8210/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.10.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits und Genoss:innen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend datenschutzrechtliche Zulässigkeit des AMS-Projekt Jobimpuls

 

Eine überaus tiefgehende Nabelbeschau bei AMS-Klient:innen kommt seit 2018 bei zahlreichen bei vom AMS beauftragten Betreuungs- bzw. Trägereinrichtungen zum Einsatz: 272 Fragen sind von Arbeitslosen bei vom AMS beauftragten Betreuungs- bzw. Trägereinrichtungen für das Projekt „Jobimpuls“ ausfüllen. Mittels persönlichem Login-Profil auf der Website der deutschen „Jobnet AG“ ist online ein umfangreicher Fragebogen zu absolvieren. Dabei werden auch überaus suggestive Fragen gestellt und intimste Daten abgefragt – wie zB das Vorhandensein von Geschlechtskrankheiten oder Geburtsfehlern. Experten bezweifelten die gesetzliche Deckung vieler Fragen, sie fanden keine Rechtsgrundlage für diese Datenverarbeitung.

Entgegen aller anderslautenden Beteuerungen dürfte es auch den AMS-Klient:innen nicht immer freigestellt worden sein, diesen Fragebogen auszufüllen und zu beantworten. Vor wenigen Tagen teilte nun das AMS mit, einige Fragen des Fragebogens deaktiviert zu haben.

Das so genannte Projekt Jobimpuls läuft bereits seit 2018; damit sollen laut AMS „weitere Ressourcen und Ansatzpunkte für die Beratung“ gewonnen werden. Laut AMS wisse man aber nicht, wie viele AMS-Klient:innen den Fragebogen bereits ausgefüllt haben – obwohl „man alleine 2021 erwarte, 30.000 bis 35.000 Lizenzen (Kostenpunkt pro Lizenz 40€ ) für die „JobIMPULS-Methode“ der Jobnet AG abzurufen“.

Die erhobenen Daten landeten offensichtlich unter dem Klarnamen der ausfüllenden Person bei der deutschen „Jobnet AG“ in Berlin und werden dort ausgewertet. Die Jobnet AG schreibt auf ihrer Homepage: „Wir haben im Herbst des Vorjahres sehr intensiv an einer erfolgreichen Markteinführung gearbeitet......Sehr profitiert haben wir dabei durch die hervorragende Zusammenarbeit mit itworks Personalservice und Beratung, unserem ersten Kunden in Österreich.....Die österreichischen Kooperationspartner – allen voran das Arbeitsmarktservice (AMS) – setzen dabei vor allem auf den Einsatz der JobIMPULS Methode bei renommierten Kurs- und Rehabilitationsträgern des Landes.........Mittlerweile arbeiten wir neben Wien auch in den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg mit dem AMS und von ihnen beauftragten Betreuungs- bzw. Trägereinrichtungen zusammen".

Auch wenn nun bereits verschiedene Fragen des Fragebogens deaktiviert wurden, geht es datenschutzpolitisch darum zukünftig sicher zu stellen, derartige Projekte mit gesetzwidrigen Datenverarbeitungen zu verhindern.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehende

 

Anfrage:

 

1.   Wann ist Ihnen bzw. Ihren Kabinettsmitarbeiter:innen und der Datenschutzabteilung (Ressort) das „Projekt Jobimpuls“ und damit der Einsatz des Fragebogens beim AMS bekannt geworden?

2.   Waren Sie bzw. bzw. Mitarbeiter:innen des Kabinetts oder das Ressort in die Projektentwicklung und die Erstellung des Fragebogens eingebunden?

3.   War das Ressort oder Mitarbeiter:innen des Kabinetts bei anderen Fragebögen, die im Zeitraum von 2012 bis 2018 vom AMS zu Beratungszwecken etc. eingesetzt wurden, in deren Erarbeitung eingebunden? (wenn ja, bitte um Übermittlung dieser Fragebögen?

4.   Zu welchem Zweck durften dabei diese ermittelten personenbezogenen Daten verwendet werden? Mussten diese nach Abschluss der Beratung gelöscht werden? Wenn nicht, sind diese noch immer gespeichert und werden diese noch immer verwendet bzw. verarbeitet?

5.   Wurde vor Beginn dieses Projekts Jobimpuls und des geplanten Einsatzes des Fragebogens durch das AMS mit der DSB Kontakt aufgenommen? Wenn nein, warum nicht?

 

6.   Wurde nach Informationsstand Ihres Ressorts vor Beginn dieses Projekts und des Einsatzes des Fragebogens mit der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit durch das AMS Kontakt aufgenommen? Wenn nein, warum nicht?

7.   Wer ist aus Sicht des Ressorts bei dieser Konstruktion und Zusammenarbeit zwischen AMS und Jobnet AG der datenschutzrechtlich Verantwortliche, das AMS oder die Jobnet AG?

8.   Musste nach der DSGVO vor Beginn dieses Projekts und des Einsatzes des Fragebogens eine Risikoabschätzung und damit eine Datenschutzfolgenabschätzung durch das AMS durchgeführt werden? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Ergebnisse wurden erzielt und welche Maßnahmen ergriffen?

9.   Ist Ihrem Ressort bekannt, wie das vorgeschriebene Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten aussah und wie die Verarbeitung personenbezogener Daten aus dem Fragebogen konkret beschrieben war?

10.               Gibt es für die Abfrage dieser höchst sensiblen Gesundheitsfragen in diesem Fragebogen sowie für die Verarbeitung der Antworten eine gesetzliche Deckung? (wenn ja, bitte um Bekanntgabe der einzelnen Gesetzesbestimmungen)

11.               Zu welchem Zweck dürfen aus Sicht des Ressorts diese Daten von der Jobnet AG bzw. dem AMS verwendet werden?

