8883/J XXVII. GP
Eingelangt am 03.12.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Arbeit
betreffend Rot-Weiß-Rot-Karte (plus)
Im Regierungsprogramm 2020-2024 wurde die dringend nötige Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte vereinbart. Die wichtigsten Punkte, wie die Konsolidierung der gesetzlichen Grundlage, die Vereinfachung und Straffung von Verfahren sowie die Senkung von Gehaltsgrenzen, werden dort ausdrücklich adressiert. Auch die Einrichtung eines One-Stop-Shops wird als Vorhaben festgehalten.
De facto sammeln sich neben den Ankündigungen für Änderungen aber nur die Beschwerden über die Handhabung der Rot-Weiß-Rot-Karte(1). Die Verfahren sind zu langwierig und kompliziert, Antragsteller:innen können nicht immer physisch bei einer Botschaft vorsprechen, die Fachkräfteverordnung wird oft erst zu langsam angepasst und die Beratungen und Entscheidungen der Ausländerausschüsse des Arbeitsmartkservice sind ebenso langwierig und intransparent.
Umso wichtiger wäre es, die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte entschlossen und faktenbasiert anzugehen. Selbst BM Kocher hat mittlerweile zugegeben, dass die Ausgestaltung der RWR-Karte einen Wettbewerbsnachteil darstellt (2). Alleine die permanenten Erweiterungen der Fachkräfteverordung zeigen aber anschaulich, wie dringend nötig es ist, diesen Wettbewerbsnachteil aus dem Weg zu räumen und langfristigen Aufschwung sicherzustellen - nachdem sogar Wirtschaftsvertreter:innen einen besser gesteuerten Zugang zum Arbeitsmarkt fordern (3).
Bisherige Maßnahmen haben gezeigt, dass Reformen gute Ergebnisse bringen und sich auch in den Zahlen wieder spiegeln. So hat die Reform 2019 zu einer deutlich höheren Zahl an ausgestellten Rot-Weiß-Rot und Rot-Weiß-Rot+Karten geführt.
Jahr |
RWR-Karte |
RWR-Karte + |
Veränderung zum Vorjahr in % |
|
2011 |
600 |
29970 |
|
|
2012 |
1500 |
71481 |
150,0 |
138,5 |
2013 |
1592 |
77916 |
6,1 |
9,0 |
2014 |
1640 |
84382 |
3,0 |
8,3 |
2015 |
1640 |
99972 |
0,0 |
18,5 |
2016 |
1873 |
96139 |
14,2 |
-3,8 |
2017 |
1820 |
96881 |
-2,8 |
0,8 |
2018 |
2264 |
96929 |
24,4 |
0,0 |
2019 |
5257 |
104827 |
132,2 |
8,1 |
2020 |
4514 |
102457 |
-14,1 |
-2,3 |
Quellen: Aufenthaltsstatistiken des BMI
Allerdings hat mit der Grünen Wirtschaft selbst die Wirtschaftsorganisation des jetzigen Regierungspartners die letzten tiefergreifenden Reformen 2019 als "Beruhigungspille für die Wirtschaft" bezeichnet - die wahren Hürden würden beim Punktesystem der Qualifikation liegen (4). Auch die damalige (und heutige) Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck nannte die bisherigen Regelungen "schlichtweg absurd" und eine digitale Zugangsplattform einen wichtigen weiteren Schritt für die Verbesserung der Rot-Weiß-Rot-Karte (5).
Zwar hat die Pandemie in der Zwischenzeit auch im Wirtschaftsbereich andere Prioritäten notwendig gemacht, gleichzeitig hat sie aber auch gezeigt, dass die österreichische Wirtschaft ohne ausländische Arbeitskräfte Probleme hat. Dennoch hat BM Schramböck in der Zwischenzeit abseits einer erneuten Ankündigung im Februar 2020 (6) wenig gemacht, um die Umsetzung einer solchen Plattform voranzutreiben. Nun soll es bald so weit sein und die Austrian Business Agency (ABA) soll als Betriebsansiedelungsagentur dafür zuständig sein. Alleine das sorgt aber für mehr Verwirrung bei den Kompetenzen, da die ABA eigentlich ausländischen Unternehmen dabei helfen sollte, in Österreich Fuß zu fassen und nicht österreichischen Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften im Ausland.
Bei allen Reformen, die auch innerhalb der Abwicklung über das AMS nötig sind, wäre eine derartige Änderung aber nicht eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karten (plus), sondern würde zu einer grundsätzlichen Änderung der Zuständigkeiten bei den Ministerien bedeuten und damit keine Erleichterung des Systems. Einerseits ist an diesen Plänen also die Verschiebung bei den Ministerien zu kritisieren, andererseits stellen diese Pläne auch die Funktionsweise der Rot-Weiß-Rot-Karte in Frage. Immerhin ist diese ein Instrument, um Arbeitskräften außerhalb der EU einen Weg nach Österreich zu ermöglichen. Dabei zeigen die Statistiken, dass knapp 30% der Personen mit Rot-Weiß-Rot-Karte aus Bosnien-Herzegowina und Serbien stammen und schon alleine aufgrund der geographischen Nähe und der historischen Zusammenhänge für diese Personen ohnehin ein Arbeitsanreiz in Österreich besteht. Auch die Statistiken der Rot-Weiß-Rot-Karte Plus legen ähnliche Schlüsse nahe: bei dieser hatten in den vergangenen drei Jahren rund 55 % der Inhaber:innen eine Staatsbürgerschaft der Türkei, Bosnien-Herzegowinas oder Serbien.
Unklar ist allerdings, in welchen Branchen diese Personen tätig sind und wie viele Anträge es eigentlich geben könnte. Immerhin wurde schon vor Jahren kritisiert, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte so kompliziert sei, dass das Asylsystem einen leichteren Zugang zum österreichischen Markt darstellt als die Rot-Weiß-Rot-Karte darstellt (7). In einigen Branchen ist der Arbeitskräftemangel mittlerweile so schwerwiegend, dass Erleichterungen beim Zugang zu einer Rot-Weiß-Rot-Karte bzw den Nostrifizierungsverfahren speziell für diese Branchen eingeführt werden (8) - obwohl es gleichzeitig Abschiebungen von Lehrkräften in diesen Branchen gibt (9,10). In Hinblick auf all diese Überschneidungen von verschiedenen Zugangssystemen und Zuständigkeiten stellen sich einige Fragen bezüglich der Ausgestaltung der Rot-Weiß-Rot-Karte.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Statistiken zur Rot-Weiß-Rot-Karte - Bitte um Aufschlüsselung aller Daten für die vergangenen fünf Jahre nach Jahren, Geschlecht der Antragsteller:innen, ÖNACE-Code und Staatsbürgerschaft der Antragsteller:innen