Entwurf

Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines

Hass und Hetze in sozialen Medien und im Internet sind ein globales gesellschaftspolitisches Phänomen, dessen Relevanz aufgrund des technologischen Wandels der Kommunikationsformen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Der Hass richtet sich dabei aber nicht nur gegen Gruppen, die von den Tätern als anders oder fremd wahrgenommen werden, sondern trifft in vielen Fällen auch Einzelpersonen. Ein wesentlicher Teil der Angriffe beruht auf rassistischen, ausländerfeindlichen, frauenfeindlichen oder homophoben Motiven und reicht von Beleidigungen und Beschimpfungen bis hin zu gefährlichen Drohungen, Verhetzung oder Cybermobbing. Im Rahmen einer österreichischen Studie zu Gewalt im Netz des Forschungszentrums Menschenrechte der Universität Wien, des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte und der WEISSER RING Verbrechensopferhilfe aus dem Jahr 2018 wurde aufgezeigt, dass ein Drittel der befragten Frauen und Mädchen innerhalb eines Jahres mindestens einmal eine Form von Gewalt im Netz wie beispielsweise Beschimpfungen aufgrund der politischen Weltanschauung, Cyber-Mobbing oder sexuell anzügliche Mitteilungen erfahren hat; in der Altersgruppe der 15 bis 18-jährigen waren sogar fast zwei Drittel betroffen. Auch im ZARA Rassismus Report 2018 wurde ein Anstieg von rassistischen und verletzenden Inhalten im Internet um 22,6 % im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Besonders belastend stellt sich die Situation für die Betroffenen aufgrund der breiten Öffentlichkeit im digitalen Raum dar, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass rechtswidrige Inhalte oftmals nicht oder sehr spät gelöscht werden und so für lange Zeit online sichtbar bleiben. Obwohl man sich sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene bereits mit großen Kommunikationsplattformbetreibern wie beispielsweise Twitter oder Facebook auf einen Verhaltenskodex und entsprechende Vereinbarungen zur raschen Löschung von Hasspostings verständigt hat, wird den Löschungsersuchen einzelner Benutzer durch die Anbieter*innen sozialer Medien oftmals nicht in zufriedenstellender Weise nachgekommen.

Dass sich der Hass aber nicht „nur“ auf das Internet oder bloße Worte beschränkt, sondern diesen in den schlimmsten Fällen auch entsprechende Gewalttaten folgen können, hat sich in den vergangenen Jahren durch zahlreiche ideologisch motivierte Attentate bzw. körperliche Übergriffe auf besonders tragische Weise gezeigt. Viele der späteren Täter haben sich im Vorfeld in einschlägigen Internetforen ausgetauscht oder auf den Plattformen sozialer Medien ihre Gesinnung durch das Verfassen entsprechender Hasskommentare zum Ausdruck gebracht. Die verübten Übergriffe führten ihrerseits wiederum zu Beifallsbekundungen im Internet und ausdrücklicher Befürwortung der dahinterstehenden Motive.

Dabei sind die möglichen gesundheitlichen Folgen bei von Hassrede, Beleidigungen und vergleichbaren Straftaten betroffenen Einzelpersonen gravierend: So kann Hass im Netz zu psychischen, emotionalen und psychosomatischen Auswirkungen bis hin zum Selbstmord wegen Cybermobbings führen. Die Opfer können sich den Attacken nur schwer entziehen, weil diese im digitalen Raum rund um die Uhr stattfinden können und Täter sich durch die vermeintliche Anonymität des Internets geschützt fühlen. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang nicht nur die massiven negativen Auswirkungen auf den einzelnen Betroffenen, sondern auf die gesamte Gesellschaft. So kann die Angst vor möglichen Angriffen sogar ganze Teile der Bevölkerung von einer Teilnahme am öffentlichen Leben abhalten und damit zu sogenannten „chilling“-Effekten führen.

Der Schutz vor Gewalt und Hass im Netz stellt daher einen zentralen Punkt im Kapitel „Justiz & Konsumentenschutz“ des Regierungsprogrammes 2020-2024 der österreichischen Bundesregierung dar (S. 38/39). Unter diesem Aspekt sollen insbesondere die Möglichkeiten der Verfolgung von Hass im Netz und die Opferunterstützung verbessert werden, darüber hinaus ist die Einsetzung einer ressortübergreifenden Task Force zur effizienten Bekämpfung von Hass im Netz und anderer digitaler Kriminalitätsformen vorgesehen. Zur Erarbeitung eines entsprechenden Maßnahmenpakets gegen Hass im Netz, das sämtliche straf-, medien- und zivilrechtlichen Aspekte der Thematik behandelt, wurde von der Bundesministerin für Justiz Anfang des Jahres 2020 eine Expert*innengruppe bestehend aus Vertreter*innen aus Lehre und Praxis sowie den zuständigen Fachabteilungen des Ministeriums eingerichtet. Die Überlegungen innerhalb der Expert*innengruppe konzentrierten sich dabei sowohl auf legistische als auch auf praktische Lösungen, um Opfern von Hass im Netz rasch und kostengünstig Zugang zum Recht zu verschaffen und rechtliche Instrumente und Möglichkeiten für Betroffene zu entwickeln, um sich effektiv gegen Hass im Netz zur Wehr setzen zu können.

Mit gemeinsamem Vortrag an den Ministerrat (Zirkulationsbeschluss vom 9. Juli 2020) der Bundesministerin für Justiz, der Bundesministerin für EU und Verfassung sowie der Bundesministerin für Frauen und Integration wurden die entsprechenden Vorhaben zur effizienten Bekämpfung von Hass im Netz und anderer digitaler Kriminalitätsformen dargelegt und die Einsetzung einer ressortübergreifenden Task Force beschlossen. Die vorgesehenen Maßnahmen beinhalten dabei in strafrechtlicher Hinsicht unter anderem die Einführung eines Upskirting-Verbots sowie Nachschärfungen im Bereich des materiellen Strafrechts (insbesondere bei Verletzungen des Bildnisschutzes, Hasspostings und Cyber-Mobbing), Maßnahmen im Strafprozessrecht zur effektiven Strafverfolgung von Hasskriminalität und zum Opferschutz und Anpassungen im Bereich des Medienrechts.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die erforderlichen legistischen Maßnahmen im materiellen Strafrecht, im Strafprozessrecht und im Mediengesetz umgesetzt werden.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des materiellen Strafrechts:

1.     Ausweitung des Tatbestandes des § 107c StGB („Fortdauernde“ statt fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems – „Cybermobbing“);

2.     Einführung des neuen Straftatbestandes gegen unbefugte Bildaufnahmen, insb. „Upskirting“ (§ 120a StGB);

3.     Erweiterung des Tatbestandes des § 283 Abs. 1 Z 2 StGB (Verhetzung) durch Aufnahme von die Menschenwürde verletzenden Individualbeleidigungen gegen Angehörige geschützter Gruppen und damit Gleichstellung mit solchen Beleidigungen geschützter Gruppen.

