271/KOMM XXVII. GP

 

Kommuniqué

des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) (1/US XXVII.GP)

Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Sebastian Kurz in der 55. Sitzung vom 1. Juli 2021

Der Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) hat in seiner 56. Sitzung am 15. Juli 2021 einstimmig gemäß § 20 Abs. 1 Ziffer 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO­UA) beschlossen, das in der Beilage enthaltene wörtliche Protokoll der öffentlichen Befragung der Auskunftsperson Sebastian Kurz zu veröffentlichen. Einwendungen oder Berichtigungen gemäß § 19 Abs. 3 VO-UA sind nicht eingelangt. Die Veröffentlichung erfolgt in sinngemäßer Anwendung von § 39 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates als Kommuniqué im Internetangebot des Parlaments.

 

 

Wien, 2021 07 15

                               Mag. Ernst Gödl                                                      Mag. Friedrich Ofenauer

                                     Schriftführer                                                               Vorsitzender-Stellvertreter

 


 

Untersuchungsausschuss

BETREFFEND MUTMAẞLICHE KÄUFLICHKEIT DER türkis-blauen Bundesregierung
(Ibiza-Untersuchungsausschuss)


Stenographisches Protokoll

 

55. Sitzung/medienöffentlich

 

Donnerstag, 1. Juli 2021

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

Gesamtdauer der 55. Sitzung
9.05 Uhr – 18.16 Uhr

 

Camineum

Befragung der Auskunftsperson Bundeskanzler Sebastian Kurz

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Damit komme ich über Ersuchen des Herrn Vorsitzenden zu Ihnen, Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz. Sie sind ja vor rund einem Jahr bereits einmal vor diesem Ausschuss vernommen worden, und zwar am 24.6. des Vorjahres. Nichtsdestotrotz werde ich Ihnen auch heute wieder Ihre Position als Auskunftsperson zur Kenntnis bringen.

Sie werden vor dem Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung als Auskunftsperson zu den Themen Managemententscheidungen bei der Casinos Austria AG, Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes, Begünstigung von Dritten, Neustrukturierung der Finanzaufsicht, Ermittlungen in der Ibiza-Affäre, Beteiligungsmanagement des Bundes, Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen und Verdacht des Gesetzeskaufs sowie zu allen Beweisthemen, mit denen sich dieser Ausschuss zu beschäftigen hat, angehört.

Sie haben mit der Ladung eine schriftliche Belehrung über Ihre Rechte und Pflichten als Auskunftsperson erhalten, auf diese Belehrung weise ich Sie ausdrücklich hin.

Sie sind verpflichtet, die an Sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß und auch vollständig zu beantworten. Eine vorsätzlich falsche Aussage vor diesem Ausschuss kann gemäß § 288 Abs. 3 wie eine falsche Beweisaussage vor Gericht mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden.

Es besteht vor dem Untersuchungsausschuss kein generelles Recht zur Aussageverweigerung. Die Aussageverweigerungsgründe konnten Sie im Einzelfall auch der mit der Ladung zugestellten Belehrung entnehmen. Wenn Sie eine Aussage verweigern, dann müssen Sie die Gründe im Einzelnen genau angeben und über Verlangen auch glaubhaft machen.

Ich weise Sie auch auf die bereits schriftlich mitgeteilte Geheimhaltungspflicht nach dem Informationsordnungsgesetz hinsichtlich klassifizierter Informationen hin. Das gilt auch noch nach Beendigung der Befragung.

Dem Ausschuss vorgelegte Akten und Unterlagen dürfen nicht veröffentlicht werden. Heute vorgelegte Unterlagen dürfen weder von Ihnen noch von Ihrer Vertrauensperson an sich genommen werden. Sie dürfen auch keine Kopien, Notizen oder Auszüge davon anfertigen.

Sie selbst sind aber auch berechtigt, Beweisstücke vorzulegen, die Zulässigkeit an Sie gerichteter Fragen zu bestreiten und den Ausschluss der Öffentlichkeit jederzeit zu beantragen. Damit bin ich, was Ihre Position, Herr Bundeskanzler, betrifft, schon am Ende angelangt und komme noch zu zwei Sätzen zu Ihrer Vertrauensperson: Sie sind Rechtsanwalt, Sie sind auch schon wiederholt hier in diesem Ausschuss als Vertrauensperson eingeschritten, dennoch möchte ich Sie neuerlich auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage hinweisen. Auch eine allfällige Mittäterschaft an einer vorsätzlich falschen Aussage vor diesem Ausschuss kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden.

Auch für Sie gilt das Informationsordnungsgesetz.

Das halte ich für sehr wesentlich: Die Auskunftsperson kann Sie als Vertrauensperson jederzeit um Rat fragen, Sie selbst sind jedoch nicht berechtigt, im Untersuchungsausschuss das Wort zu ergreifen – aber das wissen Sie mittlerweile durch Ihre mehrmaligen Einsätze in diesem Ausschuss.

Bei Verletzung der Verfahrensordnung oder bei Eingriffen in Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftsperson steht es Ihnen frei, sich unmittelbar an mich, den Verfahrensrichter oder auch an den rechts neben mir sitzenden Herrn Verfahrensanwalt zu wenden.

Herr Vorsitzender, ich bin mit meiner Belehrung am Ende. – Danke.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Als Auskunftsperson haben Sie das Recht, eine einleitende Stellungnahme abzugeben, Herr Bundeskanzler. Wenn Sie das tun wollen, dann soll diese 20 Minuten nicht übersteigen, und dann möchte ich Sie bitten, sehr nahe an das Mikrofon zu gehen, weil wir sonst akustisch ein Problem haben.

Sebastian Kurz: Vielen Dank.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Verfahrensrichter! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Vor über einem Jahr war ich das letzte Mal im U-Ausschuss, seither hat sich viel getan und vor allem auch viel verändert, und daher möchte ich durchaus die Gelegenheit wahrnehmen, einleitend ein paar Worte zu sagen.

Zu Beginn des U-Ausschusses hatten, glaube ich, viele die Erwartungshaltung und auch die Hoffnung, dass der U-Ausschuss Licht in die Vorgänge in und um Ibiza bringen könnte. Ich glaube, diese Erwartungshaltung hat sich offensichtlich nicht erfüllt. Ich habe den Eindruck, dass es in diesem Untersuchungsausschuss nicht immer um die Suche nach Wahrheit und Aufklärung geht, sondern dass vielmehr versucht wird, mit Skandalisierung, mit Anzeigen und auch mit dem bewussten Schlechtmachen des politischen Mitbewerbers zu agieren.

Ich hätte mir vor einem Jahr nicht gedacht, dass ich das ein Jahr später so sehen würde, aber ich sehe es so, und daher möchte ich es auch aussprechen: Ich mache mir ein Stück weit Sorgen um den politischen Diskurs, um die politische Kultur in unserem Land, denn es hat, glaube ich, auch früher immer lebhafte und kontroversielle Diskussionen gegeben, aber im U-Ausschuss, so wie ich ihn erlebe, dominieren immer mehr offene Ablehnung und teilweise auch echter Hass. Zuletzt war auch noch der Versuch, alles zu unternehmen, damit ich nicht selbst über meine Vertrauensperson im U-Ausschuss bestimmen kann, für mich ehrlich gesagt ein neuerlicher Tiefpunkt.

Ich glaube, dass der U-Ausschuss grundsätzlich ein wichtiges parlamentarisches Kontrollgremium sein könnte. Der Missbrauch durch reine Parteipolitik schadet sicherlich nicht nur der politischen Kultur, sondern auch dieser Institution als Ganzer. Ich glaube daher, dass es sinnvoll wäre, die Arbeit im U-Ausschuss zu reformieren, aber das ist eine Aufgabe und eine Entscheidung, die die Abgeordneten im Parlament zu treffen haben.

Selbstverständlich, sehr geehrte Damen und Herren, hat das letzte Jahr auch mich geprägt. Ich habe letztes Mal, als ich bei Ihnen war, versucht, alle Fragen so schnell wie möglich, nach bestem Wissen und Gewissen und meiner Erinnerung nach zu beantworten. Ich habe versucht, schnell auf Ihre Fragen zu reagieren, detailreich zu antworten und Ihnen all meine Wahrnehmungen zu schildern, auch wenn viele der Geschehnisse, zu denen Sie mich befragt haben, Jahre zurückliegen und damals bei Gott nicht im Zentrum meiner politischen Tätigkeit gelegen sind.

Glauben Sie mir, auch ich habe gelernt: Ich habe daher heute statt einem Mitarbeiter einen Anwalt mitgebracht. Ich werde, wenn Sie mir die gleichen Fragen wie vor einem Jahr stellen, meine damaligen Aussagen zitieren und Ihnen auch das Protokoll verlesen, damit mir nicht danach aus jeder möglichen Nuancierung oder anderen Wortwahl ein Strick gedreht werden kann und es nicht wieder zu neuen Anzeigen kommt. Ich werde selbstverständlich, wenn es offene Strafverfahren betrifft oder Anzeigen gibt, auch von meinem Recht der Entschlagung Gebrauch machen. Dieses Recht haben Sie mir durch Ihre Anzeigen ja ohnehin erst gewährt.

Ich finde die Entwicklung schade, denn ich glaube, dass das alles nicht sonderlich hilfreich für unser politisches Klima ist. Ich glaube, dass es dem Miteinander nicht guttut, ich glaube, dass Politik der Wettbewerb der besten Ideen und nicht der besten Anzeigen sein sollte, aber ich entscheide nicht über die Art und Weise, wie hier in diesem Gremium agiert wird. Insofern hoffe ich sehr, dass es in Zukunft irgendwann wieder gelingt, die politische Auseinandersetzung von der juristischen Auseinandersetzung zu trennen. Ich hoffe sehr, dass es irgendwann wieder gelingt, dass ein politischer Diskurs möglich ist, ohne ständig mit Anzeigen zu agieren und zu versuchen, die Justiz und das Strafrecht zu missbrauchen.

Ich glaube, dass eine Kontrolle durch das Parlament notwendig ist, aber der Umgang mit den unterschiedlichen politischen Institutionen – und die Regierung ist eine davon – sollte, glaube ich, stets von wechselseitigem Respekt geprägt sein.

In diesem Sinne stehe ich Ihnen selbstverständlich für die Befragung zur Verfügung, bitte aber um Verständnis, dass ich das diesmal vielleicht anders handhaben werde als beim letzten Mal, wo ich, ja, vielleicht den Fehler gemacht habe, Ihnen einfach schnell, möglichst rasch, nach bestem Wissen und Gewissen und aus meiner Erinnerung heraus zu antworten, ohne jedes Wort auf die Waagschale zu legen. – Vielen Dank.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter, ich darf Sie um die Durchführung der Erstbefragung ersuchen. – Bitte.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Letztes Mal, bei der letzten Vernehmung am 24. Juni des Vorjahres, sind wir über die volle Distanz von 4 Stunden gegangen, das heißt, die Damen und Herren Abgeordneten sind nicht mit allen Ihren Fragen durchgekommen, daher besteht ein Bedarf nach weiteren Fragen. Außerdem haben Sie, Herr Bundeskanzler, schon erwähnt, dass sich in der Zwischenzeit doch einiges ereignet hat, was durchaus auch hier in diesem Ausschuss von Relevanz sein kann.

Beim letzten Mal hat das Thema der Spenden einen zentralen Raum eingenommen, indem man davon ausgegangen ist, dass die Novomatic alle bezahlt. Sie selbst haben in Ihrer Vernehmung oder in Ihrer Anhörung dann gesagt, dass Sie für Spenden eingetreten sind, aber dass Sie bei Spenden niemals einen persönlichen Vorteil erwartet haben. (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Es gibt hier – ich möchte diesbezüglich auf das Dokument Nummer 71033 verweisen – den schon wiederholt zur Sprache gebrachten Chatverkehr zwischen Herrn Neumann und Blümel, den ich Ihnen jetzt gerne vorlegen möchte, der da lautet (die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson): „Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich einen Problemes das wir in Italien haben! Glauben Sie geht sich das noch diese Woche aus??“ – Ich möchte Ihnen diese Unterlage hier präsentieren, Herr Bundeskanzler, und Sie bitten, zu schildern, welche Kenntnis Sie von diesem Chat beziehungsweise von diesem SMS haben. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.) Sie selbst sind nicht adressiert, sondern adressiert ist – ich wiederhole – Herr Blümel. Der Chat stammt von Herrn Harald Neumann, seinerzeit CEO der Novomatic.

Sebastian Kurz: Vielen Dank für Ihre Frage. Ich glaube, es ist gut, auch die Möglichkeit zu haben, das hier klarzustellen zu können. Ich habe diesen SMS-Verkehr und die damit verbundenen Vorwürfe gegen den Finanzminister natürlich medial mitverfolgt. Ich kann hier noch einmal festhalten, dass wir als Bundespartei, seitdem ich Bundesparteiobmann bin, keine Spende von der Novomatic angenommen haben. Alle Spenden sind ordnungsgemäß abgewickelt worden – das hat der Generalsekretär durchgeführt –, auch dem Rechnungshof bekannt gegeben worden, alles ist rechnungshofgeprüft und genau nachzulesen. Hier findet sich keine Spende von der Novomatic. Warum? – Weil es keine Spende von der Novomatic gab. Ich kann auch ausschließen, dass ich Herrn Graf zum Thema Spenden getroffen habe. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich ihn überhaupt noch nie in meinem Leben getroffen, auch er hat das eigentlich medial so klargestellt. Insofern hoffe ich, das auch hier klarstellen zu können.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Sie haben gesagt, Sie erwarten sich keinen Vorteil, aber haben Sie nicht Erfahrungen gemacht, dass sich Geschenkgeber einen Vorteil erwarten? In diesem Schriftverkehr ist es so, dass eine Spende angekündigt wird, und sofort angeschlossen wird offenbar eine Intervention in Italien, in welcher Form auch immer. Daher ist meine Frage: Haben Sie Erfahrungen damit, dass sich Geschenkgeber durch das Geschenk irgendwelche Vorteile erwartet haben?

Sebastian Kurz: Wie Sie schon sagen, ist diese SMS ja nicht an mich gerichtet. Hätte mir die Novomatic eine Spende angeboten, hätte ich dankend abgelehnt, nachdem wir uns als Volkspartei entschieden haben, im Wahlkampf keine Spenden von Glücksspielunternehmen – aber auch Waffen- und Tabak- - – anzunehmen; das habe ich auch letztes Mal schon ausgeführt. Wir haben, soweit ich mich erinnern kann, unsere Spender auch ganz bewusst immer unterschreiben lassen, dass es für die Spenden keine Gegenleistung gibt. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich könnte mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, dass jemals wer eine Gegenleistung und eine Spende irgendwie in meine Richtung verknüpft hätte. Wenn mir jemand sagen würde, er spendet mir und will etwas dafür, würde ich ihn auch bei der Tür hinauswerfen, denn das ist weder mein Politikverständnis, noch hätte ich Interesse daran, in so eine Situation zu geraten.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Vielleicht nicht so direkt, aber verbindet nicht jemand indirekt einen Wunsch an Sie, wenn er der ÖVP eine Spende zukommen lässt? Haben Sie dazu Erfahrung? Direkt hat Ihnen das niemand gesagt, aber haben Sie Wahrnehmungen dazu, dass Ihnen vielleicht im Verborgenen jemand etwas spendet, weil er an anderer Stelle dann doch mit einem Wunsch an Sie herangetreten ist?

Sebastian Kurz: Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, denn ich habe die Politik eigentlich so erlebt, dass es oftmals eher so ist, dass es, wenn jemand gespendet hat, dann sowieso eine besonders heikle Situation ist, dass man besonders achtsam ist. Ich habe also eher die gegenteilige Erfahrung gemacht, nämlich dass Spender teilweise massiver medialer Kritik ausgesetzt worden sind, dass Spender eher Nachteile in ihrer Reputation erlebt haben, weil sie gespendet haben.

Ich finde, mittlerweile ist die Situation eine andere. Damals waren Spenden ja vollkommen legal. Ich glaube, das war auch lange Teil unserer Politik, dass sich Menschen aus der Zivilgesellschaft einbringen, dass Privatpersonen sagen: Ja, ich unterstütze eine Person, eine Partei, eine Bewegung – genauso wie auch NGOs und andere Gruppen unterstützt werden –, weil ich mich freue, wenn die gewinnen, weil ich glaube, dass das gut für das Land ist, weil ich einfach auch deren inhaltliche Zugänge positiv sehe.

Sie müssen sich vorstellen, geschätzter Herr Verfahrensrichter, dass ja die Masse unserer Spender im Wahlkampf immer Kleinstspender waren, also Personen, die einen sehr geringen Betrag gespendet haben. Der geringe Betrag ist aber für eine Person, die zum Beispiel eine kleine Pension hat, vielleicht sogar prozentuell mehr als für einen wohlhabenden Menschen viele Tausend Euro. Warum machen diese Personen das? – Weil sie eben für die Sache brennen, diese Überzeugungen teilen und ihnen nicht egal ist, was in dem Land passiert. Das versuchen manche durch ehrenamtliches Engagement zu unterstützen, andere durch sonstige Aktivitäten in der Politik, durch Funktionen, die sie übernehmen, und manche machen das eben mit einer Spende. Mittlerweile gibt es eine neue Gesetzeslage, aber damals war die Gesetzeslage anders, und insofern ist da aus meiner Sicht auch alles korrekt abgelaufen. (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Dann darf ich Ihnen die Spende der Premiqamed vorhalten beziehungsweise Sie um Schilderung Ihrer Wahrnehmungen dazu ersuchen. Die Premiqamed-Gruppe war ein Spender. Es wurde beschlossen, 50 000 Euro zu spenden, und zwar in zwei Tranchen zu je 25 000 Euro: einmal im Dezember 2017, und die zweiten 25 000 dann im Juni 2018. Dafür hat es dann eine Änderung des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetzes gegeben. Lässt sich da nicht irgendeine Gegenleistung ersehen? Eine Spende, dann gibt es eine Änderung eines Gesetzes, und dann erfolgt der zweite Teil der Spende – das erscheint mir ein bisschen aufklärungsbedürftig. Sehen Sie da keinen Zusammenhang mit einer Gegenleistung? (Die Auskunftsperson liest in den Unterlagen.)

Sebastian Kurz: Also mit dem Wort „dafür“ hätte ich jetzt so meine Probleme. Ich verstehe, dass man das hinterfragen kann, aber ich habe da ehrlich gesagt einen ganz anderen Eindruck und eine ganz andere Wahrnehmung. Ich habe das letzte Mal, als ich dazu befragt worden bin, auch schon wahrheitsgemäß geantwortet: Ja, ich weiß mittlerweile, dass hinter Premiqamed Herr Hadschieff steht und dass er gespendet hat – ich glaube, wie Sie sagen, 25 000 Euro ein- oder zweimal. Wenn ich das richtig im Kopf habe, ist die Abwicklung durch den Generalsekretär beziehungsweise auch durch den Finanzreferenten erfolgt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass hier jemals eine Gegenleistung angedacht oder eingefordert wurde, sondern ganz im Gegenteil: Ich bin davon überzeugt, dass hier genauso wie bei allen anderen auch unterschrieben wurde, dass es keine Gegenleistung geben kann und auch keine geben wird.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich danke Ihnen, Herr Bundeskanzler.

Herr Vorsitzender, ich bin mit meiner Erstbefragung am Ende. – Danke.

*****

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

In der Redeordnung ist der Erste Abgeordneter Fürlinger, dem ich das Wort erteilen darf. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Herr Bundeskanzler, ich danke Ihnen, dass Sie uns heute noch einmal – ein zweites Mal – zur Verfügung stehen. Ich möchte eigentlich das Thema ein bisschen zur Wurzel des Ausschusses zurückführen. Sie haben selber in Ihrem Eingangsstatement gesagt, dass Ibiza nicht mehr das Thema ist – auch wenn das viele schon vergessen haben, ist das ja der Hauptgegenstand des Untersuchungsausschusses. Können Sie uns ein bisschen schildern, wann Sie überhaupt vom Ibizavideo erfahren haben, wer Sie informiert hat und wie die ersten Reaktionen waren?

Sebastian Kurz: Geschätzter Herr Abgeordneter, ich glaube, dass ich eh schon das letzte Mal versucht habe, meine Wahrnehmungen dazu zu schildern. Das hat sich seither nicht verändert, sondern wenn, dann ist einfach seither noch ein Jahr vergangen, und meine Erinnerungen sind vielleicht nicht mehr ganz so frisch wie unmittelbar nach Ibiza. Sie waren zwei Jahre später schon nicht mehr so detailreich, aber jetzt noch einmal ein Jahr später hat sich natürlich noch einmal irgendwie sehr viel ereignet – die Pandemie und anderes, was mich seither beschäftigt hat –, aber ich versuche gerne noch einmal, das so gut wie möglich zu schildern.

Ich glaube, dass der Tag, an dem das Video erschienen ist – wenn ich es richtig im Kopf habe –, ein Freitag gewesen ist. Ich glaube, dass mich in den Tagen davor oder am Tag davor, das weiß ich nicht mehr ganz genau, Heinz-Christian Strache angesprochen hat – ich glaube, es war während einer Parlamentssitzung oder wann immer ganz genau –, dass er gern mit mir sprechen würde. Ich weiß, dass ich in der Phase dann in Niederösterreich sein musste, weil meine Oma damals schwer krank war. Er hat dann darauf bestanden, dass es das Gespräch gibt, dass es das persönlich gibt. Es war für mich damals etwas schwierig, das zeitlich zustande zu bringen, aber ich habe natürlich versucht, dem Wunsch auch nachzukommen. Wir sind damals, soweit ich mich erinnern kann, zusammengetroffen, und er hat mir angedeutet, dass es Recherchen gibt, dass da etwas kommt. Es war irgendwie kryptisch, aber er hat durchaus so gewirkt - - also einerseits angespannt und andererseits ein bisschen herunterspielend, wenn ich mich hier richtig erinnere. Ich weiß natürlich aus heutiger Sicht nicht, ob er das bewusst verharmlost hat oder sich selber nicht mehr genau erinnern konnte. Ich habe schon irgendwie das Gefühl gehabt, dass er auch nicht zu 100 Prozent sicher war, was da auf ihn zukommt.

Ich kann mich noch erinnern, dass das dann natürlich mein Team und mich beschäftigt hat und wir irgendwie versucht haben, zu beraten, was und wie schlimm das sein könnte und was das für Auswirkungen auf die Koalition, auf die Zusammenarbeit und auf die Freiheitliche Partei haben könnte, bis wir dann irgendwann festgestellt haben, dass wir ohnehin nur abwarten können, weil wir sozusagen keine Möglichkeit haben, das vorher groß in Erfahrung zu bringen.

Und ich habe dann das Video zum ersten Mal – wie vermutlich auch der Rest der Bevölkerung in Österreich – gesehen, als es damals eben, ich glaube, am Freitagabend, zu sehen war. Das weiß ich noch relativ genau, das werde ich nicht vergessen: Ich bin da mit einigen aus meinem Team im Büro zusammengesessen, und wir haben das, glaube ich, damals auf einem Laptop oder auf einem iPad angeschaut und, ja, waren natürlich von dem Video und dem Inhalt schockiert, und auf der anderen Seite hat das natürlich für uns dann ja auch viele politische Fragen aufgeworfen.

Es gab dann in weiterer Folge auch Gespräche mit den verschiedenen politischen Vertretern innerhalb der Volkspartei, aber auch mit Vertretern der Freiheitlichen Partei – mit dem Vizekanzler damals, soweit ich weiß, habe ich aber auch mit Norbert Hofer telefoniert und mit einigen Leuten Gespräche geführt.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Wie war die Reaktion der einzelnen FPÖ-Spitzen? Wie Sie gerade geschildert haben, die Gespräche mit Hofer und anderen: Was haben die zu dem Video gesagt?

Sebastian Kurz: Na ja, ich weiß das nicht mehr zu 100 Prozent, aber ich glaube, dass Vizekanzler Strache damals schon sehr gezeichnet war in dieser Situation. Ich habe den Eindruck, dass das natürlich ein Mix an Gefühlen bei ihm war. Einerseits, glaube ich, hat er bereut, was er da gesagt hat, das war ihm sicherlich unangenehm und peinlich. Er hat sich sicherlich auch die Frage gestellt, wie es weitergeht und war da definitiv in einer sehr angespannten Stressreaktion und Stresssituation. Das war mein Eindruck.

Ich habe noch in Erinnerung, dass ich damals auch Minister Norbert Hofer angerufen habe. Soweit ich mich erinnern kann, glaube ich, war ich eigentlich der Erste, der auch mit ihm darüber gesprochen hat. Also ich glaube  ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube –, dass ich Norbert Hofer noch vor der Veröffentlichung des Videos angerufen habe und gesagt habe: Der Vizekanzler hat mich informiert, da kommt etwas – weißt du da etwas? Ich glaube, dass ich damals der Erste war, der ihn kontaktiert hat und dass er dazu, soweit ich weiß, auch keine großen Wahrnehmungen hatte. Ich glaube, er war ähnlich überrascht wie ich, und wenn ich es richtig im Kopf habe, hat er zu dem Zeitpunkt, als ich ihn angerufen habe, aus der FPÖ noch gar keine Information gehabt; aber das weiß ich nicht mehr hundertprozentig.

In den Gesprächen war dann auch Herbert Kickl mit dabei. Ich habe dann noch Gespräche mit dem Bundespräsidenten gehabt. Ich glaube, der war ähnlich überrascht und schockiert wie die meisten, und hat sich dann natürlich, so wie ich auch, damals mit vielen Fragen sofort beschäftigen müssen. Ja, ich weiß nicht, ob es sonst noch Gesprächspartner - - Ich glaube, dass ich in der Freiheitliche Partei in dieser Phase eigentlich ausschließlich mit Norbert Hofer, Vizekanzler Strache und Minister Kickl Kontakt hatte. Ich könnte mich hier an keine weiteren Gespräche in dieser Phase mit anderen Vertretern der Freiheitlichen Partei erinnern.

Innerhalb der Volkspartei habe ich natürlich Kontakte gehabt. Ich habe mit einigen Landeshauptleuten telefoniert, ich habe mit meinem engsten Team beraten, mit dem Klubobmann, unserem Generalsekretär - - Also das war natürlich eine Phase, wo ich mich auch mit mehreren Personen über die Einschätzung ausgetauscht habe.

Und ich war in intensivem Kontakt, wenn ich mich richtig erinnere, mit eben dem Bundespräsidenten, wie vorher schon ausgeführt.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Gab es damals irgendwelche Debatten, Herr Bundeskanzler, woher das Video kommt, wer das gemacht hat? Es ist ja irgendwann einmal das Gerücht gelaufen, dass Gudenus selber dieses Video in Auftrag gegeben hat: Ist da irgendetwas geredet worden?

Sebastian Kurz: Jetzt habe ich Sie akustisch am Ende nicht gut verstanden.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Ich wiederhole die Frage außerhalb der Redezeit: Gab es irgendwelche Hinweise, woher das Video kommt, wer es gemacht hat, wer es in Auftrag gegeben hat? Es gab ja sehr akut einmal das Gerücht, dass Gudenus selber dahinterstecken würde. Gibt es da eine Wahrnehmung Ihrerseits?

Sebastian Kurz: Ja, also es gab in der damaligen Zeit viele Gerüchte, wer da dahinterstecken könnte. Ich glaube, einiges ist ja schon aufgeklärt, was jetzt unmittelbar Involvierte betrifft. Ich glaube, die Frage, welche Geldgeber, Auftraggeber dahinterstecken, ist noch nicht restlos geklärt, ich habe aber den Eindruck, dass hier jedenfalls einige Personen das Video deutlich früher gesehen haben oder deutlich früher erste Kontakte mit dem Video hatten, als das ursprünglich bekannt war.

Ich habe ursprünglich auch den Verdacht öffentlich gemacht – ich will da jetzt nicht unbedingt die Namen noch einmal wiederholen; ich habe es, glaube ich, eh letztes Mal gesagt –, wen ich damals hinter dem Video vermutet habe, ich habe den Eindruck, dass aber deutlich mehr Personen mit dem Video Kontakt hatten, es angeboten bekommen haben oder zumindest gewusst haben, dass es dieses Video gibt. Es gab ja auch mediale Berichterstattung dazu beziehungsweise, glaube ich, wenn ich es richtig im Kopf habe, dass auch einige hier im Ausschuss bei Befragungen zugegeben haben, dass ihnen - - also dass sie zumindest gewusst haben, dass es da so etwas gibt.