12.               Die über den Jobimpuls online eingegebenen Daten werden mit Klarnamen der AMS-Klient:innen bei der deutschen Jobnet AG verarbeitet und gespeichert. Müssen aus Sicht des Ressorts die eingegebenen Daten anonymisiert werden, damit die Antworten des Fragebogens keiner einzelnen Person mehr zugeordnet werden können? Oder müssen diese Daten nur pseudonymisiert werden?

13.               Ist ihrem Ressort bekannt, wie die Datenschutzvereinbarung und die freiwillige Einwilligungserklärung der AMS-Klient:innen für die Teilnahme an der Beantwortung des Online-Fragebogens lautete? (bitte um Übermittlung des genauen Wortlauts dieser Vereinbarungen zum Zeitpunkt der Einbringung der Anfrage) Liegen aus Sicht des Ressorts die Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung vor (Art. 9 Abs. 2 lit. a)?

14.               Kommt aus Sicht des Ressorts das AMS bzw. die Jobnet AG bei diesem Projekt den von der DSGVO vorgeschriebenen Informationspflichten gegenüber den AMS-Klient:innen nach?

15.               Ist Ihrem Ressort bekannt, ob die Deutsche Jobnet AG mit der zuständigen Berliner Datenschutzbeauftragten bezüglich der Verwendung dieses Fragebogens und der Datenverarbeitung der Ergebnisse Kontakt aufgenommen hat?

16.               Gab es nach Kenntnis des Ressorts für dieses Projekt und die Datenverarbeitung der Antworten aus den Fragebögen eine Risikoabschätzung bzw. eine Datenschutzfolgenabschätzung durch die Jobnet AG? Wenn nein, warum nicht?

17.               Hat nach Kenntnis des Ressorts der interne Datenschutzbeauftragte der Jobnet AG der Verwendung dieses Fragebogens und der Datenverarbeitung zugestimmt?

18.               Ist aus Ressortsicht für die Jobimpuls nutzenden Klient:innen des AMS die konkrete Funktionsweise des Fragebogens (zB. wie kommt die Einschätzung zustande) transparent? Ist ihrem Ressort bekannt, in welcher Form die Klient:innen darüber aufgeklärt wurden/werden?

19.   Muss aus Ressortsicht sicher gestellt werden, dass die eingegebenen Daten von der "Jobnet AG" nach der Auswertung für die Beratung und Übermittlung an das AMS auch gelöscht werden?

20.   Im Fragebogen für Jobimpuls sind zahlreiche Fragen zu Gesundheitsdaten zu beantworten; so wird ua. nach psychischen Erkrankungen, Geburtsfehlern oder Geschlechtskrankheiten gefragt, die nach der DSGVO einen besonderen Schutz genießen.. Dabei handelt es sich um Gesundheitsdaten, die offensichtlich für die Verarbeitung bei der Jobnet AG in Deutschland gespeichert werden. Ist es aus Sicht ihres Ressorts notwendig, sinnvoll und rechtlich zulässig, derart sensible medizinische Daten zu erheben, nur um „weitere Ressourcen und Ansatzpunkte für die Beratung“ durch das AMS zu erhalten?

21.   Im Fragebogen für Jobimpuls sind auch zahlreiche Suggestivfragen enthalten, deren ehrliche Beantwortung manche Klient:innen nicht immer im besten Licht erscheinen lassen könnte. Wo liegt hier der Mehrwert für das AMS, um „weitere Ressourcen und Ansatzpunkte für die Beratung“ zu erhalten? Sind derartige Suggestivfragen datenschutzrechtlich überhaupt zulässig?

22.               § 25 Arbeitsmarktservicegesetz beinhaltet jene personenbezogenen Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes, zu deren Verarbeitung das AMS insoweit ermächtigt ist, als diese zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung sind. Die im Rahmen von Jobimpuls erhobenen Daten gehen nach Expertenmeinung weit über die in § 25 Arbeitsmarktservice angeführten Datenverarbeitungen hinaus. Somit ist denkbar, dass diese bis in sensibelste Bereiche hineingehende Erhebung und Verarbeitung von Daten deswegen an eine externe Firma in Deutschland ausgelagert wurde. Auf Grund welcher rechtlichen Basis ist das AMS berechtigt, diese diese Datenverarbeitung auszulagern? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

23.               Wie viele Beschwerden über diesen Fragebogen bzw. die Datenverarbeitung wurden von AMS-Klient:innen an die DSB gerichtet? Wie viele derartiger Verfahren sind zurzeit anhängig und noch nicht rechtskräftig entschieden?

24.               Sind dem Ressort auch derartige Beschwerden bekannt geworden, die am ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht wurden? Wenn ja, wie viele derartiger Verfahren sind anhängig und noch nicht rechtskräftig entschieden?

25.               Ist es richtig, dass gegen das AMS bei Datenschutzverstößen nach § 30 Abs. 5 DSG durch die DSB keine Geldbuße verhängt werden kann? Wenn ja, halten Sie dies weiterhin für gerechtfertigt oder werden Sie für eine Novelle des DSG eintreten?

26.               Halten Sie eine Novelle des DSG für notwendig, um die Einhaltung der europäischen Datenschutzbestimmungen und des DSG bei Projekten von öffentlich rechtlichen Körperschaften und nachgeordneten Dienststellen der Ressorts zu gewährleisten?