Im materiellen Strafrecht sind verschiedene Verschärfungen im Bereich der Cyber-Crimes sowie des Bildnisschutzes geplant. So soll durch die Ausweitung des § 107c StGB nunmehr bereits ein einmaliges Tätigwerden durch Verfassen eines gegen die Ehre gerichteten Hasspostings sowie ein einmaliges Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches strafrechtlich verfolgt werden können. Dem Vorbild anderer europäischer Staaten folgend (UK, DE) soll der strafrechtliche Bildnisschutz künftig durch Schaffung eines neuen Tatbestands gegen unbefugte Bildaufnahmen, insbesondere das sogenannte „Upskirting“, also (heimliche) Bildaufnahmen unter den Rock sowie deren Verbreitung, mit einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen verbessert werden. Durch zusätzliche Aufnahme der gegen die Menschenwürde gerichteten Beschimpfungen von Einzelpersonen in die Bestimmung des § 283 Abs. 1 Z 2 StGB werden derartige Fälle künftig als Verhetzung mit entsprechend höherer Strafdrohung geahndet werden können.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des Mediengesetzes:

1.     Ausdehnung des Identitätsschutzes auf Angehörige von Opfern sowie auf Zeugen von Straftaten (§ 7a Abs. 1a MedienG);

2.     Entsprechend dem Auftrag im Regierungsprogramm, „bei Verletzung des Identitätsschutzes bzw. bei bloßstellender Berichterstattung über Opfer von Straftaten“ die „Entschädigungsbeträge im MedienG“ zu erhöhen: deutliche Anhebung der Entschädigungshöchstbeträge nach §§ 7, 7a und 7b; zugleich auch Inflationsanpassung und einheitliche Höhe für alle fünf Entschädigungstatbestände (§§ 6, 7, 7a, 7b und 7c MedienG) von 40 000 Euro, in besonders schweren Fällen (besonders schwerwiegende Auswirkungen der Rechtsverletzung und besonders schwerwiegende Verstöße gegen die gebotene journalistische Sorgfalt) von 100 000 Euro; Einführung einer Untergrenze (§ 8 Abs. 1 MedienG);

3.     Verlängerung der Frist von sechs Monaten zur Geltendmachung der Ansprüche auf ein Jahr für Opfer, die von einer Straftat besonders betroffen sind, und auf nahe Angehörige des Opfers eines Tötungsdelikts und Zeugen einer solcher Tat (§ 8a Abs. 2 MedienG);

4.     Anpassung der Regelungen über die Verjährung (der Strafbarkeit) eines Medieninhaltsdelikts für abrufbare periodische elektronische Medien (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG), also insbesondere Websites, indem festgelegt wird, dass die Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn die Mitteilung oder Darbietung gelöscht wird (§ 32 MedienG);

5.     Klarstellung, dass die Verjährung (der Strafbarkeit) eines Medieninhaltsdelikts die Einziehung und die Urteilsveröffentlichung nicht hindern (§ 33 Abs. 2, § 34 Abs. 3 MedienG);

6.     In Fällen, in denen die inkriminierte Äußerung zwar gegen eine bestimmte Person gerichtet, aber in Wahrheit dadurch motiviert ist, dass diese Person ihrer beruflichen Tätigkeit nachgeht, also ihr eigentliches Ziel der Arbeit- oder Dienstgeber der Person ist, und die inkriminierte Äußerung eine derartige Intensität erreicht, dass die Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, die Person einzusetzen, nicht unerheblich beeinträchtigt oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers erheblich geschädigt werden könnten, so soll dem Arbeit- oder Dienstgeber die Befugnis eingeräumt werden, einen Antrag auf Einziehung zu stellen (§ 33a MedienG);

7.     Einziehung (einschließlich der vom Arbeit- oder Dienstgeber beantragten), Urteilsveröffentlichung und Beschlagnahme (§§ 33, 33a, 34 und 36) sollen, wenn der Medieninhaber (§ 1 Abs. 1 Z 8) nicht greifbar ist, weil er sich etwa im Ausland befindet, auch direkt dem Hostingdiensteanbieter (Hostprovider) angeordnet werden können (§ 36b MedienG);

8.     Anpassung der Verfahrensbestimmungen im MedienG an die in der StPO (§ 71) vorgeschlagene Möglichkeit, dass es auch im Privatanklageverfahren ein Ermittlungsverfahren gibt (§ 41 Abs. 5 MedienG);

9.     Schaffung der Rechtsgrundlage dafür, dass psychosoziale und juristische Prozessbegleitung auch in selbständigen Verfahren (§ 8a) über Entschädigungsansprüche (§§ 6, 7, 7a, 7b und 7c MedienG) sowie über Ansprüche auf Einziehung und Urteilsveröffentlichung (§ 33 Abs. 2 und § 34 Abs. 3 MedienG) gewährt werden kann (§ 41 Abs. 8 MedienG), und zwar für den selben Personenkreis und im selben Umfang wie in der StPO (§ 66b StPO) vorgeschlagen.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen des Mediengesetzes sollen – gemeinsam mit den im Zivilrecht vorgeschlagenen Bestimmungen – ein besserer Persönlichkeitsschutz und insbesondere mehr Durchschlagskraft gegen Hass im Netz erreicht werden, wobei vor allem das primäre Anliegen der Opfer von Hass im Netz befördert werden soll, dass die betreffenden Mitteilungen oder Darbietungen so rasch und so umfassend wie möglich „aus dem Netz“ genommen werden.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des Strafprozessrechts:

1.     Neustrukturierung und Ausweitung der Prozessbegleitung auf bestimmte Opfer (minderjährige Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum und Opfer „typischer“ Hass im Netz-Delikte) im Zuge der neu geschaffenen Bestimmung des § 66b StPO;

2.     Schaffung einer Möglichkeit zur erleichterten Ausforschung des Täters bei Privatanklagedelikten, die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden, durch Neuregelung des § 71 StPO;

3.     Ergänzung des § 76a StPO um sonstige Diensteanbieter (§ 3 Z 2 ECG);

4.     Entfall der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers für die Verfahrenskosten bei Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB).

Mit den vorgeschlagenen Änderungen der StPO soll eine neuerliche Verbesserung im Bereich des Opferschutzes erreicht werden, die insbesondere die speziellen Bedürfnisse der von Hass im Netz betroffenen Opfer berücksichtigt. Diesen Opfern sowie minderjährigen Zeug*innen von Gewalt im sozialen Nahraum soll künftig im neu zu schaffenden § 66b StPO ebenfalls die Möglichkeit der Inanspruchnahme psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung eingeräumt werden, soweit dies zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Damit wäre einerseits eine professionelle psychosoziale Unterstützung der Opfer von Hass im Netz, die in vielen Fällen gezielt gegen sie als Person gerichteten Hass erleben müssen, gewährleistet, andererseits würde durch die Möglichkeit der juristischen Prozessbegleitung eine potenzielle Hemmschwelle zur tatsächlichen Verfolgung virtueller Übergriffe durch das einzelne Opfer, das sich mit der Einbringung formal vollständiger und korrekter Anträge bei Gericht schnell überfordert fühlen oder Bedenken aufgrund entstehender Kosten hegen könnte, abgebaut.

Darüber hinaus soll für Opfer von Hass im Netz durch die Änderung des § 71 StPO eine Möglichkeit zur erleichterten Ausforschung des Täters in Privatanklageverfahren wegen übler Nachrede und Beleidigung (§§ 111 und 115 StGB) etabliert werden. Mittels bei Gericht (Zuständigkeit des Haft- und Rechtsschutzrichters) zu stellenden Antrags auf Anordnung bestimmter Ermittlungsmaßnahmen zur Ausforschung des Täters, Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen soll dem Opfer ein effizientes Werkzeug zur Hand gegeben werden, um unter Inanspruchnahme der ermittlungstechnischen Möglichkeiten des staatlichen Behördenapparates die möglichen Grundlagen für eine weitere Strafverfolgung im Rahmen des Privatanklageverfahrens zu schaffen.

