Entwurf

Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Schwerwiegende Verletzungen von Persönlichkeitsrechten auf Social Media Plattformen im Internet oder durch Nutzung anderer elektronischer Kommunikationsnetze stellen eine zunehmende gesellschaftspolitische und rechtspolitische Herausforderung dar. Die Schwelle für die Begehung ist niedrig, während deren Wirkung für die Opfer oft massiv und nachhaltig ist. Der zur Verfügung stehende zivilrechtliche Rechtsschutz dauert in gravierenden Fällen mitunter zu lange, insbesondere wenn die rechtsverletzenden Inhalte für viele User sichtbar und zugänglich sind. Diese Situation auch nur für einige Zeit zu erdulden, ist für die betroffenen Personen unzumutbar.

Der Entwurf verfolgt mit folgenden Maßnahmen das Ziel, dieser unbefriedigenden Situation Abhilfe zu schaffen:

Positivierung der Rechtsprechung zur Einwilligung, Aktiv- und Passivlegitimation sowie der Interessenabwägung bei der Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten, einschließlich einer neuen Möglichkeit des Arbeit- oder Dienstgebers, gegen Hasspostings vorzugehen, die gegen seine Mitarbeiter gerichtet sind (§§ 17a, 20 und 20a ABGB);

Ermöglichung eines immateriellen Schadenersatzes bei Verletzung der Privatsphäre über ein elektronisches Kommunikationsnetz (§ 1328a ABGB);

Vereinfachtes Unterlassungsverfahren bei Hasspostings samt Möglichkeit zur sofortigen Vollstreckbarkeit (ZPO), das vor allem kostengünstig gestaltet werden soll (Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts: JN; niedrige Gerichtsgebühr: GGG);

Einführung eines außerstreitigen Antrags auf Herausgabe von Nutzerdaten nach § 18 Abs. 4 E-Commerce-Gesetz.

Die Änderungen im ABGB sollen im Wesentlichen eine Positivierung der seit Jahrzehnten von Literatur und Rechtsprechung um die „Zentralnorm“ des § 16 herum entwickelten und fortgeschriebenen Anspruchsgrundlagen des Persönlichkeitsrechts erreichen. Es sollen zentrale Fragen der Aktivlegitimation, der Einwilligung und der Interessenabwägung geregelt werden. Insbesondere sollen die Anspruchsgrundlage bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in eine eigene Norm gegossen und ausdrücklich die bisherige Rechtslage, die einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch aus den schadenersatzrechtlichen Einzelbestimmungen abgeleitet hat, in einer allgemeinen Grundregel festgehalten werden.

Aufgrund der Einführung des neuen Mandatsverfahrens und eines neuen außerstreitigen Auskunftsverfahrens nach dem E-Commerce-Gesetz sind auch Regelungen zum Gerichtsstand und zur Zuständigkeit (JN), zum Streitwert (RATG), sowie zu den Gerichtsgebühren (GGG) anzuordnen.

Auch die Durchsetzung des Anspruches einer dritten Person gegen einen Diensteanbieter iSd § 16 E-Commerce-Gesetzes („Host Provider“) auf Herausgabe von Nutzerdaten nach § 18 Abs. 4 E-Commerce-Gesetz, der als Hilfsanspruch die spätere Geltendmachung von u.a. aus Rechtsverletzungen resultierenden Unterlassungsansprüchen ermöglichen soll, soll durch eine vorgesehene Verlagerung in den außerstreitigen Rechtsweg samt Zuständigkeitskonzentration bei den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufenen Gerichtshöfen erster Instanz niederschwelliger ausgestaltet werden.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens) sowie auf Art. 7 Abs. 1 F-VG (Bundesabgaben).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


 

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des ABGB)

Zu Z 1 (§ 17a):

Mit dieser Bestimmung sollen Aspekte der Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten geregelt werden. Während bisher allgemein vertreten wurde, Persönlichkeitsrechte seien „höchstpersönlich“, also nicht übertragbar und auch durch Stellvertreter nicht wahrnehmbar, hat dieser Grundsatz in letzter Zeit Einschränkungen erfahren. Das betrifft zunächst den Bereich der kommerziellen Verwertung von Persönlichkeitsrechten, etwa des Namensrechts und des Rechts am eigenen Bild. Zum anderen gab es ein Bedürfnis, bei mangelnder Entscheidungsfähigkeit des Persönlichkeitsträgers die Möglichkeit einer Substituierung der Einwilligung zu schaffen, was durch § 250 Abs. 1 idF 2. ErwSchG geschehen ist. Unbeschadet punktuell abweichender Bestimmungen soll als allgemeiner Grundsatz die Unübertragbarkeit der Persönlichkeitsrechte festgehalten werden. Daraus ergibt sich in weiterer Konsequenz die Unvererblichkeit des Anspruches, für dessen Geltendmachung daher eine eigene Bestimmung zum postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz (Abs. 3) zu schaffen ist.