Was Gudenus betrifft: Also ich kenne Johann Gudenus schon länger aus meiner politischen Tätigkeit. Ich hatte in der Zeit der Regierungszusammenarbeit kaum Kontakt zu ihm – ich kann mich da nicht wirklich an zahlreiche Gespräche erinnern, wo er dabei war –, aber ich weiß natürlich, dass er als Klubobmann hier ein entscheidender Faktor auch in der Freiheitlichen Partei war. Ich kenne auch die Gerüchte, dass er angeblich hier mitgewirkt hat oder irgendwie mit dahinterstecken würde, ich kann aber ehrlich gesagt nicht darüber urteilen und ich weiß es schlicht und ergreifend nicht, ob diese Gerüchte stimmen oder nicht. Einerseits würde es mich sehr wundern, wenn diese Gerüchte stimmen, weil ich Johann Gudenus eigentlich immer als doch sehr verwoben in der Freiheitlichen Partei und auch als gut befreundet mit Heinz-Christian Strache und allen - - und anderen Vertretern der Freiheitlichen Partei erlebt habe, auf der anderen Seite habe ich diese Gerüchte immer wieder wahrgenommen, soweit ich mich erinnere auch von Teilen der Freiheitlichen Partei beziehungsweise Betroffenen in dem Video, und daher, ja, weiß ich nicht, was ich da denken soll. Da ist wahrscheinlich Gudenus oder ein anderer eine bessere Auskunftsperson als ich.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Wie war das Verhältnis generell zur FPÖ in dieser Zusammenarbeit? Wer waren da die treibenden Kräfte?

Sebastian Kurz: Na ja, also ich würde sagen, dass die Regierungszusammenarbeit in Summe gut funktioniert hat. Wie in jeder Koalition hat man natürlich nicht zu allen Playern in der Koalitionspartei einen engen Kontakt. In meinem Fall war die Zusammenarbeit natürlich vor allem mit dem Vizekanzler beziehungsweise mit Norbert Hofer und Herbert Kickl - -

Es gab, wie letztes Mal auch schon geschildert, eine sogenannte Sechserrunde, in der wir uns immer wieder getroffen haben – einerseits atmosphärisch, andererseits aber auch um über Projekte in der Koalition zu sprechen, um auch auszuloten, wie die wechselseitige Zufriedenheit mit der Arbeit in der Regierung ist, also sprich, um da auch einen Kitt in der Zusammenarbeit zu haben. In diesen Formaten der Sechserrunde gab es einen regelmäßig unregelmäßigen Austausch – also ich würde sagen alle paar Wochen, einmal im Monat, einmal alle zwei Monate; nicht ganz fix geplant, aber doch in einer gewissen Regelmäßigkeit –, um auch ein bisschen abseits der Tagespolitik sprechen zu können.

Die Gesprächsatmosphäre war dort eigentlich durchwegs immer positiv. Natürlich gab es in vielen Bereichen unterschiedliche Zugänge, Ansichten, es ist auch diskutiert und gestritten worden. Ich glaube, die SMS von Heinz-Christian Strache und mir, die dankenswerterweise veröffentlicht worden sind, haben ja auch einen Einblick gegeben, dass es hier immer wieder auch Konfliktthemen gab, dass es hier natürlich immer wieder auch Reibung in der Koalition gab. Aber was uns, glaube ich, geeint hat, war das Ziel, dass wir es als professionell angesehen haben, nach außen auch als Regierung gemeinsam zu agieren, Reformen umzusetzen, das Land positiv weiterzuentwickeln und hier die Bevölkerung nicht mit einem Streit in der Koalition zu belästigen – und dafür haben sicherlich diese Sechserrunden einen wesentlichen Beitrag geleistet. Ich kann jetzt nicht zu allen Akteuren in der Freiheitlichen Partei Auskunft geben, aber ich würde mein Verhältnis mit Heinz-Christian Strache so beschreiben, dass wir stets eine gute Zusammenarbeit hatten, trotz aller Unterschiede, trotz aller Herausforderungen, die jeder als Parteiobmann immer in einer Koalition hat – es ist ja auch nicht einfach, sozusagen hier die eigenen Akzente durchzusetzen; die mediale Beobachtung, vieles andere - - –, aber das hat trotzdem meist eigentlich sehr gut funktioniert.

Ich habe darüber hinaus sehr viel Kontakt mit Norbert Hofer gehabt, der aus meiner Sicht immer auch die Rolle innehatte, zu versuchen, da ein gutes Miteinander in der Koalition zu gewährleisten.

Mit Herbert Kickl war es da und dort konfrontativer, aber auch er hat sicherlich zum engsten Kreis der FPÖ-Regierungsmannschaft gehört. – Also mein Eindruck war immer sozusagen, dass es neben Heinz-Christian Strache dann - -, dieses Dreiergespann gegeben hat: Strache, Kickl und Hofer.

Darüber hinaus natürlich gab es eine gute Zusammenarbeit mit den Ministern, mit dem Klubobmann, also Walter Rosenkranz, und anderen Akteuren, aber wie gesagt der intensivste Austausch war in der Sechserrunde. Und am stärksten habe ich sicherlich diese drei Charaktere miterlebt, und da hatte ich stets den Eindruck, dass diese drei sehr gut zusammengespielt haben, meistens relativ gut abgestimmt waren und, ja, die drei führenden Kräfte in der Freiheitlichen Partei waren.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Kommen wir ein bisschen zu den Inhalten der Regierungsarbeit. Wenn man hier herinnen – in diesem U-Ausschuss – viel Zeit verbringt, dann hat man ja das Gefühl, dass es außer Öbag, Prikraf oder Casinos keine Regierungsarbeit gegeben hätte. Was waren denn aus Ihrer Sicht eigentlich die Themen, die tatsächlich wichtig waren, die inhaltlichen, die prioritären Themen?

Sebastian Kurz: Ja, das ist etwas, was mir, wenn ich ehrlich sein soll, als sehr merkwürdig vorkommt: dass man mittlerweile versucht, so zu tun, als wären gewisse Themen, die damals absolute Nebenthemen waren, die Hauptprojekte der Regierung gewesen. Also ich glaube, dass das auch ein politischer Versuch des U-Ausschusses ist, so zu tun, als wären jetzt die Öbag-Reform oder der Prikraf, wo ich anfangs gar nicht gewusst habe, wofür dieses Kürzel überhaupt stehen soll, die großen Themen der Regierungsarbeit gewesen.

Ich glaube, wenn man es wirklich ehrlich meint mit der Aufarbeitung und auch dem Blick zurück auf diese Regierung, dann muss man sagen, dass es da sehr viele große Projekte gab, die wir vorangetrieben haben, die auch 99 Prozent meiner Zeit gefordert haben: große Ziele wie die steuerliche Entlastung für kleine und mittlere Einkommen, der Familienbonus, den wir eingeführt haben, aber dann auch sehr konfrontative Projekte, wie zum Beispiel die Arbeitszeitveränderung, also die Flexibilisierung der Arbeitszeit, oder auch die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger; also das waren Projekte, die teilweise von sehr viel Widerstand geprägt waren und dadurch auch sehr viel Kraft gekostet haben.

Ein zentrales Anliegen war natürlich auch stets der Kampf gegen illegale Migration und für eine funktionierende Integration – auch das war ein extrem konfrontatives Thema in der medialen Debatte –, und mein absoluter Hauptfokus war stets auf diesen Themen. Alles andere - - Themen, mit denen Sie sich da jetzt im U-Ausschuss beschäftigen, waren absolute Nebenschauplätze, die im Regelfall von den Ministerien betrieben worden sind, ich möchte einmal behaupten, oftmals nicht einmal die Hauptthemen der Minister waren, und die jetzt als große Projekte dargestellt werden, so als hätte die damals jeder jeden Tag im Blick haben müssen.

Wenn Sie sich die mediale Berichterstattung anschauen – als Politiker ist man es natürlich gewohnt, sich auch inhaltlich besonders gut vorzubereiten, wenn man in Interviews teilweise mit Detailfragen konfrontiert ist –: Ich weiß nicht, ob ich jemals irgendwo überhaupt zu Prikraf gefragt worden bin, ich könnte mich nicht daran erinnern, oder auch das Thema der Öbag-Reform war aus meiner Sicht zumindest ein absoluter Nebenschauplatz. Ich habe viele der Hauptthemen gerade geschildert und insofern, ja, kommt mir der Versuch, Nebenschauplätze von damals so darzustellen, als wären es Hauptthemen gewesen, natürlich mit dem Ziel – das verstehe ich schon –, dann so zu tun, als müsste man sich hier ja an jedes Detail erinnern, das jemals stattgefunden hat, manchmal etwas merkwürdig vor.

Ich kann nur sagen, die Arbeit als Minister und insbesondere als Regierungschef ist eine sehr, sehr fordernde. Ich glaube, wenn man nicht den Überblick verlieren will, dann muss man auf die großen Ziele, die großen politischen Linien fokussieren, muss sich da auch im Detail einarbeiten, und viele andere Dinge werden einfach, ja, abgearbeitet, ohne dass man darin groß involviert ist. So war zumindest immer mein Zugang.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Die etwas unterstellende Überschrift dieses Untersuchungsausschusses ist Ihnen ja bekannt. Haben Sie irgendwann den Eindruck gehabt, dass irgendjemand versucht, bei dieser Regierung Gesetze zu kaufen? Hatten Sie den Eindruck, dass irgendjemand auf Seite der ÖVP oder der FPÖ käuflich wäre oder man dort Gesetze bestellen kann?

Sebastian Kurz: Ich kann einmal bei der ÖVP beginnen: Das kann ich ausschließen, denn ich kenne alle handelnden Akteure und ich kenne deren politische Motivation. Ich weiß im Regelfall über die Menschen sehr genau Bescheid, wie sie aufgewachsen sind, wie sie geprägt sind, dass das bei uns oftmals Menschen sind, die entweder regional oder auch in ehrenamtlichen Strukturen verwurzelt sind, die oftmals in ihrer Familie, in ihrer Verwandtschaft gut eingebettet sind, und das Letzte, was solche Personen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, gern in Österreich, in ihrer Region, in ihrer Gemeinde, in ihrer Familie verwurzelt leben, tun wollen, ist, korrupt zu sein.

Wofür sollten Sie denn das tun? Vor allem, was ich ja besonders absurd finde: Bei all diesen Vorwürfen, die da in den Raum gestellt werden, wird ja den Leuten nicht einmal unterstellt, dass sie sich selber bereichert hätten – na, also sozusagen es wird ja nicht einmal versucht zu sagen, da sind jemandem 100 Millionen Euro und ein schönes Leben angeboten worden, und dafür hat er sich dann korrumpieren lassen –, sondern es wird ja immer der Versuch unternommen, dass sich jemand angeblich hätte bestechen lassen dadurch, dass dann die Volkspartei oder sonst jemand eine Spende bekommt. Und da kann ich Ihnen nur sagen, das halte ich für an Absurdität überhaupt nicht zu überbieten, weil ich mich frage, was eine Einzelperson – wie ein Minister oder auch ein Parteiobmann – denn davon haben soll, dass die Volkspartei ein bissel mehr oder ein bissel weniger Geld hat.

Also, die Volkspartei gibt es schon länger, als ich auf der Welt bin, es wird sie wahrscheinlich auch noch geben, wenn ich nicht mehr am Leben bin. Ich kenne, ehrlich gesagt, nicht einmal den Kontostand auswendig – es ist auch nicht so, dass mich das tagtäglich interessiert; ich glaube, einen Minister interessiert das noch weniger. Also zu glauben, dass jemand eine Straftat begehen würde, bereit wäre, sein Leben wegzuwerfen, im schlimmsten Fall vielleicht sogar seinen Partner und seine Kinder aus dem Gefängnis anschauen zu müssen, dafür, dass die Volkspartei eine Spende erhält, das halte ich – mit Verlaub! – für an Absurdität nicht zu überbieten, und daher wundern mich all diese Vorwürfe, weil ich, ja, schon allein den Gedanken irgendwie als schräg empfinde.

Ich bin jetzt kein fertiger Jurist, aber so viel weiß ich auch: Bei einer Straftat gibt es meistens so etwas wie ein Motiv, ja, und ich denke mir, ich bin jetzt selber jemand, der vielleicht für Geld nicht sonderlich anfällig ist, aber vielleicht gibt es Menschen, die für persönliche Bereicherung bereit wären, irgendwie eine Straftat zu begehen – mag schon sein; das kann ich mir bei den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, beim besten Willen nicht vorstellen –, aber dass jemand bereit ist, eine Straftat zu begehen, die mit mehreren Jahren Haft bedroht ist, dafür, dass er selber überhaupt nichts davon hat – überhaupt nichts! –, dafür, dass eine Institution, die ihm vielleicht wichtig ist, vielleicht einen kleinen finanziellen Vorteil hat, also da müsste derjenige ein fester Trottel sein, und das würde ich sozusagen einmal für die handelnden Akteure, mit denen ich zusammenarbeite, definitiv ausschließen.

Was die FPÖ betrifft, möchte ich festhalten, dass ich auch hier, ehrlich gesagt, niemals den Eindruck gehabt hätte in unseren Gesprächen, dass hier irgendwo jemand vorhätte, käufliche Politik zu betreiben, von irgendjemandem gekauft sei oder sonst irgendetwas, sondern – so wie ich die Zusammenarbeit mit der FPÖ erlebt habe, gab es von deren Seite zugegeben andere Themen und manchmal auch Ideen, die ich persönlich ablehne ich hatte den Eindruck, dass dort, genauso wie in allen anderen Parteien auch, für deren Überzeugungen gekämpft wird, und das waren auch die Hauptthemen, mit denen wir uns beschäftigt haben: Migrationsfragen, Steuerfragen, Integrationsfragen, europäische Themen und anderes.

Ich habe bei all den Gesprächen, die wir da geführt haben, nie mitbekommen, dass es da, irgendwo im Entferntesten so etwas wie käufliche Politik gäbe. Was es natürlich gibt, ist, dass bei jeder Partei gewisse Gruppen Interessen einbringen und gewisse Gruppen auch eine gewisse – wie soll ich es formulieren? – sozusagen interne Kraft in den Parteien sind.

In der Volkspartei haben wir starke Bundesländer, starke Bünde, die natürlich für ihre Interessen, für ihre Überzeugungen eintreten. Das können beim Bauernbund manchmal Überlegungen für den ländlichen Raum, für die Landwirtschaft sein, beim Wirtschaftsbund klarerweise für die Wirtschaft und beim Öaab klarerweise für die Arbeitnehmerschaft, aber die handelnden Akteure tun das, weil sie dort engagiert sind und weil das deren Überzeugung ist.

Und genauso habe ich das in anderen Parteien auch erlebt, in der Freiheitlichen Partei genauso mit den Bundesländern, mit gewissen Interessengruppen, mit den Burschenschaften und jetzt bei den Roten mit den Bundesländern, mit den Gewerkschaften und anderen Vorfeldorganisationen.

Bei den Grünen sind es sehr oft NGOs, wo ich das Gefühl habe, da gibt es einen intensiven Austausch und ein Zusammenspiel. Ich würde jetzt aber ungern Grünpolitikern unterstellen, dass sie von diesen NGOs gekauft sind, weil sie vielleicht früher dort gearbeitet haben; und genauso würde ich das, ehrlich gesagt, auch freiheitlichen Politikern nicht unterstellen.

In den Gesprächen, wo ich dabei war, hatte ich nicht den Eindruck, dass hier das Ziel war, irgendwas Gesetzeswidriges zu machen, sich persönlich zu bereichern oder sonst irgendetwas.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Ergänzend noch zur Regierungsarbeit: Wenn Sie Türkis-Blau jetzt vergleichen – Sie sind ja mittlerweile, glaube ich, in der dritten Bundesregierung –, ist das davor oder danach anders gelaufen oder ähnlich?

Sebastian Kurz: Na, was ähnlich abläuft, ist, dass die Opposition immer versucht, die Regierung zu skandalisieren, egal wie die Regierungszusammensetzung gerade ist. Aber es wird Sie vielleicht überraschen, und manche wird das vielleicht nicht freuen, aber nachdem ich hier unter Eid stehe: So unterschiedlich sind dann oftmals die Zug- -, also ist die Herangehensweise vieler Parteien dann nicht.

Es gibt inhaltlich große Unterschiede zwischen den verschiedenen Parteien, aber alle Parteien, die ich bis jetzt erlebt habe – ganz gleich, ob das die Koalition mit der Sozialdemokratie, mit den Freiheitlichen oder mit den Grünen ist –, haben stets für ihre Inhalte gekämpft, haben mal Phasen gehabt, wo gut zusammengearbeitet wurde, mal Phasen, wo gestritten wurde. In manchen Koalitionen hat die Zusammenarbeit besser, in anderen hat sie schlechter funktioniert.

Aber das, worauf Sie hinauswollen: In allen Koalitionen, die ich bisher erlebt habe, hat es natürlich immer wieder auch Personalentscheidungen gegeben, wo hoffentlich klar war, dass die Personen immer qualifiziert waren – das war zumindest immer mein Anspruch –, wo aber auch ganz klar die Personalentscheidungen den politischen Parteien zuzuordnen waren.

Ich kann mich erinnern, als ich in der Koalition mit der Sozialdemokratie als damals sehr junger Politiker der Volkspartei tätig war – ich war damals nicht in führender Rolle, aber als Staatssekretär auch im Ministerrat dabei –: Na ja, also da waren sehr, sehr viele Personalentscheidungen, egal ob Aufsichtsratsentscheidungen, Nationalbank bis hin zu Entscheidungen von Höchstrichtern, ja – das gehört vielleicht auch einmal betont! – eindeutig parteipolitisch zuordenbar. Es war auch eindeutig so, dass hier Nominierungsrechte mal von der einen, mal von der anderen Seite wahrgenommen worden sind.

In der Zusammenarbeit mit der Freiheitlichen Partei war das dann genauso, und es ist in der Zusammenarbeit mit den Grünen für mich gefühlt jetzt nicht anders. Wenn ich mir hier die Bestellung von Aufsichtsräten anschaue, dann läuft das genauso ab wie damals, nämlich dass es Vereinbarungen gibt, mit gewissen Kontrollrechten; also das Ziel, dass es, auch wenn ein Minister die Entscheidung trifft, hier auch gewisse Nominierungsmöglichkeiten für den Koalitionspartner gibt, damit zum Beispiel in einer ÖBB oder auch in anderen Staatsbeteiligungen Personen ausgewählt werden, die zwar qualifiziert sind, aber gleichzeitig auch eine gewisse Breite und Kontrollrechte gegeben sind.

Wenn ich mir anschaue, wie hier Personalentscheidungen getroffen werden, dann habe ich den Eindruck, dass hoffentlich – und ich glaube, soweit ich das überblicke, findet das auch überall so statt – immer qualifizierte Personen ausgewählt werden. Aber ja, die Minister, die Parteien, wie auch immer Sie das formulieren wollen, die Regierungspartner - -, da wird in sehr, sehr vielen Fällen auf Personen zurückgegriffen, die auch den jeweiligen Akteuren bekannt sind oder wo es eine starke Vertrauensbasis gibt.

Anders kann ich es mir nicht erklären, dass zum Beispiel im Sportbereich unter der Führung von Vizekanzler Strache damals sichtlich einige Personen mit einem blauen Background oder mit einer gewissen Nähe zur FPÖ dort, ja, in Funktionen gekommen sind, und jetzt sind es Personen mit einer gewissen Nähe zu den Grünen oder auch mit einer grünen parteipolitischen Karriere.

Ähnlich auch in anderen Ressorts, wie zum Beispiel im Infrastrukturministerium: Da hatte ich den Eindruck, dass es während der Regierungsbeteiligung immer mehr Einfluss von Personen gab, die der FPÖ nahestehen, und dieser Einfluss ist gefühlt, zumindest für mich, soweit ich das wahrnehme, jetzt geringer geworden, und ich habe den Eindruck, dass hier immer mehr Personen auch mit einem grünen Background Karriere machen.

Ich formuliere das hier auch nicht als Vorwurf, sondern Sie haben mich gefragt, und daher die ehrliche Antwort: Ich habe den Eindruck, dass in Koalitionen natürlich, Gott sei Dank, immer auf die Qualifikation geachtet wird, aber die Minister bei Entscheidungen auch immer Wert auf eine gewisse Vertrauensbasis oder halt auch eine gewisse Nähe zu den eigenen Zielen und Ansätzen legen.

Und ja, in jeder Regierung – ich habe das ja auch letztes Mal ausgesagt – gibt es auch Vereinbarungen zu gewissen Nominierungsrechten, weil das politische System ja sonst schlicht und ergreifend nicht funktionieren würde.

Betrachten Sie zum Beispiel den Verfassungsgerichtshof: Beim Verfassungsgerichtshof ist es so, dass das im Ministerrat einstimmig beschlossen werden muss, wer der neue Verfassungsrichter wird. Na glauben Sie wirklich, dass mehr als ein Dutzend Minister in der Sitzung zufällig auf den gleichen Namen kommen und alle zufällig für den gleichen Namen stimmen und so ein einstimmiger Beschluss zusammenkommt? Seit es unsere Republik gibt, werden solche Dinge natürlich besprochen, und das kann nur funktionieren, indem auch gewisse Nominierungsrechte vorher vereinbart werden. So war es mit der FPÖ bei der Bestellung im Verfassungsgericht und so ist es jetzt mit den Grünen und bei der letzten Bestellung im Verfassungsgericht zum Beispiel gewesen.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Ich habe deswegen gefragt, weil man, wenn man dem U-Ausschuss Glauben schenken kann beziehungsweise hier zuhört, den Eindruck hat, dass der einzige Inhalt der Koalition mit der FPÖ der gewesen ist, wie man sich irgendwelche Posten aufteilt. Ist da in den Koalitionsverhandlungen überhaupt darüber gesprochen worden? Wie waren die Koalitionsverhandlungen da strukturiert? Worüber wurde dort primär gesprochen?

Sebastian Kurz: Also ich verwehre mich ein bisschen gegen die Formulierung „Posten aufteilen“, weil ich das, ehrlich gesagt, anders sehe. Ich glaube, dass eine Regierung die Aufgabe hat, zu regieren, und da gehört vieles dazu. Da gehört dazu, inhaltliche Arbeit für das Land zu leisten; da gehört dazu, notwendige Reformen durchzuführen; da gehört aber auch dazu, dass man Entscheidungen trifft, ein Ministerium führt, und zu Entscheidungen gehören nun mal Personalentscheidungen. Irgendjemand muss ja diese Entscheidungen treffen, und das sind im Regelfall entweder die Minister oder der Ministerrat als gesamtes Gremium.

Daher verwehre ich mich ein Stück weit gegen diese Formulierung, denn es ist ja auch so, dass dann die jeweiligen Minister für die Personalentscheidungen, die sie getroffen haben, die Verantwortung tragen. Sie sind auch verantwortlich dafür, dass ihre Ministerien oder Institutionen, für die sie tätig sind, laufen und funktionieren. Daher tue ich mir schwer damit, dass das immer so negativ dargestellt wird, weil ich mich frage, wie in einem demokratischen System denn sonst solche Entscheidungen - -, Eigentümerrechte und anderes auch gewahrt werden sollen, wenn nicht so.

Wie laufen Regierungsverhandlungen ab? – Ich würde sagen, dass diese Vereinbarungen zum Personal eigentlich ein absolutes Randthema bei Regierungsverhandlungen sind. Die inhaltlichen Fragen stehen hier im Zentrum. Die heikelsten Themen sind aus meiner Sicht daher die Aufteilung der Ressorts, also: Wer bekommt welche inhaltlichen Zuständigkeiten in den Ressorts?, und die heikelsten Fragen sind sicherlich die politisch-inhaltlichen Verhandlungen.

Ich würde sagen, das war bei allen Regierungsverhandlungen, die ich bisher erlebt habe, gleich. Wir haben bisher versucht, die Regierungsverhandlungen immer ähnlich zu strukturieren, sprich: ein Spitzengremium, das versucht, so gut als möglich den Überblick zu bewahren – das ist gar nicht so einfach, weil es ja unzählige Untergruppen und Subgruppen und Verhandler und Experten gibt –, und unter diesem Spitzengremien dann zahlreiche Verhandler.

Ich habe auch immer Wert darauf gelegt, Experten zu Rate zu ziehen, und in einer Partei wie der Volkspartei, die sehr breit ist, gibt es dann oftmals natürlich noch interne Abstimmungsrunden, um die Verhandlungen vorzubereiten, mit Bünden, mit Ländern, mit anderen Gruppierungen.

Das bedeutet, das ist ein sehr, sehr großer, komplexer Prozess. Das Wichtigste, glaube ich, für das Spitzengremium oder für die Parteichefs, wenn man einen erfolgreichen Abschluss von Verhandlungen erzielen möchte, ist es, dass man versucht, die Sache möglichst gut zusammenzuhalten, auch versucht, in dieser heiklen Phase irgendwie einen medialen Spalt oder einen medialen Konflikt zu vermeiden, um so Verhandlungen irgendwie auch positiv abschließen zu können.

Zeitlich würde ich sagen, dass der Hauptfokus sowohl bei den Regierungsverhandlungen mit der FPÖ als auch mit den Grünen definitiv zum Thema Inhalt war. Das zweitwesentlichste Thema, würde ich sagen, war dann immer die Frage des Umgangs, die Frage der politischen Kultur, die Frage: Wie legt man es miteinander an? Schafft man es, dass nicht Streit die Regierungsarbeit überlagert? Und erst danach kam die Frage der Ministerienverteilung. Das war zeitlich eigentlich oft wesentlich schneller zu lösen als das erste und das zweite Thema.

Ein absoluter Subpunkt sind dann immer weitere Vereinbarungen zu, wie schon angesprochen, Nominierungsrechten und anderem. Das muss natürlich auch gemacht werden, aber das ist mit Abstand der kleinste Teil der Übung.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich unterbreche für 10 Minuten.

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(Sitzungsunterbrechung: 14.03 Uhr bis 14.15 Uhr.)

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14.15

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder aufnehmen und Herrn Abgeordneten Fürlinger das Wort erteilen.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Herr Bundeskanzler, Sie haben ohnehin bereits einiges zu dem Thema Positionen und Vereinbarung geschildert. Eine Frage: Ist man als Bundeskanzler in all diese Postenbesetzungen eingebunden, daran beteiligt, informiert, wie auch immer? Was können Sie uns über ihre eigenen Wahrnehmungen dazu sagen?

Sebastian Kurz: Ich habe das schon beim letzten Mal versucht, auszuführen. Worin man einmal grundsätzlich involviert ist, das ist, wenn zu Beginn von einer Regierungszusammenarbeit Vereinbarungen über die Zusammenarbeit getroffen werden. Ich habe das ja schon geschildert, also gewisse Personalentscheidungen, Beschlüsse, die im Ministerrat anstehen, aber auch Nominierungsrechte von Aufsichtsräten zum Beispiel und anderes, sind Bereiche, wo man einmal zunächst auf jeden Fall involviert ist, weil man das mit dem Visavis ausmacht und sich darauf verständigt.

Danach ist es dann so, dass man als Bundeskanzler versucht, irgendwie möglichst viel an Arbeit von sich fernzuhalten. Was meine ich damit? – Ob ich das gut erklären kann - -, aber man ist in einer Tätigkeit, wo es jeden Tag mehr zu tun gäbe, als man tun kann, wo es jeden Tag mehr Entscheidungen zu treffen gibt, als man eigentlich treffen kann, wo es jeden Tag mehr Termine zu erledigen gibt, als man eigentlich erledigen kann. Das heißt, man ist als Bundeskanzler sehr froh, wenn Minister eigenständig arbeiten und wenn Minister einfach sozusagen ihr Ministerium unter Kontrolle haben, ihre Arbeit machen und das funktioniert.

Man ist immer wieder davon betroffen, dass man dann als Feuerwehr eingreifen muss. Wenn irgendwo medial etwas passiert, oder wenn es einen Konflikt zwischen den Parteien gibt, oder eine Krise ist, dann muss man ohnehin voll einsteigen, aber je mehr man alles andere von sich fernhalten kann, desto besser.

Ich finde es interessant, wenn es medial manchmal so dargestellt wird, als würde man alles kontrollieren oder alles entscheiden wollen. Ich kenne bisher keinen Regierungschef - - oder ich habe zumindest bei denen, die ich gut kenne, nicht den Eindruck, dass die wirklich diesen Drang verspüren, sondern die meisten, die ich kenne – so ist mein Gefühl, und bei mir ist es jedenfalls so –, sind einfach froh, wenn Entscheidungsträger ihre Arbeit gut machen und die Dinge gut laufen.