Des Weiteren wird vorgeschlagen, in § 76a StPO sonstige Diensteanbieter (§ 3 Z 2 E-Commerce-Gesetz) ausdrücklich anzuführen, um sicherzustellen, dass auch von Internetdiensten, insbesondere OTT-Diensten, die keine Anbieter von Kommunikationsdiensten sind, die dort genannten Auskünfte über Stamm- und Zugangsdaten erlangt werden können.

Durch den Entfall der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers in § 390 Abs. 1 StPO und § 390a Abs. 1 StPO sollen außerdem bestimmten von Hass betroffenen Opfergruppen die Bedenken vor möglichen Kostenfolgen bei Einbringung einer Privatanklage gegen den Täter genommen werden.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen)

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der Entwurf dient der Umsetzung von Unionsrecht, nämlich folgender Rechtsakte:

-       von Art. 21 der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, ABl. Nr. L 88 vom 31.3.2017, S. 6, und

-       von Art. 25 der Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates, ABl. Nr. L 335 vom 17.12.2011, S. 1.

-       von Art. 3 Abs. 3, Art. 8 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4, Art. 9 Abs. 1 lit. a bis e und Abs. 2, Art. 13, Art. 18, Art. 20 lit. c, Art. 22 Abs. 1 bis 4, Art. 23 Abs. 2 lit. b und Art. 24 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI, ABl. Nr. L 315 vom 14.11.2012, S 57.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Zu Z 1 (§ 107c StGB):

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015, wurde § 107c StGB neu eingeführt. Danach macht sich strafbar, wer eine Person für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar an der Ehre verletzt (Abs. 1 Z 1) oder Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer Person ohne deren Zustimmung für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar macht (Abs. 1 Z 2), sofern dies im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems, längere Zeit hindurch fortgesetzt geschieht und auf eine die Lebensführung des Opfers unzumutbar zu beeinträchtigen geeignete Weise. Zur Auslegung des Begriffes „längere Zeit hindurch fortgesetzt“ wurde in den Erläuterungen Folgendes ausgeführt:

„Was unter dem Begriff „längere Zeit hindurch fortgesetzt“ zu verstehen ist, hat sich an den Umständen des Einzelfalles zu orientieren. So kann es in manchen Fällen genügen, dass jemand ein einziges Mal eine Belästigung im Sinne der Bestimmung begeht und dadurch bereits dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt. Bei § 107c StGB handelt es sich nämlich um ein Dauerdelikt, welches auch durch Unterlassen begangen werden kann. So könnte beispielsweise in Fällen, in denen jemand Nacktfotos des Opfers ohne dessen Zustimmung im Internet veröffentlicht und diese eine längere Zeit hindurch nicht löscht – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen –, eine Strafbarkeit nach § 107c StGB gegeben sein. Von einer fortgesetzten Tathandlung kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn der Täter oder die Täterin gar keine Möglichkeit zur Löschung hat bzw. andere vor erfolgter zeitnaher Löschung z. B. die Bildaufnahmen bereits vervielfältigt und weitergegeben haben. Bei weniger massiven Handlungen wird man im Einzelfall genau prüfen müssen, ob erst bei mehrfacher Wiederholung der Handlungen von einer „über längere Zeit fortgesetzten“ Begehung gesprochen werden kann. Bei Belästigungen durch E-Mails, SMS oder Telefonanrufe sind jedenfalls wiederholte Tathandlungen erforderlich.“ (ErläutRV 689 BlgNR 25.GP 19f.).

Diese Ansicht hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Argumentiert wird, dass § 107c StGB zwar als Dauerdelikt verstanden werden könnte, das Wort „fortgesetzt“ jedoch jedenfalls mehrere Handlungen erfordere (Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c Rz 17; OLG Wien, 21 Bs 278/16k = JSt 2017, 563 (Birklbauer)). Das bedeutet in der Praxis, dass derzeit Fälle, in denen jemand beispielsweise einmal ein Nacktfoto einer anderen Person ins Internet stellt, nicht von § 107c StGB erfasst werden, selbst wenn dieses eine längere Zeit hindurch für Dritte wahrnehmbar ist. Es soll daher – in Übereinstimmung mit dem Vorschlag der seinerzeitigen Strafrechtskommission im Rahmen der Task Force – das Element der „fortgesetzten Tatbegehung“ in § 107c StGB entfallen, um auch bereits die einmalige Veröffentlichung strafrechtlich verfolgen zu können.

Bei mehreren Tathandlungen könnte sich weiterhin die Frage der Abgrenzung zwischen dem mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 geschaffenen § 107a Abs. 2 Z 5 und § 107c Abs. 1 Z 2 StGB stellen. Zwar könnte die Bestimmung des § 107c Abs. 1 Z 2 StGB wie aktuell im Einführungserlass des BMJ zum Gewaltschutzgesetz, S318.040/0016-IV 1/2019, eJABl Nr. 24/2019, als lex specialis angesehen werden im Hinblick auf die Qualifikation des neuen ersten Falls des § 107a Abs. 3 StGB wären dann aber länger als ein Jahr hindurch fortgesetzte Internetveröffentlichungen (für die weiterhin § 107c Abs. 2 StGB ohne diese zusätzliche Qualifikation gelten würde) gegenüber sonstigen öffentlichen Verbreitungshandlungen durch Aushängen o. Ä. privilegiert. § 107c Abs. 2 StGB soll daher analog zu § 107a Abs. 3 StGB um die neue Qualifikation des länger als ein Jahr dauernden Tatzeitraums ergänzt werden.

Zu Z 2 (§ 120a StGB):

Vorbemerkung:

„Upskirting“-Bildaufnahmen, bei denen unter die Bekleidung, zumeist den Rock oder das Kleid einer Frau, fotografiert wird, konterkarieren das Bestreben der Opfer, diese Körperteile dem Anblick fremder Menschen zu entziehen. Kameras sind aufgrund des technischen Fortschritts mittlerweile in Mobiltelefonen verbaut und in der Lage, Bildaufnahmen von hoher Qualität zu erzeugen. Oft werden derartige Aufnahmen im öffentlichen Raum heimlich unter Zuhilfenahme eines Selfie-Sticks, beispielsweise auf einer Rolltreppe oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, hergestellt. Durch diese Verhaltensweise verletzen die Täter die Privatsphäre der Opfer. Opfer müssen zudem damit rechnen, dass die Bildaufnahmen an andere Personen weitergegeben oder sogar auf einschlägigen Seiten im Internet veröffentlicht werden.

Auch das Anfertigen von Nacktfotos oder -filmen ohne das Wissen und die Einwilligung der betroffenen Personen, beispielsweise in Umkleidekabinen oder öffentlichen Toiletten durch versteckt platzierte Kameras, stellt sich als Problem dar, dem mit dem geltenden Recht nicht ausreichend begegnet werden kann.