Abs. 2 regelt die Einwilligung in die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, die – soweit sie in den Grenzen der guten Sitten bleibt (vgl. § 90 StGB) – grundsätzlich nur durch den entscheidungsfähigen Träger des Persönlichkeitsrechts erteilt werden kann. Vermarktungsrechte, die sich ausschließlich auf den vermögensrechtlichen Teil der genannten Persönlichkeitsrechte beziehen, können einschließlich des Rechts, Ansprüche aus der Verletzung dieser wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen, abgetreten werden (RIS-Justiz RS0009321). Dazu gehört etwa das Namensrecht: die kommerzielle Seite des Namensrechts beinhaltet den Schutz der vermögenswerten Interessen des Berechtigten an der Verwertung seines Namens (17 Ob 2/10h). Die (wirksame) Einwilligung führt zu einer „Beeinträchtigung“ eines Persönlichkeitsrechts, während ohne Einwilligung prima facie (vorbehaltlich der Abwägung nach § 20a) von einer „Verletzung“ des Persönlichkeitsrechts im Sinne des § 20 zu sprechen ist.

Ist der Träger des Persönlichkeitsrechts nicht (mehr) entscheidungsfähig, kommt eine Vertretung volljähriger Personen nur nach Maßgabe des § 250 in Betracht. Unberührt bleiben daneben die Sonderbestimmungen im Kindschaftsrecht, in denen fallweise Zustimmungsrechte der Obsorgeberechtigten in personenrechtlichen Angelegenheiten vorgesehen werden (etwa §§ 167 Abs. 2, 173 Abs. 2).

Zu Abs. 3: Es entspricht ständiger Rechtsprechung des OGH und einhelliger Lehrmeinung, dass – insbesondere anknüpfend an § 16 und §§ 77, 78 UrhG – das Persönlichkeitsrecht auch über den Tod fortwirkt und postmortale Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen, losgelöst von einer eigenen Persönlichkeitsrechtsverletzung der Hinterbliebenen, geltend gemacht werden können. Entsprechend der bisherigen Regelung im UrhG zum postmortalen Brief- und Bildnisschutz (§§ 77, 78 UrhG) soll die „Wiederherstellung des Ansehens“ (vgl. 4 Ob 203/13a) durch die nahen Angehörigen wahrgenommen werden. Zur Definition der nahen Angehörigen wird auf § 77 Abs. 2 UrhG zurückgegriffen werden können. Dabei wird auch die bisher zu §§ 77, 78 UrhG ergangene Rechtsprechung zu berücksichtigen sein, nach der die – den Anspruch auslösende – Beeinträchtigung der Interessen der nahen Angehörigen im Regelfall schon dann eingetreten sein wird, wenn die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen zu dessen Gunsten ausgegangen wäre. Daher ist eine besondere Begründung für eine eigene Interessenbeeinträchtigung der Angehörigen nicht erforderlich (RS0129339 [T 1]). Der Schutz der postmortalen Persönlichkeitsrechte knüpft nicht nur an die Beeinträchtigung eines Persönlichkeitsrechts, sondern auch an das zu wahrende Andenken an den Verstorbenen an (vgl. 4 Ob 224/13i mwN). Dadurch soll das „fortwirkende Lebensbild“ eines Verstorbenen insbesondere vor groben Beeinträchtigungen oder Entstellungen geschützt werden.

Zu Z 2 (§ 20):

Abs. 1 normiert den bisher schon in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Der in dieser Grundnorm geregelte Anspruch bei Verletzung eines Persönlichkeitsrechts wird freilich durch die nach § 20a zu erfolgende Interessenabwägung, die gleichsam einen Abwehranspruch des Eingreifers in das Persönlichkeitsrecht umschreiben soll, eingeschränkt.

Es wird vorgeschlagen, den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch nebeneinander zu erwähnen, ohne sie eigenständig auszuformulieren (wie in den §§ 81 und 82 UrhG) oder den Beseitigungsanspruch als Teil des Unterlassungsanspruchs zu formulieren (wie in § 15 UWG). Anknüpfend an die ständige Rechtsprechung des OGH zum UWG soll aber der Unterlassungsanspruch bei einer Rechtsverletzung im Internet, die sich nicht in einer vorübergehenden Handlung erschöpft, sondern dauerhaft abrufbar ist, auch das Recht umfassen, Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands vom Verpflichteten zu verlangen (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 15 Rz 21 ff). Der OGH hat zwar in Fällen außerhalb der Verbreitung im Internet (3 Ob 215/02t: Verbreitung eines Buches, zum Fall 3 Ob 261/03h siehe gleich) ausgesprochen, dass im Fall einer auf § 1330 gestützten einstweiligen Verfügung mit einem Unterlassungsgebot mangels analoger Anwendbarkeit des § 15 UWG damit nicht auch schon die Verpflichtung zur Vornahme bestimmter Beseitigungshandlungen durch den Verpflichteten tituliert sei. Gleichzeitig führte der OGH in seiner Entscheidung 3 Ob 261/03h aber aus, ein Unterlassungstitel decke die Bewilligung der Exekution und die Verhängung von Strafbeschlüssen mit der Begründung, die verpflichtete Partei habe eine verbotene Äußerung auf der im Internet abrufbaren Website belassen. Das bedeute natürlich indirekt die Verpflichtung des Betreibers einer derartigen „Website“, die ihm verbotene Äußerung aus der betreffenden Seite zu entfernen. Der Betreiber könne aber nicht verhalten werden, die Postings auf allen Endgeräten zu entfernen, auf denen sie möglicherweise zwischenzeitig gespeichert wurden.