Sie haben mich zuvor zum Beispiel zum Thema Spenden gefragt. Ich bin froh, dass ich da Personen habe, die das in der Phase, in der das legal war und stattgefunden hat, einfach abgewickelt haben und ich Zeit hatte, mich um den Wahlkampf und auch um das Generieren von Stimmen zu kümmern – nichts angenehmer als zu wissen, es gibt einen ordentlichen Finanzreferenten und einen ordentlichen Generalsekretär, die das ordentlich rechtskonform machen, und man muss da nicht irgendwie bis ins Detail einsteigen. Genauso ist es auch in der Regierungsarbeit.

Das heißt, um auf die Personalentscheidungen zurückzukommen, ich würde sagen, wenn es um so grobe, große Vereinbarungen geht, wie Nominierungsrechte, Aufsichtsräte – ein Drittel, zwei Drittel zum Beispiel –, Kontrollrechte, was auch immer, wenn es um große Fragen wie Verfassungsrichter geht oder dass Beteiligungen grundsätzlich beim Finanzministerium sind und somit ÖVP-seitig oder beim Infrastrukturministerium und somit jetzt grünseitig und damals FPÖ-seitig –, solche Vereinbarungen, die auch meistens am Anfang geschlossen werden, sind Dinge, in die man nicht nur involviert ist, sondern wenn es da etwas zu besprechen gibt, muss man das vielleicht auch aktiv besprechen und verhandeln und dann vereinbaren. Sobald das aber einmal abgeschlossen ist, ist man froh, wenn die Dinge einfach laufen und man sich nicht einbringen muss.

Was schon ist, ist, dass Minister unterschiedlich sind, also einfach vom Typus her, von ihrer Entscheidungsfreudigkeit her, und Prozesse oft höchst unterschiedlich aufgestellt sind. Ich kann mich erinnern, in der Koalition mit der SPÖ damals, da hat, glaube ich, sehr viel auf Ebene der Spiegelressorts stattgefunden. Das heißt, ich hatte den Eindruck, dass manche Ressorts miteinander – ich weiß nicht, Mitterlehner und der verstorbene damalige Sozialminister – sehr viel direkt vereinbart haben, vielleicht oftmals, ohne dass die Parteispitzen überhaupt eingebunden waren oder das mitbekommen haben, gutgeheißen haben oder sonst irgendetwas. Manchmal haben sie es vielleicht erst nachher mitgekriegt.

Dann gibt es die Koordinierung, die auch immer eine wichtige Rolle spielt, wo man als Bundeskanzler – und da können Sie auch gerne Bundeskanzler befragen, die vor mir tätig waren – sicherlich froh ist, wenn dort viel erledigt wird und gar nichts zu einem durchkommt, weil man ja über jede Arbeitsbelastung, die einen nicht trifft, froh ist. Das bedeutet, in der Koalition mit der SPÖ hatte sicherlich für den damaligen Kanzler Faymann Josef Ostermayer eine zentrale Rolle, der einfach in der Koordinierung sehr viel erledigt hat, ohne das mit Bundeskanzler Faymann alles im Detail gegenzuchecken.

So haben wir auch versucht, dass Minister selbstständig arbeiten, und wenn es Abstimmungsbedarf mit dem Koalitionspartner gibt, dass das grundsätzlich in der Koordinierung stattfindet. Da ist sicherlich ganz vieles nicht zu mir durchgedrungen, gerade was Personalentscheidungen betrifft. Eine Regierung trifft Hunderte Personalentscheidungen, ich hätte gar nicht die Möglichkeit, mich mit allen auseinanderzusetzen. Was stimmt, ist, vieles wird im Ministerrat beschlossen, das heißt, man kriegt dann irgendwann mit: Okay, da gibt es eine Einigung, oder so haben das irgendwelche Verhandler besprochen, und dann beschließt man das formal im Ministerrat oder bringt es vielleicht sogar formal ein, ohne dass man da im Detail involviert ist.

Zu den Ministern selbst vielleicht noch ein Wort: Ich glaube, da ist der Unterschied sehr groß, je nachdem, wie Minister ticken. Manche, wie vorhin schon geschildert, wie Mitterlehner und Hundstorfer waren sicherlich Minister, die direkt sehr viel besprochen haben. Das war mein Eindruck. Dann gibt es auch jetzt Minister wie Leonore Gewessler, ich kann mich nicht erinnern, dass die- - Vielleicht hat sie einmal, und ich habe es vergessen, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie groß jemals mit mir über eine Personalentscheidung gesprochen hätte. Und es gibt andere, die binden einen vielleicht ein, fragen einen um die Meinung, wollen irgendwie wissen, wie man das sieht. Das ist sehr unterschiedlich.

Ich glaube, es hängt auch von den Personen ab, über die entschieden wird. Wenn man da jemanden persönlich kennt, dann kann es leichter vorkommen, dass ein Minister einen um die Meinung fragt oder einen informiert oder einem sagt: Was hältst du davon? Und wenn man jemanden gar nicht kennt, dann wird der Minister wahrscheinlich auch weniger auf die Idee kommen, einen dazu zu informieren. Manchmal erfährt man die Dinge später, nachdem die Entscheidungen getroffen sind, und manchmal wird man vorher informiert. Das ist also sehr unterschiedlich, je nach den jeweiligen Ministern, je nach den Personen, über die entschieden wird.

Eine der letzten großen Entscheidungen war - - Verfassungsgerichtshof. Die Professorin, die hier Verfassungsrichterin wurde, kannte ich vorher nicht. Wir haben in der Koalition ausgemacht gehabt, die Grünen haben ein Nominierungsrecht. Werner Kogler hat mir einmal den Namen genannt, ich habe mich informiert, den Lebenslauf angeschaut. Ja, dann habe ich sie angerufen und habe ihr gesagt: Wir kennen uns nicht, aber ich gratuliere Ihnen, entweder wir haben Sie gerade beschlossen oder wir werden Sie gleich beschließen. Ich weiß es nicht mehr genau. Treffen wir uns vielleicht irgendwann einmal.

Ja, hätte ich die Person gekannt, hätte ich vielleicht ein intensiveres Gespräch geführt, und wenn ich Zweifel gehabt hätte, dann hätte ich vielleicht vorher gesagt: Na ja, bitte treffen wir uns doch einmal persönlich, damit ich auch einmal ein Gesicht oder irgendwie ein bisschen mehr Gefühl zu der Person habe.

Grundsätzlich würde ich aber sagen, in vieles ist man gar nicht eingebunden, in manches wird man eingebunden, manchmal vor der Entscheidung, manchmal nach der Entscheidung. Und oft gibt es Situationen, da ändern sich Dinge. Das hatte ich auch schon, dass mich jemand um meine Meinung gefragt hat, ich habe ihm die Meinung gesagt, und dann hat er genau das Gegenteil gemacht. Ja, da kann man als Bundeskanzler auch nichts machen. In vielen Fällen ist es einem auch egal, ja, weil das oft nicht die weltbewegendsten Dinge sind, aber auch das kommt vor, dass einen ein Minister fragt: Was hältst du davon, was ist deine Meinung, findest du das gut? Du sagst X, und am Ende kommt Y raus. Es gibt dann oft einen Grund dafür, warum es sich geändert hat; keine Ahnung, der Minister hat sich anders entschieden, er hat vielleicht noch andere um die Meinung gefragt, irgendein Bewerber hat abgesagt. Die Prozesse sind also sehr, sehr unterschiedlich.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Sie haben gerade erwähnt, die Usancen sind auf Ihre Vorgänger zurückgegangen, aber auch auf die jetzige Regierung übergegangen. Haben sich diese Generallinienvereinbarung zwei zu eins oder andere größere Vereinbarungen bei Türkis-Blau in irgendeiner Weise von Vorgänger- oder Nachfolgeregelungen oder -vereinbarungen unterschieden?

Sebastian Kurz: Vielleicht sind die Formulierungen irgendwie anders, und natürlich stehen in jeder Legislaturperiode andere Entscheidungen an. Es ist also nicht immer ein Verfassungsrichter zu besetzen, und gewisse Dinge finden regelmäßig statt. Alles findet meistens regelmäßig statt, aber nicht in jeder Legislaturperiode sind immer die gleichen Entscheidungen zu treffen. Da gibt es sicherlich gewisse Unterschiede, aber generell ist das in meiner Wahrnehmung, soweit ich mich an Vereinbarungen mit der FPÖ und an Vereinbarungen mit den Grünen erinnern kann, sehr, sehr gleich bis hin zu ident. Also alles, was ich da im Kopf habe, worüber wir gerade gesprochen haben – Nominierungsrechte Verfassungsrichter, Nominierungsrechte Aufsichtsräte –, das spielt sich eigentlich alles in einer ähnlichen Art und Weise ab.

Ich habe jetzt die Formulierungen nicht mehr im Detail im Kopf, aber das, was wir mit den Grünen am Beginn der Zusammenarbeit vereinbart haben, konkret Werner Kogler und ich, sind genau - - Aus meiner Sicht sind das einfach Vereinbarungen, wie damals auch mit der FPÖ. Wie gesagt, vielleicht gibt es nicht genau dieselben Entscheidungen zu treffen, vielleicht gibt es da irgendwie unterschiedliche Formulierungen, aber das, was Sie jetzt angesprochen haben, dieses Zwei-zu-eins zum Beispiel, also dass man bei Aufsichtsräten gewisse Kontrollrechte wahrnimmt, dass das nicht von einem Minister und einer Partei somit alleine entschieden wird, sondern von der anderen Koalitionspartei auch gewisse Vorschläge gemacht werden, um auch Kontrollrechte zu wahren, ist jetzt, soweit ich weiß, ziemlich gleich.

Ich bin da in vieles nicht eingebunden. Wie gesagt, bei Entscheidungen von Leonore Gewessler zum Beispiel, hat es mit mir, glaube ich, soweit ich mich erinnern kann, noch kein einziges direktes Gespräch gegeben. Mit irgendwem wird sie aber wohl geredet haben müssen, also wahrscheinlich mit unserem Verkehrssprecher oder in der Koordinierung. Ich weiß es nicht, aber irgendwo werden diese Dinge wohl besprochen werden müssen, wenn solche Entscheidungen getroffen werden.

Den Fall vom Verfassungsrichter mit Werner Kogler habe ich jetzt geschildert. Mit Heinz-Christian Strache ist es schon etwas länger her, aber da ist es in ähnlicher Art und Weise, soweit ich mich erinnern kann, abgelaufen. Da gab es klare Vereinbarungen, welche Seite ein Nominierungsrecht hat.

Es ist dann auch üblich, dass man bei so großen Entscheidungen auch immer den Bundespräsidenten einbindet. Wenn man das zu spät macht, ist er meistens sauer und erinnert einen daran, dass er da gerne früher eingebunden werden würde. Dann spricht man darüber, sagt: Da liegt das Nominierungsrecht. Das und das wäre der Vorschlag. Wie sehen Sie das?

Ja, so habe ich das bisher immer erlebt und ich habe da eigentlich bisher keine groben Unterschiede in der Art und Weise der Zusammenarbeit wahrgenommen. Ja natürlich, gewisse - - Also die inhaltliche Schwerpunktsetzung ist anders. Ich glaube, der Background der Personen, die da ausgewählt werden, ist unterschiedlich. Ich glaube nicht, dass Norbert Hofer jetzt in der ÖBB oder bei den ganzen Infrastrukturbeteiligungen der Republik so stark auf Personen mit irgendwie grünem Background oder mit NGO-Hintergrund zurückgegriffen hätte. Das waren andere Persönlichkeiten als jetzt, je nach sozusagen Nähe auch zu den ideologischen Weltanschauungen, politischen Parteien, handelnden Akteuren.

Wichtig ist, dass die Personen immer qualifiziert sind, das ist entscheidend. Und wichtig ist natürlich, dass auch die Endentscheidung immer von dem zuständigen Organ zu treffen ist. Das ist manchmal der Ministerrat, manchmal ist es ein Zusammenspiel – der Minister nominiert oder bringt ein, der Ministerrat entscheidet, der Bundespräsident unterschreibt. Manchmal ist es der Minister alleine. Es sind sozusagen unterschiedliche Entscheidungsstrukturen. Wichtig ist, die Endentscheidung – und somit aus meiner Sicht die Verantwortung – hat immer das jeweilige Organ, der jeweilige Entscheider, und Nominierungsrechte sind, wie geschildert, immer wieder in Koalitionen vereinbart.

Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Herr Bundeskanzler, ich darf den Blick auf ein anderes Thema lenken, auf das Thema Justiz, Justizdebatte. Wir hatten gestern Frau Bundesministerin Zadić hier und haben auch das Thema Justiz einigermaßen erörtert. Wie schätzen Sie als Bundeskanzler eigentlich die Arbeit der österreichischen Justiz ein?

Sebastian Kurz: Also - - Wo fange ich da an?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Herr Abgeordneter, könnten Sie die Frage ein bisschen anders formulieren? Einschätzungen, Wahrnehmungen sind das, was wir - -

Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Was haben Sie persönlich für Wahrnehmungen zur Arbeit der österreichischen Justiz, auch im Umfeld des Ausschusses? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Also, Herr Abgeordneter, ich glaube, um sozusagen einmal auf einer Metaebene zu beginnen: Ich halte es für ganz wesentlich, dass wir in unserer liberalen Demokratie unterschiedliche Gewalten haben, dass es eine klare Gewaltentrennung gibt. Ich glaube, es gibt auch kaum jemanden, der so dankbar sein kann wie ich, in einem liberalen Rechtsstaat, in einer Demokratie zu leben.

Ich bin 34, durfte mittlerweile zwei Mal von der Bevölkerung direkt gewählt werden, ins Parlament, mit den meisten Vorzugsstimmen, mit den meisten Wählerstimmen, durfte dadurch zahlreiche Aufgaben übernehmen. Das wäre nicht möglich, wenn ich nicht in einer liberalen Demokratie leben würde, als junger Mensch aus ganz normalen Verhältnissen so eine Verantwortung wahrnehmen zu dürfen. Also insofern: Sie können mir glauben, dass ich sehr dankbar bin dafür, dass ich in einem Land mit solch einer Struktur leben darf. Daher habe ich auch einen massiven Respekt vor allen Institutionen und vor unserem Rechtsstaat, vor unserer Demokratie, und da ist die Justiz eine ganz wesentliche Säule.

Was ich schade finde, ist, dass ich den Eindruck habe, dass die Justiz teilweise missbraucht wird. Und was ich schade finde, ist, dass ich den Eindruck habe, dass durch sozusagen das Sich-hinter-die-Justiz-Stellen und die Justiz-ständig-Verteidigen natürlich indirekt der Eindruck erweckt werden soll, als würden andere die Justiz pauschal attackieren, und das ist etwas, was ich in der Entwicklung für gefährlich erachte, denn auch von mir werden Sie keine pauschale Kritik an der Justiz hören. Wie sollte ich dazu kommen und warum? Ich hätte ja überhaupt keinen Grund dafür. Wir haben eine große Richterschaft in Österreich, die ich noch nie, soweit ich mich erinnern kann, irgendwann einmal kritisiert habe.

Wir haben - - Vielleicht hat man das eine oder andere Mal eine andere Auffassung zu einem Urteil oder sieht eine Entscheidung kritisch, aber das muss in einem Land ja wohl möglich sein, ein Urteil als zu hart oder zu soft oder vielleicht aus eigenem Empfinden als ungerecht zu empfinden, aber ich kenne von mir, soweit ich mich erinnern kann, keine pauschale Kritik an der Richterschaft. Auch was die Staatsanwaltschaft betrifft, wenn ich richtig informiert bin - -, aber ich glaube, der Verfahrensrichter wird das besser wissen. (In Richtung Verfahrensrichter): Wir haben 17 Staatsanwaltschaften, glaube ich, in Österreich. Ist das richtig? – 17 Staatsanwaltschaften: Ich kann mich nicht erinnern, diese in Summe kritisiert zu haben, sondern wenn ich Kritik übe, dann versuche ich das ganz bewusst nie pauschal zu machen, sondern ganz konkret. Vielleicht habe ich in meinem Fall, nach meiner Erinnerung, eine dieser 17 Staatsanwaltschaften kritisiert, und insofern würde ich schon einmal darauf Wert legen, dass man, wenn man es mit dem politischen Diskurs ehrlich meint, nicht ständig so tun sollte, als wäre die Justiz als Ganzes am Wanken, wenn jemand – egal ob ich das bin oder ein Abgeordneter oder ein Experte oder wer auch immer – eine einzelne Entscheidung, ein einzelnes Verhalten oder vielleicht eine Behörde kritisiert.

Ich glaube, es macht einen großen Unterschied, ob man eine Aktion, eine Aussage, eine Handlung, eine Person, eine Behörde oder alle Staatsanwaltschaften, die Gerichte und die ganze Justiz kritisiert. Dass in unserer medialen Debatte und auch im politischen Diskurs hier nicht unterschieden wird, das finde ich leider eigentlich schade, weil ich glaube, dass es unserem Staat und unseren Institutionen durchaus gut täte, wenn dieser Diskurs über einzelne Institutionen möglich wäre.

Ich denke da zum Beispiel auch an die katholische Kirche. Früher war es einmal so, dass es irgendwie eine Institution gegeben hat, die nicht kritisiert werden durfte: Ja, das war die katholische Kirche, also gerade auch in Kreisen, in denen ich mich teilweise bewege – manchmal auch konservativeren Kreisen –, hatte ich den Eindruck, die Kirche ist sozusagen sakrosankt, da darf es aus Sicht eines Gläubigen keine Kritik geben. All die Missbrauchsfälle zum Beispiel haben aufgezeigt, dass es sehr wohl wichtig ist, das, was dort stattgefunden hat, zu kritisieren. Man kann ein sehr guter Gläubiger sein, auch wenn man das ablehnt, das kritisiert, und das nicht vertuschen, sondern aufdecken möchte. Ich glaube, dass dieser Wandel, der da stattgefunden hat, dass so eine Kritik auch möglich ist, auch etwas Gutes ist.

Ich kann mich an einen Journalisten erinnern, der mir einmal angedeutet hat, dass Berichterstattung über Missbrauch irgendwann vor langer Zeit von manchen kritisch gesehen worden ist, also im Sinne von: So etwas soll man ja gar nicht schreiben. Solche Diskussionen gab es in anderen Ländern auch. Das hat sicher niemandem gut getan. Insofern glaube ich, es gibt einfach keine Institution, die sakrosankt ist. In einer liberalen Demokratie muss Kritik möglich sein. Ich sage dazu, es muss vielleicht die Kritik nicht immer so hart ausfallen, wie man als Bundeskanzler oder als Regierungsmitglied kritisiert wird. Es muss nicht zum Dauerbeschuss werden, so wie man das als Minister oder als Bundeskanzler aushalten muss, aber da und dort in der Sache Kritik zu üben, das, glaube ich, sollte durchaus möglich sein.

Wenn Sie mich da jetzt konkreter um meine Meinung fragen, dann würde ich sagen: Ja, ich sehe, dass die Art und Weise, wie hier vielleicht ein Zusammenspiel entsteht, das gar nicht von allen so gewünscht ist, problematisch ist. Was meine ich damit? – Es ist vielleicht in Ordnung, wenn eine Behörde Ermittlungen startet, weil ein Anfangsverdacht gegeben ist – kein Problem per se, heißt ja noch lange nicht, dass da etwas dran ist. Aber wenn sozusagen dieser Anfangsverdacht deshalb entsteht, weil politische Parteien möglichst viel Energie darauf investieren, möglichst gute Anzeigen zu schreiben, oder wenn versucht wird, sozusagen Wahres und Falsches so zu vermischen, dass ein Anfangsverdacht entsteht, wenn versucht wird, zu Dokumenten, die man hat, dann auch noch eine Aussage dazuzudichten, dass ein Anfangsverdacht entsteht, wenn es Personen gibt, die sich bei der WKStA als Zeugen melden und sagen, ja, sie können Auskunft darüber geben, Herr Kurz hätte sich auf einen Urlaub einladen lassen und hat dort und dort Urlaub gemacht, was vollkommen erfunden und falsch ist, nur mit dem Ziel, da irgendwie einen Anfangsverdacht zu konstruieren, dass man dann nachher wieder sagen kann: Ätsch, jetzt gibt es Ermittlungen, der ist in Wahrheit ein korrupter Politiker!, dann halte ich das für sehr problematisch.

Insofern würde ich sagen, zusammengefasst: Kritik gegenüber der Justiz halte ich, wenn sie pauschal gegen die ganze Justiz ist, für falsch. Ich finde es genauso falsch, wenn man versucht, Kritik an einzelnen Teilen der Justiz sofort abzuwehren und die Kritiker mundtot zu machen, indem man sagt, das sei pauschale Justizkritik. Das halte ich genauso für falsch. Zum Dritten halte ich das Zusammenspiel, das ich hier erlebe, ohne dass es vielleicht immer die Absicht aller Beteiligten ist, für höchst problematisch, sozusagen: Der eine schreibt die Anzeige, der Nächste macht die Ermittlung, und die Medien berichten dann darüber. Keiner von allen drei Beteiligten macht etwas falsch, weil jeder nur seinen Job macht, aber am Ende des Tages wird dauernd jemand mit Dreck beworfen und sozusagen etwas in die Welt gesetzt, was sich dann nachher als falsch herausstellt.

Gut fände ich, wenn bei all jenen, die beschuldigt werden, bei all jenen, denen etwas vorgeworfen wird, am Ende des Tages auch genauso ausführlich berichtet wird, wenn sich das als falsch herausgestellt hat. Das, glaube ich, wäre gegenüber diesen Personen nur gerecht.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Das betrifft ja auch ein bisschen Sie, nicht? Im Zuge dieses Ausschusses hat es dann ja auch eine mehr oder weniger politisch motivierte Anzeige gegeben, Sie hätten auf irgendeine Frage falsch ausgesagt. Wollen Sie dazu etwas sagen? Wie ist Ihre Sicht der Dinge?

Sebastian Kurz: Ich kann gerne ein paar allgemeine Worte dazu sagen. Ich bin letztes Jahr in diesem Ausschuss einvernommen worden, nach massiven Anstrengungen im Kampf gegen die Pandemie, wo meine Hauptaufgabe gerade die Krisenbewältigung war – rund um die Uhr tätig für diese Aufgabe –, zu einem Sachverhalt, der teilweise Jahre zurückliegt, und wie eingangs schon geschildert, dann auch noch zu Themen, die damals für mich ja überhaupt nicht zentral waren, sondern Themen, die damals schon nicht in meiner unmittelbaren Zuständigkeit und für mich in meiner persönlichen Wertigkeit einfach absolute Nebenschauplätze waren: alles Themen, für die man nicht gewählt wird, sondern die halt irgendwie auch stattfinden.

Ich kann mich an keinen Wahlkampf erinnern, wo es um Prikraf oder die Öbag oder sonst irgendetwas gegangen ist, sondern das waren immer andere Ziele, für die ich angetreten bin und für die ich auch gewählt wurde, und dementsprechend war mein Fokus in meiner Arbeit auch immer ganz woanders. Jahre später dann zu Nebenschauplätzen befragt zu werden, das ist keine einfache Situation. Ich habe letztes Mal versucht, nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten. Ich bin natürlich auch mit dem Vorsatz hingegangen, die Wahrheit zu sagen. Ich habe keine Zeit für eine endlos lange Vorbereitung gehabt, aber einer meiner Berater hat zu mir gesagt, das Wichtigste ist, keine Falschaussage machen, einfach die Wahrheit sagen, alles andere ist beim U-Ausschuss irrelevant. Also selbstverständlich bin ich mit dem Vorsatz hierhergekommen, die Wahrheit zu sagen.

Ich habe wahrscheinlich den Fehler gemacht, dass ich sehr schnell auf alle Fragen geantwortet habe, immer nach bestem Wissen und Gewissen, dass ich bei meiner Wortwahl vielleicht nicht immer zu 100 Prozent präzise war und dann Formulierungen, die vielleicht flapsig waren, jetzt anders oder zweideutig interpretiert werden. Das ist etwas, was mich nicht erfreut, was ich aber auch als alles andere als positiv für diese Institution empfinde, denn wozu wird das führen, wenn jeder, der als Auskunftsperson kommt, ständig damit rechnen muss, dass er danach sofort wegen Falschaussage angezeigt wird? Das wird dazu führen, dass Sie einen ständigen Schwund an Auskunftspersonen haben. Das heißt, dass immer mehr Auskunftspersonen einen guten Grund finden werden, nicht zu kommen. Es wird dazu führen, dass immer mehr versuchen werden, sich irgendwo, wo es geht, zu entschlagen, und es wird dazu führen, dass die Auskunftspersonen sich immer detaillierter vorbereiten oder mit Rechtsanwälten beraten, wie sie gewisse Formulierungen setzen.

Ja, natürlich, wenn man so wie ich eine SMS vorgelegt kriegt, die man selbst nicht erhalten hat, und dann darauf sagt: Keine Ahnung!, dann ist diese Formulierung vielleicht etwas flapsig, aber definitiv keine Falschaussage. Insofern möchte ich noch einmal festhalten, dass ich selbstverständlich immer mit dem Vorsatz hierhergekommen bin, die Wahrheit zu sagen. Was hätte ich denn auch davon, etwas anderes zu tun? Ich bitte aber um Verständnis, dass ich auch jetzt natürlich von meinem Recht Gebrauch mache und mich zu diesen Themengebieten entschlagen werde. Das ist sozusagen neben den Nachteilen, die eine Anzeige mit sich bringt, einer der Vorteile, die man dann hat. (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Vielleicht darf ich Sie trotzdem noch ein paar Erinnerungen zu den Ermittlungen in der Ibiza-Affäre abfragen. Es kreisen ja ständig medial auch gewisse Vorwürfe in der Gegend herum. Haben Sie Ihrer Erinnerung nach jemals illegale Informationen über den aktuellen Stand des Ibizaverfahrens von irgendjemandem verlangt?

Sebastian Kurz: Ich könnte mich nicht erinnern, dass ich da jemals irgendjemanden - - Ich wüsste ehrlich gesagt nicht einmal - - Wie war die Formulierung, illegalerweise, oder was?

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Ob Sie von irgendjemandem illegale Informationen über den aktuellen Stand des Ibizaverfahrens verlangt haben.

Sebastian Kurz: Sicherlich keine illegalen Handlungen gesetzt - - Wie Sie sich vorstellen können, ist das Thema ein interessantes, nicht nur für die Bevölkerung, sondern für alle politischen Akteure, und darum habe ich natürlich mit unzähligen Personen immer wieder Gespräche über deren Theorien und über deren Eindrücke beziehungsweise über deren Einschätzungen geführt. Ich kann mich an viele Gespräche erinnern, die ich mit Regierungskollegen geführt habe, wo wir darüber geplaudert haben: Wer könnte dahinterstecken? Stimmt die Theorie mit Gudenus, oder stimmt sie nicht? Wer sind die Drahtzieher? Wer sind diejenigen, die das finanziert haben? All das hat uns natürlich sehr lange interessiert. Ich gebe zu, dass mit entsprechendem Zeitverlauf jetzt auch das Interesse daran weniger geworden ist, aber ich habe sicher mit vielen Kolleginnen und Kollegen immer wieder Gespräche dazu geführt und mich dafür interessiert, was es da Neues gibt, welche Erkenntnisse es gibt. Das meiste bekommt man ja eigentlich aus den Medien mit. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es illegal sei, solche Gespräche zu führen.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Ganz konkret: Haben Sie zu den Ibizaermittlungen je mit Sektionschef Pilnacek oder Oberstaatsanwalt Fuchs gesprochen?

Sebastian Kurz: Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wann ich jemals mit Oberstaatsanwalt Fuchs gesprochen habe. Auch meine Kontakte mit Sektionschef Pilnacek waren sehr rar. Also ich könnte mich nicht erinnern, dass ich jemals irgendeine Information zu Ibiza erhalten hätte. Ob ich irgendwann einmal in einer Runde, wo jemand von denen dabei war - -, ob da irgendwann einmal Ibiza Thema war, das weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber ich kann es mir nicht vorstellen, dass, wenn da illegalerweise irgendwelche Informationen preisgegeben worden wären - - Ganz im Gegenteil, ich glaube, das Interessanteste dazu liest man in den Medien. Ich hätte nicht mitbekommen, dass es da bisher großartige Erkenntnisse gegeben hätte. Ich glaube, soweit ich informiert bin, tappt man da nach wie vor im Dunklen, was die Hintermänner betrifft.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Wissen Sie überhaupt selbst konkret, wer die Ermittlungen führt, oder sind Ihnen die Ermittler persönlich bekannt? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Wenn ich richtig informiert bin, glaube ich, ist das die Soko Tape und die WKStA.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Persönliche Bekanntschaften - - Genauer – wer das ist, wissen Sie nicht?

