8431/J XXVII. GP

Eingelangt am 04.11.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend dringend aufklärungswürdige Umstände bei verschiedenen Verfahrens­handlungen der WKStA im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Sebastian Kurz

Mehrere österreichische Medien wie „Österreich“ oder „Kurier“ berichteten jüngst über seltsame Vorgänge bei der WKStA betreffend die Ermittlungen gegen Sebastian Kurz.

Die Internetzeitung „eXXpress“ berichtet dazu am 27.10.2021:

„Geheime Justiz-Akten gegen ‚passende‘ Berichte? Ermittlungen laufen

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) kann diesen Fall nicht länger ignorieren: Es ist nicht auszuschließen, dass die Thomas-Schmid-Chats, die zum Sturz von Sebastian Kurz führten, direkt aus der Justiz stammen. Und es könnte dazu ein “Gegengeschäft” möglich gewesen sein.

Österreichs Justiz hat ein massives Problem: Der Chefredakteur des Wiener Regional-Wochenblatts “Falter”, Florian Klenk, verschickte die vertraulichen Ermittlungsberichte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu den brisanten Thomas-Schmid-Chats an den Salzburger Plagiatsjäger Stefan Weber – per WhatsApp (!), ungeschwärzt, mit allen Telefonnummern von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, vom Finanzminister, von Herausgebern und Medienunternehmern, mit allen Klarnamen der ebenso in diesen Berichten erwähnten Medienunternehmer und Journalisten der “Kronen Zeitung” und der “Presse”.

Jetzt laufen intensive Ermittlungen einer beauftragten Detektei und von IT-Sachverständigen, die eine wichtige Frage beantworten sollen: Wurden diese geheimen Aktenteile von einem Anwalt eines Beschuldigten an Florian Klenk weitergegeben, oder kamen diese Files direkt aus der Staatsanwaltschaft oder von einer Person, die für die WKStA arbeitet?

Verdacht des Amtsmissbrauchs - und noch viel mehr

Immerhin steht ein schwerer Vorwurf gegen den “Falter”-Chefredakteur und Miteigentümer im Raum: Kamen die Aktenteile nur zu Klenk, weil sich das Ermittler-Team eine “passende” Berichterstattung erwartet haben könnte, in der mehr Belastendes als Entlastendes verbreitet wird – und damit diese Tendenz so von vielen anderen österreichischen Medien aus dem “Falter” und von Klenks Tweets übernommen wird?

Bestätigen jetzt IT-Experten nach der Auswertung der Metadaten auf den von Klenk verschickten Justiz-Files, dass diese nur aus der WKStA gekommen sein könnten, wären strafrechtliche Erhebungen unvermeidbar: Der Verdacht wegen Amtsmissbrauch und Anstiftung zum Amtsmissbrauch würden nicht wegzuwischen sein.

Noch heftiger: Ist zu beweisen, dass die vertraulichen Akten direkt aus der Justiz kamen, müssten sich die Tatverdächtigen den Vorwurf gefallen lassen, den Sturz einer demokratisch gewählten Regierung und ihres Kanzlers aktiv mitbetrieben zu haben.

Wann veranlasst Zadić eine interne Prüfung der Vorwürfe?

Und generell sollte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) größtes Interesse daran haben, in diesen aktuellen Vorwürfen auch hausintern ermitteln zu lassen – das Image der österreichischen Justiz darf speziell in derart turbulenten Zeiten nicht leiden, die Österreicher müssen weiter Vertrauen in diese wichtige Institution der Demokratie haben können. Eine interne Revisionsgruppe des Ministeriums sollte nun folgenden Fragen nachgehen:

Wie kam Sarah B./Adamovic zu ihrem Job als Wirtschaftsexpertin, die im Auftrag der WKStA alle Chats von Thomas Schmid auswerten darf – und damit auch maßgeblich eine Rolle dabei spielt, welche Chats in den Ermittlungsakt aufgenommen werden?

Entspricht es den geltenden Compliance-Regeln der österreichischen Justiz, dass ein Chef-Ermittler der WKStA, Gregor Adamovich, eine Lebenspartnerschaft mit einer Sachverständigen hat, die auch an der selben Adresse in Niederösterreich gemeldet ist?

Existiert nicht ein schwerer Interessenskonflikt, dass eine neutral arbeitende Sachverständige mit jenem Staatsanwalt zusammenlebt, der Sebastian Kurz zum Falschaussagen-Verdacht fünf Stunden lang verhört hat – und logischerweise Belastendes gegen den Tatverdächtigen sammeln möchte?

Wird das Justizministerium ebenfalls IT-Experten jene Files prüfen lassen, die Florian Klenk verschickt hat? Und wurden diese schon sichergestellt und wurde so garantiert, dass keine Beweismittel verschwinden?

