5386/J XXVII. GP

Eingelangt am 16.02.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid, Genossinnen und Genossen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Inklusive Bildung

Österreich hat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2008 ratifiziert. Damit verpflichten wir uns als unterzeichnender Staat, die Rechte von Menschen mit Behinderungen bei der Gesetzgebung und bei der Vollziehung der Gesetze aktiv zu berücksichtigen.

Der Bildungsbereich ist hier im besonderen Maße gefordert, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen einzubinden und ihnen gleichermaßen aile Türen zu öffnen, um eine gute Bildungskarriere für ihre persönliche Zukunft zu garantieren. Diverse Schritte wurden unternommen, wie beispielsweise die Richtlinie zur Entwicklung inklusiver Modellregionen 2015. Sonja Hammerschmid hat in ihrerfrüheren Funktion als Bundesministerin für Bildung alle Parlamentsparteien zu einem Besuch in Südtirol eingeladen, um sich dort über das seit vielen Jahren bewährte inklusive Schulmodell zu informieren. Die Bundesländer Kärnten, Steiermark und Tirol haben als Modellregionen viele Maßnahmen ergriffen, sowie Ressourcen umgeschichtet und investiert, damit inklusive Schule gelingen lassen. Auf das Ziel die Ausrollung ab 2020 auf ganz Österreich - darf in diesem Zusammenhang hingewiesen werden.

Leider kam es ab 2017, mit dem Beginn der Amtszeit von Bundesminister Faßmann zu einem Stillstand. Im Regierungsprogramm von ÖVP/FPÖ wurden der Erhalt und die Stärkung des Sonderschulwesens festgeschrieben.

Großartige Schulen in Österreich zeigen, wie Inklusion in der Praxis funktionieren kann. Die Erfahrungen und Berichte der letzten Jahre legen aber dar, dass die Umsetzung nach wie vor stark von den handelnden Personen abhängig ist. Zuletzt wurde von Bildungswissenschafter Gottfried Biewer von der Universität Wien die immer noch mangelhafte Umsetzung hin zu einem inklusiven Schulsystem beklagt: „Schuld daran ist für den Bildungswissenschafter das Fehlen von Steuerungsmechanismen. Anders als bei der Einführung des Wahlrechts in den 1990ern, durch das Eltern entscheiden können, ob ihre Kinder in eigenen Sonderschulen oder inklusiv gemeinsam mit Kindern ohne Beeinträchtigung unterrichtet werden sollen, habe es diesmal auch keinerlei Anreize in Form zusätzlicher Ressourcen gegeben. Die Folge: Es gab keine breite Akzeptanz der betroffenen Eltern, teilweise sogar Ablehnung."[1]

Bemerkenswert erscheint auch der Befund, der in der wissenschaftlichen Evaluierung des NAP Behinderung durch die Universität Wien zum Kapitel Bildung getroffen wurde: „Unzureichende Konzepte und kaum wirksame Pläne zur Umsetzung inklusiver Bildung, das Fehlen bundesweiter Umsetzungsstrategien, mangelnde Koordination mit den Bundesländern und das Ausbleiben von Anreizsystemen für Schulen, die inklusive Strategien verfolgen, werden als gravierende Problemfelder genannt. Als problematisch wird auch angesehen, dass zeitweise über die Regierungspolitik Inklusion nicht mehr propagiert wurde und daher auch keine Schritte des zuständigen Ministeriums hin zu einer Umsetzung erfolgten. Der Bildungssektor stellt sich somit als einer derjenigen Themenbereiche dar, die während der Laufzeit des NAP Behinderung 2012-2020 besonders wenig zur Umsetzung der UN-BRK in Österreich beitrugen.''[2]

Es ist daher dringend an der Zeit (13 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Konvention!}, Inklusion als selbstverständlichen Teil des Bildungssystems zu implementieren. Alle Kinder in Österreich müssen Zugang zu einem inklusiven Schulsystem haben - unabhängig von der Region in der sie leben.