Sebastian Kurz: Ich weiß, dass einigen eine FP- -, eine gewisse Nähe zur ÖVP nachgesagt wird, aber ich könnte mich da an keine großen Begegnungen erinnern, um ehrlich zu sein.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Dann wechsle ich noch einmal das Thema. Aus diesem Untersuchungsausschuss heraus sind wieder zwei Themen gekommen, zum einen die Aufsichtsreform der Banken. Können Sie dem Ausschuss Ihre Wahrnehmung über die Aufsichtsreform der Banken, OeNB, FMA, schildern? Da wird immer ein bisschen so subkutan behauptet, es sei auf Druck von Bankenvertretern passiert. Können Sie dem Ausschuss Ihre Wahrnehmungen schildern? Was waren tatsächlich die Pläne? Warum hat man das gemacht, und was war die Idee? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson und liest in den Unterlagen.)  

Sebastian Kurz: Ja, Herr Abgeordneter, ich habe da, glaube ich, das letzte Mal auch schon dazu Stellung genommen. Also soweit ich mich erinnern kann, war das Ziel hier, dass man gewisse Doppelstrukturen vereinfacht oder sozusagen das System verbessert.

Da gab es ja auch den Vorwurf, ob es Kontakt hier mit Treichl gab. Ich habe hier letztes Mal schon geantwortet (aus den Unterlagen vorlesend): „Es kann leicht sein, dass es [...] einen Termin gegeben hat, aber ich weiß weder, wann, noch, wer da genau dabei war. Ich bin auch ehrlich gesagt bei diesem Schriftstück – anders als Sie anscheinend – überhaupt nicht überrascht. Herr Treichl ist Spartenobmann Banken, der hat neben seiner Erste Bank-Funktion noch eine Interessenvertretungsfunktion in der Wirtschaftskammer. Dass der im Austausch mit der Regierung zu bankenrelevanten Themen ist - -“, ist klar.

Also so habe ich das ehrlich gesagt wahrgenommen. Wenn es hier Kontakt gab, dann auf eine ganz natürliche Art und Weise. Dass es immer wieder Anregungen gibt, die an die Politik herangetragen werden, das ist nichts Ungewöhnliches, und so war es sicherlich auch bei diesem Reformvorhaben, das aber hauptverantwortlich ja nicht von mir geführt wurde.

Dann haben Sie noch zur Nationalbank gefragt: Hier gab es ja meines Wissens keine großen Reformen, sondern nur die Besetzungen, die stattgefunden haben. Da habe ich letztes Mal auch schon wahrheitsgemäß geantwortet (aus den Unterlagen vorlesend):Also grundsätzlich ist es so, dass die Besetzung des Generalrates meines Wissens ein Ministerratsbeschluss ist und die Besetzung des Direktoriums und des Gouverneurs ein sehr komplexer Prozess ist, wo zunächst einmal der Generalrat einen Vorschlag macht, dann der Finanzminister das in den Ministerrat einbringt, der Ministerrat einen Beschluss fasst und der Bundespräsident das dann auch noch unterschreiben muss.“ – Ja, das ist das Prozedere in der OeNB.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Ich wechsle noch einmal das Thema. Eines der wunderlichsten, wunderbarsten Themen in diesem Ausschuss, die fast staatstragend sind, ist, dass fünf Druckerfestplatten den Weg zur Firma Reisswolf gefunden haben und nicht die Firma Reisswolf den Weg zum Bundeskanzleramt gefunden hat. Ich meine die sogenannte Schredderaffäre.

Können Sie Ihre persönlichen Wahrnehmungen zu diesem Thema schildern? Ich bitte um Ihre Wahrnehmung zur sogenannten Schredderaffäre.

Sebastian Kurz: Ja, das empfinde ich in der Tat als einen der absurdesten Vorwürfe, die ich bisher in meiner politischen Tätigkeit erlebt habe. Daran kann ich mich wirklich noch relativ gut erinnern, und das werde ich, glaube ich, auch nicht vergessen. Vor allem auch der betroffene Mitarbeiter, der damals, glaube ich, Anfang, Mitte 20 war, wird das auch nicht vergessen. Der wird noch immer in gewissen sozialen Medien und anderswo als Schredder-Arno bezeichnet, teilweise auch von Abgeordneten so genannt.

Ich finde das ehrlich gesagt eigentlich höchst problematisch, wie da auf Personen losgegangen wird, die sich nicht entschieden haben, in der ersten Reihe der Politik zu stehen, sondern einfach in Mitarbeiterfunktionen tätig sind. Ich glaube, dass sich jede politische Partei auch einmal überlegen sollte, ob sie das für ihre eigenen Mitarbeiter gerne so hätte. Ich glaube, jeder, der in einem Ministerium oder im Parlament oder anderswo Verantwortung trägt, sollte sich die Frage stellen, ob er das für seine eigenen öffentlich Bediensteten gerne so hätte. Insofern finde ich es eigentlich hochproblematisch, wie diese Debatte gelaufen ist.

Klar ist: Der Mitarbeiter hat damals einen Fehler gemacht. Er hat eine Rechnung nicht bezahlt, er hat einen falschen Namen angegeben. Das ist alles bekannt. Dafür hat er sich auch entschuldigt, aber was danach gekommen ist, das hat, finde ich, mit dem Fehlverhalten überhaupt nichts mehr zu tun gehabt. Es ist ihm Beweismittelunterdrückung vorgeworfen worden. Die Polizei hat ihn abgeholt. Er ist mehrerer Straftaten beschuldigt worden. Andere Parteien haben behauptet, er hätte das Ibizavideo auf dieser Festplatte gehabt und hätte es schreddern lassen.

Also da meine ich, was ich vorher auch beschrieben habe: das teilweise problematische Zusammenspiel zwischen politischen Akteuren mit der Justiz. Ich glaube, damals war es Peter Pilz, der hier aktiv war, das irgendwie geschafft hat, es zustande zu bringen, dass aus dem Nichtbezahlen, aus dem Nichtbezahlen einer Rechnung von 100 Euro, wo jemand aber seine, glaube ich, wenn ich richtig informiert bin, seine Wohnadresse und seine E-Mail-Adresse und Handynummer und alles angegeben hat, aus dem Nichtbezahlen einer Rechnung von, wenn ich es richtig im Kopf habe, rund 100 Euro ein Skandal wird. Dass ein junger Mann von der Polizei abgeholt wird und dann monatelang wegen schwerer Straftaten wie Beweismittelunterdrückung und anderem als Beschuldigter geführt wird, das halte ich wirklich für skandalös.

Die Behauptungen haben sich alle als falsch herausgestellt, klarerweise, denn was hätte denn der junge Mitarbeiter das Ibizavideo schreddern sollen? Woher hätte er denn das haben sollen? Also all das ist ja wirklich absurdest gewesen. Aber ja, es hat gereicht, um einen jungen Menschen monatelang als Beschuldigten zu führen, einen extremen Aufwand auszulösen, ihn von der Polizei abholen zu lassen, und wochenlang darüber medial zu berichten.

Jetzt ist das schon Jahre her und es ist noch immer ein Thema. Also man sieht, wie diese Versuche der Skandalisierung funktionieren, und selbst wenn am Ende rauskommt, dass das alles erstunken und erlogen war, was ihm da vorgeworfen worden ist, dann ist das trotzdem nach wie vor Teil der politischen Debatte. Das ist eine Unkultur, die da eingerissen ist, die ich höchst bedenklich finde, und ich möchte einfach nur jeden ersuchen, der jetzt dasitzt und insgeheim schmunzelt und sich darüber freut, dass es dem jungen Mann so ergangen ist, kurz innezuhalten und sich zu überlegen, wie es wäre, wenn es dem eigenen Mitarbeiter so gehen würde, dem eigenen Bekannten, dem eigenen Parteikollegen oder dem eigenen öffentlich Bediensteten, wenn man in einer öffentlichen Funktion ist. Das ist für niemanden angenehm, und das ist aus meiner Sicht eine Zumutung. Es wird dazu führen, dass einfach immer weniger Menschen ein Interesse haben, in solchen Bereichen tätig zu sein. Es wird dazu führen, dass bei immer mehr Menschen die ständige Angst, irgendeinen Fehler zu machen, immer größer wird, und das ist, glaube ich, alles keine gute Entwicklung.

Ja, er hat etwas falsch gemacht, aber das, was daraus konstruiert wurde, das hat überhaupt nichts mit dem Fehler zu tun, den er begangen hat, und von der Dimension her passt das hinten und vorne nicht zusammen.

Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Vorwürfe falsch sind. Es sind auch alle Verfahren gegen ihn endlich eingestellt worden, und ich glaube, auch die skurrilsten Verschwörungstheoretiker können ja nicht mehr ernsthaft der Meinung sein, dass da das Ibizavideo drauf war und dass er das vernichtet hat.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Es gibt ja eine ganze Reihe parlamentarischer Anfragen auch zu diesen Themen.

Wie haben denn Ihre Amtsvorgänger das gehandhabt? Haben die auch Datenträger vernichtet?

Sebastian Kurz: Ja, also ich war sicher bei meinen Amtsvorgängern noch weniger eingebunden als in den eigenen Prozess.

Ich kann mich noch erinnern: Als wir das Büro verlassen mussten, war das ja kein geordneter, wohlüberlegter Prozess, auf den man sich jahrelang vorbereitet hat, sondern das ist so abgelaufen, dass es da von heute auf morgen im Raum gestanden ist, dass wir mit einem Misstrauensantrag als Regierung abgewählt werden.

In der Sekunde, wo man abgewählt wird, verliert man natürlich auch den Zugang zu den Büros und hat die Funktion nicht mehr inne. Das heißt, da ist eine kurze Phase, sich darauf vorzubereiten.

Ich kann mich erinnern, dass damals natürlich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versucht haben, den Fall einer Abwahl vorzubereiten, sprich Dinge, die ihnen privat gehören, mit nach Hause zu nehmen, Dinge, die sie an einen potenziellen Nachfolger, eine potenzielle Nachfolgerin übergeben müssen, bestmöglich irgendwie vorzubereiten, und das alles noch möglichst im Verborgenen und Leisen zu tun. Warum? – Weil ja natürlich überhaupt noch nicht klar war, dass der Misstrauensantrag angenommen wird.

Also ich glaube, dass das eine sehr schwierige Zeit für mein Team war, wo jeder einfach versucht hat, irgendwie da sein Bestmögliches in dieser Stresssituation zu machen, dass sicherlich nicht alles perfekt abgelaufen ist, wie das Schreddern, aber ich behaupte einmal, ohne dass jemand das irgendwie in böser Absicht getan hätte.

Was die Vernichtung von, ja, Druckerfestplatten und anderem betrifft, ist es ja so, dass das ein ganz normaler Vorgang ist. Also nach der Schredderdebatte, glaube ich, ist ja damals dann rausgekommen, dass auch Amtsvorgänger Christian Kern selbstverständlich hier einiges hat schreddern lassen. Das war ja irgendwie dann - - Die Debatte war ja dann an Absurdität nicht mehr zu überbieten: zuerst sich zu beschweren, dass geschreddert wird, und dann kommt heraus, dass das bei anderen natürlich genauso stattgefunden hat.

Ich glaube, dass ein ordentliches Vorgehen im Sinne von: Etwas, das aufbewahrt werden muss, kommt ins Staatsarchiv, etwas, das der Nachfolger braucht, wird dem übergeben und Dinge, die nicht relevant sind, oder persönliche Aufzeichnungen oder anderes werden vernichtet!, ein absolut normales Vorgehen ist. Auch das regelmäßige Vernichten von Druckerfestplatten oder anderem – ich bin kein IT-Experte, aber ich halte das für einen durchaus angebrachten Zugang, wenn man bedenkt, dass Datensicherheit ein immer wichtigeres Thema wird und wir ja mehr und mehr auch Erlebnisse haben, international, was es heißt, wenn Daten in falsche Hände geraten.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): War das nach Ihnen beziehungsweise auch vor Ihnen, bei Frau Dr. Bierlein, auch so? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Ich habe Sie jetzt nicht verstanden.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): War das bei Frau Dr. Bierlein auch so? Was ist da passiert, als Bundeskanzlerin Bierlein aus dem Amt geschieden ist?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Verfahrensrichter.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Herr Abgeordneter Fürlinger! Wir bewegen uns mit Ihren sehr allgemein gehaltenen Fragen manchmal schon außerhalb des Untersuchungsgegenstandes.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Ich respektiere Ihre Meinung und ziehe die Frage zurück.

Ist es mit dem Ausscheiden aus der türkis-blauen Regierung Ihrer Wahrnehmung nach auch im Bundesministerium für Inneres und im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten zum Schreddern von Datenträgern gekommen? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Also ich habe dazu jetzt keine Wahrnehmungen im Detail. Ich kann das, glaube ich, nicht beantworten. Da müsste man die zuständigen Minister fragen, aber mein Eindruck ist, nachdem ich jetzt doch über zehn Jahre, glaube ich, mittlerweile in der Regierung bin, dass das ein ganz normaler Vorgang ist, dass gewisse Dinge vernichtet werden, dass das, was relevant ist, veraktet wird, ins Staatsarchiv gebracht wird, Privates teilweise von den Mitarbeitern, wenn es ihnen privat gehört, auch wieder nach Hause mitgenommen wird. Das sind ganz normale Vorgänge.

Die meisten Büros verfügen meines Wissens nicht nur über Drucker, sondern viele auch über Schreddergeräte. Zumindest im öffentlichen Bereich, glaube ich, ist das stark verbreitet. Also das sind alles, glaube ich, keine ungewöhnlichen Vorgänge.

Was stimmt, Herr Abgeordneter, ist das Faktum, dass das unter einem falschen Namen stattgefunden hat und dass die Rechnung nicht bezahlt wurde, dass das nicht nur ungewöhnlich ist, sondern dass das auch ein Fehler war, der hier begangen wurde, aber ich möchte noch einmal festhalten, dass es meiner Meinung nach unredlich ist, wegen eines solchen Fehlers etwas anderes vorzuwerfen, das schlicht und ergreifend frei erfunden ist. Daher finde ich die Art und Weise, wie hier agiert wurde, problematisch.

Was genau in anderen Ressorts stattgefunden hat, wie das genau gehandhabt wird, das weiß ich nicht, aber generell glaube ich, dass das überall ungefähr ähnlich ist, also sprich manches wird veraktet, anderes wird vernichtet und manches wird an die Amtsnachfolger übergeben. Wie professionell die Übergaben erfolgen, das hängt meistens sehr stark davon ab, wie gut das Zusammenspiel ist, wie das persönlich ist. Also die Amtsübergabe von Christian Kern an mich, die war überschaubar ausführlich, würde ich mal sagen. Die Amtsübergabe dann von mir an Löger beziehungsweise Bierlein war sicherlich deutlich freundschaftlicher, beziehungsweise dann auch die Amtsübergabe von Kanzlerin Bierlein an mich war eine sehr freundschaftliche, wo man sich über den aktuellen Stand der Dinge ausgetauscht hat und den einen oder anderen Termin, der ansteht, den man dann übernimmt oder nicht übernimmt, besprochen hat. Auch die Büros haben sich da akkordiert.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Noch einmal ein Themenwechsel: Was sicher auf Sie zukommen wird, sind die Fragen, welche Telefone Sie verwenden.

Haben Sie ein Handy? Haben Sie einen Laptop? Können Sie uns schildern, welche technischen Hilfsmittel Sie haben?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Die Zeit ist aus.

Die Antwort, bitte.

Sebastian Kurz: Soll ich jetzt noch antworten oder nicht?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ja, die Antwort, natürlich!

Sebastian Kurz: Also ich habe ein Apple-Handy, das ich zum Telefonieren verwende, aber natürlich auch zum Schreiben von Nachrichten.

Ich habe darüber hinaus auch ein zweites Apple-Gerät, das ich in seltenen Fällen verwende. Wenn ich einmal ein paar Stunden frei haben möchte oder einmal einen Tag auf Urlaub bin und gleichzeitig aber für das Büro erreichbar sein muss, weil ich ja irgendwie 24 Stunden erreichbar sein muss, dann bin ich in Notfällen während dieser Freizeit oder während des Urlaubstags auf diesem Gerät erreichbar. Das verwende ich sonst eigentlich nicht, und das ist auch eine Nummer, die ausschließlich sozusagen meinem Büro, glaube ich, bekannt ist, damit ich für die greifbar bin, im Fall eines Urlaubs oder wenn irgendetwas sich ereignen würde, wo ich verfügbar sein muss.

Darüber hinaus arbeite ich mit einem I-Pad. Das ist das Gerät, das ich dann neben dem klassischen Handy verwende.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächsten Fragen stellt Abgeordneter Krainer.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Kurz! Willkommen im Untersuchungsausschuss betreffend die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung! Ich entnehme Medienberichten, dass Sie in Ihrer Befragung am 24. Juni unter Druck gesetzt wurden, permanent Unterstellungen, Untergriffe und Beschuldigungen vorgetragen wurden.

Ich darf Ihnen das Protokoll Ihrer Befragung vorlegen. Vielleicht wollen Sie die Gelegenheit wahrnehmen, uns im Protokoll zu zeigen, welche Stellen Sie meinen. (Die Auskunftsperson liest in dem ihr vorgelegten Schriftstück und berät sich mit ihrer Vertrauensperson. – Vorsitzender, Verfahrensrichter und Verfahrensanwalt beraten sich. – Die Auskunftsperson berät sich mit Vertrauensperson, Verfahrensrichter und Verfahrensanwalt. – Abg. Stögmüller: ... unterbrechen ...? – Abg. Matznetter – in Richtung der sich stehend miteinander unterhaltenden Abgeordneten Brandstätter und Tomaselli –: Stehung?)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Braucht die Auskunftsperson noch Zeit, sich zu beraten? Dann unterbreche ich für diese Dauer. – Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Sitzungsunterbrechung: 15.18 Uhr bis 15.20 Uhr.)

*****

15.20

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Sitzung wieder auf und darf dem Herrn Verfahrensrichter das Wort erteilen.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Herr Abgeordneter Krainer, die Frage ist, glaube ich, sehr schwer zu beantworten. Ich würde den Herrn Bundeskanzler ersuchen, sie dennoch zu beantworten, denn wenn man das Protokoll durchliest – und glauben Sie mir, ich habe mir in Vorbereitung dieser heutigen Anhörung auch das Protokoll noch einmal genau durchgelesen –, braucht man vier Stunden, und damit wäre wahrscheinlich unsere gesamte heutige Anhörungszeit vorbei. Das wäre, glaube ich, nicht Sinn und Zweck der heutigen Anhörung, daher meine ich, vielleicht könnten Sie das näher konkretisieren beziehungsweise könnte der Herr Kanzler aufgrund des Eindrucks, den er hat, doch das eine oder andere Momentum herausgreifen. Das würde ich vorschlagen, nur damit die Zeit nicht unnütz verstreicht.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler.

Sebastian Kurz: Ja, der geschätzte Herr Verfahrensrichter hat es eh schon angesprochen, also ich glaube, ich kann die 80 Seiten gerne lesen, ich weiß nur nicht, ob Sie glücklich damit sind, aber sozusagen auch auf das überblicksmäßige Hinschauen auf diese Seiten - - Und wenn ich mich an meine Wahrnehmung, wie das damals war, zurückerinnere, kann ich nur sagen, ist mein Eindruck, dass das nicht so zivilisiert abgelaufen ist, wie bisher die erste Zeit jetzt hier, sondern es gab, soweit ich das im Kopf habe und jetzt auch beim überblicksmäßigen Drüberschauen gesehen habe, sehr wohl viele Zwischenrufe, es gab immer wieder Suggestivfragen, es gab Geschäftsordnungsdebatten, aus meiner Sicht sehr viele Unterstellungen, was ich nicht nur als sehr unangenehm wahrgenommen habe, sondern was, ja, irgendwie anscheinend hier zwar dazugehört, aber aus meiner Sicht nicht Teil einer objektiven Befragung sein sollte.

Ich glaube, gerade was Sie (in Richtung Abg. Krainer) betrifft, erinnere ich mich noch an einige auch zynische Wortmeldungen oder zumindest Wortmeldungen, die ich so empfunden habe. Wenn Sie mich also nach meiner Wahrnehmung fragen, nach dem, wie ich mich erinnere – und jetzt auch nach dem überblicksmäßigen Blick auf diese 82 Seiten, die ich jetzt in den wenigen Minuten nicht vollständig lesen konnte –, so würde ich doch sagen, dass es all das, was ich gerade aufgezählt habe – Zwischenrufe, Untergriffe, auch eine emotionale Auseinandersetzung mit Abgeordnetem Brandstätter, Suggestivfragen, Geschäftsordnungsdebatten – gegeben hat.

Ich kann mich nur erinnern, ich war, soweit ich weiß, einmal bei einer Einvernahme als Zeuge bei der Staatsanwaltschaft: Das ist gänzlich anders abgelaufen. Wenn ich das also noch richtig im Kopf habe, war das eigentlich ein sehr angenehmes Gespräch, ein Gespräch, wo ich das Gefühl hatte, dass dort der Versuch gemacht worden ist, von mir sozusagen in einer ganz ruhigen, freundlichen Atmosphäre einen Inhalt zu erfragen, wo ich immer wieder bei den Fragestellungen das Gefühl hatte, da wird der Versuch gemacht, meine Erinnerung zu stützen oder mir zu helfen, um noch einmal in mich zu gehen.

Zwischendurch ist protokolliert worden, ich bin immer wieder bei der Protokollierung auch gefragt worden, ob die Formulierungen dem entsprechen, wie ich das wahrnehme. Wenn es Nachfragen gab, dann hatte ich immer den Eindruck, das sind einfach Nachfragen, um sozusagen da noch Details in Erfahrung bringen zu können, aber ich hatte nie das Gefühl, dass die Nachfragen irgendwie darauf abgezielt haben, mich da in eine - - irgendwie in einen Widerspruch zu verwickeln oder sonst irgendetwas. Es sind mir auch nicht willkürlich irgendwelche Dokumente, SMS oder sonstiges vorgelegt worden, sondern es war ein angenehmes, stressfreies Gespräch in einer sehr respektvollen Atmosphäre, ohne Zwischenrufe, ohne Unterstellungen, ohne irgendwie Schachtelsätze, ohne Geschäftsordnungsdebatten, ohne Zynismus, sondern sehr, sehr freundlich, wertschätzend, mit dem Ziel, irgendwie eine - - etwas Erlebtes gemeinsam rekapitulieren zu lassen. Und am Ende hatte ich die Möglichkeit, das Protokoll noch einmal in aller Ruhe durchzulesen, ich habe mich noch einmal mit den Staatsanwälten beraten, ob die Formulierungen eh dem entsprechen, was wir da gemeinsam erarbeitet haben – also: Das hat sich für mich wie ein gemeinsamer Erarbeitungsprozess angefühlt, und ich bin mir irgendwie wie ein Zeuge vorgekommen – als das war ich dort.

Und wie ich bei Ihnen als Auskunftsperson war, kann ich nur sagen – ich weiß nicht, ob das jetzt die Antwort ist, die Sie hören wollen, aber sie ist ehrlich –: Ich bin mir nicht wie ein Zeuge vorgekommen, sondern ich bin mir da irgendwie wie ein Schwerverbrecher vorgekommen, den Sie da jetzt überführen wollen – mit Aussagen, die ich höchst problematisch empfunden habe, und mit einer Atmosphäre, die ich zumindest für mich als höchst unangenehm wahrgenommen habe.

Ich weiß nicht, Sie können ja einmal andere fragen, die da herinnen sind, ob die ähnliche Wahrnehmungen haben, aber ich persönlich würde sagen, es war meiner Wahrnehmung nach – und auch überblicksmäßig, was ich da jetzt beim schnellen Durchblicken gesehen habe: Zwischenrufe, Suggestivfragen, Unterstellungen, Geschäftsordnungsdebatten – nicht so, wie ich mich an die Situation bei der Staatsanwaltschaft erinnere, die, zugegebenerweise zu einem anderen Thema, aber doch ganz, ganz anders war.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, ich will auch hoffen, dass es in einem Parlament, wo es um eine politische Verantwortung geht, etwas anders ist, als wenn es um strafrechtliche Sachen geht, wobei ich persönlich glaube, dass der Druck beim Strafrecht ein bisschen größer sein könnte oder wahrscheinlich in der Praxis größer ist.

Wenn Sie aber von der Atmosphäre sprechen, darf ich aus dem Amtsvermerk über Befragungssituationen im Untersuchungsausschuss bezüglich der Auskunftsperson Sebastian Kurz – hat noch keine Nummer – den Soundfile 4 vorhalten, denn dann können wir uns die Atmosphäre gleich anhören. – Bitte.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter, darf ich Sie bitten.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich habe die Frage nicht verstanden.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das ist ein Vorhalt aus dem vom Amtsvermerk über Befragungssituationen im Untersuchungsausschuss bezüglich der Auskunftsperson Sebastian Kurz. In der Beilage 2 gibt es dazu elektronische Dateien, und als Beispiel haben wir der PD den sogenannten Soundfile 4 übergeben, und das würde ich jetzt gerne vorhalten.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Sie meinen, wir sollten uns das anhören?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, weil wir dann auch gleich die Atmosphäre dabeihaben.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung, Abgeordneter Fürlinger.

*****

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Bitte, Herr Verfahrensrichter, vielleicht können Sie mir helfen: Es soll etwas vorgehalten werden, was nicht Akteninhalt ist oder was wir nicht haben. – Wer hat jetzt was? Ist es üblich, dass wir hier Audioaufzeichnungen hören? Wo sind die her? Stehen die allen Fraktionen zur Verfügung?

Ich hätte da gerne ein paar Antworten darauf, und ich glaube auch, dass es wenig sinnvoll ist und üblich ist, dass wir uns jetzt noch einmal Tonbandmitschnitte anhören. Das kann doch nicht Gegenstand dieser Befragung sein. Wenn ein Vorhalt sein soll, dann muss er auch konkret verbal ausgeführt und konkretisiert werden können, aber meiner Meinung nach keinesfalls darin bestehen, dass wir uns jetzt minutenlang irgendwelche Aussageszenarien anhören, das ist doch etwas unüblich.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung sind die Kollegen Stocker, Hanger und Krainer gemeldet. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich habe mit den Fragestellungen des Kollegen Krainer in Hinblick auf die Verfahrensordnung schon seit seiner ersten Frage ein Problem, und zwar deshalb, weil sich die Frage auf Wahrnehmungen der Auskunftsperson zu seiner eigenen Aussage bezieht. Das ist nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses, das war auch nicht im Zeitraum des Untersuchungszeitraumes. Es ist meines Erachtens eine Frage zu einem Strafverfahren, das gegen die Auskunftsperson eingeleitet ist, und dieses Strafverfahren ist auch nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses. Ich frage mich wirklich, wieso diese Fragen in Hinblick auf § 41 der Verfahrensordnung zugelassen werden.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Hanger.

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich darf mich einmal den Ausführungen meiner Vorredner anschließen, möchte aber auch noch ganz allgemein festhalten: Wir fragen jetzt nach einer Atmosphäre, die im Untersuchungsausschuss geherrscht hat. Das ist ja schon eine ganz spezielle Frage. Ich halte aber schon ganz ausdrücklich fest: Ich weiß jetzt nicht, wie lange diese Tonbandaufnahme sein soll, die wir möglicherweise zu Gehör bekommen, aber um eine Atmosphäre umfassend beurteilen zu können, würde ich vorschlagen, wir hören uns halt die ganzen 4 Stunden an, denn nur dann ist ein sinnvolles Urteil möglich, alles andere ist ja absurd.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Jetzt kommt Herr Abgeordneter Krainer und dann Frau Abgeordnete Tomaselli.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich wollte nur darauf hinweisen, dass wir hier natürlich auch bereits Videosequenzen und so weiter vorhalten konnten, und das ist eine Audiosequenz. Das ist total üblich hier. Die Dauer, da geht es um circa 2 Minuten oder dergleichen – 3 Minuten höre ich gerade: Ich habe zwei Audiosequenzen beispielhaft ausgesucht. Ich kann versprechen, dass die Befragung von mir brutto kürzer als die der ÖVP dauern, und vielleicht auch ein bisschen spannender sein wird.

