5652/J XXVII. GP

Eingelangt am 04.03.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Hygiene Austria

 

Der rote Nasenbügel der FFP2 -Masken der Firma Hygiene Austria soll eigentlich für die rot-weiß-rote Produktion stehen. Diese schöne Bindung an das Produktionsland scheint allerdings nur zur Täuschung zu taugen: Der Maskenhersteller wird nämlich beschuldigt, chinesische Masken importiert und als österreichische umettiketiert zu haben. https://www.derstandard.at/story/2000124609357/offenbar-razzia-bei-hygiene-austria-wegen-verdacht-derumetikettierung-chinesischer-masken Bekannt wurde dieser Verdacht aufgrund der Berichterstattung über eine Razzia am Abend des 2. März 2021. Hygiene Austria ist eine Tochtergesellschaft der Firmen Palmers AG und Lenzing AG - dessen Sprecher bestätigte die stundenlangen Untersuchungen an den zwei Standorten; der Produktionsstätte in Wiener Neudorf, sowie am Unternehmenssitz am Ares-Tower. Die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft spricht von einer Ermittlung gegen "eine bekannte Person und noch näher zu bestimmende Verantwortliche eines österreichischen Unternehmens" aufgrund von "organisierter Schwarzarbeit und Betrug". Der Verdacht lautet, dass "Masken aus dem Ausland an einem Standort in Österreich umgepackt und zu einem höheren Preis" verkauft wurden, so die Oberstaatsanwältin Elisabeth Täubl in einem Gespräch mit der APA. (https://www.diepresse.com/5945351/chinesische-masken-umshyetikettiert-razzia-bei-hygiene-austria Mittlerweile wurde der Zukauf chinesischer Masken auch vom Unternehmen selbst bestätigt.

Die Hygiene Austria LP GmbH ist im Vorjahr an den Start gegangen und hat damals schon für Aufsehen gesorgt (sie 3005/J): Gegründet wurde die Firma nämlich am 12. März 2020, exakt einen Tag vor der Ankündigung des Lockdowns also. Das kann Zufall sein, trotzdem sticht hervor, dass der Geschäftsführer Schwager der Büroleiterin des Kabinetts im BKA ist, ihr Ehemann sitzt zudem im Vorstand der Palmers AG, dem Hygiene-Austria Miteigentümer. Im Frühjahr 2020 wurde die Produktionsstätte der Hygiene Austria von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck, damalige Arbeitsministerin Christine Aschbacher, sowie von niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (alle ÖVP) besucht, während sich Palmers-Chef Tino Wieser noch darüber beschwert hatte, dass die öffentliche Hand weiterhin Schutzmasken aus China beziehe, statt auf österreichische Produktion zu setzen. https://www.derstandard.at/story/2000119602918/eigens-gegruendete-maskenfirma-erhielt-bisher-keinen-oeffentlichen-auftrag- . Die Idee war, unabhängig vom Weltmarkt zu agieren, damit Österreicher_innen auf heimische Produkte setzen können. 

Die Firma ist politisch also definitiv gut gestellt und vernetzt. Hygiene Austria erhielt nämlich nicht nur prominenten Besuch, sie wurde auch abseits von PR-Terminen unterstützt; In Unterlagen des Krisenstabs im Innenressort (SKKM) ist zu lesen: "Beispiel für Unterstützung der Wirtschaft: 4 Maskenproduktionsmaschinen für Palmers". (Quelle: SKKM Koordinationsstab SARS-CoV-2 /COVID-19 Morgenbriefing 09. April 2020) Die Hygiene Austria gilt zudem als bestätigter Lieferant für Schutzmasken und Schutzbekleidung der BBG (Bundesbeschaffungsgesellschaft). Wenn die öffentliche Hand aus einer dieser Kategorien Material bestellen will, kann sie in den kommenden vier Jahren unter anderem auf die Hygiene Austria zurückgreifen - eine von mehr als fünfzig Firmen, die dafür in der Coronakrise ausgewählt wurden. Beworben haben sich hierfür mehr als hundert Betriebe, es wurden allein unter der Kategorie "Schutzmasken" 420 Millionen Euro ausgeschrieben. Einsicht in die Verträge gibt es hier nicht, wohin wieviel an Steuergeld fließt, ist also unklar. (https://www.addendum.org/coronavirus/vertragsdetails-geheim/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Zu welchem Zeitpunkt wussten Sie oder Mitarbeiter_innen Ihres Ressorts über den bestehenden Tatverdacht der Hygiene Austria gegenüber Bescheid?

a.    Von wem haben Sie die Information erhalten?

2.    Zu welchem Zeitpunkt wussten Sie oder Mitarbeiter_innen ihres Ressorts über die Hausdurchsuchung bei der Hygiene Austria gegenüber Bescheid?

a.    Von wem haben Sie die Information erhalten?

3.    Hygiene Austria ist bestätigter Lieferant der Bundesbeschaffung (BBG), um die öffentliche Hand u.a. mit Schutzmasken zu versorgen.Wie ist diese Art des Betrugs möglich, obwohl diese Firma einer der wenigen für die BBG ausgewählte Lieferanten ist?

a.    Wie werden die für die BBG bestätigten Lieferanten im Vorfeld überprüft?

b.    Werden die Prüfungen wiederholt?

                                      i.Wenn ja, wie oft?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

c.    Welche Art der Überprüfung gab es bei der Hygiene Austria, bevor diese als Lieferant bestätigt wurde?

d.    Gab es bei der Überprüfung Auffälligkeiten? Wenn ja, welche?

e.    Wie ist es möglich, dass der Betrug sowie die mögliche Beschäftigung von Schwarzarbeitern trotz Überprüfung niemandem aufgefallen sind?

4.    Welche Konsequenzen wird es von Seiten des Finanzministeriums geben?

a.    Welche Folgen werden diese Vorgänge für die Prüfungsschritte der Lieferanten für die Bundesbeschaffung haben?

5.    Wurden vom Bundeskanzleramt Schutzmasken von der Hygiene Austria bezogen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, durch wen wurden diese organisiert?

c.    Wenn diese vom Bundeskanzleramt gekauft wurden; wie viele? Und um welchen Preis?

d.    Wenn ja, unter welchen vertraglichen Rahmenbedingungen?

6.    Gab es von Seiten der Hygiene Austria oder einem/einer ihrer Mitarbeiter_innen Anfragen zur Unterstützung oder Empfehlung der Firma?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, welche? 

c.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

d.    Wenn nein, haben Sie oder Mitarbeiter_innen des Bundeskanzleramts Empfehlungen an andere Ministerien abgegeben, Hygiene Austria zu unterstützen?

                                      i.Wenn ja, welche?

7.    Wie viele Gespräche fanden im Jahr 2020 und 2021 zwischen Ihnen oder einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters des Finanzministeriums und Geschäftsführern von Palmers AG oder Lenzing AG statt? Bitte um Auflistung nach Datum.

a.    Welche Personen waren jeweils anwesend und welchen Inhalts waren die Gespräche?