8430/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.11.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Aktueller Stand des Auslieferungsverfahrens gegen Dimitro Firtasch

 

Im Jahre 2019 hatten der Oberste Gerichtshof (OGH) sowie der damalige Justizminister, Dr. Clemens Jabloner, nach fünf Jahren Verfahrensdauer Dimitro Firtaschs Auslieferung in die USA bewilligt. Die US-Justiz hatte 2014 in Chicago Anklage gegen Firtasch erhoben, weil er verdächtigt wird, im Zusammenhang mit einem geplanten Bergbauprojekt in Indien, bei dem es einen Bezug zu den USA gegeben haben soll, Bestechungszahlungen in der Höhe von rund 18,5 US-Dollar veranlasst zu haben. Jedoch konnte sein österreichischer Rechtsanwalt, Dr. Dieter Böhmdorfer, mithilfe eines Wiederaufnahmeantrags einen weiteren Aufschub des Auslieferungsverfahrens erwirken (siehe: https://www.diepresse.com/5660511/oligarch-firtasch-auslieferung-in-die-usa-aufgeschobenhttps://www.ogh.gv.at/medieninformationen/termininformation-in-der-auslieferungssache-betreffend-dmitry-f/: "Der Oberste Gerichtshof verhandelt und entscheidet über eine von der Generalprokuratur gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und über einen von Dmitry F gestellten Antrag auf Erneuerung des Auslieferungsverfahrens. Geltend gemacht werden Gesetzesverstöße durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Februar 2017, mit dem die Auslieferung des Dmitry F an die Vereinigten Staaten von Amerika bewilligt wurde." 25.6.2019).

Infolge der Recherchen zu den sogenannten "FinCen Files" wurden 2019 weitere Auffälligkeiten rund um Firtaschs Firmennetzwerk und dessen Transaktionen bekannt, darunter auch welche mit unmittelbarem Österreich-Bezug. "Aus österreichischer Sicht bemerkenswert ist eine Transaktion, welche die Citibank im Rahmen einer Verdachtsmeldung aufzeigte: Laut einem FinCEN-Untersuchungsbericht überwies eine Schweizer Bothli Trade AG (die Citibank ordnete diese Firma Firtasch zu), von August 2007 bis September 2010 insgesamt 653.427,16 Dollar auf Konten bei der Meinl Bank in Österreich und bei einer Bank in den Vereinigten Staaten" (siehe: https://www.profil.at/wirtschaft/der-24-milliarden-dollar-mann/401041031). 

Ende April 2021 wurde weiters öffentlich bekannt, dass die deutsche Financial Intelligence Unit in Köln 2020 die umfangreiche Kontobeziehung der Firmengruppe Fitaschs mit der Wirecard Bank AG untersucht hatte: "E-Mails, die dem Rechercheverbund vorliegen, zeigen, wie Marsalek trotz anfänglicher massiver Bedenken des Anti-Geldwäsche-Verantwortlichen der Wirecard Bank die Kundenbeziehung zur Firtasch-Gruppe intern vorantrieb. Fragen wirft untern anderem eine Rechnung einer türkischen Beratungsfirma an eine Wirecard-Gesellschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten über knapp 1,5 Millionen Euro auf: Marsalek drängte auf die Bezahlung mit Verweis darauf, dass die Firma die Firtasch-Gruppe an Wirecard vermittelt habe. Administriert wurden die Konteneröffnungen allerdings über eine österreichische Firma aus dem Firtasch-Umfeld, mit der Marsalek bereits Jahre vorher Kontakt gehabt hatte." (siehe: Wirecard-Kollaps: Geldwäschemeldung gegen Firtasch-Gruppe in Deutschland | profil.at

Im März 2019 brachte Firtaschs Ex-Ehefrau zudem bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine Sachverhaltsdarstellung wegen Betrugsverdacht gegen ihn ein. Das Verfahren wurde zwar aufgrund mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit eingestellt, der Akt sei laut Medienberichten jedoch an die Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien) weitergegeben worden, um prüfen zu lassen, ob einzelne mögliche Tatbestände in ihren Zuständigkeitsbereich fallen (siehe: Wer ist dieser 'upper elechon of Russian organized crime', mit dessen Flugzeug Kurz flog? - Semiosisblog). 