Ich ersuche, wenn es mehr als eine Wortmeldung pro Fraktion gibt, dass wir die Sitzung unterbrechen und eine Stehung machen, weil das der übliche Vorgang ist. (Zwischenruf der Abg. Tomaselli.) Wir hatten bereits drei Geschäftsordnungswortmeldungen der ÖVP, und ich ersuche deshalb, eine Stehung zu machen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Tomaselli und Abgeordneter Hafenecker.

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich wollte auch gar nicht inhaltlich darauf eingehen, sondern eher zum Ablauf, weil ich eben auch wahrgenommen habe, dass von der ÖVP gleich drei Geschäftsordnungsmeldungen hintereinander kamen, um im Grunde genommen das Gleiche zu sagen. Können wir das vielleicht so handhaben, dass wir dann wirklich eine Stehung machen, damit wir unsere doch wertvolle Fragezeit, die jetzt seitens einer Fraktion schon sehr ausgeweitet worden ist, auch nutzen können.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Kollege Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Wir haben jetzt der Schmierenkomödie der ÖVP über zwei Stunden zugeschaut. Es ist eines Untersuchungsausschusses unwürdig, wenn man solche Fragen stellt und einfach so einen netten Nachmittagsplausch macht. Ich dränge wirklich darauf, dass Herr Krainer jetzt sein Tondokument vorlegen kann, das meines Wissens nicht besonders lange dauert. Ich glaube nicht, dass wir jetzt eine Geschäftsordnungsdiskussion mit Mehrfachmeldungen der ÖVP brauchen, um da weiter Zeit zu verlieren.

Herr Vorsitzender, Sie sind vorhin nicht eingeschritten, als die ÖVP mit dem Herrn Bundeskanzler Pingpong gespielt hat. Das wäre Ihnen als Vorsitzenden zugestanden. Bitte schauen Sie jetzt, dass wir nicht weitere Verzögerungen aufreißen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Dann unterbreche ich zur Stehung. – Bitte.

*****

(Sitzungsunterbrechung: 15.32 Uhr bis 15.45 Uhr.)

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15.45

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder aufnehmen und bitte – wir haben uns diese Tonbandausschnitte angehört – sie abzuspielen. – Bitte. (Es wird ein Ausschnitt der Tonaufnahme der 7. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses abgespielt.)

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Jetzt kommt das File Nummer 9. (Es wird ein weiterer Ausschnitt der Tonaufnahme der 7. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses abgespielt.)

Waren das jetzt diese Stellen, wo es diese Unterstellungen gegeben hat und diese Beschuldigungen und falschen Vorhalte, oder haben wir die falschen ausgewählt?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung: Stocker.

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Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Jetzt sind wir genau bei dem Punkt, den wir in der Stehung schon besprochen haben. Herr Kollege Krainer fragt die Auskunftsperson nach Wahrnehmungen zu seiner Aussage. Diese Aussage ist zwar Inhalt eines Strafverfahrens, das gegen ihn eingeleitet wurde, aber dieses Strafverfahren ist nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses – und die Aussage: Nein. Auch die Aussage der Auskunftsperson, die hier vorgespielt wurde, liegt außerhalb des Untersuchungszeitraumes. Wenn Herr Kollege Krainer zwar meint, dass ein Aussageverweigerungsrecht bei Aussagedelikten nicht stattfindet, dann ist das richtig, aber es ist trotzdem noch notwendig, dass die Frage zum Untersuchungsgegenstand passt beziehungsweise darin Deckung findet und auch im Untersuchungszeitraum liegt.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter, bitte.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ja, ich sehe das auch so. Ich sehe, dass das Abspielen dieser Tonsequenz im Strafverfahren oder im kommenden oder im möglichen Strafverfahren – es ist ja noch nicht einmal ein Strafantrag da; es ist aber eine Anzeige genau zu diesem Thema, zu diesem zentralen Thema wegen falscher Beweisaussage da – durchaus relevant sein könnte. Es hat mit dem Untersuchungsgegenstand aber in meinen Augen nichts zu tun, sondern mag Relevanz für ein allfällig kommendes Strafverfahren haben. Daher meine ich, dass hier aus diesem Bereich keine Fragen zulässig sind, unabhängig davon, dass sich der Herr Bundeskanzler möglicherweise hierzu der Aussage entschlagen könnte. Als Beweis im Strafverfahren kann es durchaus herangezogen werden, hier als Grundlage für unsere politische Verantwortung hat das meines Erachtens nichts zu tun.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Hafenecker, zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Verfahrensrichter, aber im Zusammenhang mit diesem SMS, Stichwort „kriegst eh alles was du willst“, hat diese Aussage aus meiner Sicht schon Brisanz, weil diese Aussage oder dieser Chat auch zeigt, dass er nicht nur informiert, sondern bei dieser Bestellung massiv eingebunden war und selbst mitgewirkt hat; das jetzt nur nebenbei.

Zum Kollegen Stocker sei noch eines gesagt: Also wenn er sich darauf beruft, dass es sich hier nicht um den Untersuchungszeitraum handelt, dann stelle ich mir die Frage, was wir in den vergangenen Ausschüssen immer wieder diskutiert haben, als es um Ermittlungen zu Ibiza gegangen ist oder mögliche undichte Stellen in der Justiz oder sonst wo. Das sind natürlich alles Dinge, die nach unserer gemeinsamen Regierungszeit passiert sind, nichtsdestotrotz haben wir sie als zugehörig zu den Untersuchungsgegenständen empfunden und auch hier diskutiert. Also den zeitlichen Faktor vom Herrn Kollegen lasse ich absolut nicht gelten.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Fürlinger, zur Geschäftsordnung, und dann Krainer.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich kann und muss bedauerlicherweise dem sehr geschätzten Kollegen Hafenecker entgegentreten. Die Ausführungen von Stocker dazu, dass es sich um ein losgelöstes Verfahren, ein Strafverfahren, ein Ermittlungsverfahren gegen den Bundeskanzler handelt, sind unstrittig. Fragen zu diesem Strafverfahren, das aufgrund einer Tat, einer angeblich vermeintlichen Tat, die 2020, also Jahre außerhalb des Untersuchungszeitraums, begangen worden sein soll: Das ist schon einmal grundsätzlich der Zeitrahmen. Zweitens kann das niemals Gegenstand dieses Verfahrens sein, und drittens – und das muss man auch berücksichtigen –: Wenn hier Kollege Hafenecker die Rolle des Staatsanwaltes übernimmt und die Einvernahme über die Befragungssituation darstellen möchte, dann ist das so weit gefehlt nicht nur am Gegenstand vorbei, es widerspricht auch allen Grundsätzen des fairen Verfahrens. Es werden Entschlagungsrechte gegeben. Ich weiß eh, dass für die eine Seite die Menschenrechte nicht so gelten, aber ich mache sie für unsere Seite hier nachhaltig geltend.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ja, ich bin jetzt etwas irritiert, denn als die ÖVP – Kollege Fürlinger – genau zu diesem Thema befragt hat, hat die Auskunftsperson lang und episch Stellung genommen und das, was wir in Medienberichten schon gekannt haben, hier wiederholt. Ich frage jetzt einfach ganz konkret nach zu dem, was die Auskunftsperson auf eine Frage des Kollegen Fürlinger  gesagt hat, und habe jetzt zwei Audiofiles vorgehalten, die genau um dieses Thema gehen, und habe gefragt, ob das diese Situationen waren, wo er unter Druck gesetzt wurde, wo falsche Anschuldigungen gemacht wurden, wo zweideutige Fragen gestellt wurden, wo unterstellende Fragen gestellt worden sind. Die Auskunftsperson hat auf eine ÖVP-Frage breit und lange geantwortet. Die Frage genau zu diesem Thema wurde zugelassen. Ich verstehe nicht, wieso jetzt, nur weil von der SPÖ gefragt wird, hier eine andere Auffassung vertreten wird.

Ich bin wirklich der Meinung, dass wir, wenn es mehr als eine Geschäftsordnungsmeldung von einer Fraktion gibt, und wir hatten jetzt wieder drei von der ÖVP, eine Stehung machen. (Abg. Fürlinger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Fürlinger.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Kollege Krainer übersieht bei seinen Ausführungen, dass ich bereits eingangs meiner Frage die Auskunftsperson auch ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht habe, dass sie sich dazu entschlagen kann. Korrekt ist, dass die Auskunftsperson Bundeskanzler Kurz dann eine allgemeine Erklärung zu dieser Situation und seinen Wahrnehmungen aus dieser Sicht abgegeben hat, um am Schluss klar festzuhalten, dass er hinkünftig zu diesem Thema allerdings von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machen wird, das er jedenfalls hat, aber aus meiner Sicht gar nicht benötigt, weil wir hier nicht das Ermittlungsverfahren wegen § 288 StGB vom Mai 2020 als Untersuchungsgegenstand haben. Es ist ja geradezu absurd, das hier hineinzumixen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Frage, bitte. (Abg. Krainer hebt die Hand.) – Nächste Frage! Ich lasse die Frage nicht zu. Sie können die Geschäftsordnung wieder ein- - Wir machen nicht jedes Mal eine Stehung, bitte! Wenn Sie über die Geschäftsordnung diskutieren wollen, bitte.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Nein, ich glaube, dass Sie auch Ihre Entscheidung fürs Protokoll hier darlegen und begründen müssen, und das haben Sie, als ich mich zu Wort gemeldet habe, noch nicht getan.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich glaube, der Verfahrensrichter hat das sehr klar ausgeführt, und ich habe mich konkludent seinen Ausführungen angeschlossen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Dieser Satz hat bisher gefehlt.

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So, es reicht mir, ich muss jetzt die anderen Audiofiles eh nicht vorspielen, weil sie von der Stimmung her sehr ähnlich sind. Ich darf stattdessen Fragen stellen.

Kennen Sie Herrn Rothensteiner?

Sebastian Kurz: Ich habe akustisch nicht genau verstanden, was Sie gesagt haben.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kennen Sie Herrn Rothensteiner, Walter Rothensteiner?

Sebastian Kurz: Ja, den kenne ich.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Hatten Sie mit ihm regelmäßig Termine?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ob er regelmäßig Termine hat.

Sebastian Kurz: Ja, also ich kenne Walter Rothensteiner, würde ich sagen, zumindest seit Beginn meiner politischen Tätigkeit. Ich kann jetzt nicht genau sagen, in welchem Jahr das ist, aber ich würde sagen, ich kenne ihn mindestens geschätzt zehn Jahre, vielleicht ein bisschen länger, vielleicht ein bisschen kürzer. Ich glaube, dass ich in der Zeit immer wieder bei Veranstaltungen war, wo er auch anwesend war beziehungsweise wo er auch Gastgeber war, vor allem in seiner Funktion im Rahmen der Raiffeisen. Und ich kann mich erinnern, dass ich mit ihm immer wieder auch persönliche Termine hatte. Wir waren manchmal gemeinsam Mittagessen. Aber das, glaube ich, liegt, wenn ich es richtig im Kopf habe, Jahre zurück. Es ist der Kontakt dann sicherlich mit mehr und mehr Verantwortung in meiner politischen Tätigkeit und je nach Funktion bei mir eher weniger geworden; nicht irgendwie aus negativen Gründen, sondern eher aus Zeitmangel. Also ja, ich kenne ihn, hatte regelmäßig, soweit ich mich erinnern kann, immer wieder Kontakt mit ihm und auch Gespräche.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich darf ein Dokument vorhalten, zu dem ich leider keine Dokumentennummer habe, weil das direkt aus dem Datenraum ist. Das ist ein Auszug aus Ihrem Kalender von 5. März bis 11. März 2018. (Auskunftsperson und Vertrauensperson lesen in dem vorgelegten Schriftstück.)

Erste Frage: Erkennen Sie das als Ihren Kalender?

Sebastian Kurz: Also ich glaube, das kann sein, muss nicht sein, ich weiß es nicht. Ich habe normal bei meinem Kalender keine gelben Markierungen und ich drucke ihn mir normalerweise nicht aus, also ich weiß auch nicht, welche Termine ich im Jahr 2018 hatte, aber es könnte durchaus sein, ja.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Am 6. März haben Sie da einen Termin: „ME“ – Mittagessen – „Walter Rothensteiner / RBI“, und dann steht: „(VB MG)“. Das, nehme ich an, heißt Vorbereitung Markus Gstöttner, oder? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Es kann durchaus sein, ja.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Was haben Sie noch für Wahrnehmungen zu diesem Termin? Was waren die Inhalte des Gesprächs? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Herr Abgeordneter Krainer, ehrlich gesagt tue ich mir schwer, das nachzuvollziehen. Es ist, wenn ich das richtig vor Augen habe, ungefähr drei Jahre her, oder noch länger. Er hat anscheinend in der Woche Geburtstag gehabt, oder es schaut zumindest so aus, weil da irgendwann später, irgendwo am 7. März, steht: „Geburtstag von Walter Rothensteiner“; und am Samstag steht dann irgendetwas von einer Feier.

Ehrlich gesagt, tue ich mir daher schwer, zu sagen - - Ich hätte jetzt nicht einmal im Kopf gehabt, dass ich ihn getroffen habe. Drei Tage später, am Samstag, dem 10. März, steht da: Geburtstagsfeier „Walter Rothensteiner [...] (Wirtshaus Steirereck, Pogusch)“. An das könnte ich mich, ehrlich gesagt, noch erinnern, dass ich dort war. Ich weiß zwar nicht, dass das im Jahr 2018 war und dass es im März war, aber ich weiß, dass ich irgendwann einmal am Pogusch war zu einer Geburtstagsfeier von, ich glaube, Walter Rothensteiner. Also an das würde ich mich noch erinnern.

An ein Mittagessen mit ihm - - Ja, ich war immer wieder mit ihm mittagessen, es wundert mich ein bisschen, dass bei dem Mittagessen da steht – wo war das noch einmal? –, da steht dabei: „(Büro HBK)“. Das würde mich fast ein bisschen wundern, weil ich, wenn ich es richtig im Kopf habe, mit ihm immer in einer Pizzeria mittag- - – oder immer, aber nicht, dass Sie mich gleich wieder wegen Falschaussage anzeigen –, aber meistens war ich mit ihm in einer Pizzeria mittagessen, die er sehr schätzt, wenn ich mit ihm mittagessen war, glaube ich, soweit ich mich erinnern kann. Darum würde es mich ein bissel wundern: Warum „(Büro HBK)“? – Aber ja, falls das mein Kalender ist und so drinsteht, kann das schon sein, dass der Termin so stattgefunden hat. Vielleicht war es wegen seinem Geburtstag, vielleicht war es aus anderen Gründen.

Ich habe regelmäßig Kontakt mit Raiffeisen-Vertretern, also insofern überrascht es mich jetzt per se nicht, wenn sich in meinem Kalender ein Termin mit dem Walter Rothensteiner findet. Nachdem es über drei Jahre her ist, bitte um Entschuldigung, dass ich mir schwertue, da jetzt einzuordnen, was da das Thema gewesen sein könnte.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Könnte ja sein, dass Sie sich auch über Glücksspiel, Glücksspielgesetzgebung, Glücksspielsteuern unterhalten haben? (Die Vertrauensperson wendet sich an die Auskunftsperson.)

Sebastian Kurz: Das glaube ich, ehrlich gesagt, deshalb nicht, weil soweit ich mich zurückerinnern kann, habe ich Walter Rothensteiner immer in seiner Funktion in der Raiffeisenbank wahrgenommen, dass er da auch bei der Casinos eine Funktion hatte, war, glaube ich, sowohl für ihn als auch jedenfalls für mich ein absoluter Nebenschauplatz. Also wenn ich mit ihm gesprochen habe, dann haben wir meistens über die allgemeine politische Situation gesprochen, seine Einschätzungen, ich habe ihn manchmal um seine Meinung zu gewissen Themen gefragt, über Wirtschaftspolitik.

Wir haben immer wieder über die Raiffeisenbank gesprochen, Themen aus dem Bankensektor, Geldpolitik, andere Themen; also das waren meistens Gesprächsthemen, die ich mit ihm hatte. Ich will jetzt nicht ausschließen, ich weiß es nicht, aber es würde mich stark verwundern, weil ich mich, ehrlich gesagt, beim besten Willen nicht daran erinnern kann, dass er das erwähnt hätte, aber ich weiß es auch nicht, ja.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich darf das Dokument 77214 vorhalten. Das ist ein Screenshot eines E-Mails von Herrn Brünner an Herrn Schmid, ein Screenshot aus einem Chat zwischen Laure und Schmid: „HBK-Infos: Bankenabgabe / Glücksspiel“ – das ist vom 5. März, vom Tag davor – „Bitte um Aufbereitung und Übermittlung folgender Infos für HBK [...] Bankenabgabe [...]“ – und – „Besteuerung von Glückspiel Bitte jeweils max 3 Seiten. Ich brauche die Infos heute cob.“ – Closing of business heißt das, also bis zum Ende der Amtsstunden. (Auskunftsperson und Vertrauensperson lesen in dem vorgelegten Schriftstück.)

Wenn ich Ihnen das vorhalte, kann es sein, dass es am 6. März bei dem Termin um die Themen Bankenabgabe und Glücksspiel gegangen ist?

Sebastian Kurz: Darf ich Sie fragen, Herr Abgeordneter, ist das ein vollständiges Dokument, gibt es da noch weitere Seiten? Ich tue mir ein bisschen schwer, das einzuordnen. (Abg. Krainer hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung.

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Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Wenn ich Fragen von Auskunftspersonen beantworte, kann das nicht auf meine Fragezeit gehen. Das ist ein vollständiges Dokument. Das sehen Sie rechts oben, weil hier steht: „Seite 1 von 1“, und das wurde als Anhang am 5. März in einem Chat zwischen Schmid und Laure versendet, wie ich das ja eh eingangs erwähnt habe. Es ist aber ein vollkommenes Dokument, weil hier auch steht: „Seite 1 von 1“; mehr gibt es nicht.

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Sebastian Kurz: Haben Sie diesen Chat vielleicht auch, dass ich den auch sehen kann?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Nein – außerhalb der Fragezeit –, das ist bereits dieser Chat, also das ist einfach ein angehängter Screenshot von einem E-Mail.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Fürlinger, zur Geschäftsordnung.

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Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich habe nur eine kurze Frage: Bitte, woraus ergibt sich das Datum dieser Urkunde? Ich sehe es nicht.

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Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich höre gerade, wir haben das doch anders: 77198, 146, 147 von 210; da sieht man das, mit der Uhrzeit. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Da steht ja jetzt 27. Mai 2018 – oder gehe ich da falsch in der Annahme? – und nicht der 5.3.2018. Können Sie das nachvollziehen? (Vorsitzender und Verfahrensrichter beraten sich.)

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das eine ist ein Extraktionsdatum, das andere ist das Sendedatum. Das Sendedatum sehen Sie ganz unten – beziehungsweise ganz oben: 10.13 Uhr. (Die Auskunftsperson berät sich mit Vertrauensperson und Verfahrensanwalt.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Dieses Dokument ist offenbar am 27. Mai 2018 erstellt worden.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Nein, am 5. März 2018 um 10.13 Uhr.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Wo steht das? Würden Sie mir bitte helfen!

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Wenn Sie auf die Seite 146 schauen, dann steht da ja der Header „Author: Mag. Laure Melanie“ – Telefonnummer, Datum, Uhrzeit, Forensic-ID. Diese Chats haben immer ganz viele lange Nummern, das ist ja eine forensische Untersuchung. Dann haben Sie hier - -, das ist eine Forensic-ID und nicht das Datum: „Forensic-ID (latest)“, steht dort. Wenn Sie dann im Chatverlauf nachsehen, geht das am 5 März nahtlos mit der Antwort weiter: „Kann ich das verteilen?“ – „Ja bitte.“ – et cetera, et cetera. (Die Auskunftsperson liest in dem ihr vorgelegten Schriftstück und berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Das kann jetzt aber nicht auf die Fragezeit gehen, wenn ich Ihnen eine Einführung in forensische SMS-Analysen gebe.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Was ist das Datum: 27. Mai 2018?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das ist eine forensische ID-Nummer. Wir können das dann gerne in einem Privatissimum lösen. (Abg. Fürlinger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Kollege Fürlinger, zur Geschäftsordnung.

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Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Das mag alles eine forensische Auswertung sein: 27.5., aber der 5. März ist dort nirgendwo ersichtlich – wo sieht man das? (Abg. Krainer schüttelt den Kopf.)

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich meine, hey Leute, habt ihr euch noch nie diese Auswertungen genauer angeschaut?! – Da steht ganz am Anfang: „Author: Mag. Laure Melanie“, dann steht die Sendeuhrzeit, dann steht eine forensische ID der Nachricht selbst – das ist irgendein Datum in der Zukunft, nach dem Senden –, dann wird hier genau beschrieben, worum es geht. Dann hat man diese zwei Additional Attachement Files noch einmal gescreenshotet und dann geht es wieder genauso mit 5. März weiter im SMS-Verlauf. Das sind forensische ID-Daten, nicht zu verwechseln mit der Sendeuhrzeit. Ich meine, die haben wir doch schon seit Monaten da, bei jeder Chatnachricht haben wir das. (Abg. Fürlinger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Fürlinger, zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich lasse mich ja eh gerne von allen, die so viel wissen, über alles belehren – nur der Anhang ist undatiert. Das ist, glaube ich, schon ein relativ entscheidender Punkt. Mich hätte interessiert, wann der Anhang verfasst worden ist. Das ist alles.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Das sehen Sie auch in dem Anhang, den ich vorhin ausgeteilt habe. Das ist ein E-Mail, das um 9.52 Uhr heute – das ist dann eben der 5. März – gescreenshotet wurde. Der Screenshot wurde in eine Whatsapp-Gruppe eingefügt, am 5. März um 10.13 Uhr verschickt. Das heißt, dieser Screenshot wird irgendwann zwischen 9.52 Uhr und 10.13 Uhr erstellt worden sein.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Auf dem Anhang ist trotzdem kein Datum oben. Da steht 9.52 Uhr, aber Datum ist keines oben.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Können wir jetzt bitte weitermachen? – Ich mache jetzt für Kollegen Fürlinger keine Einführung mehr, wie man forensische Chatanalysen liest. Das machen wir hier seit Monaten, und wenn er noch nicht weiß, wie das geht, dann soll er sich bitte im Klub einschulen lassen. Ich hätte gerne eine Antwort auf meine Frage. (Abg. Fürlinger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Fürlinger, zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): In tiefem Respekt vor dem umfassenden Wissen des Kollegen Krainer möchte ich ihn trotzdem ersuchen, korrekte Vorhalte an die Auskunftsperson zu machen. Wenn kein Datum draufsteht, glaube ich, ist es schwer vorhaltbar.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich bin auch kein Techniker. Die Mails, die hier vorhanden sind, haben aber das Datum 5. März 2018. Der Screenshot ist meinem Dafürhalten nach natürlich wesentlich später, nämlich am 27.5.2018, gemacht worden. Auf der maßgeblichen Urkunde – Bernd Brünner an Thomas Schmid – steht überhaupt kein Datum. Es ist also nicht auszuschließen, dass das auch am 8.5. gewesen sein könnte, weil sich aus dem Chatverkehr durchaus ein Bezug ergibt. Hundertprozentig kann ich das aber auch nicht erkennen.

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Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kann ich eine Antwort auf meine Frage haben, bitte? (Vorsitzender und Verfahrensrichter beraten sich.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Wiederholen Sie – außerhalb Ihrer Fragezeit – die Frage noch einmal!

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kann es sein, dass es bei diesem Termin mit Herrn Rothensteiner am 6. März um die Themen Bankenabgabe und Besteuerung von Glücksspiel gegangen ist? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Herr Abgeordneter Krainer, ich habe vorher, glaube ich, schon ausgeführt, dass ich immer wieder mit Walter Rothensteiner Kontakt hatte – bei unterschiedlichen Veranstaltungen, aber auch Gesprächen –, dass da auch Mittagstermine dabei waren. Ich habe ausgeführt, dass das unregelmäßig war, und ich habe ausgeführt, dass ich mich beim besten Willen jetzt nicht im Detail daran erinnern kann, ob ich ihn vor dreieineinhalb Jahren zu einem Mittagstermin getroffen habe. Ich bitte um Verständnis, dass, wenn ich sage, dass ich mich nicht erinnern kann, ob ich ihn vor dreieineinhalb Jahren zum Mittagessen getroffen habe - -, dann bitte ich um Verständnis, dass ich mir schwer tue, da jetzt zu mutmaßen, worüber da gesprochen wurde.

Ich habe Ihnen wahrheitsgemäß geschildert, worum es meistens in unseren Gesprächen ging. Wenn ich nicht einmal weiß, ob es den Termin gab - - Ich meine, wenn Sie mir da einen Kalender vorlegen, der so ausschaut, als könnte er meiner sein – er ist zwar in den Farben und in der Darstellung irgendwie anders, als ich das gewohnt bin – - - aber ich sage jetzt einmal, wenn ich mir die Termine so anschaue, dann kann ich mir vorstellen, dass das meine Termine sind; dann würde es mich irgendwie nicht überraschen, wenn es da einen Termin gab. Also okay, wenn Sie das vorlegen, ich glaube es Ihnen, dass es da ein Mittagessen mit Walter Rothensteiner gegeben haben könnte. Nachdem ich aber nicht einmal auswendig weiß, dass es war, weil es dreieineinhalb Jahre her ist, bitte ich doch um ein Mindestmaß an Verständnis, dass es mir (Heiterkeit der Auskunftsperson) irgendwie schwerfallen würde, da jetzt auszuführen, worum es bei dem Termin ging. Ich könnte nur mutmaßen und raten, und das will ich eigentlich nicht.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das Schwierige ist, dass wir erst seit einer Woche Ihren Kalender haben und es sehr viel Zeit braucht, den aufzuarbeiten und mit anderen Daten zu verquicken, um überhaupt herauszukriegen – wenn Sie es nicht mehr wissen –, was Sie getan haben – vor allem weil ja die anderen Unterlagen, wie die HBK-Info für diesen Tag, geschreddert wurden und dem Ausschuss nicht vorliegen.

Ich darf das Dokument 77027 vorlegen. Das sind die berühmten Kirchenchats. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt. – Abg. Stocker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Stocker, zur Geschäftsordnung.

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Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): In Erwartung der Frage, die sich dann auf diese Chats bezieht, würde ich, wie ich schon eingangs dieser Sitzung gesagt habe, den Herr Verfahrensrichter noch einmal ersuchen, sich dazu äußern, ob diese Kirchenchats mit dem Untersuchungsgegenstand zusammenhängen. Ich bringe sie nicht in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter, bitte.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Darf ich Herrn Abgeordneten Krainer darum ersuchen, den Zusammenhang herzustellen?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr gerne. Ich verweise auf das Urteil der parlamentarischen Schiedskommission, die das – weil die Frage von Herrn Sobotka einmal abgelehnt wurde – ausdrücklich als rechtswidrig bezeichnet hat. Wir haben sie dann noch einmal später gestellt und sie wurde zugelassen. Bei der Auskunftsperson Blümel haben wir diese Entscheidung schon in den Büchern gehabt, insofern, dass das Thema ist. Ich habe es damals lang und breit erklärt, und ich glaube, wir müssen das jetzt nicht noch einmal herleiten. – Oder muss ich das?

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich brauche einen Moment. Ich kenne die Entscheidung der Schiedsstelle, ich habe sie aber nicht mehr so im Kopf, dass ich sofort sagen kann, dass es diese Passage war. (Abg. Hanger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Das waren formale Entscheidungen.

Herr Abgeordneter Hanger, zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Der Verfahrensrichter hat Herrn Abgeordneten Krainer gebeten, den Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand herzustellen – ich finde, das war eine sehr faire Vorgangsweise –, und Herr Abgeordneter Krainer erzählt irgendetwas von einem Chat und einer Schiedsstelle. Das mag sein, das mag nicht sein, aber es - - Bitte erläutern Sie einfach den Zusammenhang! – Dann wird es der Verfahrensrichter beurteilen. Irgendwie herumzureden und gar nicht auf die Frage, die der Herr Verfahrensrichter stellt, einzugehen, finde ich eine ein bisschen ungewöhnliche Vorgangsweise.

