5258/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.02.2021
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Anfrage

 

des Abgeordneten Erwin Angerer, Walter Rauch

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

betreffend Substitution rohölhaltiger Kunststoffe

 

Umweltschutz und Gesundheitsschutz sind in aller Munde. Auch die Industrie setzt zunehmend auf umwelt- und gesundheitsschonende Produkte und nennt sie oft Bio-Produkte. Doch nicht überall, wo „bio“ draufsteht, ist auch „bio“ drin.

 

Die Alternative „Biokunststoff“ - Bioökonomie BW

 

Bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden Kunststoffe fast ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Erst seit Ende des Zweiten Weltkrieges werden üblicherweise als Rohstoffquellen fossile, nicht erneuerbare Ressourcen, wie Erdöl oder Erdgas, genutzt. Seit etwa 30 Jahren sind nun wieder verstärkte Bemühungen zu verzeichnen, Kunststoffe zum Teil oder auch vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen zu erzeugen und am Markt zu etablieren.

Polylactid (PLA) ist ein Biokunststoff, der zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen besteht und unter bestimmten Bedingungen restlos biologisch abbaubar ist – er ist somit biobasiert und bioabbaubar. PLA wird durch Polykondensation von Milchsäure oder durch Polymerisation durch Lactid (einem Zwischenprodukt) hergestellt.

Das Ausgangsprodukt Milchsäure wird durch Fermentation (Vergärung) von Kohlenhydraten (Zucker, Mais) hergestellt. PLA ist lebensmittelrechtlich unbedenklich und wird sogar in der Medizin für Implantate, Knochenschrauben, etc. verwendet, welche nach einer bestimmten Zeit vom im Körper absorbiert werden.

PLA als Reinsubstanz ist ein glasklares, hartes und sprödes Produkt und in dieser Form nur für wenige Anwendungen geeignet. Für die meisten Anwendungen wird PLA zusammen mit Zusatzstoffen (Weichmachern, Schlagzähmodifikatoren, Entformungshilfen, Füllstoffen, u.a.) oder auch zusammen mit anderen Biokunststoffen z.B. PBS (Polybutylensuccinat) vermischt. Dieser Verarbeitungsschritt wird als Compoundierung bezeichnet. Viele der Zusatzstoffe sind ebenfalls biobasiert und aus pflanzlichen Rohstoffen.

1.    Die Herstellung von PLA besteht also aus 3 Stufen:

1.    Fermentation von Kohlenhydraten (Zucker, Mais) zu Milchsäure (flüssig)

2.    Polymerisation von Milchsäure zu Polylactat (fest)

3.    Compoundierung von Polylactat zu einem verarbeitungsfähigen Compound (Granulat)

PLA hat den großen Vorteil, dass es für einen biologischen Abbau das Zusammenspiel von 3 Faktoren braucht:

1.    Temperatur von min. 60°C

2.    Präsenz von Wasser

3.    Präsenz von Mikroorganismen

 

Diese Bedingungen sind in einer industriellen Kompostieranlage vorhanden und werden in der EN 13432 beschrieben. Es handelt sich um biologischen Abbau, da es zur chemischen Zerlegung der Polymerkette in ihre ursprünglichen Bestandteile (Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff) kommt. Anders als beim Mikroplastik, wo eine physikalische Zerlegung in kleine Partikel stattfindet, die Molekülketten jedoch bestehen bleiben.

Gegenwärtig verwertet die Abfallwirtschaft gesammelte Kunststoffabfälle nahezu vollständig. Vor allem aus Klima- und Umweltschutzsicht sollten mehr Kunststoffabfälle werkstofflich verwertet werden. Um die Umwelt zu schützen und gleichzeitig die Grundlage für eine neue Kunststoffwirtschaft zu schaffen, hat sich die EU-Kommission in Brüssel bis 2030 ein hohes Ziel gesteckt: Alle Kunststoffverpackungen in der EU sollen recycelbar oder wiederverwendbar sein.

Die Kunststoffstrategie besagt, dass der Verbrauch von Einwegkunststoffen reduziert und die absichtliche Verwendung von Mikroplastik untersagt wird. Zusätzlich wurde Mitte 2019 die Richtlinie für Einwegkunststoffprodukte geschaffen, die einige Wegwerfprodukte aus Handel und Gastronomie verbannt. Darunter fallen die zehn Wegwerfprodukte, die am häufigsten in europäischen Stränden zu finden sind, wie Getränkebecher oder Einweggeschirr. Zudem soll die Getrenntsammlung und Sortierung von Kunststoffabfällen stärker standardisiert werden, um das Recycling kostengünstiger zu machen. Die Kommission rechnet mit Einsparungen bis zu 100 €/Tonne.