Und wird die Justizministerin den Oberstaatsanwalt so lange vom Dienst freistellen, bis sämtliche Vorwürfe überprüft sind – oder darf dieser WKStA-Ermittler weiterhin Politiker einvernehmen?

Um eine mögliche Beschädigung der Justiz zu vermeiden, sollte Alma Zadić zeitnah Antworten liefern.“

In diesem Zusammenhang ist auf die die Compliance Leitlinien des BMJ hinzuweisen, in denen wörtlich Folgendes ausgeführt wird:

„Wir lassen uns bei der Erledigung der dienstlichen Aufgaben nicht von privaten Interessen leiten. Die Gründe für eine mangelnde Objektivität bei unserer dienstlichen Aufgaben­erledigung können beispielsweise sein: familiäre, freund- oder feindschaftliche, wirtschaftliche, rechtliche, politische, emotionale Interessen.

Zur Vermeidung von solchen Interessenkollisionen und zur Sicherung der Objektivität im Einzelfall zeigen wir daher die Gründe auf, die unsere volle Unbefangenheit in der Erledigung einer dienstlichen Aufgabe in Zweifel ziehen lassen, und setzen die vorgesehenen Maßnahmen.“

In der Tat muten diese geschilderten Umstände sehr merkwürdig an. Die gegen Oberstaatsanwalt Adamovich gerichteten Vorwürfe müssen daher ehestmöglich geprüft und aus der Welt geräumt werden.

Am 28. Oktober 2021 berichtet die Internetzeitung „eXXpress“ des Weiteren, dass es Diskrepanzen zwischen dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beschlusses einer Hausdurchsuchung durch die Wochenzeitung „Falter“ und jenem Zeitpunkt, zu dem die in diesem Strafverfahren beteiligten Beschuldigten bzw. deren Strafverteidiger im Wege der Akteneinsicht Zugang zu diesem Beschluss gehabt hätten. So heißt es im betreffenden Artikel wörtlich:

„Die Rekonstruktion des zeitlichen Ablaufs dieses Tages zeigt hier viel:

Um 06.00 Uhr morgens legt ein Staatsanwalt der Wirtschafts- und Korruptionsstaats­anwaltschaft (WKStA) an der Privatadresse von Stefan Steiner, dem engsten Berater von Sebastian Kurz, die Hausdurchsuchungs-Anordnung mit der Nummer 1683 vor. Nur Steiner, Vater von drei kleinen Kindern, und wenig später sein Rechtsanwalt Werner Suppan sehen außer dem Staatsanwalt und – vielleicht – einigen Beamten des BAK, des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung, diese 104 Seiten und das Deckblatt mit der Nummer “1683”. Sowohl Steiner als auch Anwalt Suppan betonen, dass sie dieses brisante Papier nicht an den “Falter”-Chefredakteur Florian Klenk oder an andere Medien weitergegeben hätten.

Mysteriöse Löschung auf Twitter

Um 12.39 Uhr – also nur viereinhalb Stunden nach Beginn der Hausdurchsuchung bei
Steiner – schreibt Klenk auf der Socialmedia-Plattform Twitter wörtlich: ‚Wir haben aus Anwaltskreisen die Hausdurchsuchungsbefehl und viele andere Infos zur Razzia im Kanzleramt erhalten. Wir arbeiten seit einigen Stunden an einem Bericht, in Kürze wird er erscheinen. Bleibt dran.‘ Die ‚Falter‘-Redaktion arbeitete also am 6. Oktober um 12.39 Uhr schon ‚seit einigen Stunden‘ an der Story über die Hausdurchsuchung, die erst vor viereinhalb Stunden begonnen hat …

Interessant dabei: Das brisante Material stamme laut Florian Klenk ‚aus Anwaltskreisen‘.

Um 14.15 Uhr twittert dann Klenk über eine “Smoking Gun” und veröffentlicht das erste Faksimile aus der Hausdurchsuchungs-Anordnung.

Am Mittwoch, 27. Oktober, um 21.41 Uhr passiert dann Entscheidendes: In einem Twitter-Chat mit Thomas Kralik, dem Anwalt eines der Beschuldigten in diesen Bestechungs-Ermittlungen, schreibt Klenk, dass die ‚ON 1683 entscheidend‘ sei – ‚1683‘, das ist die Nummer der Hausdurchsuchungs-Anordnung.

Allerdings ist Personen, die in diesem Fall nicht als Juristen involviert sind, nicht bekannt: Mit ‚1683‘ ist ALLEIN der Durchsuchungs-Befehl für die Privatadresse von Stefan Steiner gekennzeichnet.

Nur ein einziger Anwalt hatte am 6.10. das vertrauliche Dokument ‚1683‘

Klenk löscht dann wenig später wieder diesen Tweet mit dieser ‚ON 1683‘-Nennung, der eXXpress hatte den Beitrag aber bereits von einem Twitter-User als Screenshot erhalten.

Thomas Kralik sagte dazu im eXXpress-Gespräch: ‚Ja, das war sonderbar. Diesen Aktenteil und die Infos daraus von der Hausdurchsuchung bei Stefan Steiner konnte nicht jeder der etwa 50 in diesem Verfahren beschuldigten Personen zu diesem Zeitpunkt haben. Und schon gar nicht am 6. Oktober zur Mittagszeit.‘ Kralik, der Thomas Schmid vertritt, berichtete dazu: ‚Ich habe diesen Akt – so wie andere Anwälte auch – erst am Donnerstag, dem 7.10., um 16.18 Uhr aus dem dafür vorgesehenen Justiz-Web abrufen können.‘

Die Erklärung Klenks, er hätte die Infos, die zum Sturz von Sebastian Kurz führten, ‚aus Anwaltskreisen‘, sei für Kralik ‚absurd‘: Erstens hätten andere Anwälte dieses Papier mit der Nummer ‚1683‘ erst 24 Stunden (!) nach den ersten in Medien erschienen Chats sehen können – und zweitens hätte ‚doch niemand Interesse, seinen Mandanten selbst zu belasten‘.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Justiz folgende

Anfrage

1.         Wann wurde im Zuge der am 6. Oktober erfolgten Hausdurchsuchungen der Ermittlungsbericht der WKStA betreffend Sebastian Kurz zur Akteneinsicht freigegeben?

2.         Wurde in dem Zeitraum ab Freigabe der Akteneinsicht bis zum Datum der Veröffentlichung des Aktes auf einigen Internetplattformen am 7.10. 2021 die Möglichkeit zur Akteneinsicht genutzt?

3.         Wenn ja, von wie vielen Personen und wann genau wurde in diesem Zeitraum in genau diese Ermittlungsakten Einsicht genommen?

4.         Dem Vernehmen nach wurde der Ermittlungsakt bzw. Teile des Ermittlungsberichtes der WKStA in dem Sebastian Kurz betreffenden Verfahren vom Falter-Journalisten Klenk an den Plagiatsgutachter Doz. Dr. Stefan Weber weitergeleitet. Können Sie ausschließen, dass Florian Klenk diesen Akt direkt von der WKStA erhalten hat?

5.         Stimmt der öffentlich kolportierte Umstand, dass dieser weitergegebene Ermittlungsakt nur die Metadaten der Staatsanwaltschaft aufweist?

6.         Wie kann es sein, dass dieser Akt laut Berichten nur die Metadaten der WKStA aufweist?

7.         Werden Sie dem begründeten Verdacht nachgehen, ob bei der WKStA eine Verletzung des Amtsgeheimnisses zu vertreten ist?

8.         Wenn ja, werden Sie bis zur Klärung die von den Vorwürfen betroffenen Personen von weiteren Ermittlungshandlungen abziehen?

9.         Wie viele externe Experten zieht die WKStA im gegenständlichen Verfahren als Hilfskräfte heran?

10.      Wie werden diese externen Experten ausgewählt?

11.      Gab es dafür eigene Ausschreibungen? Wenn ja, wie lauteten diese?

12.      Werden diese externen Experten in weiterer Folge mittels Werkvertrags beauftragt oder werden Dienstverträge mit ihnen geschlossen?

13.      Stimmt es, dass die Lebensgefährtin bzw. Ehefrau von Oberstaatsanwalt Adamovich, Frau Sarah B. als Hilfskraft der WKStA mit der Auswertung der SMS und sonstigen Chats von Thomas Schmid beauftragt ist?

14.      Wer hat wann diesen Auftrag gegeben?

15.      Wie lautet dieser Auftrag im Wortlaut?

16.      Ist der Auftrag befristet oder unbefristet? Wie sieht die Honorarvereinbarung aus?

17.      Wie viele Personen sind insgesamt mit Ermittlungen im gegenständlichen Fall beauftragt?

18.      Ist Frau Sarah B. bei der WKStA angestellt?

19.      Wenn ja, für welche Aufgaben?

20.      Wenn ja, wie ist die Beschäftigung von Frau Sarah B. mit den zitierten Compliance-Richtlinien vereinbar.

21.      Wer hat in der WKStA den Dienstvertrag mit Frau Sarah B. unterschrieben?

22.      Stimmen Medienberichte, wonach sie nicht die erforderlichen Qualifikationen für diesen Aufgabenbereich erbringt, da sie nicht das eigentlich dafür geforderte Studium abgeschlossen hat?

23.      Warum ist sie dann trotzdem für die WKStA in diesem Bereich tätig?

24.      Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Konsequenzen sind daraus zu ziehen, wenn die zitierten Compliance-Richtlinien tatsächlich verletzt oder umgangen wurden?