Die Schiedsstelle hat übrigens – ich kriege gerade die Information, weil wir das recherchiert haben: das ist wieder ein typischer Vorhalt, den Herr Krainer halt permanent macht – über diese Frage nicht befunden. Das ist wieder diese typische Methode, mit der Abgeordneter Krainer permanent arbeitet. Die weise ich wirklich aufs Schärfste zurück! (Abg. Hafenecker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich bin froh, Kollegen Hanger zu hören. Ich habe schon geglaubt, er hat das gleiche Schicksal wie Kollege Gerstl erlitten und ist gar nicht mehr Fraktionsführer. Er dürfte aber offenbar noch da sein.

Nichtsdestotrotz verweise ich auch darauf, dass wir dieses Thema im Untersuchungsausschuss bereits hatten und es keine Diskussion darüber gab, ob wir darüber reden dürfen oder nicht. Alles andere halte ich einmal mehr für ein Störfeuer der ÖVP im Zuge von Geschäftsordnungsmeldungen.

Herr Vorsitzender, Sie haben heute schon sehr viele Augen zugedrückt und gerade von der ÖVP sehr viel zugelassen. Bitte schauen Sie, dass wir jetzt auch mit der Befragung zügig vorankommen! Es ist momentan nämlich zu befürchten, dass nicht einmal alle Fraktionen in der ersten Runde drankommen werden, wenn es so weitergeht. (Abg. Krainer hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Krainer, bitte.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Wir haben das bei der Auskunftsperson Blümel ausführlich dargelegt. Ich kann das gerne noch einmal machen: Untersuchungsgegenstand – relativ einfach – Punkt c): „Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art. 10 Abs. 1 Z 1, 4-6 und 8-12.“ Wenn Sie Art. 10 Abs. 1 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes lesen, steht dort: „Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben“. Das heißt, es wurde hier immer dargelegt, dass es darum gegangen ist, im Zuge der Steuerreform oder in Vorbereitung der Steuerreform Gespräche zu führen. Eine Steuerreform ist wohl zweifellos ein Gesetz, das öffentliche Abgaben und die Bundesfinanzen betrifft und deswegen in Art. 10 Abs. 1 Z 4 enthalten ist. Das steht im Untersuchungsgegenstand in Punkt c).

Wir haben das bei Herrn Blümel ausführlich dargestellt. Damals hat Herr Sobotka beim ersten Mal die Frage nicht zugelassen – ohne sich noch mit dem Verfahrensrichter zu beraten. Das hat die parlamentarische Schiedsstelle als rechtswidrig bezeichnet, später wurde eine ähnliche Frage zugelassen – nach der Beratung mit dem Verfahrensrichter. (Abg. Stocker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Stocker, zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Meines Erachtens ist durch die Ausführungen des Kollegen Krainer der Zusammenhang bei Weitem nicht hergestellt. Nicht jedes Steuergesetz ist eine Steuerreform, und das, was er hier angesprochen hat, war eine Gesamtreform des Steuerrechtes. Es ist in keiner Weise gesagt, dass das, was hier in den Chats besprochen wird, Bestandteil dieser Steuerreform wäre. Nur weil es um Steuern geht, zu behaupten, dass es sich auf die Steuerreform bezieht, ist nicht ausreichend.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Information des Präsidiums: Es ist zur Blümel-Befragung nicht zugelassen worden. Es stimmt auch nicht, dass die Schiedsstelle sich inhaltlich damit auseinandergesetzt hat, sondern sie hat gesagt, diese „als unzulässig zu bewerten“ – nicht als ungesetzlich, sondern unzulässig! – „wäre, mangels Beratung mit dem Verfahrensrichter, nicht rechtmäßig. Es besteht aber keine Beschwer, da die Frage in Folge sinngleich zugelassen und beantwortet wurde“– und zwar in meiner Befragung.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Weil sie nachher zugelassen wurde – nach der Beratung, später in der Befragung wurde diese Frage zugelassen. Also wieso sollen wir sie jetzt nicht zulassen?

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Sie haben, glaube ich, damals argumentiert, Herr Abgeordneter Krainer, die Gegenleistung für dieses Steuerprivileg sei gewesen, dass jemand eine Kritik unterlässt. Ist das richtig?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Nein, ich muss das ja gar nicht so darstellen. Ich verweise auf den Untersuchungsgegenstand Punkt c): „Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art. 10 Abs. 1 Z 4“ Bundes-Verfassungsgesetz. Das ist hier enthalten. Da geht es um alle Finanzgesetze und alles, was mit öffentlichen Abgaben zu tun hat.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Das war einmal nicht zugelassen und einmal zugelassen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Die Vorbereitung dafür – und das steht auch ausdrücklich in den Chats drin, dass es darum geht.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Es war einmal zugelassen und einmal nicht zugelassen – durch die Entscheidung des Verfahrensrichters.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich bitte Sie daher jetzt, einmal die Frage zu stellen. Bisher haben wir, glaube ich, noch keine konkrete Frage dazu gehört.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich habe auch noch keine Frage gestellt. Ich habe das nur einmal vorgelegt.

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Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ja, und der Herr Verfahrensrichter hat gebeten, die Frage zu stellen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ach so, das heißt, ich kann jetzt weitermachen?! – Super.

Herr Schmid schreibt Ihnen, dass es diesen Termin gibt. Haben Sie Wahrnehmungen dazu, dass ein paar Tage davor das BMF vom Bundeskanzleramt aufgefordert wurde, alle Steuerprivilegien der Religionsgemeinschaften darzustellen? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Herr Abgeordneter, wären Sie bitte so nett, die Frage noch einmal zu wiederholen!

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich kann auch gleich das Dokument 92396 dazu vorlegen. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Ich wiederhole die Frage: Haben Sie Wahrnehmungen dazu, dass das Bundeskanzleramt wenige Tage vor diesem Termin – der da war am 13. März –, nämlich am 5. März - - Entschuldigung, am 4. März das Finanzministerium aufgefordert hat, eine Auflistung „aller steuerlichen Begünstigungen in Zusammenhang mit Religionsgemeinschaften“ zu erstellen? (Abg. Stocker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Stocker, zur Geschäftsordnung.

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Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Aus meiner Sicht ist der Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand nach wie vor nicht hergestellt. Ich darf wörtlich zitieren: „Untersuchungsgegenstand ist die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder“ – und so weiter.

Das heißt, es geht hier um das Gewähren von ungebührlichen Vorteilen, und dieser Chat bezieht sich, soweit ich ihn im Kopf habe, nicht auf das Gewähren von Vorteilen. Das heißt, diese Frage steht nicht im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand.

*****

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Können Sie den Zusammenhang herstellen? Ein ungebührlicher Vorteil könnte natürlich auch eine steuerliche Begünstigung sein, so haben Sie damals argumentiert, und ich habe in Erinnerung, dass die Gegenleistung dafür gewesen wäre, dass dafür keine kritischen Äußerungen geleistet werden, von wem auch immer.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Zum Beispiel, ja.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Diese Frage kann ich nicht zulassen. (Abg. Hafenecker: Zur Geschäftsordnung!)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich schließe mich dem an.

Stellen Sie die nächste Frage.

*****

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich würde um eine Sitzungsunterbrechung und eine Stehung ersuchen, weil ich hinterfragen will, wie hier über die Zulässigkeit von Fragen entschieden wird. (Abg. Hafenecker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung, Herr Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Auch ich würde um eine Stehung ersuchen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich halte fest, dass diese Frage vom Verfahrensrichter nicht zugelassen wurde, ich mich der Meinung angeschlossen habe und die Stehung ein anderes Thema hat. Bitte sehr, machen wir eine Stehung! Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Sitzungsunterbrechung: 16.32 Uhr bis 16.42 Uhr.)

*****

16.42

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Darf ich den Herrn Verfahrensrichter um seine Einschätzung bitten?

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, dass ich nicht sofort mit allen Argumenten aufwarten konnte. Wir haben das jetzt verifiziert: Bei Blümel wurde diese Frage zugelassen. Glauben Sie mir, es liegt mir wirklich viel daran, alle Parteien und alle Fraktionen hier gleich zu behandeln, und da das bei Blümel zugelassen worden ist, stehe ich natürlich nicht an, diese Frage auch hier im Verfahren zuzulassen, und würde dem Herrn Vorsitzenden empfehlen, diese Frage doch – entgegen meiner ersten Antwort – zuzulassen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Dann müssen wir im Protokoll festhalten, dass vergleichbare Fragen an Blümel, als er als Auskunftsperson da war, in Teilen – ich kenne das Protokoll zu wenig genau – zugelassen waren, und daher schließe ich mich der Meinung des Herrn Verfahrensrichters an, der sich das jetzt angesehen hat, und bitte um die Frage.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich kann die Frage im Zusammenhang mit der Vorlage des E-Mails gerne wiederholen: Haben Sie Wahrnehmungen, dass das Bundeskanzleramt am 4. März 2019 das Bundesministerium für Finanzen ersucht hat, eine Liste aller Steuerprivilegien von Religionsgemeinschaften zu erstellen? (Die Auskunftsperson liest in den Unterlagen und berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Herr Abgeordneter, darf ich zunächst nachfragen: Sie haben heute medial eine Anzeige gegen mich in den Raum gestellt, ich glaube wegen Erpressung und Nötigung und anderem. Was ist das genau für eine Anzeige, und was werfen Sie oder andere mir da vor?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Außerhalb meiner Fragezeit: Ich habe nur Gerüchte gehört, dass es eine anonyme Anzeige gegen Sie gibt, in Verbindung mit dem Gerücht, dass das ein gewisser A. H. gewesen wäre – ich muss gleich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Kollege Andreas Hanger unter Protest von sich weist, dass er irgendetwas mit dieser anonymen Anzeige zu tun hätte –, dass es angeblich eine anonyme Anzeige gegen Sie wegen Erpressung und Nötigung der römisch-katholischen Kirche gibt. Mehr kann ich Ihnen aber auch nicht sagen, die Parlamentsdirektion hat das irgendwann erhoben. (Die Vertrauensperson wendet sich an die Auskunftsperson. – Abg. Hanger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung: Abgeordneter Hanger.

*****

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte nur bestätigen, was Herr Abgeordneter Krainer gesagt hat, dass ich das natürlich zurückgewiesen habe. Ich habe aber auch noch ergänzt, dass das letztklassige Methoden des Abgeordneten Krainer sind, wie er hier herinnen agiert. (Die Abgeordneten Stocker und Hafenecker heben die Hand.)

*****

Sebastian Kurz: Darf ich nachfragen: Herr Abgeordneter Krainer, Sie meinen ernsthaft, dass mich Abgeordneter Hanger wegen Erpressung und Nötigung angezeigt hat? Ist das - - (Abg. Tomaselli: Herr Vorsitzender, Pardon, ich glaube, es ist der Verfahrens- -!)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Moment, zur Geschäftsordnung ist jetzt zuerst Abgeordneter Stocker zu Wort gemeldet, dann Abgeordneter Hafenecker, dann sind Sie dran. Der Herr Bundeskanzler ist jetzt nicht dran. – Bitte.

*****

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Geschäftsordnung: Wir nehmen einmal zur Kenntnis, dass Kollege Krainer glaubt, dass eine anonyme Anzeige mit den Initialen A. H. erstattet wurde, und – Überraschung! –, anonym, das ist Andreas Hanger. – Also bitte, das ist so hanebüchen, das ist wirklich unglaublich. Wenn es diese Anzeige aber gibt – und dem sollte man schon nachgehen –, dann ist natürlich ein Aussageverweigerungsrecht verwirklicht, denn wenn ein Verfahren im Zusammenhang mit der katholischen Kirche anhängig ist, muss man schauen, in welchem Stadium, aber selbst wenn nur eine Anzeige erstattet wurde, besteht die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung bei einer möglichen Antwort, und daher glaube ich, dass hier ein Aussageverweigerungsgrund vorliegt. (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Wir haben diese Information offiziell vom Justizministerium und geben sie dem Herrn Bundeskanzler. – Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Wie immer: Noch einmal meine Bitte, Herr Vorsitzender, Ihren Vorsitz insofern wahrzunehmen, als dass man die strategischen Pläne der ÖVP nicht ständig zulässt. Die melden sich alle nach der Reihe immer für GO-Debatten zu Wort. Mein Wunsch, den ich schon mehrfach deponiert habe - - (Zwischenruf des Abg. Hanger.) – Herr Kollege Hanger, bitte wieder ein bisschen runter vom Gas. Wenn es Wortmeldungen zur Geschäftsordnung von mehr als einer Fraktion gibt, dann bitte eine Stehung zu machen, damit das nicht auf die Gesamtredezeit geht. Noch einmal: Das ist meine eindringliche Bitte, Herr Präsident, weil einfach abzusehen ist, dass nicht einmal mehr alle Fraktionen drankommen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich hätte auch nur eine Bitte zum Ablauf, Herr Vorsitzender, dass Sie darauf achtgeben: Es ist ja in der Verfahrensordnung nicht vorgesehen, dass die Auskunftsperson Rückfragen stellt, glaube ich, sondern die Frage ist gestellt worden, sie ist zugelassen worden, und dann wäre, glaube ich, eine Antwort angebracht, allenfalls eine Entschlagung, einfach sagen: Ich möchte mich entschlagen, deshalb!, so wie wir es bisher auch gehandhabt haben.

*****

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Bundeskanzler um die Beantwortung ersuchen.

Sebastian Kurz: Na ja, nachdem ich in meiner Antwort ja Gott sei Dank frei bin, würde ich schon noch einmal gerne dazusagen, dass ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen kann, dass mich Abgeordneter Hanger anzeigt, und dass ich irgendwie Unterstellungen dieser Art und Weise doch für mehr als absurd erachte, egal ob sie jetzt da herinnen oder in der Öffentlichkeit getätigt werden.

Mir ist da jetzt gerade ein Dokument vorgelegt worden, dass ich angeblich wegen Erpressung und Nötigung angezeigt bin. Ich halte diesen Vorwurf für absurd, aber natürlich: Wenn es diese Anzeige schon gibt, nehme ich mein Recht wahr und entschlage mich.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich sehe dieses Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 29. Juni heute auch zum ersten Mal, und aus dem geht hervor, dass Herr Bundeskanzler Kurz wegen versuchter Nötigung beziehungsweise Erpressung in Bezug auf Vertreter der katholischen Kirche durch Drohung mit Streichung von Steuerprivilegien im Jahr 2018 angezeigt wurde.

Das Thema passt genau zu dem Thema, das die Fragestellung des Herrn Abgeordneten Krainer betrifft, auch wenn man davon ausgeht, dass in dem Schreiben von A. H. nichts steht, sodass man es vielleicht als Juxanzeige bezeichnen könnte. Es steht in dem Schreiben des Ministeriums nichts. Es ist daher grundsätzlich einmal von der Seriosität dieser Auskunft auszugehen, und wenn es so sein sollte, dann müsste man die Entschlagung des Herrn Bundeskanzlers zur Kenntnis nehmen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Frage. (Abg. Krainer hebt die Hand.) – Bitte, zur Geschäftsordnung.

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Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich verweise auf die Aussageverweigerungsgründe gemäß der Verfahrensordnung des Untersuchungsausschusses. Da steht ausdrücklich drin, bloß der Umstand, dass die Auskunftsperson als Verdächtiger oder Beschuldigter in einem Strafverfahren geführt wird, stellt für sich genommen keinen Aussageverweigerungsgrund dar, sondern ist allenfalls bei der Glaubhaftmachung gemäß § 45 zu berücksichtigen.

Ich darf darauf hinweisen, dass die Auskunftsperson weder Verdächtiger noch Beschuldigter ist, sondern maximal Angezeigter.

Wir haben schon öfters diese Diskussion geführt, dass wir, wenn irgendeine Anzeige, die niemand kennt, bereits reicht und man nicht einmal irgendwelche Aussageverweigerungsgründe glaubhaft machen muss, eigentlich die Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss abschaffen, weil jede Auskunftsperson sich einfach eine Woche vorher wegen alles Möglichen anzeigen kann und dann hier sagen kann: Oh, ich bin angezeigt, und deswegen entschlage ich mich der Aussage!

Wenn man so vorgeht, dann kann man Untersuchungsausschüsse und Befragungen vor Untersuchungsausschüssen gleich einstellen.

Ich habe noch keinerlei Glaubhaftmachung – keinerlei Glaubhaftmachung! – der Auskunftsperson gehört, weder als Verdächtiger noch als Beschuldigter – und das sage ich ausdrücklich: selbst da reicht es nicht, selbst da kann es nur berücksichtigt werden –, sondern er ist maximal Angezeigter. (Abg. Fürlinger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Fürlinger, zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Die Debatten um Entschlagungsrechte sind die intensivsten in diesem Untersuchungsausschuss gewesen, meine Damen und Herren, aber das ändert nichts daran, dass die Menschenrechtskonvention über all unseren Regeln, auch über unserer Verfahrensordnung steht.

Ich habe bereits mehrfach angemerkt, dass ich glaube, dass diese Verfahrensordnung – das ist eine grundlegende Ausführung – mit dem Recht auf ein faires Verfahren und auf Schweigen, selbst Schweigen vor dem Richter, nicht in Einklang zu bringen ist. Das werden wir aber jetzt hier nicht ändern, diese grundlegende Änderung bringen wir nicht in einer solchen Sitzung zusammen.

Zum Zweiten ist es letztlich so, dass dieses unbestreitbare Grundrecht nach Artikel 6 MRK jeder hat, der in irgendein Verfahren hineingezogen wird. Wir haben hier genügend Auskunftspersonen gehabt, die weder einvernommen worden sind, noch tatsächlich wussten, wie der Ermittlungsstand ist und was ihnen genau vorgeworfen wird. Ich bin der tiefen inneren Überzeugung, dass jedes halbwegs neutrale Höchstgericht jede Beugestrafe in diesem Sinne aufheben würde, wenn man jemanden zwingt, sich unter das Regime von taxativ aufgezählten Entschlagungsgründen zu begeben.

Zudem merke ich an, dass gewisse Mitglieder dieses Hauses und des Ausschusses eine solche Entschlagung ja immer für die Feststellung nehmen: Ha, da wird er ja auch schuldig sein, wenn er sich hier auf die Ziffer 1 zum Beispiel beruft!, was ich im Übrigen auch als einen sehr negativen Usus sehe.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter, bitte.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ja, Herr Abgeordneter Krainer zeigt sicherlich ein eminentes Problem auf, nämlich: Es kann sich jeder, der nicht aussagen will, durch eine anonyme Anzeige einige Tage vorher der Entschlagung bedienen. Deshalb haben wir diese Schwierigkeit, von Fall zu Fall immer zu prüfen, ob die Aussageverweigerung nach § 43 Abs. 1 Z 1 gerechtfertigt ist, nämlich ob er sich der strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen würde oder nicht.

Ich meine aber – darum habe ich das auch bei meiner Ausführung zuerst so zum Ausdruck gebracht –, dass das durchaus eine seriöse Verständigung des Justizministeriums ist und daher dem Herrn Bundeskanzler der Vorwurf der Nötigung beziehungsweise Erpressung in Bezug auf Vertreter der katholischen Kirche gemacht wird, also genau zum vorliegenden Sachverhalt.

Prima vista kann man das nicht von der Hand weisen, und wenn der Herr Bundeskanzler sich darauf beruft, dass er sich hier der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen würde, dann muss man das wohl zur Kenntnis nehmen, unabhängig davon, ob ein Verfahren eingeleitet ist oder noch nicht.

*****

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Dann bitte die nächste Frage.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Was haben Sie mit „Ja super. Bitte Vollgas geben.“ gemeint? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Was meinen Sie jetzt, Herr Abgeordneter? Dieses Dokument, das vor mir liegt, oder - -

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): 77027.

Was meinten Sie damit, als Sie „Ja super. Bitte Vollgas geben.“ geschrieben haben? (Auskunftsperson und Vertrauensperson lesen in den Unterlagen. – Abg. Stocker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Stocker, zur Geschäftsordnung.

*****

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich verstehe ehrlich gesagt Kollegen Krainer nicht mehr. Jetzt beschweren wir uns alle über die langen Geschäftsordnungsdebatten, und das Kurzzeitgedächtnis ist so kurz, dass wir vergessen, dass wir dieses Thema schon so oft releviert haben, und jedes Mal mit demselben Ausgang, dass, wenn jemand in ein Strafverfahren verfangen ist und zu dem Thema befragt wird, er sich der Aussage entschlagen kann.

Wenn ich jetzt auf den Kommentar zum § 43 der Verfahrensordnung verweisen darf: Da reicht ein begründeter Verdacht. Das gilt sogar für Privatanklagedelikte. Eine Verfolgung, Verurteilung muss nicht einmal wahrscheinlich sein.

Es stimmt schon, dass das reine Strafverfahren noch nicht ausreicht, aber im Zusammenhang mit dem Sachverhalt ist es ja glaubhaft gemacht.

Die ganze Bestimmung dient nur dazu, dass das Verbot eines prozessualen Zwanges zur Selbstbelastung im Sinne der EMRK abgesichert wird. Alle Fragen, die Kollege Krainer stellt, zielen darauf ab, rechtswidrig eine Selbstbelastung der Auskunftsperson vornehmen zu müssen. Das ist so nicht zulässig.

*****

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich den Herrn Bundeskanzler um die Antwort oder um die Entschlagung bitten, oder was auch immer es ist?

Sebastian Kurz: Ich bin ehrlich gesagt jetzt ein bisschen überfordert. Ich habe von dem Thema heute erst gehört, habe da jetzt gerade das Dokument des Justizministeriums vorgelegt bekommen, vor wenigen Minuten.

Sie werden ja wohl nicht ernsthaft glauben, dass ich mir aussuche, dass das Justizministerium so ein Dokument anscheinend jetzt gerade dem U-Ausschuss zuschickt. Sie werden ja nicht ernsthaft glauben, dass Andreas Hanger mich angezeigt hat. Insofern bitte ich um Verständnis, dass ich da selbstverständlich von meinem Recht Gebrauch mache.

Ich habe auch kein Interesse, diese Anzeigenpolitik zu unterstützen. Ich werde unzählige Male angezeigt, immer wieder von Ihnen offen, manchmal geheim, und, ja, das ist alles sehr unangenehm. Das ist etwas, was man sich als Politiker nicht wünscht. Das ist etwas, was, glaube ich, auch unserer politischen Kultur schadet.

Wenn Sie sich dadurch selbst das Recht nehmen, mich befragen zu können, dann tut mir das leid für Sie, aber das kann ich Ihnen nicht abnehmen und auch nicht ersparen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Also Sie entschlagen sich der Aussage gemäß § 43 Abs. 1 Z 1? (Auskunftsperson Kurz: Wie bitte?) – Außerhalb meiner Fragezeit: Das heißt, Sie entschlagen sich der Aussage gemäß § 43 Abs. 1 Z 1? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Also ich glaube, dass ich alles gesagt habe, was ich zu sagen habe.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich habe Ihnen eine konkrete Frage gestellt, und ich hätte gerne eine Antwort. (Auskunftsperson, Vertrauensperson und Verfahrensanwalt beraten sich. – Abg. Hafenecker – in Richtung Vorsitzender –: Wie viel noch Gesamtbefragungszeit, bitte?)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: 1:04 Stunden.

Bitte, Herr Bundeskanzler.

Sebastian Kurz: Ja, ich möchte zunächst einmal vielleicht festhalten, dass ich diese Anzeige für absurd erachte, dass ich den Vorwurf für lächerlich erachte, dass es mich auch freut, wenn der Verfahrensrichter davon spricht, dass das vielleicht eine „Juxanzeige“ ist. Ich kann das alles nur unterstreichen, aber ich lehne die Politik der Anzeigen ab. Ich habe das mehrfach schon kundgetan. Ich halte es für schlecht, dass das mehr und mehr Teil des politischen Stils wird. Das wollte ich einleitend nur einmal festhalten.

Und ja: Wie vorhin schon ausgeführt, habe ich dieses Dokument, das anscheinend vom Justizministerium stammt, gerade erst vorgelegt bekommen. Ich habe keinen näheren Kenntnisstand zu den Vorwürfen und mache daher selbstverständlich von meinem Recht der Entschlagung – § 43 Abs. 1 Z 1 der Verfahrensordnung – Gebrauch, auch auf Ratschlag der Juristen, die neben mir sitzen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Als Ihnen Herr Schmid dann unter anderem geantwortet hat: „Also Schipka war fertig!“, und auch geschrieben hat: „Er war zunächst rot dann blass dann zittrig“, haben Sie geantwortet mit: „Super danke vielmals!!!!“ Ich glaube, das sind vier Rufzeichen.

Was haben Sie mit „Super danke vielmals!!!!“ gemeint? (Abg. Hanger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hanger, zur Geschäftsordnung.

*****

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Abgeordneter Krainer! Diese Befragung ist ja nur mehr skurril. Nehmen Sie doch zur Kenntnis, was jetzt schon zwei- oder dreimal ausgeführt worden ist!

Ich halte fest: Der Einzige, der offensichtlich diese Anzeige lanciert haben kann, sind Sie, weil Sie genau diese Inszenierung haben wollen, die jetzt passiert. Ich halte aber ausdrücklich fest: Das ist letztklassig. Wir brauchen doch die gleichen Diskussionen nicht immer wieder zu führen.

Ich darf den Herrn Verfahrensrichter ersuchen, auszuführen, ob da natürlich wieder ein Entschlagungsgrund vorliegt.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Herr Abgeordneter Krainer hat eine Frage gestellt, und diese Frage steht im Raum.

*****

Sebastian Kurz: Ich glaube, Sie werden jetzt Opfer Ihrer einen Anzeigenpolitik, sehr geehrter Herr Abgeordneter Krainer. Es ist zwar ein gutes Mittel zur Skandalisierung, dass man jemanden anzeigt, um dann sagen zu können: Schaut euch das an! Der ist angezeigt! Irgendwann hat man vielleicht sogar das Glück, dass ein Anfangsverdacht entsteht, und dann ist jemand sogar Beschuldigter, dann kann man das noch mehr breittreten, aber die Verfahrensordnung ist so, wie sie ist.

Inhaltlich möchte ich hier noch hinzufügen, dass ich ein Interview von Peter Schipka gelesen haben, wo er das eigentlich ganz anders schildert. Er sagt da in diesem Interview – ich habe das vor mir liegen (aus den Unterlagen vorlesend) –: Es war „ein angenehmes Gespräch, ganz anders als man aus dem Chatverlauf den Eindruck hat. Es war sachlich und freundlich, wie am Ende der besagten SMS auch steht.“

Insofern würde ich, nachdem ich Herrn Schipka persönlich gut kenne, auch ein gutes Verhältnis zu ihm habe, auch der Meinung sein, dass man ihm hier Glauben schenken kann, wenn er das öffentlich sagt. Ich persönlich habe eine gute Gesprächsbasis zu ihm.

Was Ihre Frage betrifft, verweise ich wieder auf mein Recht der Entschlagung und § 43 Abs. 1 Z 1. Vielleicht führt das ja dazu, dass in Zukunft diese Politik der Anzeigen auch weniger wird.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich weise darauf hin, dass die Befragungsdauer gemäß § 37 Abs. 4 der Verfahrensordnung bereits über drei Stunden beträgt. Die Befragung soll grundsätzlich eine Dauer von drei Stunden nicht überschreiten. Ich weise darauf hin, dass ich die Befragung nach längstens vier Stunden jedenfalls zu beenden habe.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Krainer.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich weise die Unterstellungen der Auskunftsperson zurück, dass ich da in irgendeiner Art und Weise mit einer Anzeige gegen ihn etwas zu tun hätte. Ich weiß, er hat auch in der Öffentlichkeit behauptet, ich hätte ihn wegen Falschaussage angezeigt. Das war auch falsch. Genauso falsch sind die Vorwürfe jetzt.

Ich mache mit meiner Befragung weiter: Lag Ihnen dieses Interview von Herrn Schipka am 13. März um 18.14 Uhr vor, oder war die einzige Information, die Sie hatten, das SMS von Herrn Schmid über den Verlauf der Diskussion?

