7420/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.07.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Alois Schroll, Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

betreffend geplante Errichtung eines „Upcycling-Parks“ in der Gemeinde Kematen an der Ybbs

 

Die Firma Bio-Brennstoff GmbH ist in der Gemeinde Kematen an der Ybbs mit Plänen für die Errichtung eines sogenannten „Upcycling-Parks“ vorstellig geworden. Mit „Upcycling“ bezeichnet man dabei den Recycling-Prozess, bei dem Abfallprodukte beziehungsweise nicht verwendbare Stoffe aufgewertet und in neuwertige Produkte umgewandelt werden. Auf diese Weise soll der Einsatz von Ressourcen im Sinne der Kreislaufwirtschaft reduziert werden.

Laut Informationen des Unternehmens soll am Standort Kematen an der Ybbs ein hydraulisches Schnellbindemittel hergestellt werden, mit dem in der Bauwirtschaft das Aushärten und Erstarren unterschiedlichster Baumaterialien beeinflusst werden kann. Beim zurzeit gängigen Verfahren wird das auch als Tonerdezement bekannte Endprodukt aus „Bauxit und Kalkstein durch Schmelzen oder Sintern hergestellt“[1]. In der geplanten Industrieanlage in Kematen an der Ybbs soll das Bindemittel im Gegensatz dazu in einem neuartigen Verfahren aus Salzschlacken gewonnen werden, die wiederum aus dem Aluminiumrecycling stammen. Für die Anlage selbst sind dazu drei Komponenten geplant: eine Produktgasanlage, eine Luftzerlegungsanlage und eine Bindemittelanlage.

Aus der Anlagen- und Prozessbeschreibung auf der Homepage des Unternehmens (BIO-Brennstoff GmbH (bio-brennstoff.com)) wird ersichtlich, welche Mengen an Rohstoffen und Ressourcen an dem geplanten Standort nötig sein werden. Die Betreiber sprechen hier unter anderem von jährlich

-          40.000 Tonnen Salzschlacke aus der Aluminiumindustrie

-          12.600 Tonnen Branntkalk

-          33.000 Tonnen Reststoffe aus der Papierindustrie

-          24.000 Tonnen Ersatzbrennstoffe

-          Biomasse in unbekannter Menge

Wie weit die Planungen zum „Upcycling-Park“ in Kematen fortgeschritten sind, zeigt diese genaue Aufschlüsselung der benötigten Ressourcen sowie ein Blick auf die Homepage der Firma Bio-Brennstoff GmbH.

Homepage Firma Bio-Brennstoff GmbH, BIO-Brennstoff GmbH (bio-brennstoff.com), 21.06.2021, 12:03 Uhr

Während man bereits einen Plan der Anlage finden kann, fehlt jedoch jegliche Information für die betroffenen Anrainerinnen und Anrainer. Dabei sind aber gerade mit diesem technisch neuartigen Prozess viele offene Fragen verbunden. So ist noch völlig unklar, wie das Verbrennen des Abfallstoffes Alu-Salzschlacke technisch funktionieren soll oder welche „Ersatzbrennstoffe“ zum Einsatz kommen sollen.

Ebenso stehen hinter den gesundheitlichen Auswirkungen der Verbrennungsluft sowie des Ausgangsstoffes Salzschlacke weitere Fragezeichen, etwa bezüglich der möglichen Einstufung von Salzschlacke als Gefahrengut. So lässt sich in Salzschlacke neben Schmelzsalz auch ein Oxidanteil und metallisches Aluminium finden.  Aus diesem Grund ist das Ausbringen der Salzschlacke auf Deponien beziehungsweise im Wasser mittlerweile in den meisten europäischen Ländern auch verboten. Begründet wird das Verbot mit der Wasserlöslichkeit der enthaltenen Chloride sowie der Sorge vor giftigen und explosionsgefährlichen / geruchsbelästigenden Gasen.[2]

Hinzu kommt in weiterer Folge auch die Problematik der Mittelzuführung, verbunden mit einem stark steigenden LKW-Aufkommen. Bereits jetzt ist die Gegend um Kematen an der Ybbs und der geplante Standort der Anlage verkehrstechnisch ein neuralgischer Punkt. Weitere LKWs würden zu einer weiteren massiven Verschlechterung der Verkehrssituation und gleichzeitig der Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner führen. So ergeben Schätzungen einen zusätzlichen Verkehrsaufwand auf der Bundesstraße B121 von täglich 31 LKWs zur Zu- und Ablieferung. Ebenso stellt das Aufbringen der benötigten Wasser- und Energiemengen eine große Herausforderung in der Region dar.

Die fehlende Informationspolitik entspricht dabei auch dem Vorgehen der Verantwortlichen. Es gibt wenig bis gar keine Information zum Projekt in der Region, die direkt betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner werden nicht miteinbezogen und es fehlt an der notwendigen Transparenz. So konnten die Anwohnerinnen und Anwohner nur durch Zufall erfahren, dass in unmittelbarer Nachbarschaft ein „Upcycling-Park“ geplant ist. Ebenso gibt es Gerüchte, dass das besagte Projekt an einem anderen Standort bereits verhindert wurde.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.      Ist dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie das Projekt der Firma Bio-Brennstoff GmbH bekannt beziehungsweise liegen Ihnen im Zusammenhang mit dem geplanten Standort in Kematen nähere Pläne vor?

a.      Wenn ja, seit wann ist das Projekt bekannt?

b.      Wenn ja, seit wann sind Pläne zum Projekt bekannt?

c.       Wenn a) und/ oder b) mit ja zu beantworten ist/ sind, wie sehen die Pläne aus?

d.      Ist die Firma Bio-Brennstoff bzw. deren Eigentümerin        Baumit GmbH an das BMK mit Anliegen bezüglich der Projektgenehmigung herangetreten?