Firtasch ist seit seiner Festnahme 2014 in Wien, wo er auf Kaution in einer von ÖVP-Großspender Alexander Schütz gemieteten Villa in Hietzing lebt, und pflegt beste Kontakte in die heimische Politik (siehe etwa: Wie der Ex-Oligarch Firtasch aus seinem Wiener Exil heraus bei... | DiePresse.com). So bekleiden beispielsweise der ehemalige ÖVP-Vizekanzler und -Finanzminister Dr. Michael Spindelegger und Ex-SPÖ-Innenminister Mag. Karl Schlögl Vorstands- bzw. Direktorenposten in der von Firtasch 2015 gegründeten "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" (siehe: https://orf.at/v2/stories/2267451/2267455/). Spindelegger wiederum ist ein alter Studienfreund und Cartellbruder von Dr. Wolfgang Brandstetter, den er 2013 zum Justizminister machte (siehe: Brandstetter verlässt die Politik | DiePresse.com). 

Im Fall Österreichs ist dies zumindest ein Verein mit erkennbarer ÖVP-Nähe. Denn immer noch ist Ex-Parteivorsitzender, Ex-Außenminister und Ex-Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) im Dreier-Vorstand der Agentur für Modernisierung der Ukraine. 2015 entwarfen sie mit Unterstützung der Industriellenvereinigung ein Reformprogramm für die Ukraine, das dort bis heute niemanden interessiert. 2019 dann nahm das Vereinsmitglied Udo Brockhausen einen Auftrag vom damaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek an. Für 95.000 Euro sollte er die Marktchancen Ukraine im Bereich Erfassung und Steuerung von Flüchtlingsströmen eruieren, berichtet die tagesschau. Spindelegger traf Marsalek ebenfalls. Schließlich verlegte Firtasch seine Firmenkonten von Raiffeisen zu Wirecard. (siehe: Wer ist dieser 'upper elechon of Russian organized crime', mit dessen Flugzeug Kurz flog? - Semiosisblog)

Außerdem vertraut der ukrainische Oligarch, dem das US-Department of Justice eine zentrale Rolle in transnationalen kriminellen Netzwerken aus Russland und Nähe zum russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin zuschreibt, seit mehreren Jahren in Person von Ex-FPÖ-Justizminister Böhmdorfer auf dieselbe Rechtsanwaltkanzlei wie der inzwischen suspendierte BMJ-Sektionschef Mag. Christian Pilnacek (der ebenso ein enger Vertrauter Brandstetters ist). Dieser wird nämlich von Böhmdorfers Partner, Mag. Rüdiger Schender, vertreten. 

Zu guter Letzt sei angeführt, dass wesentliche Unternehmen in Firtaschs Firmen-Gruppe - wie etwa die Zangas Hoch Tief Bau GmbH und die Ukrinvest Holding, die beide in der Anklageschrift der US-Justiz zu finden sind - in Österreich domiziliert sind (siehe: United States V. Dmitry Firtash Court Docket Number: 13-CR-515 | CRIMINAL-FRAUD | Department of Justice). Ukrinvest steht im Übrigen hinter jenem Embraer 6000 Legacy Privatjet mit der Kennzahl OE-IRK, mit dem Bundeskanzler Sebastian Kurz am 4. März 2021 von Tel Aviv zurück nach Wien geflogen war. Laut internen Dokumenten, die NEOS vorliegen, besteht seit November 2017 eine Vereinbarung zwischen Firtaschs Ukrinvest und der Wiener Avcon Jet AG, aus der hervorgeht, dass erstere das Flugzeug von der Raiffeisen Aircraft Finance GmbH geleast habe und letztere für den Betrieb zuständig sei. 

In der Anklageschrift der US-Justiz sind 14 (in Österreich ansässige, Anm.) Firmen angeführt, darunter auch die Wiener Ukrinvest. Das Firtasch-Geschäftsmodell, so wie es aus der Anklage hervorgeht, stellt sich folgendermaßen dar: Um profitable Geschäfte zu tätigen, baut der ukrainische Oligarch ein Netz von Firmen und Sub-Firmen auf, die über den ganzen Globus verteilt registriert sind. Neben Österreich und der Schweiz sind Steuerparadiese wie Zypern, die British Virgin Islands und die Seychellen beliebte Netzwerkknotenpunkte. Um dann die Geschäfte ungestört abwickeln zu können, werden zugleich gute Kontakte auf der politischen Ebene des Ziellandes aufgebaut. Dabei fließt Geld – mal auf legale Weise, mal aber auch auf illegale Weise. Bei Firtasch sind immer ansehnliche Summen im Spiel, die dorthin gelangen, wo die politische Macht zuhause ist. (siehe: Wer ist dieser 'upper elechon of Russian organized crime', mit dessen Flugzeug Kurz flog? - Semiosisblog)