Sebastian Kurz: Diese Frage habe ich inhaltlich nicht verstanden, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Außerhalb meiner Fragezeit kann ich sie gerne wiederholen: Als Sie um 18.14 Uhr mit „Super danke vielmals!!!!“ geantwortet haben, lag Ihnen da nur die SMS von Schmid über den Verlauf des Gesprächs mit Herrn Schipka vor oder auch bereits der Zeitungsartikel, den Sie jetzt gerade zitiert haben? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Also ich glaube, ich kann das abkürzen. Sie können jetzt mehrfach nachfragen, der Sachverhalt ändert sich ja nicht. Sie sprechen hier immer von denselben Chats, die anscheinend im Zusammenhang mit dieser Anzeige stehen. Ich weiß es nicht, aber das Schreiben des Justizministeriums, das da vor mir liegt, schaut echt aus. Insofern weiß ich nicht, worauf Sie da hinauswollen, und tue mir irgendwie schwer, bei diesem Spiel jetzt mitzumachen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): War Herr Schmid in Ihrem Auftrag oder nur mit Ihrem Wissen bei Herrn Schipka bei diesem Termin? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Ich habe den Eindruck, Herr Abgeordneter – aber bitte korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege –, dass Sie noch immer zu demselben Sachverhalt hier Fragen stellen.

Ich darf vielleicht hier in dem Zusammenhang noch einmal das Dokument zitieren, das vor mir liegt. Da steht: „Sehr geehrte Frau Dr. Neuhauser, bezugnehmend auf Ihr im Betreff genanntes Auskunftsersuchen, ob gegen noch zu befragende Auskunftspersonen Verfahren bei Staatsanwaltschaften anhängig seien, teilt das Bundesministerium für Justiz mit, dass in Ansehung von Herrn Bundeskanzler Sebastian KURZ eine den Vorwurf der versuchten Nötigung bzw. Erpressung“ – diese Vorwürfe finde ich persönlich heftig, aber sei es, wie es sei – „von Vertretern der katholischen Kirche durch Drohung mit der Streichung von Steuerprivilegien im Jahr 2018 zum Gegenstand habende Anzeige geprüft wird. Zudem unterliegt der dem Verdacht der falschen Beweisaussage gegen den Genannten zugrundeliegende Tatsachenkomplex einer entsprechenden Prüfung. Mit freundlichen Grüßen“, „29. Juni“, „Für die Bundesministerin:“, eine Frau Mag. Göth-Flemmich.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das war keine Antwort auf meine Frage. Es war auch keine Entschlagung. Sie müssen eines von beiden machen: antworten oder entschlagen. Das dürfen Sie selber entscheiden.

Sebastian Kurz: Ich habe das Gefühl, dass ich Ihre Frage beantwortet habe.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Außerhalb meiner Fragezeit: Muss ich die Frage wiederholen? Dann werden Sie merken, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben. Meine Frage war nämlich: War Herr Schmid in Ihrem Auftrag oder nur mit Ihrem Wissen bei diesem Termin bei Herrn Schipka? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Also auch der Einschätzung meiner Vertrauensperson nach bezieht sich das alles auf den Komplex, den Sie vorhin angesprochen haben, zu dem ich mich auch vorhin schon entschlagen habe.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Da haben Sie recht, und antworten Sie jetzt oder entschlagen Sie sich jetzt?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Sie müssen zu jeder Frage diese Wiederholung machen, das ist leider die prozessuale Ordnung. (Die Auskunftsperson berät sich mit Verfahrensrichter und Verfahrensanwalt.)

Sebastian Kurz: Ja, also auch nach Beratung, noch einmal: Ich glaube, es ist evident durch die Anzeige, dass diese Themengebiete, die Sie ansprechen, alle in diesem sachlichen Zusammenhang stehen, und daher entschlage ich mich.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächsten Fragen stellt Herr Abgeordneter Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Da sieht man, wie wichtig eine Liveübertragung des Untersuchungsausschusses wäre, weil sich da einige Beteiligte das heutige Vorgehen nicht erlauben könnten. (Ruf bei der ÖVP: Ich stimme zu!)

Zu meiner ersten Frage, Herr Bundeskanzler: Sie haben vorhin gesagt, Sie sind erschrocken, als Sie das Ibizavideo gesehen haben. Können Sie das konkretisieren? Was hat Sie da konkret daran erschreckt? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Herr Abgeordneter Hafenecker, ich habe eigentlich schon beim letzten Mal zum Ibizavideo ausführlich Stellung genommen. Also ich habe ja damals nicht das vollständige Video gesehen, sondern nur die ausgewählten Passagen, und ich glaube, da ist es mir nicht anders als den meisten anderen Österreicherinnen und Österreichern auch gegangen – und wahrscheinlich Ihnen auch, wenn Sie es gesehen haben. Ich glaube, es waren sehr unrühmliche Szenen, würde ich sagen. Es war sozusagen das Setting für sich schon eines, wo man wahrscheinlich nicht gerne gefilmt wird, und dann natürlich das Gesagte höchst problematisch.

Jetzt gibt es natürlich auch Interpretationen, dass sozusagen diese Zitate aus dem Zusammenhang gerissen seien, und es gibt eine Langfassung, die ich bis jetzt noch immer nicht gesehen habe, aber die Sie wahrscheinlich kennen. Also darüber kann ich jetzt nichts genauer ausführen, aber ich kann nur sagen, in dem Moment, in dem ich das an diesem besagten Freitagabend – ich glaube, es war ein Freitag – gesehen habe, ja, war ich natürlich schockiert, betroffen, und in meinem Kopf ist natürlich auch die Frage losgegangen: Was bedeutet das? Was bedeutet das für die Freiheitliche Partei, für den Vizekanzler, für die Koalition als Ganzes? Wie ist das zu bewerten? Ist das echt? Ist das nicht echt? Ist das falsch zusammengeschnitten? Ist das aus dem Kontext gerissen oder nicht?

All diese Fragen haben mich also damals beschäftigt, aber ja, Herr Abgeordneter, um Ihre Frage zu beantworten: Vielleicht geht es Ihnen anders, aber ich habe es nicht positiv gesehen, sondern für mich war es, ja, eine sehr unrühmliche Filmaufnahme.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ja, wie gesagt, nach diesem manipulativ zusammengeschnittenen Video sind sicher sehr, sehr viele Österreicher erschrocken, keine Frage.

Wenn Sie das aber eben auch so gesehen haben, wie ist es Ihnen dann gegangen, als Sie die Chats gelesen haben, wo Sie einerseits selber drinnen mitschreiben und andererseits auch Ihre Parteikameraden schreiben? Ich möchte nur ein paar Sachen erwähnen: Im Chatverlauf, der gestern erst gekommen ist, ist die Rede von „Ostblock schlampen“. Es geht um „Weiber“-Quote“ und so weiter und so fort. Es gibt eigentlich ständig Fäkalaussprüche. – Sie wissen, es geht einmal um Sie selbst: „Kurz kann jetzt“ Punkt, Punkt, Punkt – ich erspare uns das. Es geht um Mobbing. Es geht darum, dass ein ehemaliger Generalsekretär im Finanzministerium die Bürger dieses Landes als „Pöbel“ bezeichnet. Es geht um Postenschacher, Frauenfeindlichkeit, und ja: Es geht darum, Druck auf die Kirche auszuüben, da haben Sie in irgendeiner Art und Weise auch mitgechattet.

Wenn Sie also diese Messlatte, die Sie jetzt beim Ibizavideo, das Sie so erschüttert hat, gerade erwähnt haben, an sich und Ihre eigene Partei anlegen, zu welchem Schluss kommen Sie dann, Herr Bundeskanzler?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter, darf ich Sie um die Beurteilung der Frage, eine Einschätzung, bitten. Hat das mit dem Untersuchungsgegenstand in dieser Form zu tun?

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich bitte um Entschuldigung, ich habe einen Moment lang nicht aufgepasst, Herr Abgeordneter, bitte seien Sie so nett und machen Sie eine Kurzfassung.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Gerne – außerhalb meiner Redezeit. Ich habe den Herrn Bundeskanzler mit ein paar Details aus den Chatverläufen seiner ÖVP-Parteikollegen – beziehungsweise wo ja auch er selbst mitgewirkt hat – konfrontiert, in denen es um die Öbag-Postenvergabe gegangen ist, in denen es darum gegangen ist, auch die Kirche unter Druck zu setzen. Ich weiß, das ist ein Thema, das wir hier nicht diskutieren dürfen, deswegen machen wir es auch nicht.

Es ist gestern erst ein Chat von Thomas Schmid und einem Mitarbeiter aufgetaucht, in dem es um Partys und „Ostblock schlampen“ geht. Es geht um Frauenquote, „Weiber“ und so weiter und so fort – all diese Dinge –, und ich wollte einfach nur vom Herrn Bundeskanzler wissen, wenn er nach dem manipulativen Mitschnitt des Ibizavideos erschüttert gewesen ist, wie es ihm dann geht, wenn er die Chatnachrichten seiner eigenen Parteifreunde, seiner höchstrangigen Parteifunktionäre liest und auch draufkommt, dass er in diesen Chats teilweise selbst mitgearbeitet hat. Für mich wäre einfach interessant, wie er das sieht beziehungsweise ob nicht auch da der Fall wäre, dass er zu seiner eigenen Truppe sagt: Genug ist genug!, wie er es ja bei uns gemacht hat. (Abg. Fürlinger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Kollege Fürlinger, zur Geschäftsordnung.

*****

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich habe nur eine kleine Bitte: Könnte man die Chats vorlegen, damit die Auskunftsperson auch sieht, worauf genau Bezug genommen wird?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter, ich bitte um Ihre Einschätzung.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ja - -

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Außerhalb meiner Redezeit: Wir legen jetzt nur einmal den Chat mit den „Ostblock schlampen“ und mit den Partys vor (Abg. Hanger hebt die Hand), das müsste jetzt einmal fürs Erste reichen. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Hanger zur Geschäftsordnung, bitte.

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Wir sind jetzt wieder genau in dieser Problematik, die sich schon seit Wochen hinzieht, weil letztlich unter dem Begriff der abstrakten Relevanz alles und jedes an den Untersuchungsausschuss geliefert wird. Sie kennen meine persönliche Rechtsmeinung, dass da eine klare Verletzung des Artikel 8 der Menschenrechtskonvention vorliegt, weil Persönlichkeitsrechte ja überhaupt keine Rolle mehr spielen. Ich halte das für ein wirklich substanzielles Problem in unserem Rechtsstaat, aber jedenfalls ersuche ich den Herrn Verfahrensrichter, den Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand herzustellen, weil sich der mir über diese Vorlage der Chats weit und breit nicht erschließt. (Abg. Hafenecker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Kollege Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Na ja, das ist mir klar, dass sich das für Kollegen Hanger weit und breit nicht erschließt, nachdem er es bis vor 2 Minuten nicht gekannt hat. Er hätte sich einfach gestern die Aktenlieferung ansehen müssen, dann wäre er draufgekommen, dass es sich da um einen Chat von Thomas Schmid mit einem Mitarbeiter handelt, der schon hier im Untersuchungsausschuss ausgesagt hat, und dass es darum gegangen ist, wie man gewisse Dinge im Zusammenhang mit Glücksspiel und so weiter im Hinblick auf die Finanzmarktaufsicht besprochen hat und dass es offensichtlich einen Zeitungsredakteur gegeben hat, der da an einer Geschichte dran gewesen ist und damit gedroht haben soll, dass ansonsten die „Party“-Geschichte mit den „Ostblock schlampen“ kommt. – Das ist nicht meine Diktion, sondern die Diktion des Mitarbeiters aus dem Finanzministerium beziehungsweise der Redestil, der dort an den Tag gelegt wird, wenn er mit dem ehemaligen Generalsekretär, Herrn Schmid, gechattet hat.

Das ist der springende Punkt, Kollege Hanger. Wir können ja unterbrechen und Sie können sich in den Akt einlesen, aber ich lasse mir den jetzt nicht von Ihnen abdrehen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hanger, zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich weise zurück, dass ich diesen Chat nicht gekannt habe. Ganz im Gegenteil, lieber Herr Kollege Hafenecker: Sie können davon ausgehen, dass auch wir gestern die Unterlagen gesichtet haben. Natürlich wurde dieser Chat genannt, unsere Analysen haben aber ganz klar ergeben, dass dieser Chat mit den Vorhalten, die Sie gerade gesagt haben, überhaupt nichts zu tun hat. Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, ganz im Gegenteil: Das ist aus meiner Sicht ein Chat, der empörend ist – ja! –, aber von privater Natur ist, und da werden Persönlichkeitsrechte mit Füßen getreten.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich meine, wir können auch gerne eine Stehung machen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Nein, wir machen keine Stehung mehr!

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Kollege Hanger, nicht böse sein: Wenn es in einem Chat zwischen dem Herrn Generalsekretär des Finanzministeriums und seinem Mitarbeiter darum geht, warum er gegenüber der FMA zusammengebrochen ist und die eine oder andere Information weitergegeben hat, woher nehmen Sie in Ihren Analysen – was auch immer das sein soll – jetzt die Logik her, dass das privat ist? Das ist doch höchst dienstlich! Nicht böse sein, aber wenn Ihre Analysen – keine Ahnung, was Sie da irgendwie für Analysen veranstalten – die gleiche Qualität wie das haben, was Sie die letzten Tage abgesondert haben, dann ist mir alles klar.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich zuerst einmal um die Einschätzung bitten, ob die Frage zulässig ist? Dann können wir diese ganzen Diskussionen vielleicht doch verkürzen.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ja, ich habe mir das genau durchgelesen. Ich tue mir sehr schwer, einen Zusammenhang herzustellen – außer der Passage, dass Neumann ja auch dabei ist und dass Neumann, wie wir wissen, CEO der Novomatic war. Ich würde Sie bitten, Herr Abgeordneter Hafenecker, mir da auf die Sprünge zu helfen. Ich tue mir schwer mit dem Zusammenhang mit unserem Untersuchungsgegenstand.

Sie wissen, Einschätzungen gibt es da nicht, aber wenn Sie nach Wahrnehmungen fragen würden, das würde schon gehen. Da müsste aber ein Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand da sein. (Abg. Stögmüller hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung, Abgeordneter Stögmüller.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Na ja, es ist bei solchen SMS und Sachen schon immer die Frage, ob man erpressbar ist oder ob es da viel Material oder sonstiges Material gibt. Dementsprechend sind natürlich solche Fragen auch zulässig. Es liegt jetzt noch nicht der Zusammenhang da, aber auch derartige Fragen – wenn nicht irgendwelche Materialen da sein würden, die irgendwie im Zusammenhang sind – können natürlich Untersuchungsgegenstand oder strafrechtlich relevant sein. Wenn „Ostblock schlampen“ – Zitat – dort sind, kann ja auch Bildmaterial angefertigt worden sein und entsprechend diesem kann das ja sehr wohl einmal relevant werden. (Die Abgeordneten Fürlinger und Hafenecker heben die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Fürlinger, dann Herr Abgeordneter Hafenecker zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Man verzeihe mir meine anwaltliche Fantasielosigkeit, aber wenn ich das richtig lese, was da hier vorgelegt worden ist, unterhält sich ein Herr Balázs Szabó offenbar mit einem zweiten, Thomas Schmid, über irgendetwas, wovon keiner weiß, was es ist. Selbst wenn ich jetzt in meinen kühnen Träumen irgendwelche Verschwörungen herauskristallisieren will, die mir nicht einmal einfallen, ist mir nicht klar, zu was für einem Thema dieser Chat hier abläuft und was bitte eine an diesem Chat völlig unbeteiligte Person, nämlich die Auskunftsperson Sebastian Kurz, dazu sagen könnte, selbst wenn sie etwas sagen will. Wir dürfen uns nicht darüber empören, dass es ständig, die ganze Zeit, Geschäftsordnungsdebatten gibt, wenn ständig Fragen nicht nur an der Grenze, sondern weit außerhalb der Zulässigkeit und des Verfahrensgegenstandes gestellt werden.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Offensichtlich haben wir den richtigen Punkt gefunden, und das lässt sich natürlich mit dem Untersuchungsgegenstand erklären, denn wenn Sie auf die erste Seite schauen – Seite 3 von 12 sozusagen – dann sehen Sie ganz unten: „Kittl nimmt den dlouhy zur Casag Termin mit am Dienstag.. passt es so?“ – Das heißt, es geht da im Zusammenhang mit der Reform des Glücksspielgesetzes offensichtlich um einen Termin mit Leuten von Sazka und der Casag, was grundsätzlich interessant ist.

Warum ich aber vorher gemeint habe, offenbar haben wir den richtigen Punkt gefunden, ist das, dass ja das gar nicht meine Frage war. Ich habe diese Chats nur zitiert und habe gesagt: Herr Bundeskanzler – bis jetzt hat mir diese Frage noch niemand verboten –, wie ist es Ihnen gegangen, als Sie die Chats von Ihren Parteifreunden gelesen haben, in denen es um „Ostblock schlampen“, verratene Partys, „Weiber“-Quote“, sonstige Fäkalausdrücke – „Kurz kann jetzt Geld“ Punkt, Punkt, Punkt – geht. Es geht da um ständiges Mobbing, es geht um Postenschacher, wobei Sie teilweise mitgearbeitet haben dürften – zumindest waren Sie informiert, wie man diesen Chats entnehmen kann –, es geht da um massive Frauenfeindlichkeit und es geht darum, dass man der katholischen Kirche Druck gegeben hat. Um all das geht es in diesen Chats, und meine Frage war nichts anderes, als dass ich vorhin gesagt habe, Sie waren schockiert, als Sie das aus meiner Sicht manipulativ zusammengeschnittene Ibizavideo gesehen haben, und ich wollte von Ihnen nur wissen, wie Ihr Gemütszustand war, als Sie gelesen haben, was Ihre Parteifreunde, für die Sie als Parteiobmann verantwortlich sind und die Sie teilweise in diese Ämter gehoben haben, geschrieben haben. Was haben Sie sich gedacht und wie ist es Ihnen gegangen, als Sie diese Chats gelesen haben? – Das war meine Frage. Es ging gar nicht um die Frage, die jetzt die ÖVP im Radl da irgendwie bekämpfen möchte, sondern meine Frage war nur: Wie ging es Ihnen, als Sie gelesen haben, wie Ihre Parteifreunde untereinander kommunizieren und über andere Menschen reden? – Das war die Frage, die ich gestellt habe, und die ist bis jetzt nicht beantwortet worden. (Die Abgeordneten Tomaselli und Fürlinger heben die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Tomaselli und dann Herr Abgeordneter Fürlinger bitte.

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte nur nochmals auch sagen, die WKStA hat das alles sehr, sehr gut begründet, wieso welche Chats vorzulegen sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es wird jede einzelne SMS einzeln angeschaut. Wenn man jetzt da unterstellen würde, es hat nichts mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun, hätte man, glaube ich, ein gröberes Problem. Es ist halt nicht immer gleich augenscheinlich ersichtlich, worum es geht, wenn man einzelne SMS-Chats getrennt von den anderen beurteilt, aber wenn es zum Beispiel darum geht, dass BeamtInnen oder öffentliche Bedienstete mit Gläsern auf PassantInnen schießen und die Rechnung dieser Party dann auf das EU-Budget geschrieben wird, hat das wohl mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Fürlinger, bitte.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Selten bin ich so eins mit Frau Kollegin Tomaselli: Dass wir ein gröberes Problem haben, die Meinung vertrete ich auch. Zum Übrigen haben beide Vorredner jetzt in wunderbarer Weise irgendwelche moralischen Wertungen getroffen, die sich aus den vorliegenden Chats leider nicht ergeben. Wir können natürlich gerne eine Moral- und Ethikdebatte hier herinnen führen, aber die Aufgabe einer Auskunftsperson ist, zu eigenen Wahrnehmungen kundzutun – nicht zu Meinungen, zur Kommunikation zwischen zweiten, dritten, vierten Personen, die nicht einmal tatsächlich irgendwelche Parteimitglieder sind, wie Kollege Hafenecker hier insinuiert. Zumindest Herr Szabó ist mir als solches nicht in Erinnerung und hier auch nicht als solches aufgetreten.

Es ist mir schon klar, dass Sie ein moralisches Werturteil treffen wollen, das verstehe ich, aber das ist nicht Gegenstand dieses Untersuchungsausschusses. Sie können das alles in Ihre Schlussberichte hineinschreiben, und ich bin überzeugt, ich könnte sogar den der FPÖ schreiben, weil ich ihn jetzt 15 Monate gehört habe. Ich weiß auch, was in dem der SPÖ und in dem der Grünen drinnen steht, so viel Fantasie besitze ich.

Ich bitte aber darum, dass wir uns auf den Kern des Untersuchungsausschusses konzentrieren, dass wir Menschen nach ihren Wahrnehmungen fragen, sofern Sie nicht in irgendein Verfahren verfangen sind – aber nicht nach moralischen Werturteilen über irgendwelche Chats Dritter, deren Zusammenhang sich nicht einmal mir erschließt, wenn ich das durchlese.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter – zur Beurteilung, ob die Frage zulässig ist.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ja. Vorerst zur Frau Abgeordneten Tomaselli: Nicht alles, was abstrakt relevant ist, ist auch gleichzeitig Untersuchungsgegenstand. Zu Herrn Abgeordneten Hafenecker: Sie haben eine Einschätzung abgefragt: Was haben Sie sich dabei gedacht, wenn Sie das gesehen haben? – Wir dürfen nur Wahrnehmungen abfragen. Wenn Sie also die Frage so formulieren, dass das auf Wahrnehmungen hinausläuft, dann, würde ich meinen, könnte sie gestellt werden, wenn sie im Zusammenhang mit dem Glücksspielgesetz – den Sie ja hier irgendwie aufgegriffen haben, weil der Casag-Termin war – steht. Wenn Sie also behaupten, dass hier irgendwie eine Besprechung mit Glücksspiel im Zusammenhang gestanden sei, dann könnte man das zulassen.

*****

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Danke, Herr Verfahrensrichter. Außerhalb der Redezeit wiederhole ich daher die Frage - -

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Nein, das ist nicht außerhalb der Redezeit. Der Verfahrensrichter hat ja klar gesagt: Sie müssen den Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand herstellen und eine Wahrnehmung, nicht eine Einschätzung formulieren. Es geht nicht, bei aller Liebe, dass man die Frage so lange formuliert, bis sie passt, und das jedes Mal außerhalb der Redezeit tut.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Wie haben Sie, Herr Bundeskanzler, den Kommunikationsstil Ihrer Mitarbeiter und Ihrer Parteikollegen wahrgenommen?

Sebastian Kurz: Bitte noch einmal, ich habe Sie akustisch nicht verstanden.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Wie haben Sie die Kommunikation wahrgenommen?

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Außerhalb der Redezeit: Sie haben vorhin gesagt, Sie waren eben schockiert, als Sie das Ibizavideo gesehen haben, und ich habe daraufhin gefragt, oder ich frage daraufhin jetzt: Wie haben Sie den Kommunikationsstil und die SMS und Chatnachrichten Ihrer engsten Mitarbeiter und Parteikollegen wahrgenommen?

Sebastian Kurz: Ich möchte einmal vielleicht mit einer Klarstellung beginnen, dass ich engste Mitarbeiter anscheinend anders definiere (Abg. Hafenecker: Schmid, Blümel!) als Sie. (Abg. Hafenecker: Familie!)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Jetzt ist der Herr Bundeskanzler am Wort, dann wieder Abgeordneter Hafenecker. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

Sebastian Kurz: Bin ich noch am Wort oder der Herr Abgeordnete?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ja, bitte, Herr Bundeskanzler. (Auskunftsperson Kurz: Aber darf ich dann aussprechen?) – Ja.

Sebastian Kurz: Vielen Dank. Also zunächst einmal würde ich, glaube ich, engste Mitarbeiter anders definieren als Sie. Meine engsten Mitarbeiter in der Volkspartei, würde ich einmal sagen, sind die Ministerinnen und die Minister, sind der Klubobmann, sind diejenigen, mit denen ich hier tagtäglich eng zusammenarbeite. Meine engsten Mitarbeiter im politischen Sinn, glaube ich, habe ich gerade beschrieben. Meine engsten Mitarbeiter im Büro sind, glaube ich, auch öffentlich bekannt, die kommen in diesen Chats, die Sie da gerade vorgelegt haben, nicht vor, weder als Absender noch als Empfänger.

Also wenn Sie jetzt Herrn – wie heißt er? – Szabó, Balázs Szabó, als einen meiner engsten Mitarbeiter beschreiben, dann würde ich das als einfach schlicht und ergreifend falsch zurückweisen. Soweit ich weiß, ist er nicht nur nicht einer meiner engsten Mitarbeiter, sondern hat überhaupt nie für mich gearbeitet. Aber sei es, wie es sei.

Um auf das einzugehen, was Sie vorher auch angesprochen haben: Sie haben vollkommen recht, dass in einigen dieser Nachrichten auch unschön über mich geschrieben worden ist. Ich habe das damals ja nicht wissen können, aber im Nachhinein irgendwann gelesen: „Kurz scheisst sich [...] an“ und andere Formulierungen, die jetzt vielleicht nicht sonderlich freundlich in meine Richtung waren. Ja, ich sage einmal, damit muss ich leben, damit muss ich umgehen.

Abgeordneter Brandstätter hat, glaube ich, unlängst zu Herrn Abgeordneten Hanger – was? – depperts Oaschloch oder - - (Abg. Hafenecker: Verzeihung, man versteht Sie nicht, wenn Sie nicht ins Mikro sprechen!) Wie war die Formulierung? (In Richtung Vertrauensperson:) Abgeordneter Brandstätter zu Abgeordnetem Hanger hat was gesagt? Depperts Oaschloch, oder wie? (Ruf: Gschissenes Arschloch!) – Okay, „gschissenes Arschloch“. Über mich ist geschrieben worden: „Kurz scheisst sich [...] an“. Ich würde einmal zusammenfassend sagen: alles keine allzu freundlichen Formulierungen und nicht die ideale Wortwahl.

Sie haben darüber hinaus versucht, hier einen Vergleich zum Ibizavideo zu ziehen, und Sie haben die Frage gestellt, was ich am Ibizavideo problematisch gefunden habe. Also Ihre Formulierung, dass die Darstellung des Ibizavideos eine Manipulation ist: Das weiß ich nicht, das kann ich so nicht bestätigen, weil ich glaube, die Szenen, die veröffentlicht worden sind, sind echt. Ich habe das ganze Video nie gesehen und insofern kann ich jetzt nicht beurteilen, ob das irgendwie aus dem Zusammenhang gerissen ist oder nicht. An diesen Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen.

Sicherlich ist aber die Aussage, dass Überpreise bezahlt werden sollen – und so ist es ja, glaube ich, im Video auch ausgesprochen worden –, etwas, was ich als höchst problematisch einstufen würde. Insofern würde ich Sie ersuchen - -, oder zumindest ich sehe das so, dass es durchaus einen Unterschied gibt, ob jetzt, ich weiß nicht, jemand über mich schreibt, der „Kurz scheisst sich [...] an“, Abgeordneter Brandstätter zu Abgeordnetem Hanger „gschissenes Arschloch“ sagt oder jetzt jemand sagt, er möchte gern Überpreise für eine Gegenleistung bezahlen.

Ich weiß sozusagen, dass der Versuch in dem U-Ausschuss ist, alles mit allem zu vermischen, eine vielleicht sozusagen politische Besetzung mit Nominierungsrechten in einer Regierung zu vermischen, das wiederum mit strafrechtlichen Vorwürfen zu vermischen und das wiederum mit einer Ausdrucksweise in Nachrichten zu vermischen, die sicherlich zu verurteilen ist. Das ist der Versuch dieses U-Ausschusses, und ich glaube, die Herausforderung ist es – und das ist sicherlich, wenn man das möchte und wirklich Aufklärung betreiben möchte, eine Herausforderung für Abgeordnete, aber auch für Medien –, wieder auseinanderzudividieren, was auseinandergehört.

Ich würde einen großen Unterschied zwischen strafrechtlich relevanten Handlungen, vielleicht damit verbunden strafrechtlich relevanten Vorhaben, wie auch im Ibizavideo geäußert, meiner Erinnerung nach,  Beschimpfungen von einem Politiker zum anderen, Beschimpfungen in SMS sehen. Ich würde sagen – auch wenn Sie das vermischen, Herr Abgeordneter –, ich glaube, das sind sehr, sehr unterschiedliche Dinge.

Irgendwann werden vielleicht ja auch noch die SMS-Nachrichten ausgewertet, die es auf den Handys der Minister Kickl und Hofer in Zusammenwirken mit dem ehemaligen Vizekanzler Strache gibt, und vielleicht werden die auch noch veröffentlicht. Ich habe Gerüchte gehört, dass es auch Tonbandprotokolle von Johann Gudenus und anderen geben soll. Ich bin gespannt auf deren Auswertung. Dann werden wir ja sehen, sozusagen welcher Umgangston in der einen oder anderen Sitzung bei Ihnen stattgefunden hat oder wie da miteinander innerhalb der Freiheitlichen Partei kommuniziert wurde.