Begleitet wird die Strategie unter anderem von einem Vorschlag über Hafen-Auffangvorrichtungen zur Entladung von Abfällen und einem Bericht über oxo-abbaubare Kunststoffe. In diesem wird die Einschränkung der Nutzung dieser Kunststoffe innerhalb der EU empfohlen. Kritik daran äußerte der Verband European Bioplastics e.V., der konkrete Maßnahmen zur Förderung von biobasierten Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen vermisst.

Gemäß SUP-Richtlinie dürfen folgende Einwegkunststoffartikel ab dem 3. Juli 2021 nicht mehr in Verkehr gebracht werden:

1.    Wattestäbchen

2.    Besteck (Gabeln, Messer, Löffel, Essstäbchen)

3.    Teller

4.    Trinkhalme

5.    Rührstäbchen

6.    Luftballonstäbe

7.    Lebensmittelverpackungen aus expandiertem Polystyrol, d. h. Behältnisse wie Boxen (mit oder ohne Deckel) für Lebensmittel, die:

a)    dazu bestimmt sind, unmittelbar vor Ort verzehrt oder als Take-away-Gericht mitgenommen zu werden,

b)    in der Regel aus der Verpackung heraus verzehrt werden, und

c)    ohne weitere Zubereitung wie Kochen, Sieden oder Erhitzen verzehrt werden können, einschließlich Verpackungen für Fast Food oder andere Speisen zum unmittelbaren Verzehr, ausgenommen Getränkebehälter, Teller sowie Tüten und Folienverpackungen (Wrappers) mit Lebensmittelinhalt

8.    Getränkebehälter aus expandiertem Polystyrol einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel

9.    Getränkebecher aus expandiertem Polystyrol einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel

Da PLA ein Kunststoff im Sinne der Richtlinie ist, sind die oben genannten Einwegkunststoffartikel vom Verbot umfasst, wenn sie ganz oder teilweise aus PLA bestehen. Das gilt auch für andere der sogenannten Biokunststoffe – außer es handelt sich um natürliche Polymere, die nicht chemisch modifiziert wurden. Andere Anwendungen von PLA sind vom Verbot nicht betroffen.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie folgende

 

ANFRAGE

 

1.    Wie hoch ist der Verwertungsanteil gesammelter Kunststoffe in Österreich?

2.    Wie schlüsselt sich dieser Wert nach Art der Verwertung (energetisch, rohstofflich, werkstofflich, ect.) auf?

3.    Wie schlüsselt sich dieser Wert nach Art des Kunststoffes auf? (Bitte aufschlüsseln in biobasiert, fossilbasiert, bioabbaubar und nicht-bioabbaubar sowie weiterfolgend in die jeweiligen Kunststoffe)

4.    Welche Schritte setzen Sie, um die Quote der werkstofflichen Verwertung zu erhöhen? (Bitte aufschlüsseln in biobasiert, fossilbasiert, bioabbaubar und nicht-bioabbaubar sowie weiterfolgend in die jeweiligen Kunststoffe)

5.    Welche Schritte setzen Sie zur Umsetzung der EU-Vorgabe, wonach alle Kunststoffverpackungen, Kunststoffverbunde und Verbundwerkstoffe mit Polymeranteil bis 2030 recycelbar oder wiederverwendbar zu sein haben?

6.    Gibt es in Ihrem Ressort diesbezüglich einen konkreten Zeitplan?

a.    Wenn ja, welchen?

b.    Wenn ja, inwiefern wird dieser derzeit eingehalten?

c.    Wenn nein, warum nicht?

7.    Welche Rolle können bio-basierenden und biologisch-abbaubare Kunststoffe nach der Einschätzung Ihres Ressorts bei der Substitution rohölhaltiger Kunststoffe einnehmen?

8.    Welche Rolle kann insbesondere PLA nach der Einschätzung Ihres Ressorts bei der Substitution rohölhaltiger Kunststoffe einnehmen?

9.    Welche Rolle können bio-basierenden und biologisch-abbaubare Kunststoffe nach der Einschätzung Ihres Ressorts in einer Kreislaufwirtschaft einnehmen?

10. Welche Rolle kann insbesondere PLA nach der Einschätzung Ihres Ressorts in einer Kreislaufwirtschaft einnehmen?

11. Gibt es diesbezüglich Studien?

a.    Wenn ja, welche?

12. Gibt es diesbezüglich einen Austausch mit Stakeholdern?

a.    Wenn ja, mit wem?

b.    Wenn ja, wann?

c.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

13. Welche Rolle nehmen andere Kunststoffe, Kunststoffverbunde und Verbundwerkstoffe mit Polymeranteil bei der Substitution rohölhaltiger Kunststoffe ein?