Der Schutz vor diesen Bildaufnahmen durch das Strafrecht erscheint verbesserungsbedürftig. Die Herstellung derartiger Bildaufnahmen stellt derzeit nur einen Verwaltungsstraftatbestand dar (§ 62 Abs. 1 Z 4 DSG). Erst bei Vorliegen weiterer Tatbestandselemente können in diesen Fällen beispielsweise die Tatbestände der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB), der beharrlichen Verfolgung (§ 107a StGB), der fortgesetzten Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (§ 107c StGB) oder der Datenverarbeitung in Gewinn- oder Schädigungsabsicht (§ 63 DSG) erfüllt sein. Die Anwendung des § 63 DSG scheitert jedoch immer dann, wenn lediglich eine Bildaufnahme des Intimbereichs vorliegt, weil nur Bildaufzeichnungen, die die betreffende Person erkennen lassen, personenbezogene Daten sind und in den Schutzbereich des § 63 DSG fallen (Salimi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 63 DSG Rz 28). Auch § 107c StGB setzt voraus, dass das Opfer identifizierbar ist (Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c Rz 12).

Mit dem vorliegenden Entwurf soll das im Regierungsprogramm 2020-2024, S. 273, vorgesehene Upskirting-Verbot durch Schaffung eines neuen Straftatbestands umgesetzt werden. Gleichzeitig wird dadurch der Entschließung des Nationalrats vom 22.4.2020, 27/E XXVII. GP, mit der die Bundesregierung aufgefordert wurde, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, der die unbefugte Herstellung von Bildaufnahmen des Intimbereichs einer anderen Person, indem unter deren Bekleidung fotografiert oder gefilmt wird (Upskirting), unter Strafe stellt, entsprochen.

Der neue Straftatbestand soll in den Fünften Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches eingeordnet werden, weil derartige Bildaufnahmen die Privatsphäre verletzen. Die unbefugte Bildaufnahme stellt ein Pendant zur unbefugten Tonaufnahme, die nach § 120 StGB strafbar ist, dar. Auch in Deutschland sind Bildaufnahmen einer Person in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum im Rahmen des § 201a dStGB in den 15. Abschnitt (Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs) eingeordnet. Dass ein neuer Tatbestand gegen Upskirting im Rechtsausschuss des deutschen Bundestags nach langen Diskussionen letztlich am 2.7.2020 als Sexualdelikt (§ 184k dStGB) beschlossen wurde, spricht nicht gegen die vorgeschlagene Einordnung, weil nach dem Entwurf ebenso wie in Deutschland eine allfällige der Tat zugrundeliegende sexuelle Motivation des Täters – im Unterschied zu anderen Rechtsordnungen (vgl. § 67a des Sexual Offences Act für England und Wales) – nicht einmal zum Teil bzw. als Alternative Tatbestandsmerkmal des neuen Straftatbestands sein soll.

Zu § 120a StGB:

Nach dem neuen § 120a Abs. 1 StGB soll strafbar sein, wer absichtlich eine Bildaufnahme der Genitalien, der Schamgegend, des Gesäßes, der weiblichen Brust oder der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche eines anderen, der diese Bereiche durch Bekleidung oder vergleichbare Textilien gegen Anblick geschützt hat oder sich in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, ohne dessen Einwilligung herstellt.

Der Begriff der Bildaufnahme erfasst wie in § 107c StGB sowohl Fotos als auch Videos (vgl. Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c Rz 12; Thiele in SbgK, § 107c Rz 26).

Die geschützten Körperstellen umfassen die Genitalien, die Schamgegend, das Gesäß und die weibliche Brust. Die Begriffe Genitalien und Schamgegend sind wie in § 207a Abs. 4 Z 3 lit. b StGB zu verstehen. Wenngleich es sich bei Bildern der weiblichen Brust nicht um „Upskirting“ im engeren Sinn handelt, sollen nach deutschem Vorbild auch diese Aufnahmen in den Tatbestand einbezogen werden. Vom Tatbestand sollen nicht nur Nacktfotos, sondern auch Bildaufnahmen der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche erfasst sein, weil auch diese durch die Oberbekleidung gegen die Blicke Fremder geschützt werden soll und derartige Aufnahmen daher ebenso die Privatsphäre des Opfers verletzen. Das Fotografieren von Leggings, die eine Person unter einem Kleid oder Rock trägt, wird hingegen nicht den Tatbestand erfüllen, weil es sich dabei nicht um Unterwäsche handelt.

Das Opfer muss die genannten Bereiche entweder durch Bekleidung oder vergleichbare Textilien gegen Anblick geschützt haben oder sich in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden. Die erste Variante umfasst neben der Oberbekleidung auch beispielsweise Handtücher, die als Sichtschutz eingesetzt werden. Die zweite Variante ist erfüllt, wenn der Täter das Opfer beispielsweise in einer Umkleidekabine oder öffentlichen Toilette fotografiert oder filmt.

Ob eine der geschützten Körperstellen auf einem Teil des Bildes vorkommt oder das ganze Bild einnimmt, ist für den objektiven Tatbestand nicht relevant. Um die Strafbarkeit auf besonders strafwürdige Verhaltensweisen zu beschränken und Anwendungsproblemen in der Praxis entgegenzuwirken, soll jedoch auf der subjektiven Tatseite Absichtlichkeit verlangt werden. Dem Täter muss es somit auf die Verwirklichung des Tatbestandes ankommen. Wer eine Person auf einem Brunnenrand sitzend fotografiert und dabei in Kauf nimmt, dass auch geschützte Stellen einer daneben sitzenden Person abgebildet werden, soll sich weiterhin nicht strafbar machen. Dasselbe gilt, wenn beispielsweise Pressefotografen Prominente beim Aussteigen aus einem Auto auf dem Roten Teppich ablichten und dabei deren Unterwäsche sichtbar wird.

Soweit die Herstellung der Bildaufnahme in Ausübung rechtmäßiger Pflichten erfolgt (z. B. durch die Kriminalpolizei oder Strafvollzugsbedienstete) ist sie mangels Rechtswidrigkeit nicht strafbar (vgl. zum Besitz pornographischer Darstellungen Minderjähriger Hinterhofer in SbgK, § 207a Rz 80).

Nach § 120a Abs. 2 StGB soll sich strafbar machen, wer eine nach Abs. 1 hergestellte Bildaufnahme einem anderen zugänglich macht oder veröffentlicht. Die Tathandlung des Zugänglichmachens umfasst alle Handlungen, die die Bildaufnahme einer vom Täter verschiedenen Person (oder mehreren solchen) einsehbar machen (Salimi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 63 DSG (Stand 30.8.2019, rdb.at) Rz 67), also beispielsweise das Verschaffen, Überlassen oder Vorführen. Unter Veröffentlichen ist, wie in anderen Tatbeständen, das Zugänglichmachen in Bezug auf einen unbestimmten Personenkreis zu verstehen. Von einem Veröffentlichen kann man nur sprechen, wenn iSd § 69 StGB ca. 10 Personen (Richtwert) Kenntnis von den Daten erlangen können (Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 69 Rz 1; SSt 55/28, 12 Os 119/05 z, SSt 2006/20 = RZ 2007/3, 52; Salimi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 63 DSG Rz 70).

Vorsatzfragen können sich dann stellen, wenn der Täter, der eine Tathandlung nach Abs. 2 setzt, die Bildaufnahme nicht selbst hergestellt hat. Dieser Täter muss zumindest mit bedingtem Vorsatz dahingehend, dass der Täter die Bildaufnahme nach Abs. 1 absichtlich hergestellt hat, handeln.