Artikel 1 des Auslieferungsvertrags der Republik Österreich mit den USA legt die Auslieferungsverpflichtung fest: "Die Vertragsparteien werden nach den Bestimmungen dieses Vertrages Personen ausliefern, die von den Behörden des ersuchenden Staates wegen auslieferungsfähiger strafbarer Handlungen verfolgt werden oder schuldig erkannt worden sind" (siehe: RIS - Auslieferungsvertrag (USA) - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 25.06.2021 (bka.gv.at)). Obwohl Ihr Vorgänger, Justizminister Jabloner, bereits 2019 dem Auslieferungsbeschluss des OGH zugestimmt hatte, ist Österreich dieser Verpflichtung noch immer nicht nachgekommen (siehe zuletzt https://kurier.at/politik/ausland/causa-firtasch-us-abgeordnete-wollen-auslieferung-aus-oesterreich-beschleunigen/401458411). 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie lautet der aktuelle Verfahrensstand betreffend der Auslieferung von Dimitro Firtasch an die USA? 
    1. Hat das zuständige Wiener Landesgericht für Strafsachen über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bereits entschieden?  

                                          i.    Wenn ja: Mit welchem Ergebnis wann?

                                        ii.    Wenn nein: Womit begründet man vonseiten des Justizministeriums die lange Dauer der Überprüfung?

                                       iii.    Wenn nein: Wann ist mit einem Abschluss der Überprüfung zu rechnen? 

    1. Warum kam es im Herbst 2020 zu einem Richterwechsel im Verfahren betreffend der Auslieferung von Dimitro Firtasch an die USA?

                                          i.    Wodurch oder durch wen wurde dieser veranlasst? 

  1. Wie gedenken Sie, Frau Bundesministerin, im Falle einer Bestätigung des OGH-Beschlusses aus dem Jahr 2019 weiter vorzugehen?
    1. Werden Sie im Falle einer Bestätigung des OGH-Beschlusses die sofortige Auslieferung Dimitro Firtaschs an die USA bewilligen?
  1. Wie lautet der aktuelle Verfahrensstand betreffend der Anzeige, die Dimitro Firtaschs Ex-Ehefrau an die WKStA übermittelt hatte und von dieser an die StA Wien weitergegeben wurde? 
    1. Ist die Überprüfung der Anzeige inzwischen abgeschlossen? 

                                          i.    Wenn ja: Mit welchem Ergebnis? 

                                        ii.    Wenn nein: Wann ist mit einem Abschluss zu rechnen? 

    1. Gab es seitens des BMJ oder der OStA Wien in diesem Zusammenhang Weisungen?

                                          i.    Wenn ja: Wann, durch wen, an welchen Adressaten, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

    1. Gab es Dienstbesprechungen mit Ihnen, Ihrem Kabinett, der OStA, der WKStA, der StA Wien oder anderen befugten Organen in diesem Zusammenhang?

                                          i.    Wenn ja: Wer nahm daran teil und welche Besprechungsinhalte wurden kommuniziert?

                                        ii.    Wenn ja: Wurden dabei Weisungen erteilt? Wann, durch wen, an welchen Adressaten und wie lautete deren Inhalt?

  1. Laufen aktuell Strafverfahren gegen Dimitro Firtasch in Österreich? 
    1. Wenn ja: Welche und aufgrund welcher Vorwürfe? 
    2. Wenn ja: Welche Staatsanwaltschaft ermittelt im jeweiligen Fall?
    3. Wenn ja: Wurden in diesem Zusammenhang bereits Personen einvernommen? 

                                          i.    Wenn ja: Wie viele Personen wurden bisher jeweils wann als Beschuldigte einvernommen? 

                                        ii.    Wenn ja: Wie viele Personen wurden bisher jeweils wann als Zeugen einvernommen?

    1. Wurden in diesen Verfahren bereits Sicherstellungen durchgeführt?

                                          i.    Wenn ja: Wie viele jeweils, wann und in welcher Form?

                                        ii.    Wenn ja: Bei welchen Personen?