14. Gibt es diesbezüglich Studien?

a.    Wenn ja, welche?

15. Gibt es diesbezüglich einen Austausch mit Stakeholdern?

a.    Wenn ja, mit wem?

b.    Wenn ja, wann?

c.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

16. Gibt es eine Strategie hinsichtlich der Substitution rohölhaltige Kunststoffe?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, welcher Anwendungsfall rohölhaltiger Kunststoffe soll wie substituiert werden?

c.    Wenn ja, welche Rolle spielen dabei biobasierte bzw. bioabbaubare Kunststoffe? (Bitte ausdifferenzieren)

17. Fördern Sie biobasierten Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn ja, in welcherm Ausmaß fördern Sie AGENACOMP von der AGRANA?

c.    Wenn ja, wie wird diese Förderung budgetwirksam? (Bitte für die Jahre 2015-2021 aufschlüsseln)

d.    Wenn ja, welche Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder sonstige Organisationseinheiten werden gefördert? (Bitte Organisationseinheit und Höhe der Förderung für die Jahre 2015-2021 angeben)

e.    Wenn ja, inwiefern wird dabei auf den heimischen Anbau der Rohstoffe bedacht genommen?

f.     Wenn nein, warum nicht?

18. Welche Auswirkungen auf Österreich hat die Aufnahme von Biokunststoffen (biobasiert und bioabbaubar) in den Anwendungsbereich der SUP-Richtlinie?

19. In welchem Ausmaß sind Produkte aus biologisch abbaubare Kunststoffe bzw. oxo-abbaubare Kunststoffe verboten?

20. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Umwelt und Wirtschaft?

21. Welchen Anteil an der Landnutzung nimmt die Produktion von biobasierten Kunststoffen in Österreich ein? (Bitte für die Jahre 2015-2021 aufschlüsseln)

22. Welchen Anteil an der Landnutzung nimmt die Produktion von sonstigen Kunststoffen in Österreich ein? (Bitte für die Jahre 2015-2021 aufschlüsseln)

23. Welche Auswirkungen hat eine Steigerung dieses Anteils?

24. Wie beurteilen Sie die Notwendigkeit, den Anhang mit der Liste der Einwegkunststoffartikel gem. RL (EU) 2019/904 iSd Art. 15 zu überprüfen, auch im Hinblick auf Verschlüsse und Deckel aus Kunststoff für Getränkebehälter aus Glas oder Metall?

25. Planen Sie eine Durchführbarkeitsstudie über die Festlegung von verbindlichen Sammelquoten für Fanggeräte-Abfall und über für die Union verbindliche quantitative Ziele für eine Verbrauchsminderung insbesondere der in Teil A des Anhangs aufgeführten Einwegkunststoffartikel in der RL (EU) 2019/904, wobei die Verbrauchswerte und die bereits erzielten Minderungen in den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden iSd. Art. 15?

a.    Wenn ja, wann soll diese durchgeführt werden? (Bitte Beginn und Zeitraum angeben)

b.    Wenn nein, warum nicht?

26. Planen Sie eine Beurteilung der Veränderung der Werkstoffe (Volumen- oder Massen-Prozent), die in den unter die Richtlinie (EU) 2019/904 fallenden Einwegkunststoffartikeln verwendet werden, sowie neuer Verbrauchsgewohnheiten und Geschäftsmodelle auf der Grundlage wiederverwendbarer Alternativen, inklusive umfassender Lebenszyklusanalyse zur Beurteilung der ökologischen Auswirkungen dieser Artikel und ihrer Alternativen iSd. Art. 15?

a.    Wenn ja, wann soll diese durchgeführt werden? (Bitte Beginn und Zeitraum angeben)

b.    Wenn nein, warum nicht?

27. Planen Sie eine Beurteilung des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts bei Kriterien oder einer Norm für die biologische Abbaubarkeit von Einwegkunststoffartikeln, die in den Geltungsbereich der Richtlinie (EU) 2019/904 fallen iSd. Art. 15, in der Meeresumwelt, und ihrer Einwegsubstitutionsartikel?

a.     Wenn ja, wann soll diese durchgeführt werden? (Bitte Beginn und Zeitraum angeben)

b.    Wenn nein, warum nicht?

28.  Inwiefern wirkt sich Mikroplastik auf den Betrieb von Kläranlagen aus?

29. Gibt es diesbezüglich Erhebungen oder Studien?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, welche Lehren ziehen Sie daraus?

c.    Wenn nein, warum nicht?