10775/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.04.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Vergabe der Fair-Pay-Fördermittel

Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer hat im Herbst 2020 gemeinsam mit den Interessensvertretungen und den Bundesländern einen Arbeitsprozess zum Thema Fairness in der Kulturbranche gestartet. Im Rahmen dieses Prozesses wurde beim Gallup Institut eine Umfrage zum Fair-Pay-Gap in Kunst und Kultur und der finanziellen Situation von Kunst- und Kultureinrichtungen in Österreich in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse seit Beginn des Jahres vorliegen.

Bei den rund 200 an der Umfrage teilnehmenden Organisationen lag der Unterschied zwischen den aktuellen Personalkosten und den angenommenen Personalkosten nach den Fair-Pay-Empfehlungen der Interessengemeinschaften bei 21 Prozent. Umgelegt auf alle Fördernehmer*innen im Bereich der Förderungen des Bundes für die Freie Szene würde dies laut Bericht einen Fair-Pay-Gap von rund 25 Millionen Euro bedeuten. Der Bund bezifferte daher seinen Beitrag zum Schließen des Fair-Pay-Gaps mit 6,5 Mio. €, da er auch andere Fördergeber in der Verantwortung sieht, und stellte diese für eine Pilotphase zur Verfügung.

Die Fair-Pay-Zuschüsse des Bundes werden maximal in der Höhe des prozentuellen Anteils des Bundes am bisherigen Gesamtbudget der geförderten Einrichtung bzw. des geförderten Projekts ausbezahlt. Laut interner Erhebung des BMKÖS trägt der Bund in der Kunst- und Kulturförderung rund 26 Prozent der Gesamtkosten der geförderten Einrichtungen. Um während der Pilotphase Fair-Pay-Zuschüsse zu bekommen, sollen Förderwerber*innen ein Fair-Pay-Konzept vorlegen, das die aktuelle und die angestrebte Gehalts- und Honorarsituation gegenüberstellt, wobei aktuell unklar ist, wie mit neuen Projekten ohne Vergleichsmöglichkeit umgegangen wird. Die Zuschüsse sind in jedem Fall zweckgewidmet für bestehende Gehälter und Honorare und sollen prioritär für derzeit nicht fair bezahlte Mitarbeiter*innen eingesetzt werden.

Sowohl an der Studie als auch an der Konzeption der Pilotphase gab es Kritik seitens der Interessensvertretungen. Konkret charakterisierten die IG Kultur und die IG Autor*innen die zur Verfügung gestellten 6,5 Mio. € als „akklamierbaren Einmaleffekt“ und forderten eine „gravierende Reform des Kunstfördersystems.“ Sie bemängelten das Fehlen eines stabilen Mehrjahresplans mit nachhaltiger Wirkung und kritisierten vor allem die Art der Berechnung durch das Kulturministerium. Im Gegensatz zu positiven Beispielen wie zB in Salzburg verringert der Bund seinen Subventionsanteil um fiktiv erhöhte Eigenleistungen der Antragsteller*innen. Das bedeutet, dass der Bund davon ausgeht, dass die Kulturinstitutionen ihren Eigenanteil an den Einnahmen analog zu den erhöhten Mitteln seitens des Bundes steigern können. Eine Vorstellung, die in der Realität jedoch nicht umsetzbar ist und somit Fair Pay real verunmöglicht. Einnahmen aus Kartenverkauf, Sponsoring oder Mitgliedsbeiträgen lassen sich nicht beliebig erhöhen. „Der seit zwei Jahren in einem diffusen ,Fairness-Prozess“ dahinschlingernde Austausch führt nicht zu fairer Bezahlung, sondern verkommt zu einer Fair-Pay-Strategie rasch verpuffender Effekte“[1], so die Interessensvertretungen resümierend.

