Michael-Gaismair-Straße in Seitenstraßen erschwert, allenfalls nicht möglich sein könnte und es nicht zuletzt auch deshalb zu einer Verringerung von Abständen zwischen den Personen gekommen ist?

16. Wie viele Einsatzkräfte wurden in der Templstraße, Ecke Michael-Gaismair-Straße, postiert?

17. Wurden diese Einsatzkräfte dort bereits vor Eintreffen des Demonstrationszuges postiert?
Wenn ja, wie lange vor Eintreffen des Demonstrationszuges, auf Grund welcher Überlegungen und mit welchem Auftrag?

18. Welcher Anlass bzw welche Anlässe waren ausschlaggebend Pfeffersprays einzusetzen?

19. Wer hat den Einsatz von Pfeffersprays angeordnet (Einsatzleitung oder Behördenvertreter)?

20. Wurden im Einsatz auch minderjährige Demonstrierende verletzt/gefährdet?

21. Welche Schritte haben Sie gesetzt, nachdem Sie von den Vorfällen bei der Demonstration in Innsbruck erfahren haben?

22. Berichten zu Folge hat die Polizei Videoaufzeichnungen von den Geschehnissen. Wurde eine Analyse vorgenommen?
Wenn ja, welche Schlüsse wurden daraus gezogen?

23. Hätte sich eine Eskalation - rückblickend betrachtet - allenfalls vermeiden lassen?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

24. Haben Sie eine Untersuchung zu den Vorfällen eingeleitet?
Wenn ja, welches Ergebnis brachte diese?
Wenn nein, warum nicht?

25. Gab bzw gibt es seitens Ihres Ressorts besondere Anweisungen (konkrete Weisungen oder allgemeine Erlässe), wie von den SIcherheitskräften im Allgemeinen mit Demonstrationen für eine humanitäre Asylpolitik umzugehen ist?
Wenn ja, welche?

26. Gab es im Vorfeld seitens Ihres Ressorts besondere Anweisungen (konkrete Weisungen), wie mit der betreffenden Demonstration in Innsbruck für eine humanitäre Asylpolitik umzugehen ist?
Wenn ja, welche?

27. Fanden vor bzw nach der betreffenden Demonstration in Innsbruck vom 30.1.2021 Dienstbesprechungen (national oder regional) dazu statt?
Wenn ja, was war Inhalt der Besprechungen?

28. Welche aktuelle generelle Einsatztaktik verfolgt das Innenministerium im Zusammenhang mit Demonstrationen?

29. Entspricht es der Wahrheit, dass bei anderen Demonstrationen in Innsbruck am selben Tag nicht in gleicher Art seitens der Sicherheitsorgane durchgegriffen wurde, obwohl auch bei diesen COVID-19 Sicherheitsvorschriften offensichtlich nicht eingehalten worden sein sollen?

30. Warum wurde die genehmigte Demonstration für eine humanitäre Asylpolitik aufgelöst, die anderen am selben Tag abgehaltenen Demonstrationen jedoch nicht?

31. Haben Sie untersucht, ob es zu einem Fehlverhalten seitens der Polizei gekommen ist?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

32. Wurden bei der Demonstration in Innsbruck am 30.1.2021 PolizistInnen verletzt?
Wenn ja, wie viele wurden verletzt?
Welchen Grad an Verletzungen haben PolizistInnen erlitten?

33. Entspricht es der Wahrheit, dass gegen DemonstrantInnen gewaltsam vorgegangen wurde?

34. Entspricht es der Wahrheit, dass DemonstrantInnen über den Boden geschleift wurden?

35. Entspricht es der Wahrheit, dass DemonstrantInnen mit Schlagstöcken geschlagen und/oder getreten wurden?

36. Wurden beim Einsatz anlässlich der Demonstration in Innsbruck am 30.1.2021 DemonstrantInnen verletzt?
Wenn ja, wie viele Verletzte gab es?
Welchen Grad an Verletzungen haben DemonstrantInnen erlitten?

