7376/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.07.2021
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Anfrage

 

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Gewerberecht für Dorfläden

 

 

Die Stärkung und der Ausbau der Selbstvermarktung sind seit vielen Jahren ein heißdiskutiertes Thema. Landwirtschaftlich geführte Betriebe setzen vermehrt auf die Investition in Hofläden oder Direktvermarktung.

 

Nicht zuletzt hat auch die Corona-Krise wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Menschen wieder mehr auf Regionalität besinnen und insbesondere Lebensmittel aus dem eigenen Ort bzw. der unmittelbaren Region kaufen möchten. Dorfläden bedeuten Nahversorgung mit Lebensmitteln in einer Gemeinde, in der es keinen anderen Nahversorger mehr gibt, qualitativ hochwertige bäuerliche Produkte aus der Region, einkaufen im sicheren Laden durch flexible Öffnungszeiten, Unterstützung der regionalen Wertschöpfung, einen Beitrag zum Klimaschutz durch kurze Transportwege und „Reanimation“ von Dörfern und Aufwertung des ländlichen Raumes zur Vermeidung von Abwanderung.

 

Mit der in den letzten Monaten stetig steigenden Zahl an Selbstbedienungsläden und -containern stieg auch die rechtliche Unsicherheit unter vielen Betreibern und die Zahl derer, die aufgrund von gesetzlichen Auflagen plötzlich nicht mehr der bäuerlichen Direktvermarktung unterlagen, sondern für ihren Betrieb ein Gewerbe anmelden mussten.

 

Nur die bäuerliche Direktvermarktung ist von der Gewerbeordnung ausgenommen. Das bedeutet „Land- und Forstwirte dürfen eigene Naturprodukte und Produkte bestimmter Bearbeitungs- und Verarbeitungstätigkeiten verkaufen, ohne dass sie an die gewerberechtlichen Vorschriften gebunden sind.“1

 

„… es gibt im Rahmen der bäuerlichen Direktvermarktung keine Vorgaben oder Einschränkungen bezüglich der Öffnungszeiten. Dies gilt für alle nicht gewerblichen Vermarktungsformen wie beispielsweise Ab Hof-Verkauf, Verkauf am Straßenrand oder Hofladen.“2

 

 

1)        Vgl. Wirtschaftskammer Niederösterreich: Leitfaden für Selbstbedienungsläden & Containershops, Juli 2020

2)        Vgl. Landwirtschaftskammer Österreich: Bäuerliche Direktvermarktung von A bis Z, 2013

 

„Sobald Produkte Dritter mit angeboten werden, gelten grundsätzlich die Regelungen der Gewerbeordnung. Ein Zukauf pflanzlicher Erzeugnisse des jeweiligen Betriebszweigs ist allerdings zulässig, wenn der Einkaufswert nicht mehr als 25 Prozent des Verkaufswerts aller Erzeugnisse des jeweiligen Betriebszweiges beträgt.“1 „Diese Zukaufsregelung ist auf pflanzliche Erzeugnisse beschränkt. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Zukaufes von Handelsware ist nicht auf das einzelne Produkt abzustellen, sondern auf den betreffenden Betriebszweig. Betriebszweige sind Weinbau, Obstbau, Gartenbau, Baumschulen, Fortwirtschaft und sonstige pflanzliche Produktion (einschließlich Feldgemüsebau). Der Zukauf von Handelsware aus tierischer Produktion ist nicht gestattet (z.B. Zukauf von Eiern, Mastschweinen oder Schweinehälften für den direkten Weiterverkauf).“3

 

Handelt es sich nach dieser Definition beim Dorfladen/Selbstbedienungsladen um eine gewerbliche Verkaufsstelle, dann kommt das Öffnungszeitengesetz zur Anwendung, auch wenn kein Verkaufspersonal zum Einsatz kommt. Die wöchentliche Gesamtoffenhaltezeit laut Öffnungszeitengesetz beträgt 72 Stunden.1

 

Ebenfalls ein kritischer und umstrittener Punkt ist die Frage der Haftung. Die gesetzliche Lage verlangt derzeit, dass ein Lebensmittelhandel nach Gewerbeordnung angemeldet werden muss. Betreibt ein Verein einen Dorfladen/Selbst-bedienungsladen, müsste demnach etwa der Vereinsobmann ein Handelsgewerbe aufnehmen. Damit würde er als Einzelperson die volle Verantwortung für den Laden tragen.