Auch an der der Pilotphase zugrundeliegenden Umfrage gab es Kritik. Die Studienautor*innen selbst betonen, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ sind. Viele interessensvertreter*innen halten den vom BMKÖS aus den Ergebnissen abgeleiteten und für alle Fördernehmer*innen insgesamt umgelegten Fair Pay Gap bei weitem für zu niedrig geschätzt. Zum einen war die Anmeldefrist für die Umfrage ursprünglich mitten im Sommer angesetzt, wo vor allem in kleineren Kulturinstitutionen urlaubsbedingt wenig zeitliche Ressourcen für lange Umfragen und komplexe Berechnungen zur Verfügung stehen. Zum anderen war das Verfahren insgesamt kompliziert aufgesetzt. Auch die Fragestellung war stark institutionenzentriert und wenig auf die Situation von Künstler*innen abgestimmt. Daher war auch die Rücklaufquote gering, sodass z.B. keine Aufschlüsselungen auf Länderebene vorgenommen werden konnten. Die Studienautoren weisen selbst darauf hin, „dass bei Darstellungen in Untergruppen die Basis oft eine sehr geringe ist - dies sollte bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden.“[2]

Die Umfrage zeigt, dass die erwirtschafteten Eigenmittel beispielsweise durch Kartenerlöse, Gastronomie-Einnahmen, Koproduktionsbeiträge, Mitgliedsbeiträge und Ähnliches 54% der Gesamteinnahmen ausmachen. Drittmittel wie beispielsweise private Sponsoren haben einen 6%-Anteil an den Gesamteinnahmen. Das sind Mittel, die sich nicht ohne weiteres steigern lassen. Der Anteil der Subventionen macht 40% aus.

Auch besteht die Vermutung, dass die Ergebnisse durch einige sehr große, gut dotierte Kulturinstitutionen verzerrt werden. So haben z.B. 16 Kultureinrichtungen mehr als 100 Beschäftigte und verfügen insgesamt 15 Kulturorganisationen über drei Viertel der Gesamteinnahmen der Stichprobe. Auch an den Ergebnissen lässt sich das ablesen: Im Zusammenhang mit der Struktur der Kultureinrichtungen besteht prozentuell der größte Fair-Pay-Gap bei Einzelunternehmen/Neuen Selbständigen, wo er 87% ausmacht. Der kleinste Fair-Pay-Gap mit 2% liegt bei Einrichtungen vor, die die Struktur einer GmbH aufweisen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.    Warum erfolgte die Einladung zur Teilnahme an der Fair-Pay-Gap-Studie ursprünglich im Sommer - einem ungeeigneten Zeitpunkt zum Erzielen einer hohen Rücklaufquote?

a.    Wie oft wurde die Rückmeldefrist verlängert?

b.    Warum wurde ein wenig niederschwelliges, komplexes Befragungs­prozedere gewählt?

2.    Halten Sie die Studie angesichts der geringen Rücklaufquote für repräsentativ?

3.    Insgesamt 15 der an der Umfrage teilnehmenden Kulturorganisationen verfügen über drei Viertel der Gesamteinnahmen der Stichprobe. Ist unter diesen Umständen nicht zu erwarten, dass eine solche Dominanz weniger Unternehmen das Ergebnis der Studie verzerrt?

4.    Bei 915 Registrierungen zur Teilnahme an der Umfrage wurde an 792 Personen ein Link zur Online-befragung zugesandt. 262 Kulturinstitutionen meldet sich zurück, wobei Berechnungen zu Personalkosten unter Fair-Pay-Konditionen nur von 195 Einrichtungen vorliegen. Halten Sie es für gerechtfertigt angesichts der geringen Rücklaufquote die Pilotphase auf Basis dieser Daten zu konzipieren?

5.    Wurden bei der Einladung zur Teilnahme an der Umfrage auch Landestheater angeschrieben, obwohl die Zielgruppe der Umfrage mit „insbesondere freie Kulturinitiativen und -vereine, die nicht über kollektivvertragliche Vereinbarungen verfügen“, definiert wurde?

a.    Wenn ja, halten Sie Landestheater für einen Teil der freien Kulturinitiativen?

b.    Welche Kulturinstitutionen mit mehr 100 Beschäftigten wurden eingeladen, an der Umfrage teilzunehmen?

6.    Die Umfrage ergibt, dass prozentuell der größte Fair-Pay-Gap bei Einzelunternehmen/Neuen Selbständigen mit 87% vorliegt, während der kleinste Fair-Pay-Gap mit 2% bei Einrichtungen besteht, die die Struktur einer GmbH aufweisen. In welcher Weise wurde dieses Ergebnis bei der Konzeption der Pilotphase berücksichtigt?