Des Weiteren eröffnen sich einige aktuelle Fragen im Umgang mit SchülerInnen in Sonderschulen im Bezug auf die Covid-Tests in den Schulen, sowie im Distance Learning.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.       Die PädagogInnenbildung für die Sekundarstufe I sieht eine Spezialisierung in Inklusiver Pädagogik vor, welche zu einem weiteren Unterrichtsfach in der derzeitigen Ausbildung, oder als Erweiterungsstudium zu einem bereits bestehenden oder abgeschlossenen Lehramtsstudium gewählt werden kann.

a.       Wie viele Lehramtsstudierende haben sich für die Spezialisierung Inklusive Pädagogik in Österreich pro Jahr seit dem Wintersemester 2016 im Bachelorstudium angemeldet?

b.       Wie viele Lehramtsstudierende haben die Spezialisierung Inklusive Pädagogik im Bachelorstudium in Österreich seit dem Wintersemester 2016 absolviert?

c.        Wie viele Lehramtsstudierende haben sich für die Spezialisierung Inklusive Pädagogik in Österreich pro Jahr seit dem Wintersemester 2016 im Masterstudium angemeldet?

d.       Wie viele Lehramtsstudierende haben die Spezialisierung Inklusive Pädagogik im Masterstudium in Österreich seit dem Wintersemester 2016 absolviert?

2.       Die PädagogInnenbildung für die Primarstufe sieht einen Schwerpunkt lnklusion/Sonderpädagogik vor, der von Studierenden gewählt werden kann.

a.       Wie viele Lehramtsstudierende haben sich für einen Schwerpunkt lnklusion/Sonderpädagogik in Österreich pro Jahr seit dem Wintersemester 2016 im Bachelorstudium angemeldet?

b.       Wie viele Lehramtsstudierende haben den Schwerpunkt lnklusion/Sonderpädagogik im Bachelorstudium in Österreich seit dem Wintersemester 2016 absolviert?

c.        Wie viele Lehramtsstudierende haben sich für das Masterstudium Lehramt Primarstufe Inklusive Pädagogik pro Jahr seit 2016 angemeldet?

d.       Wie viele Lehramtsstudierende haben das Masterstudium Lehramt Primarstufe Inklusive Pädagogik seit dem Wintersemester 2016 absolviert?

3.       Die Aufnahme zur Ausbildung zur/zum Sonderschulpädagogin/en an den Pädagogischen Hochschulen ist mit 2015 ausgelaufen. Haben alle Studierende die Ausbildung abgeschlossen, oder bestehen noch Angebote an den PHs?

4.       Oftmals wird der Personalmangel im Bereich der Sonderpädagogik kritisiert. Wie viele Planstellen sind in den Bundesländern für den Bereich unbesetzt? Bitte um Darstellung pro Bundesland.

5.       Eine Empfehlung aus der Evaluierung des NAP Behinderung fordert die Finanzierung der Studiengänge zur Inklusiven Pädagogik über die Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten und die Budgetzuweisung an die Pädagogischen Hochschulen, bis diese eine Ausstattung an Personalressourcen und Sachmitteln erreicht haben, die den Vollausbau des Studiums ermöglichen und international üblichen Standards der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern entsprechen. Werden hierzu weitere Schritte erfolgen? Wenn nein, warum nicht?

6.      Wieviele Integrationsklassen gibt es an den Volksschulen seit dem Schuljahr 2017/18? Bitte um Darstellung pro Bundesland und Jahr.

a. Wieviele SchülerInnen mit SPF besuchen Integrationsklassen an Volksschulen seit dem Schuljahr 2017/18 und Jahr?

7.       Wieviele Integrationsklassen gibt es an den Mittelschulen seit dem Schuljahr 2017/18? Bitte um Darstellung pro Bundesland und Jahr.

a. Wieviele SchülerInnen mit SPF besuchen Integrationsklassen an Mittelschulen seit dem Schuljahr 2017/18?