Das wird wahrscheinlich auch irgendwann noch das Licht der Öffentlichkeit erblicken, aber ich würde auch dafür dann vorschlagen, genauso wie hier, dass man Strafrecht, vielleicht Aussagen, die strafrechtlich relevant sein können, Beschimpfungen, Beleidigungen und SMS mit unrühmlicher Sprache auseinanderhält. Das sind, glaube ich, lauter unterschiedliche Dinge.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Also Sie verurteilen das nicht, was hier gemacht worden ist? Herr Blümel ist nicht ein enger Mitarbeiter oder Parteikollege von Ihnen, und Herr Schmid war es auch nicht? Sie gehören nicht zur Familie? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: In dem Dokument, das Sie mir vorgelegt haben, habe ich Gernot Blümel jetzt nicht gefunden. Ist das ein anderes Dokument, oder - -

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (erheitert): Ich kann Ihnen einen Pressespiegel des Jahres 2020 vorlegen, da werden Sie alle SMS finden, um die es geht. (Zwischenrufe des Abg. Hanger.) Wenn Kollege Hanger die SMS haben möchte, dann müssen wir kurz unterbrechen und dann werden wir sie herbeischaffen. Man sieht aber natürlich, was damit bezweckt wird, Kollege Hanger. Wir sind ja nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen.

Gut, ich gehe weiter zur nächsten Frage. Ich halte nur fest: Der Benko-Deal mit der „Kronen Zeitung“ hat stattgefunden, die Öbag-Besetzung hat auch stattgefunden, die Casag-Abfertigung von Frau Glatz-Kremsner hat auch stattgefunden, das Projekt Edelstein zum Teil auch – und im Übrigen auch das Projekt Ballhausplatz. Das ist eben der Unterschied zu dem, was in Ibiza passiert ist: Dort ist schwertrunken über gewisse Dinge gesprochen worden, Sie haben es währenddessen via SMS und via Chat umgesetzt.

Meine nächste Frage ist: Sie haben vorhin gesagt, der Herr Bundespräsident hat Sie an dem Abend nach der Ausstrahlung des Ibizavideos angerufen – oder Sie ihn, ich weiß nicht mehr, wie Sie es genau gesagt haben –, und er war auch überrascht. Was muss man sich da genau darunter vorstellen?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich habe die Frage nicht mitbekommen, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Verzeihung, wir warten schon lange und deswegen bin ich vielleicht ein bisschen schnell. Ich habe den Herrn Bundeskanzler darauf angesprochen, dass er zuerst – ich glaube, in der ersten Fragerunde bei der ÖVP, als dieses lockere Gespräch mit Kollegen Fürlinger stattgefunden hat – irgendwo einmal erwähnt hat, dass er, der Herr Bundeskanzler, dieses Ibizavideo gesehen hat, und dann kam es irgendwie zu einem Kontakt mit dem Herrn Bundespräsidenten, wo sie sich, glaube ich, in die Richtung ausgetauscht hätten, dass beide über das, was man da gesehen hat, überrascht waren. (Die Auskunftsperson nickt mehrmals.) Ist das jetzt so richtig wiedergegeben? (Die Auskunftsperson nickt.)

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Bitte, ich würde die Frage für zulässig erachten. (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Also Herr Abgeordneter, ich glaube, wenn ich es richtig im Kopf habe, habe ich eh letztes Mal schon versucht, die Geschehnisse rund um Ibiza – oder zumindest meine Wahrnehmungen dazu – zu schildern. Ich habe heute ja auch versucht, glaube ich, bei einer der ersten Fragen noch einmal zu schildern, wie sich diese Tage für mich abgespielt haben.

Ich möchte jetzt nicht auf die Feinheit eingehen, ob ich den Bundespräsidenten oder er mich angerufen hat, weil ich mich, ehrlich gesagt, jetzt im Detail nicht mehr erinnern kann. Mittlerweile ist das schon wirklich lange her, und ich möchte nicht dann von Ihnen – wobei, Sie machen das eh nicht so sehr, aber andere – wegen Falschaussage angezeigt werden, weil ich vielleicht gesagt habe, ich habe ihn angerufen, und er eigentlich glaubt, er hat mich angerufen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Entschuldigen Sie, Herr Bundeskanzler, Sie können versichert sein – das habe ich Präsident Sobotka zuletzt auch gesagt –: Wenn ich jemanden anzeige, steht auch mein Name darunter.

Sebastian Kurz: Ja, ja, eh, darum habe ich ja gesagt, dass ich Sie da auch anders wahrnehme. Ich weiß nicht mehr genau, wer wen angerufen hat. Was ich weiß, ist, dass wir an diesem besagten Freitag in Kontakt waren. Ich habe auch die Gerüchte gehört, dass der Bundespräsident irgendwie wusste, dass es ein Video gibt. An dem Abend, kann ich nur sagen, hätte ich das nicht so wahrgenommen.

Ich war ja nicht dabei, aber mein Team und ich, wir waren im Bundeskanzleramt, und ich glaube, wenn ich es richtig im Kopf habe, hat der Bundespräsident irgendwo gesagt, er hat es auch gerade gesehen oder auch gerade mit seinem Team gesehen, ich glaube, in der Hofburg. Wir haben dann irgendwann auch persönlich gesprochen. Ich weiß nicht, ob das noch am Freitag war oder schon am Samstag, aber irgendwann gab es dann, glaube ich, auch ein persönliches Gespräch. Wir haben, wenn ich es richtig im Kopf habe, da sicherlich zwei-, dreimal hin und her telefoniert.

Ich kann nur noch einmal sagen – und da bin ich mir 100-prozentig sicher –: Ich habe das ganze Video noch immer nicht gesehen, und das, was veröffentlicht worden ist, habe ich an diesem besagten Abend gesehen, gemeinsam mit einigen meiner engen Mitarbeiter im Bundeskanzleramt. Ich habe vorher natürlich die Andeutungen von Heinz-Christian Strache gekannt und habe sozusagen gewusst, da ist etwas im Busch, da kommt etwas, aber ich habe es im Detail erst mitbekommen, wie es dann da war.

Ich kann nicht für den Bundespräsidenten sprechen, aber im Gespräch mir gegenüber war das jetzt kein Thema, ob er da nähere Informationen hatte oder nicht. Wir haben eher nur allgemein darüber gesprochen und vor allem auch über die politischen Auswirkungen. Ich gebe auch zu, ich habe jetzt auch nicht die Nachfrage gestellt: Haben Sie es gewusst oder kennen Sie es? An das hätte ich in dem Moment nicht gedacht. Er hat ähnlich sozusagen, glaube ich, reagiert wie ich und ähnlich gewirkt wie ich.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sie haben erstmals mit ihm über dieses Video gesprochen, nachdem es ausgestrahlt war?

Sebastian Kurz: Das weiß ich nicht. Darum habe ich vorhin eben versucht, das vorsichtig zu formulieren, weil für mich das ganze Thema ab dem Zeitpunkt präsent war, wo mich der Vizekanzler darauf angesprochen hat. Ich habe vorhin versucht, das zu beschreiben. Es war jedenfalls in den Tagen vor dem Video, ich glaube, es war am Vortag. Man müsste im Kalender nachschauen, ich bin mir sicher, ich war an dem Tag, wo er das thematisiert hat - - Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass ich da im Parlament war, das heißt, wenn man im Kalender nachschaut, wann ich da im Parlament bei einer Dringlichen oder bei sonst irgendetwas war - -

Ich glaube sozusagen, dass das der Tag war, wo ich mit ihm Kontakt hatte, und danach war das Thema für mich präsent, und ab diesem Zeitpunkt gab es dann sicher Kontakt mit meinem Team, vielleicht da auch schon mit dem Bundespräsidenten. Ich weiß nicht, ob ich da schon gesagt habe: Herr Bundespräsident, wissen Sie etwas?, oder: Da kommt etwas! Das habe ich nicht mehr genau im Kopf. Ich glaube, dass ich erst danach mit ihm gesprochen habe, ich will mich aber nicht 100-prozentig festlegen. Es kann auch sein, dass ich nach der Information durch Heinz-Christian Strache mit ihm Kontakt hatte. Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber ich hatte in diesem Zeitraum sicherlich mehrfach mit der Präsidentschaftskanzlei Kontakt.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Der Herr Bundespräsident hat in seinem Kalender am Freitag, also am Tag der Ausstrahlung des Ibizavideos, vormittags ein Telefonat mit Ihnen stehen, wo es darum gegangen ist: Strache, Gudenus in Ibiza. Das heißt, das war vor der Ausstrahlung. Was ich aber interessanter finde – das öffnet vielleicht neue Möglichkeiten –: Sie haben gerade gesagt, Sie könnten in Ihrem Kalender nachschauen, wann das genau war. Unser Informationsstand im Untersuchungsausschuss ist, dass es den Kalender nicht mehr gibt, weil er vernichtet ist. Was stimmt denn da jetzt?

Sebastian Kurz: Wenn es den Eintrag im Kalender des Bundespräsidenten gibt, dann glaube ich das jedenfalls. Darum habe ich vorhin auch gesagt, ich kann es nicht genau einordnen. Es war sicherlich nicht vor der Information durch Heinz-Christian Strache. Das weiß ich, weil für mich das Thema erst durch das Gespräch mit dem damaligen Vizekanzler am Radar war. Aber natürlich ist dann bei uns auch im Kopf geistig die Maschinerie losgegangen. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob ich ab der Info da nur mit meinem Team oder auch mit dem einen oder anderen Landeshauptmann oder mit dem Bundespräsidenten gesprochen habe. Das weiß ich nicht mehr genau. Ich glaube, Norbert Hofer zum Beispiel habe ich in der Zeit auch kontaktiert. Wenn ich es richtig im Kopf habe, war der überrascht, weil er es als erstes, glaube ich, von mir gehört hat. Also das müsste dann auch vor der Ausstrahlung gewesen sein. Aber es war alles sozusagen in diesen besagten Tagen.

Als ich vorher den Kalender (Abg. Hafenecker: Herr Bundeskanzler, Entschuldigung!) angesprochen habe, da habe ich gemeint, Sie müssen einfach nur im Parlamentskalender nachschauen. Ich weiß nicht, so etwas wird es ja geben. Also es wird ja eine Aufzeichnung geben, wann Parlamentssitzungen waren, wann Dringliche Anfragen waren, und da müssen Sie ja herausfinden können, an welchem Tag das war. Ich glaube, dass das der Donnerstag gewesen ist und am Freitag dann das Video kam. Vielleicht war es der Mittwoch, das weiß ich nicht, aber das müsste sich – ich bin ja nicht jeden Tag im Parlament – eigentlich abklären lassen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Warum soll im Parlamentskalender stehen, wann Sie den Herrn Bundespräsidenten getroffen haben?

Sebastian Kurz: Darum ging es ja nicht, jetzt vermischen Sie zwei Dinge. Der Herr Bundespräsident, da haben Sie gesagt, das war in seinem Kalender, und ich habe Ihnen gesagt, wenn Sie das behaupten, dann glaube ich Ihnen das. Wenn es der Vormittag am Freitag gewesen sein soll, könnte das (Abg. Hafenecker: Alles gut!) schon hinkommen, weil mich ja Heinz-Christian Strache nicht an diesem Tag, sondern jedenfalls am Donnerstag, vielleicht am Mittwoch informiert hat, wenn ich es richtig im Kopf habe, ungefähr in dem Zeitraum.

Ich habe gesagt: Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat Heinz-Christian Strache mich das erste Mal angesprochen oder eine SMS geschrieben oder was, das weiß ich nicht mehr genau, an einem Tag, an dem ich auch im Parlament war. Ich hoffe, ich sage nichts Falsches, aber das ist meine Erinnerung, und ich glaube, dass ich an diesem Tag dann auch am Abend in Niederösterreich war und dann irgendwann wieder zurückgekommen bin.

Ob das jetzt alles der Donnerstag war oder ob sich das am Mittwoch und am Donnerstag abgespielt hat, das weiß ich jetzt nicht genau, aber es muss in diesem Zeitraum gewesen sein. Die Reihenfolge ist klar: Heinz-Christian Strache hat mich informiert, ich habe ein bisschen mit meinem Team beraten, habe wahrscheinlich den einen oder anderen Kontakt gehabt, vielleicht auch zum Bundespräsidenten. Dann kam irgendwann, ich glaube, das war am Freitagabend, das Video, und nach dem Video hatte ich dann natürlich noch einmal intensiver Kontakt: mit dem Bundespräsidenten, innerhalb der ÖVP, anderen Stakeholdern, auch Vertretern der Freiheitlichen Partei, wie vorhin schon gesagt.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sie haben gerade vorhin gesagt, Sie müssten in Ihrem Kalender nachschauen, das haben alle hier so verstanden. Gibt es Ihren Kalender noch oder nicht?

Sebastian Kurz: Ich glaube, die Details zu meinem Kalender sind bekannt, die habe ich letztes Mal auch ausgeführt. Anscheinend gibt es ja Teile aus dem Staatsarchiv oder von sonst irgendwo, mir ist ja heute gerade ein Kalenderblatt vorgelegt worden. Ich habe den Parlamentskalender gemeint, wo man eindeutig nachschauen kann, wann ich im Parlament war. Meiner Erinnerung nach – ich hoffe, ich sage nichts Falsches – war es ein Tag, wo ich im Parlament war, wo mich Heinz-Christian Strache informiert hat.

Ich glaube, man könnte das sehr schnell klären, indem man nachschaut, ob am Donnerstag oder am Mittwoch vor der Ausstrahlung des Ibizavideos irgendeine Parlamentssitzung war, wo ich dort war. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es eine falsche Erinnerung und ich habe es mir irgendwie nicht richtig gemerkt, aber geistig wäre mein Gefühl, dass sozusagen eine Parlamentssitzung, die Info durch Heinz-Christian Strache und von mir eine Fahrt nach Niederösterreich, weil meine Oma schwer krank war, alles an einem Tag war.

Es lässt sich aber, glaube ich, aufklären, wenn man das im Parlament recherchiert. Der Präsident wird das wissen. Es wird sicher irgendwo Aufzeichnungen geben, wann in diesem Jahr Parlamentssitzungen waren. Ich glaube, es war eine Dringliche Anfrage, aber ich weiß es nicht zu 100 Prozent.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Wie lange ist meine Fragezeit noch?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: 2:56 Minuten.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ich möchte Ihnen ein Dokument vorlegen: Es ist die Aussage von Herrn Hessenthaler im Wirecard-Untersuchungsausschuss in der Bundesrepublik, im Bundestag. (Auskunftsperson und Vertrauensperson lesen in dem vorgelegten Schriftstück.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Worauf soll sie sich beziehen, alle zwei Seiten, oder? (Auskunftsperson und Vertrauensperson lesen in den Unterlagen.) Was ist die Frage, bitte?

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Die Frage ist schlicht und ergreifend die – vielleicht kann man dann das exakte Studium beenden –: Haben Sie Wahrnehmungen dazu, dass ÖVP-Funktionäre bei Herrn Ho im Hinterzimmer Drogen konsumiert oder weitergegeben hätten? Und wenn ja: Sind Sie damit erpresst worden? (Abg. Fürlinger hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Fürlinger, zur Geschäftsordnung.

*****

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Selbst wenn das hochinteressante Themen sein sollten, die Kollege Hafenecker anspricht - -

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ich kann es akustisch nicht verstehen.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Selbst wenn das hochinteressante Themen wären, die Kollege Hafenecker anspricht, frage ich mich, in welchem Zusammenhang das auch nur ansatzweise mit diesem Untersuchungsgegenstand steht. Ich bitte den Herrn Verfahrensrichter um seine Einschätzung.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich kann es vorerst auch nicht erkennen. Herr Abgeordneter Hafenecker, können Sie den Zusammenhang herstellen? Insbesondere: In die diesbezüglichen Fragen sind auch Persönlichkeitsrechte involviert, wenn Sie nach Kokain fragen, also was hier steht. Da würde ich Sie bitten, das auszusparen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Geschäftsordnung, außerhalb der Fragezeit: So wie natürlich auch die Frage des Ankaufs von Haarproben von Heinz-Christian Strache um einen mutmaßlichen Kokainkonsum – und das wäre von der ÖVP und von Herrn Suppan geplant gewesen und in seiner Kanzlei zumindest besprochen worden – eine Sache der Persönlichkeitsrechte ist, ist das natürlich so auch der Fall.

Mir geht es aber um etwas anderes. Mir geht es darum, dass wir über Folgendes reden müssen: Es geht ja um die mutmaßliche Käuflichkeit einer Bundesregierung und darunter fällt für mich auch der Punkt, dass man vielleicht - - (Die Vertrauensperson erhebt sich und wendet sich an den Verfahrensanwalt.) – Ist es üblich, dass sich die Vertrauenspersonen da echauffieren und auf das Präsidium zugehen? Vielleicht hätten wir ihn doch ausschließen sollen, ich habe es ja gesagt.

So, bitte darf ich noch fertig ausführen, Herr Verfahrensrichter, Herr Vorsitzender? Mir geht es darum: Wir untersuchen ja die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung und darunter fällt für mich natürlich auch die Problematik, ob es vielleicht auch Ansatzpunkte gibt, dass Teile dieser Bundesregierung erpressbar gewesen wären. Sollte es tatsächlich diese Videoaufnahmen geben, von denen Herr Hessenthaler gesprochen hat, dann ist das meines Erachtens dazu angetan, dass man erstens einmal Regierungsmitglieder oder andere hochrangige Politiker damit unter Druck setzen kann und vielleicht auch da oder dort dafür sorgen kann, dass es zu gesetzlichen Änderungen kommt, die dem erpresserischen Bereich irgendwie entgegenkommen.

Deswegen wollte ich erstens einmal hinterfragen, ob es Wahrnehmungen zu diesen Behauptungen von Herrn Hessenthaler gibt – das hat er immerhin vor dem Bundestag so ausgesagt –, und zweitens, ob es Erpressungsversuche gegeben hat. Das wäre die Frage gewesen und damit stelle ich hoffentlich auch die Verbindung zum Untersuchungsausschuss her. (Die Abgeordneten Stögmüller und Fürlinger heben die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Stögmüller zur Geschäftsordnung, dann Abgeordneter Fürlinger.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Es gibt ja im Ibizavideo auch Teile, die durch einen Twitter-Account veröffentlicht worden sind, wo auch Anspielungen waren, und auch dieser Teil des Protokolls ist ja öffentlich. Ich gebe Kollegen Hafenecker recht, es könnte politische Erpressbarkeit bestehen und entsprechend dem ist schon nachzufragen, ob es hier irgendwelche Bekanntheit von derartigen Vorkommnissen gibt. Natürlich ist dann die Frage, ob im Ibizakomplex dann noch weitere Fragen zulässig sind. Es macht schon einen Unterschied, ob ich man dementsprechend dort Fotos hat, ob irgendetwas bekannt ist. Wir wissen auch, dass Gudenus gekokst hat, also dass es mutmaßlichen Drogenkonsum gegeben hat. Da ist es schon relevant, zumindest einmal kurz die Frage anzureißen, aber dann weiter sehe ich auch die Frage, wo der Zusammenhang ist. Der ist schon herzustellen.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Fürlinger.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich habe zunächst die bescheidene Bitte, dass wir uns in den letzten Zügen dieses Ausschusses nicht in irgendwelchen abenteuerlichen Kriminalgeschichten ergehen. Bei aller persönlichen Wertschätzung, Herr Kollege Hafenecker, diese Frontalattacke auf Kollegen Suppan ist – wie soll ich es standesgemäß ausdrücken? – nicht sehr gut und nicht sehr sauber gewesen und ist in der Form zunächst zurückzuweisen.

Das Zweite ist, wie man abenteuerliche Brücken schlägt: Dass irgendjemand, weil ein – sage ich – Subjekt, das tief in kriminellen Machenschaften verwurzelt ist, irgendwelche blödsinnigen Hörensagensansagen in einem Untersuchungsausschuss in Deutschland macht, quasi Brücken in Österreich schlagen kann und dass Teile der österreichischen Bundesregierung wegen Drogen erpressbar gewesen wären – ich bin eh ein fantasievoller Mensch –, kommt jetzt aber irgendwo auf ein Niveau hinunter, das doch eigentlich nur noch für Entsetzen sorgen kann.

Das Niveau hier ist eine Schande. Das hier ist eine Institution der Republik Österreich, das Parlament, ein Untersuchungsausschuss, und dann setzt ihr euch hierher und macht irgendwelche zweitklassigen Sommerkrimis daraus. Das ist nicht Sinn und Zweck eines solchen Untersuchungsausschusses. Herr Verfahrensrichter, ich bitte Sie, die verzweifelten Versuche sozusagen, diese Bundesregierung – in der ihr übrigens mit dabei wart, lieber Christian Hafenecker – auf diese Weise zu diskreditieren, einfach zurückzuweisen. (Abg. Hafenecker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Hafenecker, zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Kurz zur Erklärung: Ich beziehe mich hier auf die Aussage des Anwaltes, Ihres Standeskollegen Mirfakhrai, der ausgesagt hat, dass es eben das Angebot gegeben hat, dieses Haarbüschel von Heinz-Christian Strache zu kaufen, und dass die Verhandlungen darüber gemeinsam mit dem Direktor der Politischen Akademie und noch jemandem in der Kanzlei von Herrn Mag. Suppan stattgefunden haben. Das ist der Informationsstand, den ich habe, und das ist das, was ich aus den Akten herausnehme – und ich glaube, ich habe vorher sogar mutmaßlich dazu gesagt, wenn nicht, dann werde ich es noch beifügen, damit es hier keine Missverständnisse gibt.

Wenn Sie sich aber da irgendwie unstandesgemäß angesprochen fühlen, Herr Mag. Suppan – auch für Sie –, dann beschweren Sie sich bitte bei Ihrem Standeskollegen Mirfakhrai. Es wundert mich ohnehin, warum es bis heute noch keinen Ausschlussantrag gegen ihn in der Rechtsanwaltskammer gibt, da könnten Sie ja gleich einmal tätig werden.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Fürlinger zur Geschäftsordnung.

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Lieber Kollege Hafenecker, ich verzeihe dir, dass du mich als Kollegen des Herrn Mirfakhrai bezeichnet hast. Ich verzeihe dir aus ganzem Herzen. Das war der Kollege, der hier gesessen ist, 3:45 Stunden, glaube ich, hier gesessen ist und keine Antwort gegeben hat, weil er sich gezählte 704-mal hintereinander zu Recht entschlagen hat – und er wird einen Grund gehabt haben, warum er das getan hat. Das ändert aber jetzt nichts daran, dass ich nicht glaube, dass es im Sinne des Hauses ist, hier mit irgendwelchen Hörensagensgeschichten von Menschen, die selber nachweislich schwere Fehler begangen haben, hausieren zu gehen und dabei unzweifelhaft untadelige Kolleginnen und Kollegen, die hier sitzen, damit zu behelligen.

Ich bitte aber jetzt noch einmal den Verfahrensrichter, dass er diesem Schlusspunkt, den ich als nicht so positiv empfinde, allenfalls einen Riegel vorschiebt.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Verfahrensrichter, darf ich Sie um die Beurteilung der Frage bitten?

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ja, ich würde meinen, auch wenn Sie sich jetzt sehr bemüht haben, Herr Abgeordneter Hafenecker: Ich kann also einen Zusammenhang mit dem, was hier Untersuchungsgegenstand sein soll, nicht herstellen. Auch wenn seinerzeit Mirfakhrai und die bekannten Haarproben und so weiter hier im Verfahren schon aufgekommen sind, das, was hier in dieser Aussage steht, lässt sich meines Erachtens unter keinem unserer Beweisthemen unterbringen. Das ist also doch jenseits davon. Daher bitte ich Sie, von dieser Fragestellung Abstand zu nehmen. (Abg. Hafenecker hebt die Hand.)

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung, bitte.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Verfahrensrichter, ich bin meistens mit Ihnen einer Meinung, aber diese Frage habe ich schon zwei- oder dreimal an andere Auskunftspersonen gestellt. Da ist sie zugelassen worden, auch im Zusammenhang beim Herrn Hessenthaler, zum Beispiel.

Nun noch eine kurze Ergänzung zu Mag. Suppan, nur damit wir hier wirklich nichts falsch machen: Herr Mirfakhrai hat ausgesagt, dass dieses Gespräch bei ihm in der Kanzlei stattgefunden hätte und Sie dabei waren. Das ist die Aussage – nur damit ich da nicht ungenau bin. Wenn ich das vorhin in der Eile falsch wiedergegeben habe, dann tut mir das leid. Nichtsdestotrotz waren Sie jedenfalls dabei, und das war ja der Ausgang der Diskussion.

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Jetzt zu meiner Frage: Wenn die nicht zugelassen ist, kann man nichts machen. Dann kommen wir zum nächsten Punkt, und zwar: Thinktank Think Austria, Frau Mei-Pochtler. Mit welchen Möglichkeiten ist sie im Bundeskanzleramt im Untersuchungszeitraum ausgestattet gewesen? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Sebastian Kurz: Also ich hoffe, ich sage nichts Falsches, da ich natürlich nicht jedes Detail dazu im Kopf habe, aber mein Gefühl ist – ich hoffe, das ist richtig –, dass sie das als Vorsitzende ehrenamtlich macht. – Entschuldigung, ich war nicht nahe genug am Mikrofon: Also ich hoffe, ich sage nichts Falsches, ich habe jetzt nicht jedes Detail im Kopf, aber soweit ich das weiß, glaube ich, dass sie als Vorsitzende von Think Austria das ehrenamtlich macht, aber dass es Büroräumlichkeiten und Infrastruktur im Bundeskanzleramt gibt: einige Mitarbeiter, ich weiß jetzt nicht genau, wie viele.

Darüber hinaus gibt es dort viele Leute, die sich ehrenamtlich als Expertinnen und Experten engagieren, probieren, dort einen Beitrag zu leisten. Die Idee haben wir grundsätzlich entwickelt, weil es das in einigen anderen Ländern gibt. Ich glaube, in Kanada und anderswo wird mit solchen Thinktanks gearbeitet, deren Ziel es ist, sich über die Tagespolitik hinaus mit politischen Themen zu beschäftigen, aus anderen Ländern Best-Practice-Beispiele einzuholen, den Austausch mit Experten zu pflegen.

Also ich finde es eigentlich eine sehr fruchtbare und positive Bereicherung neben der Beamtenschaft und neben den sozusagen Ideen, die aus dem politischen Bereich kommen, hier auch so einen Thinktank zu haben. Und wie gesagt: ich glaube, einige Mitarbeiter, eine Handvoll – ich weiß es aber nicht – und sie selbst ehrenamtlich. Ich hoffe, das stimmt. Man kann es aber sicher jederzeit beim Bundeskanzleramt nachfragen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ist Frau Dr. Mei-Pochtler sicherheitsüberprüft?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Die vier Stunden sind erschöpft. Die Befragung ist zu Ende. (Abg. Tomaselli: Was?!)

Ich darf den Herrn Bundeskanzler um die letzte Beantwortung ersuchen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sebastian Kurz: Herr Abgeordneter Hafenecker, ich muss ehrlich sagen - - Darf ich noch? Ich glaube, ich bin am Wort, oder?

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Ja.

Sebastian Kurz: Ich kann Ihnen das gleich recherchieren. Ich weiß es leider Gottes nicht auswendig, aber ich kann Ihnen das sofort nachliefern. Ich kann das im Bundeskanzleramt erfragen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ja, bitte, denn wir haben im Akt nämlich erstens gesehen, dass sie Elak-Zugang hat, deswegen wäre es für mich interessant, ob sie sicherheitsüberprüft ist, und zweitens, dass sie auch sehr, sehr interessante Informationen aus dem Verteidigungsministerium bekommen hat, was wieder aufgrund ihrer Verbindung zu Wirecard, Braun sehr interessant ist, weil wir wissen, dass die ja in Nordafrika massive Interessen gehabt haben. Deswegen wollten wir sichergehen, dass aus Ihrem Kanzleramt nichts heraussickert.

Sebastian Kurz: Ich kann das gleich klären lassen. Ich frage nach und kann das gleich abklären lassen, ja. Ich weiß es nicht auswendig.

Vorsitzender Mag. Wolfgang Sobotka: Da die Befragungsdauer gemäß § 37 Abs. 4 der Verfahrensordnung bereits 4 Stunden beträgt, erkläre ich die Befragung hiermit für beendet.

Ich bedanke mich für das Erscheinen des Herrn Bundeskanzlers als Auskunftsperson und seiner Vertrauensperson.