37. Konnten SanitäterInnen vor Ort ungehindert verletzte Personen behandeln?

38. War der Einsatz, wie von BeobachterInnen und TeilnehmerInnen behauptet, nach Ihrem Wissensstand und Ihren darauf beruhenden Einschätzungen unverhältnismäßig?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

39. Wie viele Demonstrationen waren in Innsbruck im vergangenen Jahr angemeldet und wurden von der Polizei begleitet?

40. In welcher Einsatz- und Bereitschaftsstärke war die Polizei dabei jeweils im Einsatz?

41. Gibt es generelle Vorgaben, die die Einsatzstärke bzw Bereitschaftsstärke (etwa abhängig von der gemeldeten Zahl der TeilnehmerInnen) festlegen.
Wenn ja, aus welchen Gründen kann davon abgewichen werden und wer entscheidet über ein allfälliges Abweichen?
Wenn nein, wer entscheidet über den personellen Einsatz?

42. Ist es generell üblich, dass PolizistInnen bei Demonstrationen in besonderer Schutzausrüstung wie mit Helm und Schlagstock und Pfefferspray im Einsatz stehen?
Wenn nein, wieso traf das bei der anfragegegenständlichen Demonstration zu?

43. Bei wie vielen Demonstrationen war das im vergangenen Jahr bei Demonstrationen in Innsbruck der Fall?

44. Waren die PolizistInnen bei der anfragegegenständlichen Demonstration in Innsbruck im Vergleich zu anderen Demonstrationen besonders ausgerüstet?
Wenn ja, warum?

45. Waren bei der betreffenden Demonstration in Innsbruck im Vergleich zu anderen Demonstrationen verhältnismäßig mehr PolizistInnen im Einsatz oder in Bereitschaft?
Wenn ja, warum und wie viele?
Wenn nein, wie viele PolizistInnen waren im Einsatz bzw in Bereitschaft?

46. Wurden für die betreffende Demonstration in Innsbruck im Vergleich zu anderen Demonstrationen besondere Vorkehrungen getroffen?
Wenn ja, warum?

47. Wie viele Personen wurden im Zuge der Amtshandlungen bei der anfragegegenständlichen Demonstration festgenommen?
Aus welchem Anlass?
Wie lange wurden die festgenommenen Personen angehalten?
Wurde über festgenommene Personen eine Untersuchungshaft verhängt und wenn ja, wegen welchem/r Delikt/e? Wann erfolgte die Anordnung der Untersuchungshaft?
War es allen festgenommenen Personen möglich, sich durch einen Rechtsbeistand beraten zu lassen?
Wenn nein, warum nicht?

48. Wie viele Personen wurden im gegenständlichen Zusammenhang angezeigt?
Was wurde diesen zur Last gelegt?
Wie viele der angezeigten Personen haben keinen Wohnsitz in Österreich?

49. Waren unter den festgenommenen oder angezeigten Personen auch solche ohne Wohnsitz in Tirol?
Wenn ja, wie viele?
Liegen Informationen darüber vor, wann bzw woher diese Personen angereist sind?

50. Nahmen auch Personen mit Wohnsitz im Ausland an der Demonstration teil?
Wenn ja, wie war es möglich, dass diese in der gegenwärtigen Situation nach Österreich einreisen konnten?

51. Wie viele DemonstrantInnen wurden zur anfragegegenständlichen Demonstration von den Veranstaltern erwartet bzw angemeldet und wie viele TeilnehmerInnen gab es tatsächlich?

52. Wie lange hat der Einsatz der Exekutive im Rahmen der anfragegegenständlichen Demonstration gedauert?

53. Medienberichten zufolge kündigte der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi an, am 1.2.2021 mit den Verantwortlichen der Polizei sowie den Veranstaltern reden zu wollen.
Wurde ein Gespräch mit VertreterInnen der Polizei zu den Vorfällen am 30.1.2021 mit Bürgermeister Georg Willi am 1.2.2021 oder zu einem späteren Termin geführt?
Wenn ja, was war das Ergebnis der Besprechung?



[1] Vgl. u.a.: https://tirol.orf.at/stories/3087687/;

https://www.tt.com/artikel/17795504/demo-in-innsbruck-ausser-kontrolle-streit-um-verhaeltnismaessigkeit;

https://www.derstandard.at/story/2000123753151/demo-gegen-abschiebungen-lief-in-innsbruck-aus-dem-ruder?ref=rec