4/JPR XXVII. GP

Eingelangt am 26.05.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Julia Herr

an den Präsidenten des Nationalrates

betreffend unzulässige Weitergabe von E-Mails an die Klubs von ÖVP und Grünen

Am 19. Mai 2020 morgens wurde durch mehrere Presseaussendungen von ÖVP und Grünen bekannt, dass die Parlamentsdirektion den Antrag 167/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird, an die Europäische Kommission notifiziert hat. Tatsächlich findet sich im entsprechenden Kommissionsregister ein mit 18.5.2020 datierter Eintrag.

Abgesehen von der Tatsache, dass es sich dabei um den historisch ersten Fall einer Notifikation eines Initiativantrags handelt (noch dazu ohne Rechtsgrundlage im Geschäftsordnungs- oder Notifikationsgesetz), diese Notifikation ohne Zustimmung und ohne vorherige Information der AntragstellerInnen erfolgte, hat der Präsident des Nationalrates durch die Anordnung dieser Vorgangsweise sein Amt zu parteipolitischen Zwecken missbraucht. Schließlich besteht mit Entschließung des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend österreichisches Glyphosat-Verbot der klare Auftrag an die Landwirtschafts- sowie die Wirtschaftsministerin, selbst eine solche Notifikation vorzunehmen.

Damit jedoch noch nicht genug: in einer Aussendung des ÖVP-Klubs vom 19. Mai 2020, 9:01 Uhr,[1] findet sich folgende Passage:

„Bereits Anfang März 2020 hat die Parlamentsdirektion das ausgefüllte Formular für die Notifizierung an den Parlamentsklub der SPÖ geschickt. Mitte Mai 2020 hat die Parlamentsdirektion den SPÖ-Parlamentsklub erneut schriftlich daran erinnert, dass er die Notifizierung einleiten soll. „Es ist unverständlich, warum sich die SPÖ - trotz mehrmaliger Aufforderung - bislang geweigert hat, dieses Gesetz zur Genehmigung nach Brüssel schicken zu lassen“, so der Abgeordnete. Die Parlamentsdirektion habe daher selbst die Initiative ergriffen und die Notifizierung in Brüssel eingeleitet, und „damit dieser parteipolitischen Farce der SPÖ ein Ende bereitet“

Abgesehen von den politisch haltlosen Vorwürfen belegt diese Aussendung, dass der ÖVP-Klub nähere Kenntnis vom vertraulichen E-Mailverkehr zwischen dem SPÖ-Klub und der Parlamentsdirektion hatte. Auch wenn Teile (wie insbesondere die angebliche Weigerung) unwahr sind, steht der Verdacht im Raum, dass der Präsident oder Bedienstete der Parlamentsdirektion die E-Mails an den ÖVP-Parlamentsklub weitergeleitet haben. Ein solches Verhalten stellt jedenfalls eine grobe Pflichtwidrigkeit dar und ist uU auch strafrechtlich relevant. Gleichzeitig entsteht aufgrund der gewählten Vorgehensweise der massive Eindruck völlig intransparenter und willkürlicher Handlungen einer Verwaltung, die vom Verfassungsgesetzgeber gemäß Art. 30 Abs. 3 B-VG zur Besorgung der Verwaltungsangelegenheiten der Organe der Gesetzgebung des Bundes insgesamt berufen ist und ungeachtet der Parteizugehörigkeit des Nationalratspräsidenten wohl nicht einer politischen Mehrheit zuordenbar sein sollte. Eine solche Instrumentalisierung haben insbesondere auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion nicht verdient.

Die unterzeichnete Abgeordnete stellt daher folgende

Anfrage

1.       Wie hat der ÖVP-Klub Kenntnis von den E-Mails des SPÖ-Klubs an die Parlamentsdirektion erlangt?

2.       Wie hat der Grüne Klub Kenntnis von den E-Mails des SPÖ-Klubs an die Parlamentsdirektion erlangt?

3.       Haben Sie persönlich dem ÖVP-Klub die Inhalte der E-Mails mitgeteilt?

 

4.       Haben Sie die Weitergabe der E-Mails bzw. deren Inhalts an den ÖVP-Klub angeordnet?

5.       Haben Sie persönlich dem Grünen Klub die Inhalte der E-Mails mitgeteilt?

6.       Haben Sie die Weitergabe der E-Mails bzw. deren Inhalts an den Grünen Klub angeordnet?

 

7.       Wann haben Sie von der Weitergabe der E-Mails bzw. deren Inhalts an Klubs der ÖVP und/oder der Grünen erfahren?

8.       Ist es üblich, dass der E-Mail-Verkehr oder andere Inhalte, die zwischen der Parlamentsdirektion und einzelnen Klubs ausgetauscht werden, ohne deren Wissen an ausgewählte andere Klubs oder Personen weitergegeben werden?