 

Für viele Betreiber sind die aktuellen gesetzlichen Regelungen mehr als undurchsichtig, gespickt mit überbordenden Auflagen und entsprechen nicht mehr den derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen.

 

Viele Gemeinden und Dörfer – insbesondere im ländlichen Raum – verfügen über keinen Nahversorger, aber über bäuerliche Betriebe, die ihre Produkte anbieten. Ein gemeinsamer Dorfladen/Selbstbedienungsladen der bäuerlichen Betriebe kommt meist von vorne herein nicht in Frage, da es für die Direktvermarkter rechtlich gesehen zu unsicher und aufwändig ist, einen derartigen Laden ins Leben zu rufen. Das wiederum wirkt sich auf den Vertrieb der bäuerlichen Produkte, die Versorgung der Menschen in den betroffenen Regionen und die regionale Wirtschaft aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3)        Vgl. Landwirtschaftskammer Österreich: Rechtliches zur Direktvermarktung, 2018

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort folgende

 

ANFRAGE

 

1.    Wie viele Dorfläden/Selbstbedienungsläden u.Ä. gibt es derzeit in Österreich, die gesetzlich unter die bäuerliche Direktvermarktung fallen und damit nicht dem Öffnungszeitengesetz unterliegen? (Mit der Bitte um Angabe einer Gesamtzahl für die Jahre 2019, 2020 und 2021 und Aufschlüsselung nach Bundesländern)

2.    Wie viele Dorfläden/Selbstbedienungsläden u.Ä. gibt es derzeit in Österreich, die der Gewerbeordnung unterliegen? (Mit der Bitte um Angabe einer Gesamtzahl für die Jahre 2019, 2020 und 2021 und Aufschlüsselung nach Bundesländern)

3.    Welche Kriterien muss ein Dorfladen/Selbstbedienungsladen erfüllen, um der bäuerlichen Direktvermarktung zugeordnet zu werden und nicht der Gewerbeordnung zu unterliegen?

4.    Bei der Erfüllung welcher Kriterien, unterliegt ein Dorfladen/Selbstbedienungsladen der Gewerbeordnung?

5.    Unterliegt ein Dorfladen/Selbstbedienungsladen, in dem Produkte von mehreren Produzenten angeboten werden, der Gewerbeordnung?

a.    Wenn ja, warum und in welchem Fall?

b.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Ist es öffentlich einsehbar, ob ein Dorfladen/Selbstbedienungsladen der Gewerbeordnung unterliegt oder nicht?

a.    Wenn ja, wo?

b.    Wenn nein, warum nicht?

7.    Welche Produkte genau unterliegen der Zukaufsregelung?

8.    Unterliegen auch „gefertigte“ bzw. „verarbeitete“ Produkte, wie Backwaren einer Bäckerei, der Zukaufsregelung oder dürfen diese von bäuerlichen Direkt-vermarktern nicht zugekauft werden?

9.    Von wem und wie oft wird überprüft, ob ein Betrieb der bäuerlichen Direkt-vermarktung die Zukaufsregelung einhält bzw. erfüllt?

10. Ist seitens des Bundesministeriums eine Änderung der derzeit geltenden Gewerbeordnungsregelung für Dorfläden bzw. Selbstbedienungsläden angedacht?

a.    Wenn ja, wann und in welcher Form?

b.    Wenn nein, warum nicht?

11. Besteht gesetzlich die Möglichkeit, dass ein Dorfladen/Selbstbedienungsladen, der der Gewerbeordnung unterliegt, von dieser ausgenommen wird?

a.    Wenn ja, welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein, und von wem ist die Ausnahme zu genehmigen?

b.    Wenn nein, warum nicht?