7659/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.08.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Krankenversicherung: Kostenübernahme für Alternativmedizin (Homöopathika)

 

Die Wirkungslosigkeit homöopathischer Präparate über den Placebo-Effekt oder andere suggestive Effekte hinaus ist wissenschaftlich belegt. So zeigt eine Studie des australischen National Health and Medical Research Council (NHMRC), in der die Ergebnisse von 57 systematischen Übersichtsarbeiten und 176 wissenschaftlichen Einzelstudien zusammengefasst werden, dass keine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit nachweisbar ist (1). Studien, die eine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit der Homöopathie behaupten, weisen durchwegs schwe-re methodische Mängel auf, wurden zum Teil zurückgezogen oder zu einem späteren Zeitpunkt revidiert (Das gilt unter anderem für die vielzitierte Metaanalyse von Klaus Linde aus dem Jahr 1997, der 2005 schrieb: "Unsere Metanalyse von 1997 wurde unglücklicherweise von Homöopathen als Beleg für die Wirksamkeit der Homöopathie missbraucht […] Wir stimmen zu, dass die Homöopathie höchst un-plausibel ist und dass die Belege aus placebokontrollierten Studien nicht überzeugend sind")(2). In allen Broschüren, die die Wirksamkeit von Homöopathika anpreisen, wird aber weiterhin auf dieselben (im übrigen veralteten) "Studien" verwiesen, die in internationalen Studienbewertungen längst aufgrund ihrer Mängel und ihrer fehlenden Wissenschaftlichkeit als untauglich eingestuft wurden. Auch die Österreichische spricht von Mitteln "mit offensichtlich nicht ausreichendem Nachweis einer therapeutischen Wirkung wie insbesondere Homöopathika, (...)" und schließt deshalb homöopathische Mittel explizit von der Kostenübernahme durch Krankenversicherungsträger aus §8 Abs 1 RöV(3).

Trotzdem genießt die Homöopathie in Österreich einen rechtlich privilegierten Status und kann nicht über mangelnde Kundschaft klagen. Laut einer GfK-Studie von 2018 vertrauen 71 Prozent der Österreicher auf die Wirkung von Homoöpathie (4). Anfragebeantwortungen aus dem selben Jahr, zeigen dass zumindest bis 2017 alle Landeskrankenkassen Kosten für Homoöpathika erstattet hatten (5).

Weil homöopathische Präparate jedoch keine notwendigen Arzneimittel (§ 136 Abs 1 lit. a ASVG) sind, müsste es sich für die Erstattungsfähigkeit um "sonstige Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen" handeln (lit b). Es ist aus wissenschaftlicher Sicht ausgeschlossen, dass ein Homöopathikum die beschriebenen Wirkungen erzielt.
Nach § 351c Abs 2 ASVG hat der Dachverband "eine Liste jener Arzneimittelkategorien zu erstellen, die im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 2 geeignet sind (...)". Zugänge über den Erstattungskodex dazu gibt es al-lerdings nicht. Die Weiterleitung im Arbeitsbehelf Erstattungskodex funktioniert des weiteren ebenso nicht. Mangels einer öffentlich nachvollziehbaren Liste ist deshalb anzunehmen, dass die ÖGK diese Liste nicht aktualisiert hat und in weiterer Folge weiterhin Kosten für Homöopathika übernommen werden.

Die Entscheidung für oder gegen bestimmte Behandlungsweisen obliegt der Eigenverantwortung jedes Menschen, eine Finanzierung von unwirksamen Behandlungen durch die gesetzliche Krankenversicherung ist jedoch ethisch und juristisch nicht vertretbar. Die Versicherten werden durch die Vorgangsweise der Kassen demzufolge gezwungen, mit ihren Beiträgen Präparate zu finanzieren, deren Wirkung bereits  wissenschaftlich widerlegt ist.

Quellen:

(1) https://www.nhmrc.gov.au/file/14826/download?token=CwhjCeTl 

(2) https://www.sueddeutsche.de/wissen/umstrittenes-heilverfahren-homoeopathie-missbrauchte-studien-1.1267699

(3) https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Avsv/AVSV_2005_0005/AVSV_2005_0005. pdfsig

(4) https://pflege-professionell.at/at-homoeopathie-neue-umfrage-bestaetigt-                   steigende-beliebtheit  

(5) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_00252/imfname_688411.pd              f

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    In welchem finanziellen Ausmaß wurden Homöopathika von der ÖGK beziehungsweise den einzelnen Gebietskrankenkassen als Rechtsvorgänger erstattet? (getrennt nach Trägern und den Jahren 2017-2020)

2.    Bis zu welchem finanziellen Höchstmaß wurden Homöopathika von den einzelnen Gebietskrankenkassen erstattet? (getrennt nach Trägern und den Jahren 2017-2019)

3.    Bis zu welchem finanziellen Höchstmaß werden Homöopathika von der             ÖGK  erstattet? (Bitte um jeweilige Angabe für das Jahr 2020 und 201)

4.    In welchem finanziellen Ausmaß wurden Homöopathika von anderen Trägern der Krankenversicherung erstattet? (getrennt nach Trägern und den Jahren 2017-2020)

5.    Bis zu welchem finanziellen Höchstmaß werden Homöopathika von anderen Trägern der Krankenversicherung erstattet? (getrennt nach Trägern und der jeweiligen Angabe für die Jahre 2017-2021)

6.    Welche Träger haben Vereinbarungen mit der Ärztekammern bei der Erstattung von homöopathischen Präparaten, deren Nettopreis eine festgesetzte Summe nicht übersteigt, von einer Einzelfallbewilligung abzusehen?

a.    Wie hoch ist dieser Betrag je Träger? (getrennt nach Trägern und den Jahren 2017-2021)

b.    Auf wie viel Euro belaufen sich die administrativen Kosten der Einzelfall-bewilligungen homöopathischer Präparate? (getrennt nach Trägern und den Jahren 2017-2020)

7.    Auf Basis welcher medizinischen Grundlage werden Homöopathika erstattet, wenn ihre Wirkungslosigkeit wissenschaftlich außer Streit steht?

a.    Welches wissenschaftliche Material (Studien, Gutachten, Forschungsergebnisse, usw.) zieht das Ministerium zur Beurteilung Wirksamkeit von           homöopathischen Arzneimitteln heran, um eine Erstattung dieser Arzneimittel als Kassenleistung aus dem Blickpunkt der Aufsicht tolerieren zu können?

                                  i.    Wo können diese Materialien eingesehen werden?

8.    Wie bringt das Ministerium als Aufsichtsbehörde die Kostenübernahme von Homöopathika durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung mit § 133 Abs 2 ASVG in Einklang?

9.    Wie bringt das Ministerium als Aufsichtsbehörde die Kostenübernahme von Homöopathika durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung damit in Einklang, dass diese in der Liste nach § 351c Abs 2 ASVG als "nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 2 geeignet" aufgeführt sind?

10. Wie beurteilt das Ministerium den Verstoß diverser Krankenversicherungsträger gegen die Richtlinien für eine ökonomische Verschreibweise?

11. Wie bringt die ÖGK die allfällige beziehungsweise bisherige Kostenübernahme von Homöopathika durch einzelne Träger mit den RöV in Einklang?

12. Mit welcher Argumentation vergütet die  ÖGK homöopathische Arzneimittel, deren medizinische Wirksamkeit nicht ausreichend erwiesen ist?

13. Welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrer Aufsichtsfunktion, um die Einhaltung des Gesetzes, insbesondere des § 133 ASVG, zu gewährleisten, wonach die Leistungen aus der Krankenversicherung zweckmäßig sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen?