8756/J XXVII. GP

Eingelangt am 26.11.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Zwischenbilanz und Evaluierung der österreichischen Investitionskontrolle
neu

Der Neufassung der österreichischen Investitionskontrolle ging eine Entschließung des Nationalrats voraus, die angesichts der außergewöhnlichen Belastungen der COVID-19- Pandemie von einem deutlich erhöhten Risiko für Übernahmen und Beteiligungen von kritischen österreichischen Unternehmen ausgeht („Maßnahmen zum Schutz kritischer Unternehmen vor Übernahmen aus Drittstaaten - Investitionskontrolle“, 70/UEA, 3.4.2020). Zuvor wurde im Regierungsprogramm Anfang 2020 festgehalten, dass die Politik dafür sorgen müsse, dass „es nicht zu einem Ausverkauf kritischer Technologie und Infrastruktur“ kommt. In diesem Zusammenhang war auch in Aussicht gestellt worden: „In einem ersten Schritt soll Österreich mit gutem Beispiel vorangehen und eine entsprechende Reform des Außenwirtschaftsgesetzes umsetzen: Der Schwellenwert für die Genehmigungspflicht soll auf 10% gesenkt werden und neue Prüfkriterien für kritische Technologie und Infrastruktur umgesetzt werden“.

Doch im Zuge des Investitionskontrollgesetzes kam es tatsächlich nur zu einer lückenhaften Umsetzung dieser Vorsätze. Damit fallen die österreichischen Prüfmöglichkeiten bei strittigen Übernahmen und Investoren aus EU-Drittstaaten (z.B. USA, China, Russland) im Ernstfall insbesondere auch gegenüber Prüfmöglichkeiten der Investitionskontrolle in Deutschland zurück (Quelle: http://www.derstandard.at/story/2000117155974/barriere-gegen-ausverkauf-von-austro-firmen, derStandard vom 28.4.2020). Dies betrifft beispielsweise die äußerst eingeschränkte, nur auf sehr vereinzelte Bereiche erfolgte Absenkung der Prüfschwelle in der österreichischen Regelung (von vormals 25% Anteilserwerb). Hingegen besteht beispielsweise in Deutschland für sämtliche Bereiche kritischer Infrastrukturen eine frühzeitige Prüfmöglichkeit bei einem Beteiligungserwerb ab 10% (von Energie über Wasser, Ernährung, Gesundheit, IKT und Telekommunikation, Finanz- und Versicherungswesen bis Transport und Verkehr). Darüber hinaus wurde auch ein stärkeres Augenmerk auf eine vorausschauende Prüfbarkeit strittiger Erwerbsvorgänge gelegt (z.B. in dem das Prüfmaßstab nun u.a. auf „Beeinträchtigung“ statt „Gefährdung“ der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abstellt).

Das Investitionskontrollgesetz neu ist nun mittlerweile mehr als 1 Jahr in Kraft und gibt damit Anlass für eine Zwischenbilanz. Bereits im Vorfeld der österreichischen Neufassung der Investitionskontrolle wurden widersprüchliche Aussagen des BMDW zu seiner Prüftätigkeit, fehlende Transparenz bei Prüffällen sowie unnötig eingeschränkte Prüfmöglichkeiten als fragwürdig erachtet (Quelle: Anfrage 3336/J v. 17.04.2019 „Effektivität und Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes“; Anfrage 2511/J v. 25.06.2020 „Widersprüchliche Pharmastrategie der Wirtschaftsministerin“; Der Standard vom 29.5. 2020, „Schutz für Austrofirmen mit Ablaufdatum“, http://www.derstandard.at/story/2000117769360/schutz-fuer-austro-firmen-mit-ablaufdatum, derstandard.at vom 29.05.2020). Im August hat die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zudem via Presseaussendung eine „erste positive Bilanz“ nach dem einjährigen Bestehen des Investitionskontrollgesetzes gezogen (Quelle: Schramböck: Erste positive Bilanz nach einem Jahr Investitionskontrollgesetz und 9 Monaten EU-Kooperationsmechanismus, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, 09.08.2021 ots.at).

Darin wird zwar ein merklicher Anstieg staatlicher Prüftätigkeiten betont, jedoch wenig Auskunft zur konkreten Prüfpraxis des BMDW und praktischen Prüffällen gegeben. In diesem Zusammenhang stießen auch journalistische Rückfragen auf eine restriktive Informationspolitik          des  BMDW                   (Quelle:

http://www.derstandard.at/story/2000128779126/starker-anstieg-bei-staatlich-ueberprueften-investitionen, derStandard vom 09.08.2021). Bereits in der Ausgestaltung des Investitionskontrollgesetzes wurde ausgeschlossen, dass der in diesem Zusammenhang angekündigte jährliche Tätigkeitsbericht Rückschlüsse auf einzelne Unternehmen ermöglicht. Das Anführen konkreter Prüffälle und ihre Erläuterung wäre demnach nicht einmal bei abgeschlossenen Verfahren vorgesehen. Diese restriktive Informationspolitik steht nicht nur in Kontrast zu Transparenzbestimmungen z.B. im Bereich der Fusionskontrollverfahren nach dem Kartellgesetz und Wettbewerbsgesetz sowie der EU-FusionskontrollVO. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass selbst in der österreichischen Vorgängerregelung zur Investitionskontrolle im sog. „§25a AußWG“ zumindest die Nennung konkreter Prüffälle möglich war (Quelle: http://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/ppnresolver?id=AC15381026. Studie von Prof. Madner/Dr. Mayr 2019 „Rechtliche Probleme von außenwirtschaftlichen Schutzmechanismen“).

Sowohl im globalen als auch im europäischen Zusammenhang stehen verbesserte Handlungsmöglichkeiten in der Investitionskontrolle hoch im Kurs. Während die Covid-19 Pandemie zweifellos die Sorgen gegenüber den Einkaufstouren strittiger Investoren verstärkt hat, ist bereits zuvor der Handlungsdruck aufgrund verschärfter geopolitischer Rivalitäten und Privatisierungen in strategisch wichtigen Industrie- und Infrastrukturbereichen gestiegen. Deswegen braucht es effektive und rechtzeitig einsetzende Frühwarnsysteme, wenn es um die öffentliche Kontrolle über strategisch wichtige Unternehmen, kritische Technologien, kritische Ressourcen und kritischen Infrastrukturen sowie das öffentliche Interesse an einer lückenlos geschützten Krisen- und Daseinsvorsorge in Österreich geht. So zeigt sich im Zuge der Covid-19 Krise bereits, dass global agierende institutionelle Investoren bereits neue Zielobjekte und Anlagefelder markieren (wie z.B. private-equity-Fonds im Geschäftsfeld Gesundheit). Dazu kommt der generelle Aufruf der Europäischen Kommission besonders wachsam zu sein und umfassende FDI-Screenings einzusetzen

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

 

 

Anfrage:

1) Welche Maßnahmen wurden bislang zur Evaluierung der Effektivität des Investitionskontrollgesetzes innerhalb des BMDW vorgenommen?

a)    Wie wird diesbezüglich der Handlungsbedarf auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen für eine effektive Investitionskontrolle unter den Gesichtspunkten ausreichender Anwendungsbereich, frühzeitige Kenntnisnahme von kritischen Erwerbsvorgängen und Risikoerkennung sowie der Vermeidung von Umgehungen der österreichischen Investitionskontrolle eingeschätzt?

b)    Wie wird diesbezüglich der Handlungsbedarf für eine effektive Investitionskontrolle in Bereichen auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen im Bereich „kritischer Infrastrukturen (Einrichtungen, Systeme, Anlagen, Prozesse, Netzwerke oder Teile davon)“ eingeschätzt?

c)     Wie wird diesbezüglich der Handlungsbedarf für eine effektive Investitionskontrolle auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen im Bereich „kritische Technologien und Güter mit doppeltem Verwendungszweck“ eingeschätzt?

d)    Wie wird diesbezüglich der Handlungsbedarf auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen in Bereichen der „Sicherheit der Versorgung mit kritischen Ressourcen“ eingeschätzt?

e)    Wie wird diesbezüglich der Handlungsbedarf für eine effektive Investitionskontrolle auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen im Bereich „Zugang zu sensiblen Informationen, einschließlich personenbezogener Daten, oder die Fähigkeit, solche Informationen zu kontrollieren“ eingeschätzt?

f)      Wie wird diesbezüglich der Handlungsbedarf auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen im Bereich „Freiheit und Pluralität der Medien“ eingeschätzt?

g)    Im Bereich welcher Investorengruppen und welcher Investoren-Strategien zeigen die bisherigen Prüferfahrungen und Evaluierungen besonderen Handlungsbedarf?

h)    Was sind die wichtigsten Daten-Quellen und Screening-Tools im Zuge der Investitionskontroll-Tätigkeit des BMDW?

i)        Welcher Ressourcenausstattung (finanziell, personell) steht dafür zur Verfügung?

2)      Wie werden auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen Lücken in der

frühzeitigen Handlungsfähigkeit und effektiven Schutzwirkung der

Investitionskontrolle im Falle des Erwerbs von Stimmrechtsanteilen unter der

25% eingeschätzt? Alle der in 1 b) bis f) genannten Bereiche fallen unter die „Anlage

2“ des Investitionskontrollgesetzes: Daher gilt nicht eine sog. 10%-

Eingangsschwelle“, sondern erst eine sog. „25%-Eingangsschwelle“ als maßgebliche

Größe für das Auslösen einer Genehmigungspflicht bei einem Beteiligungserwerb.

Während beispielsweise in Deutschland die „10%-Eingangsschwelle“ in der

Investitionsprüfung umfassender angewandt wird, sieht die österreichische Regelung eine restriktive Begrenzung auf nur vereinzelte Bereich vor (sog. „Anlage 1“ des InvKG). Wird auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen ein Bedarf zur Ausweitung der 10%-Eingangsschwelle auf bislang nur in der „Anlage 2“ genannte Bereiche gesehen? Wir bitten darum, bei der Beantwortung insbesondere auch die Relevanz einer Ausweitung der 10%-Eingangsschwelle auf kritische Infrastruktur im gesamten Gesundheitsbereich sowie Telekommunikations-Bereich, kritischer Technologie im Bereich Halbleiter sowie die Produktion von und Versorgung mit Arzneimitteln, Impfstoffen, Medizinprodukten und Schutzausrüstungen (über Forschung und Entwicklung hinaus) zu berücksichtigen.

a)    Wenn nein: Warum nicht? Welche Begründungen liegen dafür auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen vor?

b)    Wenn ja: Warum und welchen Bereichen wurde ein Handlungsbedarf für eine Ausweitung der 10%-Eingangsschwelle identifiziert? Welche Begründungen liegen dafür auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen vor?

c)     Welche Erkenntnisse bestehen auf Basis bisheriger Prüferfahrungen und Evaluierungen im spezifische Bereich „Forschung und Entwicklung in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung“? Für diesen exklusiven Bereich ist zwar bislang eine 10%- Eingangsschwelle vorgesehen - doch im InvKG ist bislang vorgesehen, dass diese frühzeitigere Prüfmöglichkeit mit 31.Dezember 2022 außer Kraft treten soll (aufgrund einer sog. Auslaufklausel bzw. „sunset-Klausel“). Im Ministerratsvortrag vom 27.5. 2020 zum Investitionskontrollgesetz wird dazu festgehalten: „Zeitgerecht wird eine Evaluierung stattfinden, um über eine Verlängerung der Maßnahme zu entscheiden“ (Quelle: http://www.bundeskanzleramt.gv.at/medien/ministerraete/ministerraete-seit-jaenner-2020/20-ministerrat-am-27-mai-2020.html)

-       Sprechen bisherige Evaluierungen und Prüferfahrungen für oder gegen eine Streichung dieser Auslaufklausel? Wie sieht die diesbezügliche Begründung aus?

3)    Sind zusätzlichen Maßnahmen zur Evaluierung der Effektivität des Investitionskontrollgesetzes vom BMDW im Rahmen bisheriger Prüferfahrungen veranlasst worden? Sind externe Studien oder andere Evaluierungsmaßnahmen unter Einbindung externer Expertise bislang beauftragt worden bzw. in Planung?

a)    Wenn nein: Warum nicht?

b)    Wenn ja: Welche Maßnahmen? Wer wurde damit beauftragt? Auf welcher Datenbasis zur Bewertung bisheriger Prüferfahrungen erfolgen diese Evaluierungen? (inkl. Aufschlüsselung der Auswahl- sowie Evaluierungskriterien und Kosten)

4)    Wie können der Nationalrat und die interessierte Öffentlichkeit (z.B. JournalistInnen, WissenschafterInnen) Informationen zu konkreten Prüffällen und Prüfverfahren in der österreichischen Investitionskontrolle vom BMDW erhalten? Welche Auskunftsmöglichkeiten bestehen dafür?

a)    Welche Schritte sind diesbezüglich ihrerseits zur Verbesserung der Datenbasis, Auskunftsmöglichkeiten und Transparenz geplant?

b)    Gab bzw. gibt es dazu Gespräche mit anderen Ministerien (z.B. im Rahmen der Vorbereitungen des verzögerten Informationsfreiheitsgesetzes)?

-         Wenn ja: mit welchen Ministerien?

-        Wenn ja: Waren dabei Transparenz-Bestimmungen und Auskunftsmöglichkeiten im  Rahmen des Investitionskontrollgesetz Thema?

-         Wenn nein: Warum nicht?