7411/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.07.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

§ 93 Abs. 2 GOG-NR

 

der Abgeordneten Krainer, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend „selbstverschuldete Amtsunfähigkeit und fortgesetzter Verfassungsbruch müssen Konsequenzen haben“

 

Es sind traurige Ereignisse, die Finanzminister Blümel in die Geschichtsbücher eingehen lassen werden. Er ist:

-       der erste amtierende Minister, bei dem eine Hausdurchsuchung angeordnet wurde, weil er der Beitragstäterschaft zur Bestechung verdächtigt wird;

-       der erste Finanzminister, der sechs Nullen in seinem Budget vergisst;

-       die erste Auskunftsperson, die es auf 86 Erinnerungslücken bei seiner Befragung im Untersuchungsausschuss bringt;

-       der wohl erste Minister der jüngeren Zeit, der keinen Laptop und keine E‑Mailadresse besitzt;

-       der erste Minister, gegen den der Bundespräsident eine Exekution eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs anordnen muss.

 

Diese Liste ließe sich noch in vielerlei Hinsicht fortsetzen. Fest steht jedenfalls, dass Gernot Blümel in seinen rund eineinhalb Jahren als Finanzminister bewiesen hat, dass er nicht geeignet ist, diese so wichtige Funktion zum Wohl unserer Republik mit dem nötigen Respekt, der erforderlichen Kompetenz und dem angemessenen Einsatz auszuüben. Es ist Zeit für ihn, diese Aufgabe jemand anderem zu überlassen.

 

Hinzu kommt, dass Gernot Blümel von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wird. Es gilt für ihn die Unschuldsvermutung. Ein unabhängiges Gericht wird zu gegebenem Zeitpunkt über seine Schuld befinden. Ein solches Strafverfahren bindet jedoch umfassende Kapazitäten des Beschuldigten, will er sich ordnungsgemäß um seine Verteidigung bemühen. Gerade diese Kapazitäten benötigt unser Land in einer der größten Gesundheits- und nunmehr auch Wirtschaftskrisen inkl. Rekordarbeitslosigkeit jedoch uneingeschränkt. Diese Fähigkeit, das eigene Amt uneingeschränkt auszuüben, fehlt Gernot Blümel. Es ist Zeit für ihn, diese Aufgabe jemand anderem zu überlassen.

 

Der Umgang von Gernot Blümel mit den Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss offenbarte eine Einstellung zu den Grundfesten unserer Republik, die einen nur erschaudern lassen kann. Seit Jänner 2020 war Gernot Blümel aufgefordert, dem Untersuchungsausschuss alle relevanten Akten und Unterlagen vorzulegen. Mehrfache Nachfragen des Untersuchungsausschusses bei ihm blieben zunächst unbeantwortet oder wurden mit dem lapidaren Hinweis, es sei bereits alles geliefert, abgeschmettert. Erst als SPÖ, FPÖ und NEOS gemeinsam den Verfassungsgerichtshof anriefen, schien Bewegung in das Thema zu kommen. Jedoch wiederum nicht in dem Sinne, wie es Gernot Blümels Amtseid erwarten ließ. Anstatt unverzüglich alle Akten und Unterlagen zu liefern, schickte Gernot Blümel die Finanzprokuratur vor, um über die Aktenlieferungen zu verhandeln. Als der Untersuchungsausschuss ablehnte, über die ihm auf Grund der Verfassung zustehenden Rechte zu verhandeln, sondern auf deren Einhaltung pochte, ließ Gernot Blümel die geschuldeten Akten ausdrucken, in Umzugskartons packen und in den Keller stellen. So blieb den Oppositionsparteien keine andere Wahl, als den Verfassungsgerichtshof zu ersuchen, beim Bundespräsidenten die Exekution seines Erkenntnisses zu beantragen. Ein Vorgang wie es ihn – in den Worten des Bundespräsidenten – in unserem Land in dieser Form noch nicht gegeben hat.