Zu Z 3 (§ 283 Abs. 1 Z 2 StGB):

Beschimpfungen von Einzelpersonen sind derzeit nach § 115 StGB als Beleidigung mit bis zu drei Monate Freiheitsstrafe bedroht. Wenn das Opfer wegen seiner Zugehörigkeit zu einer der im § 283 Abs. 1 bezeichneten Gruppen beschimpft wird und die Beschimpfung geeignet ist, das Opfer in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, wird zwar aus dem Privatanklagedelikt ein Ermächtigungsdelikt und kann der Erschwerungsgrund des § 33 Abs. 1 Z 5 StGB zum Tragen kommen, die Strafdrohung als solche ändert sich jedoch nicht. Selbst wenn eine Beschimpfung von Einzelpersonen unter den Tatmodalitäten geschieht, die § 283 Abs. 1 Z 2 StGB für die hetzerische Beschimpfung von (geschützten) Gruppen vorsieht, nämlich, dass die Beschimpfung vielen (d.h. mindestens rund 30) Personen zugänglich wird und in der Absicht geschieht, das Opfer in seiner Menschenwürde zu verletzen, bleibt es in Bezug auf (einer geschützten Gruppe angehörige) Einzelpersonen bei der Strafdrohung bis zu drei Monaten Freiheitsstrafe, während die Gruppenbeschimpfung als Verhetzung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht ist. Nachdem seit der Novelle des § 283 StGB durch BGBl. I Nr. 103/2011 bereits der Aufruf zu Gewalt gegen Einzelpersonen dem Aufruf zu Gewalt gegen geschützte Gruppen gleichgestellt war, wurde mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015 auch der Aufruf zu Hass (die Hetze) gegen Einzelpersonen dem Aufruf zum Hass (Hetze) gegen Gruppen gleichgestellt. Nunmehr erscheint auch bei der hetzerischen Beschimpfung die Diskrepanz zwischen der Verhetzung von Gruppen und jener von Einzelpersonen unter dem Gesichtspunkt des erhöhten Stellenwerts des Persönlichkeitsschutzes sowie des Umsichgreifens von Hass im Netz nicht mehr länger angemessen. Es sollen daher nunmehr auch gegen die Menschenwürde gerichtete Beschimpfungen von Einzelpersonen nach § 283 Abs. 1 Z 2 StGB geahndet werden können. Aufgrund der bestehenden Unterschiede in den Tatbeständen bei der Publizität sowie des nur bei der Bestimmung des § 283 Abs. 1 Z 2 StGB erforderlichen erweiterten Vorsatzes in Form der Absicht, die Menschenwürde zu verletzen, erscheint die Beibehaltung des § 117 Abs. 3 StGB in der geltenden Fassung für zwar nicht hetzerische, aber doch diskriminierende Beleidigungen weiterhin zweckmäßig.

Zu Artikel 2 (Änderung des Mediengesetzes)

Zu Z 1, 11, 20 und 21 (neue Unterabschnitte)

Es wird vorgeschlagen, die Bestimmungen des Dritten Abschnitts (Persönlichkeitsschutz) in vier Unterabschnitte zu gruppieren und damit übersichtlicher zu gestalten.

Zu Z 2 bis 4 und 6 bis 8 (§ 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 1, § 7b Abs. 1, § 7c Abs. 1 und § 8 Abs. 1 und 2 MedienG)

1. Derzeit enthalten § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 1, § 7b Abs. 1 und § 7c Abs. 1 MedienG die Kriterien für die Festsetzung der Höhe der Entschädigung. Der Entwurf schlägt vor, die Kriterien aus den genannten Bestimmungen herauszulösen und sie in § 8 MedienG für alle fünf Tatbestände gemeinsam (und einheitlich) vorzusehen. Damit wird die Regelung insgesamt kompakter und übersichtlicher.

Abgesehen davon, dass der Begriff Kränkung durch den Begriff Verletzung ersetzt werden soll (vgl. den vorgeschlagenen § 20 ABGB), werden inhaltliche Änderungen in § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 1, § 7b Abs. 1 und § 7c Abs. 1 MedienG nicht vorgeschlagen.

2. In allen fünf Entschädigungstatbeständen ist die Entschädigung der Höhe nach mit einer festen Obergrenze gedeckelt, wobei es drei verschiedene Modelle gibt:

-       Entschädigung bis 20.000 € (§§ 7, 7a, 7b MedienG);

-       Entschädigung bis 20.000 €, in besonders schweren Fällen bis 50.000 € (§ 6 MedienG);

-       Entschädigung bis 50.000 €, in besonders schweren Fällen bis 100.000 € (§ 7c MedienG).

An der derzeitigen Rechtslage und Praxis wird kritisiert, dass einerseits die Obergrenzen der Entschädigung zu niedrig angesetzt seien, andererseits diese von den Gerichten nicht in wünschenswertem Ausmaß ausgeschöpft werden (offenbar aus der Überlegung, sich einen Spielraum für noch schlimmere Fälle offen zu lassen). Die Entschädigungsbeträge, die großen und wirtschaftlich potenten Medienunternehmen drohen, stehen daher in keinem Verhältnis zu dem Gewinn, der durch persönlichkeitsverletzende Veröffentlichungen erzielt werden könne, und werden von einzelnen Medien offenbar bewusst in Kauf genommen. Auf der anderen Seite können schon Bußgelder von 1.000 Euro existenzgefährdend sein, wenn sie über kleine Medien mit geringer Verbreitung verhängt werden.

3. Der Entwurf schlägt in § 8 Abs. 1 MedienG eine Neuregelung vor, die dieser Kritik Rechnung tragen soll, zugleich aber auch der gestiegenen gesellschaftlichen Sensibilität für Persönlichkeitsschutz – was ja das Hauptziel des gesamten Entwurfs ist.

Zunächst scheinen jedenfalls aus heutiger Sicht die offenbar vom historischen Gesetzgeber gesehenen unterschiedlichen Wertigkeiten der fünf Arten von Persönlichkeitsverletzungen nicht (mehr) ersichtlich. Es wird daher vorgeschlagen, dass die Regelung für alle fünf Tatbestände (§§ 6, 7, 7a, 7b, 7c MedienG) gleich sein soll.

Weiters soll die Obergrenze besser mit dem Grundgedanken – Entschädigung für erlittenen (ideellen) Schaden (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) Vor § 6 – 7c Rz 7) – vereinbar gemacht werden, indem den Gerichten eine größere Bandbreite für die Bemessung der Entschädigung eingeräumt wird.

Die geltenden Obergrenzen bestehen seit dem 1.7.2005 (Mediengesetznovelle 2005, BGBl. I Nr. 49/2005). Seit damals ist das allgemeine Preisniveau um rund 30 % gestiegen (VPI 2005 bis Mai 2020: 130,2).

Vor diesem Hintergrund und um auch dem gestiegenen gesellschaftlichen Bedürfnis nach Persönlichkeitsschutz zu entsprechen, wird vorgeschlagen, die Obergrenze grundsätzlich mit 40 000 Euro zu beziffern.

Überdies wird vorgeschlagen, dass – wenn es um Entschädigungen nach den §§ 6, 7 oder 7c MedienG geht – dieser Betrag überschritten und eine Entschädigung bis 100.000 Euro bemessen werden kann, wenn zwei Voraussetzungen zusammenfallen: besonders schwerwiegende Auswirkungen der Veröffentlichung und ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die gebotene journalistische Sorgfalt. Die Voraussetzung der besonders schwerwiegenden Auswirkungen entspricht der nach geltendem Recht in den §§ 6 und 7c MedienG vorgesehenen Voraussetzung für die erhöhte Obergrenze.