 

 

2.      Erfolgt eine Projektfinanzierung mit Fördergeldern seitens des Bundes?

a.      Wenn ja, in welcher Höhe?

b.      Wenn ja, aus welchen Mittel stammen die Förderungen?

 

3.      Ist Ihnen bekannt ob die Projektfinanzierung mit Fördergeldern seitens der EU oder des Landes NÖ erfolgt?

a.      Wenn ja, in welcher Höhe?

b.      Wenn ja, aus welchen Mittel stammen die Förderungen?

 

4.      Bei der Standortwahl stellt sich auf Grund der verkehrstechnischen Lage die Frage, warum der geplante „Upcycling-Park“ gerade in Kematen an der Ybbs errichtet werden soll. Sind in diesem Zusammenhang Gründe bekannt, die für Kematen an der Ybbs als Standort sprechen?

a.      Wenn ja, welche?

 

5.      War ihr Ministerium bei der Wahl des Standortes Kematen an der Ybbs involviert?

a.      Wenn ja, wie und in welchem Ausmaß?

 

6.      Liegen Ihrem Ministerium Information vor, wonach das beschriebene Projekt der Firma Bio- Brennstoff GmbH zuvor an einem anderen Standort geplant gewesen ist?

a.      Wenn ja, wo war der zuvor geplante Standort?

b.      Wenn ja, warum wurde der zuvor geplante Standort verworfen bzw. warum wurde dem Unternehmen der ursprünglich geplante Standort nicht genehmigt?

 

7.      Ist Ihnen bekannt ob es im Zusammenhang mit der bereits angespannten Verkehrssituation rund um Kematen an der Ybbs und dem nun zusätzlich hinzukommenden Schwerverkehr ein vorliegendes Verkehrskonzept zur Entlastung der Anwohnerinnen und Anwohner gibt?

a.      Wenn ja, wie sieht es aus?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

8.      Gibt es in Bezug auf die großen Mengen an benötigten Materialein – vor allem Salzschlacke – Vorkehrungen, dass die Materialien nicht aus den umliegenden Nachbarländern importiert werden (Prinzip der Nähe –Abfallwirtschaftsgesetz)?

a.      Wenn ja, wie wird es sichergestellt und kontrolliert?

b.      Wie steht ihr Ministerium zu den langen Transportwegen und dem damit verbundenen CO2- Ausstoß?

 

9.      Liegen ihrem Ministerium Pläne für die Beschaffung des Ausgangsmaterials Salzschlacke vor?

a.      Wenn ja, woher kommen die jährlich rund 40.000 Tonnen Salzschlacke?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

10.  Bei dem geplanten Verfahren zur Gewinnung des Tonerdezements wird laut dem künftigen Betreiber Bio-Brennstoff GmbH weltweit die erste Anlage dieser Art zum Einsatz kommen.[3] Liegen Ihrem Ministerium umwelt-technologische Gutachten und Bewertungen zum geplanten Verfahren vor- vor allem im Zusammenhang mit der Verbrennung des Abfallstoffes Alu-Salzschlacke?

a.      Wenn ja, wie sehen die Bewertungen aus?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

11.  Liegen Ihrem Ministerium im Zusammenhang mit diesem neuartigen Verfahren Bewertungen und Analysen hinsichtlich den gesundheitlichen Gefahren vor- vor allem im Zusammenhang mit der Verbrennung des Abfallstoffes Alu-Salzschlacke?

a.      Wenn ja, wie sehen die Bewertungen aus?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

12.  Welche Stoffe werden in Österreich derzeit als „Ersatzbrennstoff“ verwertet?

a.      In welchen Mengen kommen diese in Österreich zum Einsatz?

 

13.  Gibt es eine stoffliche Bewertung vom Ausgangsmaterial Salzschlacke inklusive Beurteilung als Gefahrenstoff?

a.      Wenn ja, wie sieht diese aus?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

14.  Gibt es Untersuchungen zu gesundheitlichen (Langzeit-)Auswirkungen von Salzschlacke?

a.      Wenn ja, wie sehen diese aus?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

15.  Benötigt der geplante „Upcycling-Park“ in Kematen an der Ybbs den öffentlichen Informationen zufolge eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)?

a.      Wenn nein, wie werden die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner dann geschützt?



[1] 1.9.1 Tonerdezement – Herstellung und Eigenschaften | Betontechnische Daten von HeidelbergCement (betontechnische-daten.de), 21.Juni 2021, 11:34 Uhr

[2] 2015_MNA_531-544_Wehmeier.pdf (vivis.de), 21.06.2021, 14:24 Uhr

[3] Innovative Technologie – BIO-Brennstoff GmbH (bio-brennstoff.com), 22.06.2021, 15:56 Uhr