8.       Wieviele Integrationsklassen gibt es an den AHS seit dem Schuljahr 2017/18? Bitte um Darstellung pro Bundesland und Jahr.

a. Wieviele SchülerInnen mit SPF besuchen Integrationsklassen an AHS seit dem Schuljahr 2017/18?

9.       Wieviele Integrationsklassen gibt es an den PTS seit dem Schuljahr 2017/18? Bitte um Darstellung pro Bundesland und Jahr.

a.       Wieviele SchülerInnen mit SPF besuchen Integrationsklassen an PTS seit dem Schuljahr 2017/18?

10.   Wieviele Integrationsklassen gibt es an Fachschulen für wirtschaftliche Berufe seit dem Schuljahr 2017/18? Bitte um Darstellung pro Bundesland und Jahr.

a.       Wieviele SchülerInnen mit SPF besuchen Integrationsklassen an Fachschulen für wirtschaftliche Berufe seit dem Schuljahr 2017/18?

11.   Wieviele Integrationsklassen gibt es an BMS und BMHS seit dem Schuljahr 2017/18? Bitte um Darstellung pro Bundesland und Jahr.

a.       Wieviele SchülerInnen mit SPF besuchen Integrationsklassen an BMS/BMHS seit dem Schuljahr 2017/18?

12.   Wieviele Jugendliche mit SPF haben Produktionsschulen seit dem Schuljahr 2017/18 absolviert? Bitte um Darstellung pro Bundesland und Jahr.

13.   Wieviele Jugendliche haben eine verlängerte Lehrzeit oder Teilqualifizierung seit dem Schuljahr 2017/18 absolviert? Bitte um Darstellung pro Bundesland und Jahr.

14.   In der Anfragebeantwortung 837/AB betreffend Maßnahmen für Inklusion im Bildungssystem haben sie angegeben, dass es keine SchülerInnenzahlen zum Besuch des freiwilligen 11. und 12. Schuljahres für SchülerInnen mit SPF gibt. Wird das Bundesministerium hier Änderungen vornehmen, um Rückschlüsse auf die Anzahl der betroffenen SchülerInnen und deren Bedarf zu erheben?

15.   Eine Empfehlung aus der Evaluierung des MAP Behinderung fordert die Sicherstellung von umfassender Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit SPF in der Sekundarstufe II und die gesetzliche Verankerung von inklusiver Bildung als Auftrag der Allgemeinbildenden Höheren Schulen. Sind hier weitere Schritte vorgesehen?

a.       Wenn ja, bitte um Konkretisierung und Zeitplan.

b.       Wenn nein, warum nicht?

16.   Eine Empfehlung aus der Evaluierung des NAP Behinderung fordert die Schaffung eines Etappenplans hin zu einem inklusiven Bildungssystem. Sind hier weitere Schritte vorgesehen?

a.       Wenn ja, bitte um Konkretisierung und Zeitplan.

b.       Wenn nein, warum nicht?

17.   Eine Empfehlung aus der Evaluierung des NAP Behinderung fordert die Aufhebung der Ausnahme vom letzten verpflichtenden und kostenlosen Kindergartenjahr für Kinder mit Behinderungen. Sie haben bereits in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung auf ihre fehlende Zuständigkeit verwiesen. Gleichzeitig ist auf der Homepage nachzulesen, dass das Bundesministerium für

Bildung, Wissenschaft und Forschung den gesamten Bildungsbereich, ausgehend von der Elementarpädagogik abdeckt. Wird es hier nun weitere Bestrebungen geben, um mit den Bundesländern an einer Änderung zu arbeiten? Wenn nein, warum nicht?

18.   Eine Empfehlung aus der Evaluierung des MAP Behinderung fordert die Schaffung finanzieller Anreize für Schulen, weiche inklusiv(er) werden möchten. Sind hier weitere Schritte vorgesehen?

a.       Wenn ja, bitte um Konkretisierung und Zeitplan.

b.       Wenn nein, warum nicht?