Dagegen bringt die zweite Voraussetzung, der besonders schwerwiegende Verstoß gegen die gebotene journalistische Sorgfalt, einen Aspekt ein, der bisher bei den Entschädigungen nach den §§ 6 ff MedienG weitgehend außer Betracht geblieben ist, nämlich eine Bewertung des Sorgfaltsverstoßes auf Seiten des Mediums. Mit dieser Anknüpfung an eine Art eines Verschuldens kann einerseits die besondere Höhe der Entschädigung gerechtfertigt werden; andererseits soll damit auch die präventive Wirkung der §§ 6 ff MedienG befördert werden.

Durch diese qualifizierte Obergrenze soll auch die bisher zu beobachtende Zurückhaltung der Judikatur, an die derzeitigen Höchstbeträge heranzugehen, aufgelöst werden.

4. Durch die Schaffung einer Untergrenze von 100 Euro soll verdeutlicht werden, dass bei entsprechend geringer Bedeutung des Mediums (geringe Auflage und Reichweite: z.B. Gemeindeblätter, Vereinszeitungen, Flyer etc.) auch Entschädigungen deutlich unter 1.000 Euro angemessen sein können.

Dem Grundanliegen des Entwurfs – besserer Schutz der Persönlichkeitsrechte – entspricht es besser, einerseits von den festen Obergrenzen abzugehen und andererseits auch die unterschiedliche Gewichtung fallen zu lassen.

5. Nach geltendem Recht (§ 6 Abs. 1 zweiter Satz MedienG) ist die Höhe des Entschädigungsbetrages nach Maßgabe des Umfangs und der Auswirkungen der Veröffentlichung, insbesondere auch der Art und des Ausmaßes der Verbreitung des Mediums zu bestimmen. Dabei ist auch auf die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers Bedacht zu nehmen.

Unter dem Ausmaß der Verbreitung ist im Wesentlichen die Höhe der (konkreten) Auflage oder die Reichweite des (auch elektronischen) Mediums zu verstehen, während mit der Art der Verbreitung auf die Zielgruppe des Mediums unter Bedachtnahme auf die Stellung des Betroffenen abgestellt wird.

Insoweit soll die geltende Rechtslage grundsätzlich unverändert beibehalten, allerdings in drei Punkten weiterentwickelt werden.

Zunächst wird vorgeschlagen, neben dem Umfang und den Auswirkungen der Veröffentlichung als weiteres Kriterium für die Bestimmung der Entschädigung den Veröffentlichungswert anzuführen. Dieser Begriff ist im Gegendarstellungsrecht gebräuchlich (vgl. § 13 MedienG) und umfasst insbesondere die Aufmachung der Veröffentlichung.

Weiters soll einer Besonderheit bei Websites Rechnung getragen werden: Bei diesen kann nämlich das Ausmaß der Verbreitung in der Regel auch dadurch konkretisiert werden, dass die Zahl jener Endnutzer (dieser Begriff ist im Sinne von § 3 Z 5 TKG zu verstehen) festgestellt werden kann, die konkret die inkriminierte Veröffentlichung aufgerufen („angeklickt“) haben. Diese Zahl soll daher bei Websites zugrunde zu legen sein, um das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung festzustellen. In der Regel wird die Behauptungs- und Bescheinigungslast für diese Zahl den Medieninhaber treffen.

Schließlich wird vorgeschlagen, dass bei zeitlich eng aufeinanderfolgenden Veröffentlichungen gleichen Inhalts die Auswirkungen der späteren Veröffentlichungen in der Regel als geringer anzusehen sein sollen; begrenzt ist dies zeitlich mit dem erstinstanzlichen Zuspruch eines Entschädigungsbetrages (weil ab diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr von Gutgläubigkeit ausgegangen werden kann).

6. In den neuen § 8 Abs. 1 MedienG sollen die materiellen Bestimmungen zur Bemessung des Entschädigungsbetrages aufgenommen werden; daher soll auch die bisher in Abs. 2 Satz 2 enthaltene Bestimmung, die das Zusammentreffen mehrerer Ansprüche regelt, in Abs. 1 verschoben werden, wobei jener Halbsatz entfallen kann, der auf das Höchstmaß des höchsten in Betracht kommenden Entschädigungsanspruchs Bezug nimmt (weil ja ein für alle Tatbestände einheitlicher Betrag sowie die Möglichkeit dessen Überschreitung vorgeschlagen wird).

7. In den neuen § 8 Abs. 2 MedienG sollen – inhaltlich weitgehend unverändert – jene Bestimmungen aufgenommen werden, die primär verfahrensrechtlichen Charakter haben. Im Sinne einer Stärkung der Privatautonomie soll ausdrücklich vorgesehen werden, dass der Verletzte erklären kann, dass er sich auf einzelne Entschädigungsansprüche nicht stützen will.

Zu Z 5 (§ 7a Abs. 1a MedienG)

Der Identitätsschutz gilt derzeit nur für Opfer von Straftaten, für Verdächtige und Verurteilte sowie (seit BGBl. I Nr. 101/2014) für Auskunftspersonen vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates. Im Zuge der Berichterstattung über Straftaten geschehen jedoch oftmals auch nicht minder schwere Eingriffe in Persönlichkeitsrechte von Angehörigen von Opfern sowie von Zeugen von Straftaten, indem deren Identität preisgegeben wird und sie damit in der Öffentlichkeit bloßgestellt werden.

Der Entwurf schlägt daher vor, den Kreis der geschützten Personen auf Angehörige (§ 72 StGB) von Opfern sowie auf Zeugen in Strafverfahren auszudehnen.

Der Umfang des Schutzes soll enger sein als jener von Verdächtigen, Verurteilten und Opfern von Straftaten: der Schutz soll nur gegen die Veröffentlichung von Namen oder Bild bestehen, nicht aber gegen die Veröffentlichung von anderen Angaben, die eine Identifizierung ermöglichen.

Im Übrigen setzt der Anspruch auf Entschädigung – wie auch schon bisher nach Abs. 1 – nicht bloß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe, sondern auch voraus, dass schutzwürdige Interessen der Person verletzt sind und dass kein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung besteht. Die von der Rechtsprechung zum bisherigen Abs. 1 entwickelten Maßstäbe zur Auslegung dieser Voraussetzungen (siehe etwa Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 7a Rz 23, 25 ff) werden daher auch auf die neue Bestimmung anzuwenden sein.

Zu Z 9 (§ 8a Abs. 2 MedienG)

In § 8a Abs. 2 MedienG wird vorgeschlagen, die relativ kurze Frist von sechs Monaten zur Geltendmachung der Entschädigungsansprüche für emotional besonders betroffene Personen auf ein Jahr zu verlängern. Damit soll Personen, die durch die Ereignisse traumatisiert sind, mehr Zeit eingeräumt werden, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Konkret soll die Verlängerung jenem Personenkreis zugutekommen, der in § 65 Z 1 lit. a und b StPO umschrieben ist, also Opfern bestimmter Straftaten, nahen Angehörigen des Opfers eines Tötungsdelikts und Angehörigen, die Zeugen einer solcher Tat waren.

Zu Z 10 (§ 8 Abs. 4, § 8a Abs. 4 MedienG)

Die Bestimmung des bisherigen § 8a Abs. 4 MedienG gilt nach ihrer systematischen Stellung bloß im selbständigen Verfahren. Nach ganz herrschender Meinung (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 8a Rz 10; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 8 Rz 18) ist sie aber auch dann anzuwenden, wenn die Entschädigung im Strafverfahren beansprucht wird. Die Bestimmung soll daher an § 8 MedienG angefügt werden; in § 8a MedienG soll auf sie verwiesen werden.

