6167/J XXVII. GP

Eingelangt am 06.04.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Sputnik als Ablenkungsmanöver

 

Entgegen der vereinbarten europäischen Impfstoffpolitik und regelmäßiger Solidaritätsbekundungen zu diesem, wurde Ende März unerwartet bekannt, dass Österreich eine Million Impfdosen des russischen Präparates Sputnik V erhalten soll. Soweit berichtet, hat Bundeskanzler Kurz am 26. Februar mit Wladimir Putin telefoniert und damit den Grundstein für einen möglichen Einkauf gelegt. Weiters hat der Bundeskanzler am 5. März mit Kirill Dmitriev, dem Vorstandsvorsitzenden der russischen Investitionsbank RDIF telefoniert, über den der Vertrieb des Impfstoffes organisiert wird (1).

Die Informationen über die zeitlichen Abläufe sind besonders relevant, da der Bundeskanzler im März den  Ablauf der Beschaffung massiv kritisierte (2). Dabei gab es bereits vor der "Enthüllung" des Kanzlers Medienberichte, in denen der Prozess genau beschrieben worden war (3). In den folgenden zwei Wochen hat Kurz mehrmals die EU kritisiert, Botschafter und Regierungschefs verärgert und offene Erpressung in den Raum gestellt (4,5). Darüber hinaus hat der Bundeskanzler trotz seiner offensichtlichen Beteiligung an den Bestellprozessen bisher dezidiert jegliche Verantwortung für die Bestellung von Impfstoffen von sich gewiesen (6).

Gleichzeitig stellt der Kanzler nicht nur gemeinsame Beschaffungsprozesse in Frage, sondern untergräbt auch das Vertrauen in Zulassungsprozesse. So hat er schon im Jänner vor der Zulassung des Astra Zeneca-Impfstoffes, die Zulassungskompetenzen der EMA in Frage gestellt (7). Die EMA hat allerdings immerhin schon eine Rolling Review des Sputnik V-Impfstoffes laufen (8). Das BASG dagegen hat - soweit bekannt - bisher keinerlei Daten zu Sputnik V erhalten. Berichten zufolge dürften allerdings schon 300.000 Dosen Impfstoff im April nach Österreich geliefert werden (9). Der russische Botschafter Dmitri Ljubinski, der in den Verhandlungen involviert ist, hat im Mittagsjournal am 1. April sogar davon gesprochen, dass diese 300.000 Impfstoffdosen nach Unterfertigung aller Verträge schon Mitte April geliefert werden könnten. Das BASG müsste das gesamte Zulassungsverfahren für SPUTNIK V innerhalb von weniger als zwei Wochen durchführen.

Da der Bundeskanzler eigenen Aussagen zufolge nicht zuständig ist und das Gesundheitsministerium sich als "federführend“ bei der Bekämpfung des Coronavirus bezeichnet, stellt sich also die Frage, warum er die Impfstoffbeschaffung vornimmt und inwiefern er sich dafür mit dem Gesundheitsministerium abgestimmt hat.

(1) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2098469-Oesterreich-verhandelt-mit-Russland-ueber-eine-Million-Sputnik-Dosen.html?em_no_split=1&fbclid=IwAR0alb4p0Da2u6YIvcM8kUf0Aqp8pfkytWxBa-ujOwEsRPhNr57ffiDL64Y

(2) https://fb.watch/4f9G4JxmB3/

(3) https://www.politico.eu/article/eu-countries-moderna-coronavirus-vaccine-order/

(4) https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/impfstoffverteilung-in-der-eu-hat-oesterreich-mit-einer-blockade-gedroht-17273184.html

(5) https://www.politico.eu/article/sebastian-kurz-austria-threatens-to-block-eu-option-to-buy-100-million-coronavirus-vaccine-doses-in-fight-over-distribution/

(6) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_05092/index.shtml

(7) https://www.profil.at/oesterreich/ungerechtfertigte-kurz-kritik-an-der-ema/401165529

(8) https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-starts-rolling-review-sputnik-v-covid-19-vaccine

(9) https://www.tt.com/artikel/30787623/kurz-sind-bei-sputnik-beschaffung-auf-den-letzten-metern

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Welche Ereignisse oder Besprechungen haben zum Anruf des Bundeskanzlers beim russischen Präsidenten geführt, damit Österreich Lieferungen von Sputnik V erhalten könnte?

2.    Welche Abstimmungen hat der Bundeskanzler mit dem Gesundheitsministerium vorgenommen, um eine zusätzliche Beschaffung von Sputnik V in die bisherige Beschaffungsstrategie von Impfstoff zu integrieren?

3.    In Vollziehung welcher Zuständigkeit haben Sie die Gespräche zu einer Beschaffung von Sputnik V gestartet?

4.    Welche Informationen über bisherige Lieferverträge und -zeitpunkte waren entscheidend, damit man sich auf die kolportierten Liefertermine einigte (Informationsstand Anfang April)?

5.    Haben Sie vor Beginn der Gespräche zur Beschaffung von Sputnik V Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium, dem BASG oder ähnlichen Stellen geführt, ob zusätzlicher Impfstoff abseits der gemeinsamen EU-Strategie beschafft werden soll?

a.    Falls ja: Aus welcher Zuständigkeit heraus haben Sie diese Aufgabe übernommen?

b.    Falls nein: Warum haben Sie die Gespräche zur Beschaffung ohne Information an das zuständige Gesundheitsministerium begonnen? 

6.    Haben Sie vor Beginn der Gespräche zur Beschaffung von Sputnik V Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium, dem BASG oder ähnlichen Stellen geführt, wie ein nationales Zulassungsverfahren des Impfstoffes aussehen könnte?

a.    Falls ja: Aus welcher Zuständigkeit heraus haben Sie diese Aufgabe übernommen?

b.    Falls nein: Warum haben Sie die Gespräche zur Beschaffung ohne Information über ein mögliches Zulassungsverfahren begonnen? 

7.    Haben Sie vor Beginn der Gespräche zur Beschaffung von Sputnik V Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium, dem BASG oder ähnlichen Stellen geführt, in welchem Zeitraum ein nationales Zulassungsverfahren des Impfstoffes erfolgen könnte?

a.    Falls ja: Aus welcher Zuständigkeit heraus haben Sie diese Aufgabe übernommen?

b.    Falls nein: Warum haben Sie die Gespräche zur Beschaffung ohne Information über potenzielle Zeitabläufe begonnen? 

8.    Haben Sie vor Beginn der Gespräche zur Beschaffung von Sputnik V Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium, dem BASG oder ähnlichen Stellen geführt, wie und zu welchem Zeitpunkt mögliche Lieferungen von Sputnik V in die aktuelle Impfplanung und Infrastruktur zur Verteilung integriert werden könnte?

a.    Falls ja: Aus welcher Zuständigkeit heraus haben Sie diese Aufgabe übernommen?

b.    Falls nein: Warum haben Sie die Gespräche zur Beschaffung ohne Information über den Impfprozess begonnen?