 

Gernot Blümel versprach dem Bundespräsidenten, nun unverzüglich seinen Verpflichtungen nachzukommen, gestand Fehler ein und gelobte Besserung. Was danach geschah, beseitigte auch die letzten Reste des Vertrauens in Gernot Blümel. Denn anstatt tatsächlich die Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss zu suchen und den nötigen Respekt gegenüber dem Nationalrat an den Tag zu legen, ließ Blümel die Umzugskartons mit den Akten in Stufe „Geheim“ an das Parlament liefern. Seine KabinettsmitarbeiterInnen hatten dies – wohl in seinem Wissen – genau so angeordnet.

 

Als erneut Zweifel ob der Vollständigkeit der Akten und Unterlagen auftraten, reagierte Gernot Blümel mit Unterstellungen und Arroganz anstatt sich konstruktiv der Diskussion mit dem Parlament zu stellen. Es blieb dadurch dem Bundespräsidenten schlussendlich keine andere Wahl, als die Exekution tatsächlich anzuordnen.

 

Selbst jetzt – nach durchgeführter Exekution – bleibt Blümel bei seinen Behauptungen, ihn treffe keine Schuld. Nach Abgleich der Akten und Unterlagen ergibt sich eindeutig, dass durch die Exekution Akten und Unterlagen sichergestellt wurden, die dem Untersuchungsausschuss bislang unbekannt waren. Bislang verstieg sich Gernot Blümel noch nicht zur tatsachenwidrigen Aussage, es seien keine neuen Akten gefunden worden. Dies könnte er selbst auch gar nicht überprüfen. Er begnügte sich mit dem Hinweis, dass seine MitarbeiterInnen die Aktenvorlage selbständig vorgenommen hätten und ihn hier keine Schuld trifft. Er erklärte in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz sogar, dass unterschiedliche Aktenübermittlungen das Ergebnis unterschiedlicher rechtlicher Möglichkeiten seien. In diesem Zusammenhang behauptete er auch, dass er keinen Zugriff auf die Dateien seiner Bediensteten habe und ließ sich dies mit vier Gutachten auf Steuerzahlerkosten untermauern. Dabei hätte ein Blick in die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs genügt, um festzustellen, dass alle diese Einwände den Minister nicht von seinen verfassungsrechtlichen Pflichten zur Aktenvorlage entbinden.

 

Genau dieses Verhalten – andere für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen – belegt wiederum die selbstverschuldete Amtsunfähigkeit von Gernot Blümel. Wie sollen die Bediensteten des Finanzministeriums auf die Führungsstärke ihres Ministers vertrauen können, wenn dieser nicht bereit ist, selbst Verantwortung zu tragen und sie bei ihrer Tätigkeit für die Republik zu unterstützen? Es ist Zeit für ihn, diese Aufgabe jemand anderem zu überlassen.

 

Die Motive von Gernot Blümel, eine solche Eskalation der Ereignisse zu betreiben, sind noch unklar. Jede mögliche Erklärung genügt jedoch, um Gernot Blümel endgültig das Vertrauen zu versagen. Denn entweder ist sein Verhalten ist Ausdruck einer bedenklichen, autoritären Einstellung gegenüber demokratischen Spielregeln, den grundlegenden Prinzipien unserer Verfassung und ihren Institutionen, in der niemand die Regierenden anzuzweifeln und zu kontrollieren hat.

 

Oder es gibt weitere, bislang unbekannte Gründe, warum Gernot Blümel etwas zu vertuschen hat. Neue Chatprotokolle, die dem Untersuchungsausschuss kurz vor seiner vorläufig letzten Sitzung übermittelt wurden, legen dies nahe. So war zwar bekannt, dass Gernot Blümel und dem damaligen Novomatic-CEO Harald Neumann bereits seit 2012 engen Kontakt pflegen und in regelmäßigem Austausch stehen. Bislang unbekannt war aber, dass Gernot Blümel der Hauptakteur bei den Ereignissen Mitte 2018 war, als die Republiksvertreter gemeinsame Sache mit der Novomatic machten, um u.a. die ÖVP-Urgesteine Josef Pröll und Walter Rothensteiner erneut in den Aufsichtsrat zu wählen.

 

Diese Mehrheit aus Republik und Novomatic ermöglichte ein Jahr später, Kurz‘ Stellvertreterin als ÖVP-Chef, Bettina Glatz-Kremsner, und den FPÖ-Mann Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos zu wählen.