Zu Z 12 (§ 10 Abs. 1 Z 3 MedienG)

Die vorgeschlagene Änderung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass es nach der StPO auch möglich ist, dass das Gericht das Ermittlungsverfahren einstellt (nach § 108 Abs. 1 oder § 215 Abs. 2 StPO; vgl. Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 10 Rz 9).

Zu Z 13 (§ 11 Abs. 1 Z 10 MedienG)

Die vorgeschlagene Änderung dient lediglich der Anpassung an die Terminologie der StPO („Absehen von der Verfolgung“ statt „Zurücklegung der Anzeige“); vgl. auch § 10 Abs. 1 MedienG.

Zu Z 14 (§ 13 Abs. 7 MedienG)

Durch die vorgeschlagene Änderung soll lediglich ein Redaktionsversehen beseitigt werden, das schon seit der Stammfassung des Mediengesetzes besteht; die Formulierung soll mit jener in § 46 Abs. 3 in Übereinstimmung gebracht werden(Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 13 Rz 54; ihm folgend Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 8 Rz 18).

Zu Z 15 (§ 14 Abs. 2 MedienG)

Die Änderung dient der Anpassung an die Terminologie der StPO (§ 31 Abs. 1 StPO).

Zu Z 16 (§ 14 Abs. 3 MedienG)

Wie unten (zu § 15 Abs. 1; siehe auch schon § 41 Abs. 5 MedienG) näher ausgeführt, dürfen auch offensichtlich unberechtigte Anträge nur nach öffentlicher mündlicher Verhandlung abgewiesen werden (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 14 Rz 37; Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 14 Rz 15); dies soll nun gesetzlich klargestellt werden.

Damit wird zugleich die in der Literatur strittige Frage geklärt, ob auch schon vor der Zustellung des Antrages an den Antragsgegner offensichtlich unberechtigte Anträge abgewiesen dürfen.

Zu Z 17 (§ 15 Abs. 1 MedienG)

Durch die vorgeschlagene Änderung soll zunächst klargestellt werden, dass einem Antrag auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung jedenfalls (ohne Verhandlung) stattzugeben ist, wenn innerhalb der vom Gericht nach § 14 Abs. 4 MedienG gesetzten Frist keine Einwendungen erhoben wurden (arg. § 14 Abs. 4 erster Satz MedienG: „… widrigenfalls dem Antrag Folge gegeben werde.“) und der Antrag nicht offensichtlich unberechtigt ist.

Für den Fall, dass das Gericht der Ansicht ist, dass der Antrag auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung offensichtlich nicht berechtigt ist, soll nun ausdrücklich vorgesehen werden, dass die Entscheidung erst nach öffentlicher mündlicher Verhandlung ergehen darf. Es ist daran zu erinnern, dass der EGMR Österreich in einer vergleichbaren Konstellation verurteilt hat, weil Anträge ohne mündliche Verhandlung abgewiesen wurden; dies ist durch die MedienG-Novelle 2005 (BGBl. I Nr. 49/2005) in § 41 Abs. 5 Satz 4 MedienG bereinigt worden (vgl. ausführlich die EBRV 784 BlgNR XXII. GP 27 f). Eine analoge Bereinigung wird nun auch für das Gegendarstellungsverfahren vorgeschlagen(Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 15 Rz 6).

Die letzten beiden Sätze der Bestimmung können entfallen, weil ihr Inhalt (Beschwerderecht; keine aufschiebende Wirkung einer Beschwerde) ohnehin nach der allgemeinen Bestimmung des § 87 StPO gilt.

Zu Z 18 und 19 (§ 15 Abs. 3 und § 16 Abs. 1 MedienG)

Die vorgeschlagenen Änderungen dienen lediglich dem Zweck, die Terminologie systemkonform zu machen („Durchführung einer Hauptverhandlung“ statt „öffentlicher mündlicher Verhandlung“).

Zu Z 22 (§ 32 MedienG)

1. Die geltende Bestimmung in § 32 MedienG enthält Regelungen über die Verjährung der Strafbarkeit von Medieninhaltsdelikten, die den allgemeinen Verjährungsregeln des StGB (§§ 57, 58 StGB) vorgehen: Satz 1 enthält Sonderregeln zum Beginn der Verjährungsfrist, Satz 2 zur Dauer der Verjährungsfrist.

Die Bestimmung gilt seit der Stammfassung des MedienG (1981) unverändert; sie wurde also auch durch die MedienG-Novelle 2005 nicht verändert, die zahlreiche Bestimmungen des MedienG an die durch die neuen elektronischen Medien, insbesondere im Internet, geänderten Rahmenbedingungen anpasste.

Als Gründe für diese Sonderregeln wies die RV zum MedienG auf ähnliche Bestimmungen im damals geltenden Pressegesetz hin und führte bloß kurz einerseits die Offenkundigkeit von Medieninhaltsdelikten und andererseits den langen Zeitraum der Verbreitungstätigkeit an (2 BlgNR XV. GP, 44); aus der Formulierung der Gesetzesbestimmung in der RV (damals noch § 35) ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber Medienwerke, Rundfunk und Film im Blick hatte.

2. Mögen die damals angeführten Gründe auch heute noch für jene Medien, die damals im Blick waren, ihre Gültigkeit haben – für die modernen elektronischen Medien, namentlich im Internet, ist die Sachlage in mehrfacher Hinsicht verschieden. Druckwerke haben einen bestimmten Erscheinungszeitpunkt; ihre Aktualität nimmt (bei Tages- oder Wochenzeitung usw.) sehr rasch ab (Ähnliches gilt für den Rundfunk). Bei Büchern steht das Interesse des Herausgebers, rasch und abschließend zu erfahren, ob das Buch ein Medieninhaltsdelikt enthält, im Vordergrund, weil die Entfernung der betreffenden Textstellen einen ganz erheblichen Aufwand bedeuten (Ähnliches gilt für den Film). All dies gilt für abrufbare elektronische Medien nicht in gleicher Weise. Dort abrufbar gemachte Inhalte sind oft weltweit und zeitlich unbegrenzt zugänglich und können auf unterschiedliche technische Weise vervielfältigt oder weitergeleitet und damit ihre Verbreitung erhöht werden. Angesichts der überbordenden Zahl von „ins Netz gestellten“ Inhalten kann es durchaus sein, dass ein etwa „geposteter“ Inhalt lange Zeit weitgehend unbeachtet bleibt, aber erst viel später – etwa, weil er „verlinkt“ wird – von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Es ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der von einer Veröffentlichung betroffen ist, von dieser erst viel später erfährt, viel höher. Schließlich können (und werden) in elektronischen Medien veröffentlichte (abrufbar gemachte) Darstellungen einfach, rasch und mit minimalem Kostenaufwand verändert oder gelöscht werden.

3. In der Praxis hat sich daher in zahlreichen Fällen die kurze Verjährungsfrist als für Darstellungen auf (insbesondere) Websites nicht sachgerecht erwiesen. Dies gilt schon für Rechtsinstitute wie Einziehung und Urteilsveröffentlichung, aber auch für die Strafbarkeit selbst.

Für Einziehung und Urteilsveröffentlichung wird eine Klarstellung in § 33 Abs. 2 und in § 34 Abs. 3 MedienG vorgeschlagen.