Bei Rechtsverletzungen im Internet ist demnach vorwiegend der Unterlassungsanspruch von Bedeutung, geht es doch darum, die weitere Verbreitung eines rechtswidrigen Postings für die Zukunft zu unterlassen, es also zu löschen und auch nicht erneut zu senden. Wie der EuGH in der Leitentscheidung C-18/18 (Glawischnig-Piesczek) festgestellt hat, ist die Verhinderung der Verbreitung jedenfalls von wortgleichen Inhalten notwendig, um weiteren Schaden für den Betroffenen zu verhindern (Rz 37), wie dies in Art. 18 der E-Commerce-RL gefordert ist. Obwohl man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch beim „Löschen“ (oder, wie es im Englischen präziser heißt, „take down“) von Postings eher an eine „Beseitigung“ denkt, ist die technische Art und Weise, wie es der Täter oder Provider verhindert, dass ein rechtswidriger Beitrag weiterhin ausgestrahlt wird, bei der Formulierung als Unterlassungsanspruch traditionell diesem überlassen (vgl. dazu EuGH 27. 3. 2014, C-314/12, UPC Telekabel).

Der traditionelle Beseitigungsanspruch (vgl. § 82 UrhG) bezieht sich hingegen eher auf physische Verbreitungsstücke mit rechtsverletzendem Inhalt sowie auf die Materialien und Geräte, die vorwiegend zur Schaffung oder Herstellung von rechtsverletzender Ware gedient haben. Er ist daher vorwiegend in der „offline“-Welt von Bedeutung.

Abs. 2: Die Aktivlegitimation des Arbeitgebers ist neu und soll Situationen erfassen, in denen der Arbeitnehmer aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit Hasspostings ausgesetzt wird, die letztlich bewirken, dass die Tätigkeit erschwert und damit die wirtschaftliche Sphäre oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers beeinträchtigt wird. Dieses Phänomen ist in jüngerer Zeit beobachtbar, etwa wenn gegen Rechtsprechungsorgane wegen unliebsamer Rechtsprechung gehetzt wird, sodass diese in die Befangenheit getrieben werden, was wiederum den Gang der Rechtsprechung insgesamt beeinträchtigen und sogar blockieren kann. Auch die „Vorführung“ eines Polizeiorgans mit dem Ziel, die Staatsgewalt „herunterzumachen“ (und damit auch deren Arbeit zu erschweren), war bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren (6 Ob 6/19d). Schließlich werden praktische Anwendungsfälle auch bei Journalisten auftreten, deren Persönlichkeitsrechte systematisch verletzt werden. Kommt der Arbeit- oder Dienstgeber somit zu dem Schluss, dass die Verletzung der Persönlichkeitsrechte seines Arbeit- oder Dienstnehmers dazu geeignet ist, seine eigene Rechtssphäre zu beeinträchtigen, soll ihm zur Abwehr ein eigener Anspruch auf Unterlassung zustehen.

Der Anspruch besteht parallel zum Anspruch auf Einziehung nach dem vorgeschlagenen § 33a MedienG. Anders als für das medienrechtliche Verfahren, das zumeist an objektive Tatbeständen strafbarer Handlungen anknüpft, werden für die zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung die Tathandlungen nicht einzeln aufgezählt. Stattdessen werden sie als Verletzung des Ansehens (das umfasst die in § 33a Z 1 MedienG umschriebenen Handlungen) und der Privatsphäre (umfasst die in § 33a Z 2 und 3 MedienG umschriebenen Handlungen) normiert. Da wie dort erfasst der Unterlassungsanspruch nur Persönlichkeitsrechtsverletzungen in einem Medium (§ 1 Abs. 1 Z 1 MedienG), die in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen.

Da es sich um einen originären Anspruch des Arbeitgebers handelt, muss die Verletzung geeignet sein, seine Möglichkeiten, den Arbeitnehmer einzusetzen, nicht unerheblich zu beeinträchtigen oder sein Ansehen erheblich zu schädigen. Ersteres ist dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des psychischen Drucks erkrankt und seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann, oder woanders eingesetzt werden muss. Die Möglichkeiten des Arbeitgebers werden aber auch dann beeinträchtigt, wenn er schwieriger Menschen findet, die bereit sind, dieser Arbeit nachzugehen.

Abs. 3 stellt klar, dass nicht nur der unmittelbare Täter geklagt werden kann, sondern auch der Vermittler (siehe § 81 Abs. 1a UrhG). Zur Auslegung dieser Bestimmung kann daher zunächst auf die zu § 81 UrhG ergangene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden. Zugrunde liegt ein allgemeines Prinzip, das bereits von der Rechtsprechung anerkannt wurde: Danach kommt eine Klage gegen denjenigen in Betracht, der rechtswidrig eine besondere Verbindlichkeit unterlassen hat, das Übel zu verhindern; so etwa wenn er eine verpflichtende Vorhandlung gesetzt hat oder eine Gefahrensituation geschaffen hat (Ingerenzprinzip, siehe dazu 6 Ob 6/19d). Ganz generell kann nach der Rechtsprechung des OGH vom mittelbaren Störer – das ist von jenem, der die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit hat, die auf ihn zurückgehende, seiner Interessenwahrung dienende, aber unmittelbar von Dritten vorgenommene Störhandlung zu steuern und gegebenenfalls auch zu verhindern – Unterlassung und nicht bloß Einwirkung auf den unmittelbaren Störer begehrt werden (RS0103058). An dieser Rechtsprechung soll nicht gerüttelt werden.