 

So schrieb Gernot Blümel am 19.6.2018 – einen Tag vor der Hauptversammlung der Casinos – an Thomas Schmid:

 

„Novo sollte passen.“

 

Diese Nachricht dürfte Teil größerer Anstrengungen der ÖVP gewesen sein, die Macht in den Casinos an sich zu reißen. So belegen weitere Chatnachrichten auch die Involvierung von Kurz‘ Stellvertreterin Bettina Glatz-Kremsner ebenfalls im Zuge der Hauptversammlung der Casinos im Juni 2018:

 

„Laut den beiliegenden Chatnachrichten besprach sie die Sache aber am Tag vor der Aufsichtsratssitzung mit dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid: "Falls die Sazka morgen mehr Personen nominiert, sollte die ÖBIB auch noch zusätzliche Kandidaten nominieren", schrieb Glatz-Kremsner. Schmid repliziert, dass das schwer werde. Am Vormittag des Aufsichtsratssitzung-Tages fragte Glatz-Kremsner dann, ob alles ok sei, und später am Nachmittag: "Die werden anfechten wollen...." Schmid antwortete darauf: "Ja" - und kurz darauf: "Und jetzt werden sie überstimmt". Tags darauf folgten weitere Chats: "Wir müssen echt feiern! Du hast das so genial koordiniert!", schrieb Schmid an sein Gegenüber. "Viribus unitis lieber Thomas!!!", so die Antwort von Glatz-Kremsner.“

[Quelle:https://kurier.at/wirtschaft/casag-offenbar-ermittlungen-gegen-glatz-kremsner-wegen-falschaussage/401056368]

 

Die Chats zeigen neben Blümels Involvierung in die Bestellung der Organe der Casinos auch seine Rolle bei Vorstandsbestellungen, etwa der Telekom Austria, sowie bei der Umgestaltung der ÖBAG. Beinahe Berühmtheit haben mittlerweile Gernot Blümels Nachrichten an Thomas Schmid:

 

            „Keine Sorge. Du bist Familie 😘😘😘

 

Und aus Anlass der Beschlussfassung der Novelle zum ÖIAG-Gesetz:

 

Ich liebe meinen Kanzler" - Das Worst-of ÖVP & Thomas Schmid Chats

 

Diese Art des Umgangstons scheint in der gesamten türkisen Familie verbreitet gewesen zu sein:

Kurz-Freund Thomas Schmid lästert in Chats über "Pöbel"

 

Während sich oberste Entscheidungsträger der Republik auf diese Art austauschten, wurden in ihren Ministerien schwerwiegende Entscheidungen zu Lasten der ArbeitnehmerInnen und zu Gunsten von Superreichen und ÖVP-Spendern vorbereitet:

 

·         Die ÖVP wollte die Vermögensentnahme aus Privatstiftungen erleichtern und den Steuersatz für solche Transaktionen von 27,5% auf 10% senken. Das hätte die Republik und damit uns alle enorme Summen gekostet.

 

·         Die ÖVP wollte noch mehr Menschen mit ihrer Altersvorsorge in die Hände von Spekulanten treiben, indem die bisherige private Altersversicherung weiter begünstigt und gleichzeitig das eingezahlte Kapital bei den Banken gesperrt werden sollte. Vorgestellt wurden diese Maßnahmen vom Kanzler selbst ausgerechnet hochrangigen Bankenvertretern.

 

·         Die ÖVP wollte die Austrian Real Estate, eine Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft, privatisieren und dadurch dreistellige Millionenbeträge fürs Budget lukrieren, um ihr Nulldefizit zu erreichen. So hätte sie Karl-Heinz Grassers Programm vervollständigt.

 

·         Die ÖVP wollte das Bundesrechenzentrum mitsamt den Daten der ÖsterreicherInnen an die Post AG verkaufen. Auf einer internen Notiz des Kanzleramts ist zum Post-Chef vermerkt: „Interesse an Finanz-Online-Daten/BRZ“.

 

·         Die ÖVP intervenierte zu Gunsten von René Benko möglicherweise rechtswidrig im Bundesrechenzentrum, um einen Insolvenzantrag von Kika/Leiner aufzuhalten.