19.   Eine Empfehlung aus der Evaluierung des NAP Behinderung fordert die aktive Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die Entwicklung und Durchführung von Projekten und Maßnahmen im Bildungsbereich. Sind hier weitere Schritte vorgesehen?

a.       Wenn ja, bitte um weitere Ausführungen.

b.       Wenn nein, warum nicht?

20.   Eine Empfehlung aus der Evaluierung des NAP Behinderung fordert die Verfolgung eines ganzheitlichen Bildungsansatzes. Bitte um Ausführungen zum aktuellen Bildungsansatz des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

21.   Eine Empfehlung aus der Evaluierung des NAP Behinderung fordert die Einführung eines bundesweit einheitlichen, für alle Kinder verpflichtenden und für die Eltern kostenfreien Angebots zu frühkindlicher Bildung mit angemessenen Unterstützungsmaßnahmen. Sind hier weitere Schritte vorgesehen? Wenn nein, warum nicht?

22.   Eine Empfehlung aus der Evaluierung des NAP Behinderung fordert die Etablierung inklusiver Strukturen im Schulwesen über budgetgestützte Steuerungsmechanismen sowie die bundesweite Sicherstellung des Verzichts der weiteren Zuweisung von Schülerinnen und Schülern in Sonderschulen. Sind hier weitere Schritte vorgesehen? Wenn nein, warum nicht?

23.   Ende Jänner 2021 wurde die Re-Installation eines Consulting Boards für Sonderpädagogik und Inklusive Bildung im Bundesministerium verkündet.

a.        Hat das Consulting Board bereits getagt?

b.       Wie ist der weitere terminliche Fahrplan für das Consulting Board?

c.       Wird es öffentliche Termine (Veranstaltungen, Diskussionsrunden, etc.) des Consulting Boards geben?

d.       Welche konkreten Ziele hat das Consulting Board?

e.      Sind die vom Consulting Board erarbeiten Empfehlungen und die Ergebnisse der Beratungen verbindlich für die politische Umsetzung?

f.         Wenn nein, warum nicht?

24.   Auf welcher Grundlage erfolgte die Entscheidung des Bundesministeriums die Sonderschulen nicht wie bisher von den Maßnahmen des Distance Learnings und der Maskenpflicht auszunehmen?

25.   Wie ist die Anwendung der anterio-nasalen Tests in Sonderschulen organisiert?

a.       Wer führt die Tests bei Kindern durch, wenn die SchülerInnen den Test aufgrund einer Beeinträchtigung nicht selbst anwenden können?

b.       Können die Tests zu Hause von den Eltern durchgeführt werden? Wenn ja, wie erfolgt die Organisation und wie werden Ergebnisse kontrolliert?

26.   Wie gestaltet sich das Distance Learning von Sonderschulen ab der 5. Schulstufe an den Nicht­Präsenztagen?

a.       Gibt es ausreichend Betreuung für die SchülerInnen an den Schulstandorten?

b.      Wieviele SchülerInnen an Sonderschulen kommen zur Betreuung an den Nicht­Präsenztagen? Bitte um Darstellung pro Bundesland.

c.        Kann selbständiges Distance Learning von SchülerInnen an Sonderschulen durchgeführt werden? Wenn ja, welche Erfahrungen konnte das Bundesministerium sammeln?

27.   Kommt die FFP2-Maskenpflicht an Sonderschulen ab der 5. Schulstufe zur Anwendung bzw. liegen dem Bundesministerium Beschwerden oder Informationen vor, dass SchülerInnen an Sonderschulen keine FFP2 Masken tragen können?



[1]APA0114 Umstellung auf inklusives Schulsystem "mehr oder weniger misslungen", 28. Jänner 2021

[2] Evaluierung des Nationalen Aktionsplan Behinderung 2012 – 2020; www.sozialministerium.at