Zu Z 3 (§ 20a):

Zu Abs. 1:

Der Angriff auf die absoluten Rechte der Ehre und des Rufes einer Person ist für sich noch nicht rechtswidrig, doch bildet schon der Eingriff in absolute Rechte ein Indiz für die Rechtswidrigkeit. Diese kann jedoch nur auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden: Den Interessen am gefährdeten Gut müssen stets auch die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden (RIS-Justiz RS0031657). Auch bei einem Eingriff in das Recht auf Achtung der Privat- und Geheimsphäre kann der Verletzer den Beweis antreten, dass er in Verfolgung eines berechtigten Interesses handelt und die gesetzte Maßnahme ihrer Art nach zur Zweckerreichung geeignet war (RS0120423).

Die Rechtswidrigkeit kann insbesondere durch einen Rechtfertigungsgrund ausgeschlossen sein. Als solche werden in der Rechtsprechung etwa § 1330 Abs. 2 dritter Satz, medienrechtliche Regelungen nach § 6 MedienG, das Interesse der Öffentlichkeit an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und damit im Zusammenhang die Ausübung eines Rechts (Prozesshandlungen, Anzeigen), die Ausübung eines öffentlichen Mandats, Art. 17a StGG und insbesondere auch Art. 10 EMRK angesehen (6 Ob 109/00y).

Zur Verwendung von rechtswidrig erlangten Aufnahmen sei auch auf die in 6 Ob 190/01m getroffene Interessenabwägung verwiesen. Legt der rechtswidrig Aufnehmende die Tonaufnahmen als Beweismittel vor, so obliegt ihm der Beweis, dass er die Tonaufzeichnung bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötigt und dass sein verfolgter Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig sind als die bei der Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners. Eine Interessenabwägung wird bei Transkripten von Tonaufnahmen zum Teil abgelehnt (1 Ob 172/07m; anders 4 Ob 160/11z, wonach den Verletzer die Beweislast trifft, dass höherrangigen Interessen ihn dennoch berechtigten, die Transkripte oder Teile davon Dritten zugänglich zu machen).

Zu Abs. 2:

Abs. 2 ist anwendbar bei der „Verbreitung von Informationen“, wobei dies nicht an die Allgemeinheit erfolgen muss; auch ein Brief an einen einzigen Empfänger fällt unter Art. 10 EMRK (6 Ob 236/19b). In den Fällen, in denen noch keine Verbreitung stattgefunden hat, etwa bei der bloßen Aufnahme (siehe 6 Ob 256/12h oder 6 Ob 6/19d), ist Abs. 2 nicht einschlägig; hier hat die Interessenabwägung nach der allgemeinen Bestimmung des Abs. 1 zu erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des OGH ist auch die Intimsphäre der „Personen von öffentlichem Interesse“ geschützt und die Verbreitung von Bildern unzulässig, die entstellend wirken oder den Abgebildeten im Zusammenhang mit der Bildunterschrift oder dem Begleittext der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgeben oder ihn mit Vorgängen in Verbindung bringen, mit denen er nichts zu tun hat (RS0077903 [T1]). Im Kernbereich der geschützten Privatsphäre (diese Figur ist deckungsgleich mit dem „höchstpersönlichen Lebensbereich“) kann die Interessenabwägung daher – auch bei Politikern – nur dann zugunsten des Äußernden ausfallen, wenn ein allgemeines Informationsinteresse besteht oder der Verletzte seine privaten Lebensumstände selbst öffentlich gemacht hat (RS0077903 [T8]; in letzterem Fall liegt wohl kein Eingriff vor).

Der Ermessensspielraum bei der Rechtfertigung eines Eingriffs in das von Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens ist umso eingeschränkter, je mehr wesentliche Aspekte der Existenz oder Identität einer Person betroffen sind. Es kommt daher auch auf den Grad der Vertraulichkeit des Gesprochenen und den Lebensbereich, dem dieses zugeordnet ist, an (6 Ob 236/19b).

Den Medien muss es möglich sein, ihre Rolle eines „public watchdog“ in einer demokratischen Gesellschaft zu erfüllen (RS0123667 mit Nachweisen der Rechtsprechung des EGMR).

Der Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs. 2 Z 2 lit. b MedienG (unwahre Tatsachenbehauptung) kann zwar – bei Wahrung der journalistischen Sorgfalt – den Entschädigungsanspruch ausschließen, nicht aber einen Unterlassungsanspruch (4 Ob 295/01p). Auch die Ausschlussgründe der Z 3 (Live-Sendung) und 3a (Abrufbarkeit auf einer Website) können nicht gegen einen Unterlassungsanspruch ins Treffen geführt werden. Bei Äußerungen während einer Live-Sendung ist bereits fraglich, ob gegen den Medieninhaber überhaupt ein Unterlassungsanspruch besteht. Der Unterlassungsanspruch bei Verletzungen durch eine Website soll hingegen auch dann möglich sein, wenn die gebotene journalistische Sorgfalt beachtet wurde, weil er verschuldensunabhängig ist.

Zu Z 4 (§ 1328a):

Nach § 1328a Abs. 2 zweiter Satz richtet sich die Verantwortung für Verletzungen der Privatsphäre „durch Medien“ alleine nach den Bestimmungen des Mediengesetzes. Dieses sieht jedoch einen Entschädigungsanspruch nur gegen den Medieninhaber vor. Sinn dieser Einschränkung ist es, bei den traditionellen Medien die einzelnen Journalisten vor Schadenersatzansprüchen zu schützen (ErläutRV ZivRÄG 2004, 173 BlgNR 22. GP. 20). Diese Einschränkung könnte aber dazu führen, dass die Entschädigungsmöglichkeit bei sozialen Netzwerken mangels Medieninhaber ins Leere läuft, was zum Zeitpunkt der Gesetzwerdung noch nicht bedacht werden konnte, aber auch nicht gerechtfertigt wäre.