 

·         Die Körperschaftssteuer sollte von 25% auf bis zu 12,5% gesenkt werden. Das hätte Konzernen Millionen an Steuern erspart, die dann durch die ArbeitnehmerInnen entweder durch höhere Steuern auf Arbeit oder durch Sozialkürzungen gegenfinanziert hätten werden müssen.

 

Gernot Blümel erledigte all jene Dinge, die für Kanzler Kurz zu heikel waren. Er sprach Millionäre wegen Spenden an und hielt den Kontakt zur Glücksspielindustrie aufrecht. Aus den Akten des Untersuchungsausschusses sind Unterstützungsersuchen an den Investmentmanager Christian Angermayer, C‑Quadrat CEO und Freund der Familie Graf, Alexander Schütz und ein Treffen mit Harald Neumann dokumentiert:

 

Zeitpunkt

AbsenderIn

EmpfängerIn

Anmerkung

19.06.2019, 08:48

Neumann

Blümel

Hallo, hast du nächste Woche Mittwoch Zeit für ein Mittagessen? lg Harald

20.06.2019, 13:53

Blümel

Neumann

Hi! 13 bis 14Uhr würde bei mir gehen. Wo?

20.06.2019, 14:36

Neumann

Blümel

Bei uns im Forum! Da hört wenigstens niemand zu! Kann Fisch bestellen! lg Harald

20.06.2019, 14:59

Blümel

Neumann

Optimal! Mittwoch 26. 13uhr im Forum! Freu mich!

 

Die ÖVP legt dennoch auf die Feststellung wert, dass es niemals zu Spenden der Novomatic an die ÖVP gekommen sei. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss hätte diese Behauptung gerne noch überprüft. Wenn in der heutigen Sitzung jedoch weiterhin von ÖVP und Grünen keiner Verlängerung zugestimmt wird, wurde diese Aufklärung erfolgreich vereitelt.

 

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

 

 

Dringliche Anfrage

 

1.             Welche Gründe hatten Sie, um dem Untersuchungsausschuss über Monate die ihm zustehenden Akten vorzuenthalten?

 

2.             Welche Weisungen haben Sie bzw. welche Anordnungen wurden von MitarbeiterInnen Ihres Kabinetts in Zusammenhang mit Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss erteilt?

 

3.             Welche Kosten entstanden insgesamt durch die von Ihnen beauftragten Gutachten in Zusammenhang mit Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss?

 

4.             Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um Ihre MitarbeiterInnen nicht mit der Verantwortung für die Vollständigkeit der Aktenlieferung allein zu lassen?

 

5.             Was bezweckten Sie mit Ihrer Nachricht an Thomas Schmid „Novo sollte passen“ am Tag vor der Hauptversammlung der Casinos Austria im Juni 2018, bei der mehrere ÖVP-Vertreter in den Aufsichtsrat gewählt wurden?

 

6.             Mit wie vielen Milliarden Euro Steuerausfall schätzen Sie eine Steuersatzsenkung von 27,5% auf 10% bei der Auflösung von Privatstiftungen?

 

7.             Die Privatisierungen welcher (direkter oder indirekter) Beteiligungen des Bundes wurden seit Antritt der türkis-blauen Bundesregierung von Ihnen geprüft und mit welchen Erlösen rechneten Sie dadurch?

 

8.             Welche Privatisierungen direkter oder indirekter Beteiligungen des Bundes werden aktuell von Ihnen geprüft?

 

9.             Gab es am 14. bzw. 15. Juni 2018 Auffälligkeiten (einschließlich Wartungsarbeiten) in vom Bundesrechenzentrum betriebenen Diensten, insbesondere in Hinblick auf die Verarbeitung von Insolvenzanträgen oder sind Ihnen sonstige Auffälligkeiten in Hinblick auf den Insolvenzantrag von Kika/Leiner bekannt?

 

10.         Bei welchen Vorstandsbestellungen in staatsnahen Unternehmen haben Sie seit 2018 mitgewirkt?

 

11.         Bei welchen Personen neben Christian Angermayer und Alexander Schütz haben Sie um Spenden für die ÖVP geworben?

 

12.         Wie gewährleisten Sie, dass die laufende Neubestellung des ÖBAG-Vorstands ohne erneute Manipulation verläuft?

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.