9.       Haben Sie selbst oder jemand in ihrem Büro die besagten E-Mails erhalten?

10.   Wurden diese an andere Personen weitergeleitet?

11.   An wen wurden Sie weitergeleitet?

12.   Welche zum ÖVP-Klub und dem Grünen Klub zugehörigen Personen wurden von Ihnen, Ihrem Büro oder sonstigen Bediensteten der Parlamentsdirektion über den E-Mailverkehr zwischen der Parlamentsdirektion und dem SPÖ-Klub informiert?

13.   Welche Bediensteten Ihres Büros oder der Parlamentsdirektion hatten Kenntnis von besagtem E-Mailverkehr?

14.   Wurde dieser E-Mailverkehr veraktet?

a.       Wenn ja, wer hat auf den Akt zugegriffen?

15.   Wurden zur gegenständlichen Sache sonstige Akten oder Vermerke angelegt?

a.       Wenn ja, welchen Inhalts?

16.   Haben Sie nähere Erhebungen zu den Umständen der unzulässigen Weitergabe von E-Mails des SPÖ-Klubs an den ÖVP-Klub und/oder den Grünen Klub angeordnet?

a.       Wenn ja, wann mit welchem genauen Auftrag?

b.      Wurden disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet?

c.       Wurde Anzeige wegen Verdachts des Verstoßes gegen § 302 StGB (Amtsmissbrauch) bzw. § 310 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) erstattet?

17.   Haben Sie den ÖVP-Klub und/oder den Grünen Klub um eine Stellungnahme ersucht, wie er in den Besitz der E-Mails des SPÖ-Klubs gekommen ist?

18.   Wann haben Sie die Vornahme der Notifikation des Antrags 167/A gegenüber der Parlamentsdirektion angeordnet?

19.   Haben Sie dies überhaupt persönlich angeordnet und waren sich der Besonderheiten dieses Vorgangs bewusst?

20.   Welche Personen in der Parlamentsdirektion waren mit der Durchführung der Notifikation befasst?

a.       Wusste Ihr Büroleiter davon?

b.      Wusste der Parlamentsdirektor davon?

c.       Wusste der zuständige Dienstleiter davon?

21.   Hat irgendeine dieser Personen darauf hingewiesen, dass die Antragsteller über die Notifikation im Vorhinein zu informieren wären?

22.   Hat irgendeine dieser Personen darauf hingewiesen, dass für eine solche Vorgangsweise keine Rechtsgrundlage besteht?

23.   Auf welcher Rechtsgrundlage ist die Vorgehensweise durchgeführt worden?

24.   Welche Personen haben die Durchführung der Einleitung des Notifikationsverfahrens genehmigt?

25.   Warum sind Sie seit der Einbringung des Initiativantrags im Dezember 2019 untätig geblieben und haben ausgerechnet nach öffentlicher Ankündigung einer Pressekonferenz der SPÖ dann doch die Notifikation veranlasst?

26.   Was hat sich zwischen Dezember 2019 und Mai 2020 an den Rechtsgrundlagen verändert?

27.   Sind Sie der Ansicht, dass Art. 18 Abs. 2 B-VG (Legalitätsprinzip) auch für Sie und die Parlamentsverwaltung gilt?

28.   Wie beabsichtigen Sie in Zukunft mit der Notifikation von Initiativanträgen, die der Notifikationsrichtlinie, der Genehmigungspflicht von staatlichen Beihilfen oder sonstigen Melde- und/oder Genehmigungspflichten nach dem Recht der Europäischen Union unterliegen, umzugehen?

29.   Wird ab sofort jeder Initiativantrag automatisch von der Parlamentsdirektion oder gar Ihnen selbst bzw. Ihrem Büro geprüft, ob es sich um notifizierungs- und/oder genehmigungspflichtige Bestimmungen handelt?

30.   Ist Ihnen bewusst, dass alle mit Initiativantrag eingebrachten COVID19-Hilfsprogramme einer Genehmigungspflicht gemäß Art. 107 AEUV unterliegen und die Mitgliedstaaten daher verpflichtet sind, diese vorab zu notifizieren?

31.   Wie wollen Sie das durch diese Angelegenheit enorm beschädigte Vertrauen in Ihre Amtsführung wiederherstellen?



[1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200519_OTS0029/schmuckenschlager-zu-glyphosat-verbot-parlamentsdirektion-hat-nun-selbst-initiative-ergriffen-und-notifizierung-in-bruessel-eingeleitet