Der Begriff „elektronisches Kommunikationsnetz“ ist der Richtlinie 2018/1972/EU (Art. 2 Z 1) entnommen; in der Regel wird an die Verbreitung als Website über das Internet (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG) zu denken sein. Es ist aber unklar, inwieweit Individualkommunikationsmittel, mit denen man ebenfalls sehr viele Empfänger erreichen kann, als „Medium“ im Sinn des MedienG gelten (dagegen etwa Rami in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 1 MedienG, der aber gleichzeitig konzediert, dass die Abgrenzung schwierig ist), sodass ein weiterer Begriff als jener der „Website“ zu wählen ist.

Zu Art. 2 (Änderung der Jurisdiktionsnorm)

Zu Z 1 und 2 (§§ 49 und 59):

In Verfahren wegen Streitigkeiten über Verletzungen der Menschenwürde soll ein möglichst einfacher und niederschwelliger Zugang für die Klagsführung geschaffen werden. Der vorgeschlagene § 49 Abs. 2 Z 6 regelt daher, dass diese Verfahren in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallen. Nach dem vorgeschlagenen § 59 Abs. 2 wird für die Klage ein fixer Streitwert in Höhe von 5 000 Euro festgesetzt. Zum Begriff der Menschenwürde siehe die Erläuterungen zu § 549 ZPO.

Die Bezirksgerichte sind aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen im Bereich der Gewaltschutzverfahren und des einfachen Zugangs für Bürgerinnen und Bürger etwa am Amtstag besser für die sachliche Behandlung dieser Verfahren geeignet als die Landesgerichte.

Außerdem ist durch die vorgeschlagenen Bestimmungen gewährleistet, dass sich die klagende Partei im Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss (§ 27 Abs. 2 ZPO), sondern sich grundsätzlich durch jede volljährige und geschäftsfähige Person in erster Instanz vertreten lassen kann (§ 29 Abs. 1 ZPO).

Zu Art. 3 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu Z 1 bis 4 (§§ 502, 549 und 619):

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll ein Sonderverfahren in der ZPO eingerichtet werden, das als Eilverfahren für besonders massive Fälle von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Verfügung stehen soll. Dieses Sonderverfahren soll ausschließlich in Rechtsstreitigkeiten über Klagen zur Anwendung kommen, in denen Ansprüche auf Unterlassung wegen Verletzung der Menschenwürde in einem elektronischen Kommunikationsnetz geltend gemacht werden.

Der Begriff der Menschenwürde findet sich in zahlreichen Stellen der österreichischen Rechtsordnung und dies nicht nur als programmatische Absichtserklärung (Gleichbehandlungsgesetze, Verhetzungstatbestand des § 283 StGB, uvm). Auch international ist der Schutz der Menschenwürde normiert (Art. 1 GRC und deutsches. Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“).

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll an den Begriff der „Menschenwürde“ und an bestehende Auslegung und Judikatur angeknüpft werden. Die Persönlichkeitsrechte sind besondere Ausprägungen des „Urrechts der Persönlichkeit“, des obersten Rechtsprinzips (Zeiller, Privat-Recht3 26 ff, 66 ff, 69 ff), das als das „Recht, die Würde eines vernünftigen, freyhandelnden Wesens zu behaupten oder auch das Recht der gesetzlichen Freyheit, dh zu allen, aber auch nur zu denjenigen Handlungen, bey denen ein geselliger Zustand gleichmäßig freyhandelnder Wesen stattfinden kann […]“ in § 16 seine positivrechtliche Anerkennung gefunden hat (vgl. Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 16 ABGB Rz 1). Auch der Oberste Gerichtshof hat sich in zahlreichen Entscheidungen zu § 16 mit dem Begriff der Menschenwürde auseinandergesetzt. Hervorzuheben ist hier das in RS0008993 wiedergegebenen Substrat dieser Entscheidungen, wonach die Bestimmung des § 16 die Persönlichkeit als Grundwert anerkennt und in ihrem Kernbereich die Menschenwürde schützt (vgl. auch hiezu Aicher aaO Rz 2).

Die Achtung der Menschenwürde ist ebenso ein Teil des Wesenskerns der MRK (vgl. etwa EGMR 13.1.2015 Bsw 61243/08 RS0131776). Über § 16 fließen die allgemeinen Wertvorstellungen der verfassungsmäßig garantierten Grundrechte in die Privatrechtsordnung ein (F. Bydlinski, ZÖR 12, 454 ff; F. Bydlinski, RZ 1965, 67 u 85; ua; aus der Rsp grundlegend 4 Ob 91/78 SZ 51/146 [zu Art. 8 EMRK]; 6 Ob 563/92 SZ 65/166 [Gleichheitssatz]; 3 Ob 566/95 SZ 68/154). Sie werden durch § 16 zu privatrechtsrelevanten Grundwerten, die der Privatautonomie Grenzen setzen (Aicher aaO Rz 57 mwN).