7.    Entgegen der nachvollziehbaren Forderung der Interessenvertretungen, die Subventionen auf Bundes, Landes und Gemeindeebene prozentuell entsprechend ihrer Verteilung anzuheben, zieht der Bund die Gesamteinnahmen (alle Förderungen plus Erträge, Spenden und sonstige Beiträge) als Berechnungsgrundlage heran und reduziert so seinen Anteil am rechnerischen Fair-Pay-Gap bzw. Fair-Pay-Zuschuss. Damit werden Institutionen, die Mitgliedsbeiträge einheben, Tickets verkaufen oder Sponsoren finden, nachhaltig benachteiligt. Aus welchem Grund wurde diese Berechnungsmethode gewählt?

8.    Wie soll es den Kulturinstitutionen gelingen, die Einnahmen aus Mitgliedbeiträgen oder dem Ticketverkauf analog zu den Bundesmitteln zu erhöhen, um Fair Pay zu erreichen?

9.    Welche Rückmeldungen erhalten Sie auf die Aussendung der Datenblätter? Dem Vernehmen haben diese viel Verwirrung erzeugt.

a.    Wie viele Rückfragen erhielten Sie insgesamt bezüglich der Datenblätter?

b.    Wie viele vollständig ausgefüllte Datenblätter sind bisher bei Ihnen eingelangt?

10. Welche Mittel stehen in den nächsten Jahren zum Schließen des Fair-Pay-Gaps zur Verfügung, oder handelt es sich um eine einmalige Aktion?

a.    Gibt es einen längerfristigen Entwicklungsplan?

b.    Wenn ja, wie sieht dieser aus?

c.     Wenn nein, warum nicht?

d.    Welche Mittel werden von Ihnen im Budget 2023 für das Schließen des Fair-Pay-Gaps zur Verfügung vorgesehen?

11. Von Seiten des BMKÖS wurden € 6,5 Millionen zur Schließung des Fair Pay Gaps zur Verfügung gestellt. Wie verteilt sich diese Summe auf die einzelnen Fachabteilungen und Sparten innerhalb der Abteilungen? (Bitte nach einzelnen Abteilungen auflisten.)

12. Wird die Fair Pay Förderung rückwirkend ab Jahresbeginn berechnet oder erst ab der Zusage der Förderung?

a.    Was geschieht, wenn die 6,5 Mio. € vor Jahresende verbraucht sind?

b.    Welche Möglichkeiten gibt es dann noch für Institutionen Unterstützung zum Schließen des Fair-Pay-Gaps zu bekommen?

13. Wer beurteilt die Datenblätter und werden die darauf für den Bund ausgewiesenen Summen zur Gänze genehmigt oder nur individuell beurteilte Teilsummen?

14. Wurden die Interessenvertretungen in die Ausarbeitung der einzelnen Umsetzungsschritte der Pilotphase einbezogen?

a.    Wenn ja, bitte geben Sie an, welche Interessenvertretungen zu welchen Fragestellungen in welchem Zeitraum gemeinsam mit dem BMKÖS zu Fair Pay gearbeitet haben.

b.    Wenn nein, warum nicht?

15. Warum wurde die Expertise der Stakeholder bei der Konzeption der Pilotphase nicht rechtzeitig abgerufen?

16. Wann ist die Piiotphase abgeschlossen?

17. Welche Pläne gibt es nach der Pilotphase?

18. Wird es eine Evaluierung der Pilotphase geben?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wer wird die Evaluierung durchführen?

c.     Wenn nein, warum nicht?

19. Wie viel vom Gesamtbetrag in der Höhe von 6,5 Mio. € ging an bereits vor der Politphase eingereichten/zugsagten Vorhaben?

20. Wie viel vom Gesamtbetrag in der Höhe von 6,5 Mio, € steht per 1.5.2022 noch zur Verfügung (Bitte jeweils aufgeschlüsselt nach Abteilungen.)



[1] OTS 014, 7.Apr 2022

[2]  Gallup Institut (2022): Fair-Pay-Gap in Kunst und Kultur. Umfrage zur finanziellen Situation von Kunst- und Kultureinrichtungen in Österreich, Auswertung und Endbericht Jänner 2022 durchgeführt vom Österreichischen Gallup-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, S. 5.