Verletzungen der Menschenwürde kommen im Zusammenhang mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in einem elektronischen Kommunikationsnetz insbesondere bei jenen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte in Betracht, die bisher traditionell unter den Fallgruppen des Schutzes der Ehre (§ 1330 ABGB) oder dem Recht auf Wahrung der Privatsphäre (§ 1328a ABGB) abgehandelt wurden. So kann eine Beleidigung, wenn sie öffentlich vorgetragen wird, das Ansehen verletzen, ohne Öffentlichkeit aber einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen. In der Rechtsprechung wurde § 1328a ABGB als die Ausführungsbestimmung zur Durchsetzung der in § 16 ABGB verankerten Persönlichkeitsrechte in ihrem Kernbereich der Würde des Einzelnen bezeichnet (4 Ob 51/12x).

Die Menschenwürde wird verletzt, wenn durch den Betroffenen unmittelbar oder mittelbar das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird, indem ihnen etwa das Lebensrecht als gleichwertige Bürger bestritten wird oder sie als minderwertige oder wertlose Teile der Gesamtbevölkerung dargestellt werden, oder wenn sie sonst einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden (vgl. Plöchl in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 283 Rz 23). Im gegebenen Zusammenhang soll es um Verletzungen gehen, die auch durch die Meinungsäußerungsfreiheit nicht gerechtfertigt werden können, wie etwa, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Wesentlichen nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht, oder bei mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung verwendeten, nach allgemeiner Auffassung besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern (etwa aus der Fäkalsprache). Aber auch das heimliche Anfertigen kompromittierender Bildaufnahmen wie nach dem vorgeschlagenen § 120a StGB kann eine Verletzung der Menschenwürde darstellen.

Die Voraussetzung der Begehung der behaupteten Rechtsverletzung in einem elektronischen Kommunikationsnetz (zu diesem Begriff siehe die Erläuterungen zu § 1328a ABGB) soll die Verbreitung persönlichkeitsrechtsverletzender Inhalte in breit zugänglichen sozialen Netzwerken ebenso erfassen wie Messenger-Dienste, bei denen der rechtsverletzende Inhalt nur der verletzten Person übermittelt wird. Die rechtsverletzenden Inhalte sollen möglichst rasch aus den jeweiligen Kommunikationsnetzen entfernt werden und so auch eine weitere Verbreitung verhindert werden. Dafür ist ein Unterlassungsanspruch notwendig, aber auch ausreichend (siehe zur Abgrenzung von Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch in diesem Zusammenhang die Erläuterungen zu § 20 Abs. 1 ABGB). In allen einschlägigen Verfahren der letzten Jahre, die auf ein „Löschen“ („take down“) rechtswidriger Postings gerichtet waren, wurde das Klagebegehren als Unterlassungsanspruch formuliert (vgl. nur beispielhaft 6 Ob 178/04a, 6 Ob 116/17b). Das sichert bei Unterlassungsansprüchen gegen den Provider den Verletzten auch davor, dass wortgleiche Postings wieder auftauchen („take down – stay down“, siehe dazu EuGH C-18/18); bei Unterlassungsansprüchen gegen den unmittelbaren Täter hindert es auch vor dem neuerlichen Senden oder Veröffentlichen von sinngleichen Postings.

In der Klage ist die Rechtsverletzung zu behaupten und ein Nachweis anzuschließen, der die rechtsverletzenden Inhalte darstellt oder ersichtlich macht. Hier ist etwa an einen Screenshot des verletzenden Eintrags, Textes oder Bildes oder die Bereitstellung eines Link zu den fraglichen Inhalten gedacht. Für die Erlassung eines Unterlassungsauftrags reicht es aus, dass sich die behauptete Rechtsverletzung aus den Angaben in der Klage und dem angeschlossenen Nachweis schlüssig ableiten lässt

Die Regelungen der Abs. 2 und 3 über den Inhalt und den verfahrensrechtlichen Umgang mit dem Unterlassungsauftrag orientieren sich am Wechselmandatsverfahren sowie dem mit der Zivilverfahrens-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 30/2009, aufgehobenen Mandatsverfahren. Der Auftrag soll ausdrücklich als „Unterlassungsauftrag“ bezeichnet werden.

Die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen tritt grundsätzlich erst mit deren formeller Rechtskraft ein. Hievon sieht das Gesetz allerdings eine Reihe von Ausnahmen vor. So können im streitigen Verfahren Beschlüsse grundsätzlich schon vor ihrer Rechtskraft vollstreckt werden, soweit ihnen nicht aufschiebende Wirkung zuerkannt wird (§ 524); auch Urteile, gegen die eine außerordentliche Revision erhoben wurde, sind vollstreckbar (§ 505 Abs. 4 letzter Satz). Eine weitere Möglichkeit sofortiger Vollstreckbarkeit sieht § 44 AußStrG vor. Nach dieser Bestimmung kann einer Entscheidung sofortige Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit zuerkannt werden. Dem Gericht soll damit die Möglichkeit geboten werden, seine Entscheidungen sofort in Kraft zu setzen. Diese Möglichkeit soll auch hier zur Verfügung stehen.

Abs. 4 der vorgeschlagenen Regelung ermöglicht dementsprechend der klagenden Partei, besonders rasch einen fortwirkend ihr Ansehen massiv verletzenden Zustand zu beenden, indem ihr das Recht eingeräumt wird, einen Antrag an das Gericht zu stellen, dem Unterlassungsauftrag mit Beschluss vorläufige Vollstreckbarkeit zuzuerkennen. Voraussetzung dafür ist, dass die Aufrechterhaltung der behaupteten rechtsverletzenden Handlung für die klagende Partei unzumutbar oder mit erheblichen Nachteilen verbunden oder mit den rechtlich geschützten Werten eines demokratischen Rechtsstaates nicht vereinbar ist. In diesen Fällen soll die klagende Partei nicht in die Situation kommen, die Dauer eines aufgrund von allfälligen Einwendungen der beklagten Partei einzuleitenden ordentlichen Gerichtsverfahrens bis zu dessen Rechtskraft abwarten zu müssen. Bei solchen schwerwiegenden Vorwürfen ist dem effizienten und raschen Schutz der Persönlichkeitsrechte vor einem allfälligen damit verbundenen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 10 EMRK) der Vorzug zu geben. Das Verfahren zur Erlangung der vorläufigen Vollstreckbarkeit orientiert sich an § 44 AußStrG. Hiebei sollen insbesondere Fälle erfasst werden, bei denen die behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung eine individuelle Schwere erreicht, deren Erduldung von der verletzten Person zumutbarer Weise nicht erwartet werden kann, etwa die Verbreitung von obszönen Schmähungen und Beschimpfungen oder von Ton- oder Bildaufnahmen intimer Persönlichkeitsbereiche. In gleicher Weise soll die Bestimmung zur Anwendung kommen, wenn mit der behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzung erhebliche individuelle Nachteile verbunden sind, etwa durch schwerwiegende, die Menschenwürde beeinträchtigende Vorwürfe zB bezogen auf die berufliche Qualifikation oder Charaktereigenschaften der verletzten Person. Zuletzt sollen auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen erfasst sein, die eine überindividuelle Komponente beinhalten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn zu der individuellen behaupteten Rechtsverletzung etwa geschlechterbezogene, ethnische, religiöse oder politische Schmähungen oder Verhetzungen hinzutreten, die insbesondere in einem öffentlichen Rahmen in einem demokratischen Rechtsstaat nicht geduldet werden können.

Um betroffenen Personen die gerichtliche Geltendmachung zu erleichtern, wird die Bundesministerin für Justiz ermächtigt, für die Klage und den Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags ein Formblatt aufzulegen.

Zwar gibt es zu Verletzungen der Privatsphäre in den verschiedensten Ausprägungen bereits Judikatur, zu den nunmehr neu definierten Rechtsverletzungen, die in einem besonderen Verfahren abgehandelt werden sollen und vor allem zu den Kriterien, bei deren Vorliegen eine sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet werden kann, gibt es naturgemäß keine höchstgerichtliche Judikatur. Eine solche wäre jedoch für die Betroffenen als Orientierung in der Praxis von großer Bedeutung und könnte auch für mehr Rechtssicherheit sorgen. Aufgrund der Festlegung des Streitwerts mit 5 000 Euro ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofes nach § 502 Abs. 2 und 3 ZPO ausgeschlossen. Um dennoch in dieser wichtigen Angelegenheit höchstgerichtliche Judikatur zu erhalten, sollen – vorübergehend – derartige Streitigkeiten in den Ausnahmekatalog des Abs. 5 aufgenommen und dadurch eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes ermöglicht werden. Nach einem angemessenen Zeitraum soll die Notwendigkeit weiterer höchstgerichtlicher Entscheidungen überprüft werden, weshalb die Bestimmung zunächst befristet für einen Zeitraum von zehn Jahren gelten soll. Damit soll verhindert werden, dass der bewusst knapp gehaltene Ausnahmenkatalog des § 502 Abs. 5 überfrachtet wird. Es ist zu erwarten, dass innerhalb des vorgesehenen Geltungszeitraums ausreichend Judikatur vorliegen wird, um Grundsätze und Orientierungshilfen für die jeweils auf den konkreten Einzelfall abstellenden Entscheidungen vorzugeben.

Richtet sich eine Unterlassungsklage wegen der Verletzung eines Persönlichkeitsrechts gegen einen Vermittler iSd vorgeschlagenen § 20 Abs. 3 ABGB, so ist auch die Bestimmung des § 5 Abs. 1 iVm Abs. 3 des vorgeschlagenen Kommunikationsplattformen-Gesetzes (KoPl-G) für gerichtliche Verfahren relevant. Diese Bestimmung verpflichtet Diensteanbieter nach dem KoPl-G, zur Sicherstellung der Erreichbarkeit sowie für gerichtliche und behördliche Zustellungen einen „verantwortlichen Beauftragten“ zu bestellen. Dieser hat sich bei einem Zustelldienst nach dem 3. Abschnitt („Elektronische Zustellung“) des Zustellgesetzes, BGBl. I 2004/10, anzumelden und bei der Anmeldung mitzuteilen, dass es keine Zeiträume gibt, innerhalb derer die Zustellung ausgeschlossen sein soll. Der Plattform können dann an diese elektronische Zustelladresse (auch) gerichtliche Schriftstücke (nachweislich) nach den Vorschriften des Zustellgesetzes über die elektronische Zustellung zugestellt werden.

Zu Art. 4 (Änderung der Exekutionsordnung):

Die Aufzählung des § 1 ist um den neu geschaffenen „Unterlassungsauftrag“ (siehe den vorgeschlagenen § 549 ZPO) zu erweitern.

Das Mandatsverfahren wurde mit der Zivilverfahrens-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 30/2009, ersatzlos beseitigt. Der Verweis auf das Mandatsverfahren ist daher gegenstandslos geworden. Ebenfalls gegenstandslos geworden ist die Bezugnahme auf das Amtshaftungsverfahren, weil § 10 Abs. 3 AHG, der im Amtshaftungsverfahren die Erlassung eines Zahlungsauftrages vorgesehen hatte, mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, aufgehoben wurde.

Zu Art. 5 (Änderung des Rechtsanwaltstarifgesetzes):

In § 10 Z 6 RATG ist nach geltendem Recht eine Begrenzung des Streitwerts bei nicht auf einen Geldbetrag gerichteten Ansprüchen nach § 1330 ABGB (Widerruf, Veröffentlichung, Unterlassung) vorgesehen. Dies hat insbesondere den Zweck, Bewertungen in exorbitanter Höhe und das damit einhergehende Unterdrucksetzen des Prozessgegners wegen des hohen Kostenrisikos zu vermeiden und „Knebelungsklagen“ hintanzuhalten (vgl. ErläutRV 1638 BlgNR 20. GP 21 f). Dies gilt in gleicher Weise für die nunmehr vorgeschlagenen Ansprüche nach § 20 ABGB, sodass § 10 Z 6 RATG um diese Fälle zu erweitern ist. Bis zu den in § 10 Z 6 festgelegten Höchstbeträgen steht dem Kläger eine (niedrigere) Bewertung frei. Auch mehrere zusammenhängende (nicht in Geld bestehende) Ansprüche nach § 20 und/oder § 1330 ABGB dürfen nicht zur Überschreitung dieser Höchstbeträge führen (6 Ob 93/98i).

Zu Art. 6 (Änderung des E-Commerce-Gesetzes):

Dem Ziel einer raschen und kostengünstigen Rechtsdurchsetzung auch von Auskunftsansprüchen nach § 18 Abs. 4 ECG soll durch die Verlagerung des Auskunftsverfahrens vom streitigen in den außerstreitigen Rechtsweg Rechnung getragen werden, sodass die Antragseinbringung in Hinkunft unabhängig vom Streitwert an keine Vertretungspflicht gebunden ist. Für die Einbringung eines Auskunftsanspruchs im außerstreitigen Rechtsweg fällt durch die systematisch passende Eingliederung in TP 12 lit. c Z 1 GGG statt einer streitwertabhängigen Gerichtsgebühr eine fixe Pauschalgebühr von 82 Euro an.

Die in § 18 Abs. 4 normierten Anspruchsvoraussetzungen sind unverändert ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten Sachverhalts sowie Kenntnis dieser Informationen als wesentliche Voraussetzung für die spätere Rechtsverfolgung. Sie sind glaubhaft zu machen, was nach der Judikatur erfordert, dass nach grober Prüfung der vom Kläger geltend gemachten Verletzungen eine erfolgreiche Geltendmachung von aus der behaupteten Rechtsverletzung resultierenden Ansprüchen nicht gänzlich auszuschließen ist (vgl. 6 Ob 133/13x; vgl. auch RIS-Justiz RS0129335).

Bereits derzeit sind für Auskunftsansprüche nach § 18 Abs. 4, denen eine behauptete Ehrenbeleidigung oder Kreditschädigung nach § 1330 ABGB wegen Veröffentlichung in einem Medium iSd § 1 Abs. 1 MedienG zugrunde liegt, wenn deren Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert 15 000 Euro übersteigt, gemäß § 51 Abs. 1 Z 8b JN die selbständigen Handelsgerichte sachlich zuständig (vgl. OGH 27.11.2019, 6 Ob 137/19v). Diese Zuständigkeit soll zur Bündelung der Ressourcen und der damit zu erzielenden Verfahrensbeschleunigung streitwertunabhängig auf sämtliche Auskunftsverfahren nach § 18 Abs. 4 ausgedehnt werden. Aufgrund der vorhandenen Sachnähe von Auskunftsansprüche nach § 18 Abs. 4 ECG zu solchen nach § 1330 ABGB, dient eine spezialisierte Zuständigkeit zudem der Rechtssicherheit, da an den von den Rechtsmittelgerichten geprägten Rechtsprechungsgrundsätzen angeknüpft werden kann.

Der neue § 18 Abs. 4a ECG soll mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten. In Anlehnung an § 202 AußStrG sollen die neuen Verfahrensbestimmungen erst dann anwendbar sein, wenn der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 31. Dezember 2020 gestellt wurde. Bereits anhängige streitige Verfahren über solche Ansprüche sind nach den bisher geltenden Regeln für das Streitverfahren zu erledigen, was auch für die Wiederaufnahme derartiger bereits abgeschlossener Verfahren gilt.

Zu Art. 7 (Änderung des Gerichtsgebührengesetzes):

Für die neuen Verfahrensarten nach § 549 ZPO und § 18 Abs. 4a ECG sind Gebührentatbestände zu schaffen. Das Verfahren nach § 549 ZPO soll – ähnlich wie arbeitsrechtliche Feststellungs- und Unterlassungsklagen, Bestandsverfahren, Besitzstörungsklagen – gebührenrechtlich insofern begünstigt werden, als dafür ein fixer Streitwert von 750 Euro angenommen wird. Das entspricht einer Gerichtsgebühr von 107 Euro in erster Instanz, 144 Euro in zweiter Instanz und 214 Euro für die Anrufung des Obersten Gerichtshofs.

Für das Verfahren nach § 18 Abs. 4a ECG soll mit der niedrigsten Gebühr nach der Tarifpost 12 (82 Euro) das Auslangen gefunden werden.

Durch die Änderung in der Tarifpost 13 lit. a) sollen Anträge nach § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO von der Gebührenpflicht für verfahrenseinleitende oder -fortführende Anträge ausgenommen werden.