4. Für den Bereich der Strafbarkeit sind mehrere Wege denkbar, um der anders gelagerten Sachlage bei „abrufbaren periodischen elektronischen Medien“ (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG) – also vor allem Websites – gerecht zu werden:

-       So könnte die gesamte Bestimmung des § 32 MedienG für Websites unanwendbar gemacht werden.

-       Es könnte die kurze Verjährungsfrist (Satz 2) als auf Websites unanwendbar erklärt werden.

-       Es könnte die Bestimmung über den Beginn der Verjährungsfrist (Satz 1) als auf Websites unanwendbar erklärt werden.

-       Es könnte auch festgelegt werden, dass für Websites jene Bestimmung in § 58 Abs. 1 StGB, die anordnet, dass die Verjährung von Erfolgsdelikten erst dann eintritt, wenn die Frist ab dem Eintritt des Erfolges verstrichen ist, (entgegen der Anordnung im zweiten Halbsatz des ersten Satzes von § 32 MedienG) gilt. Diese Lösung begegnet allerdings der Unsicherheit, die in der Rechtsprechung bisweilen bei der Zuordnung einzelner Straftaten zur Kategorie der Erfolgsdelikte besteht.

-       Es könnte angeordnet werden, dass in die Verjährungsfristen jene Zeiten nicht eingerechnet werden, zu denen die Darstellung auf einer Website abrufbar war (in Anlehnung an § 58 Abs. 3 StGB).

-       Es könnte schließlich jener Zeitpunkt, zu dem die Verjährungsfrist beginnt, für Websites anders als für die übrigen Medien festgelegt werden (in Anlehnung an § 13 Abs. 3a MedienG).

5. Der Entwurf schlägt eine Regelung entsprechend der zuletzt genannten Variante vor: bei „abrufbaren periodischen elektronischen Medien“ (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG), also insbesondere bei Websites, soll die (weiterhin kurze) Verjährung erst zu laufen beginnen, wenn die ein Medieninhaltsdelikt darstellende Mitteilung oder Darbietung gelöscht wird. Diese Variante wird auch deshalb vorgeschlagen, weil das Hauptinteresse der Betroffenen oder (bei gewissen Inhalten, wie einem Verstoß gegen das Verbotsgesetz) der Gesellschaft insgesamt darin liegt, dass die verletzenden und strafgesetzwidrigen Inhalte so rasch wie möglich „aus dem Netz entfernt“ oder sonst nicht mehr zugänglich gemacht werden; in Bezug auf dieses Ziel soll der vorgeschlagene Ansatz präventiv wirken.

Zu Z 23 und 26 (§ 33 Abs. 2 und § 34 Abs. 3 MedienG)

Durch die vorgeschlagenen Einfügungen soll klargestellt werden, dass eine Einziehung bzw. eine Urteilsveröffentlichung im selbständigen Verfahren auch noch möglich sind, wenn die Strafbarkeit des Medieninhaltsdelikts nach § 32 MedienG oder allgemeinen Bestimmungen verjährt ist; die geltende Rechtslage ist umstritten: siehe Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 32 Rz 13, und Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 32 Rz 12 – 14; unlängst hat der OGH ausgesprochen, dass die Verjährung der Strafbarkeit die Einziehung nicht hindert, zugleich aber in einem obiter dictum gemeint, für die Urteilsveröffentlichung gelte das Gegenteil: 27.2.2019, EvBl 2019/100 = JBl 2019, 600, mit Anm Rami JBl 2019, 603.

Zu Z 24 (§ 33 Abs. 3 MedienG)

Die im geltenden § 33 Abs. 3 MedienG vorgesehene Verfahrensfrist von sechs Wochen für den Antrag auf Einziehung orientierte sich an der gleichen Frist, die damals für Privatanklagen vorgesehen war (§ 46 StPO alte Fassung). Seit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2014, das am 1. 1.2018 in Kraft getreten ist (siehe nun § 71 StPO), gibt es jedoch eine solche Frist für Privatanklagen nicht mehr (und soll auch nicht in der mit diesem Entwurf vorgeschlagenen Neufassung des § 71 StPO eingeführt werden).

Überdies gibt es für einen Einziehungsantrag im Rahmen eines Strafverfahrens keine derartige Frist.

Schließlich gilt die Frist nach dem Wortlaut der Bestimmung nur für die erste und die vierte Variante des § 33 Abs. 2 MedienG („Verfolgung einer bestimmten Person nicht durchführbar“ bzw. „Verurteilung nicht möglich“); nahe liegender Weise wird aber vertreten, dass sie auch auf die zweite und dritte Variante („Verfolgung wird nicht beantragt“ bzw. „nicht aufrechterhalten“) anwendbar sei (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 33 Rz 22, und Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 33 Rz 32). Allerdings bedeuten die beiden zuletzt genannten Varianten, dass das fristauslösende Ereignis von der Willensbildung des Antragstellers abhängt und dessen Eintritt von diesem unwiderleglich behauptet werden kann. Umgekehrt ist das fristauslösende Ereignis im Antrag darzulegen; fehlt diese Darlegung, ist der Antrag zurückzuweisen.

Zusammenfassend scheint die Bestimmung daher zunächst systemwidrig. Darüber hinaus belastet sie aus Sicht eines Antragstellers das Verfahren mit unnötigem Formalismus, bringt aber auch dem Beschuldigten bzw. dem Medieninhaber vielfach keinen zusätzlichen Schutz, weil bestimmte Behauptungen eines Antragstellers kaum widerlegbar sind.

Es wird daher vorgeschlagen, die Bestimmung entfallen zu lassen.

Zu Z 25 (§ 33a MedienG)

1. Der vorgeschlagene neue § 33a MedienG soll ein weiteres Kernstück der Maßnahmen sein, die zu verbessertem Persönlichkeitsschutz und damit auch zu verbesserten Instrumentarien gegen „Hass im Netz“ führen sollen; er ist ähnlich ausgestaltet wie die in § 20 Abs. 2 ABGB vorgeschlagene Bestimmung. Zur inhaltlichen Begründung kann daher auf die Erläuterungen dort verwiesen werden.

2. Die Bestimmung soll ein besonderer Fall der Einziehung (bzw. bei Websites Löschung) im Sinn von § 33 MedienG sein: Nach bisher geltendem Recht kann einen Antrag auf Einziehung nur der Ankläger oder der zur Anklage Berechtigte stellen, also nur (bei Offizialdelikten) der Staatsanwalt und der durch das Medieninhaltsdelikt Verletzte. In Fällen, in denen die inkriminierte Äußerung zwar gegen eine bestimmte Person gerichtet, aber in Wahrheit dadurch motiviert ist, dass diese Person ihrer beruflichen Tätigkeit nachgeht, also ihr eigentliches Ziel der Arbeit- oder Dienstgeber der Person ist, und die inkriminierte Äußerung eine derartige Intensität erreicht, dass die Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, die Person einzusetzen, nicht unerheblich beeinträchtigt oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers erheblich geschädigt werden könnten, so soll dem Arbeit- oder Dienstgeber das Recht eingeräumt werden, einen Antrag auf Einziehung zu stellen (Abs. 1). Eine Pflicht des Arbeit- oder Dienstgebers, einen solchen Antrag zu stellen, soll gerade nicht geschaffen werden.

In den Z 1 bis 3 werden jene Fälle umschrieben, die nach den bisherigen Erfahrungen für derartige Angriffe in Betracht kommen: Z 1 übernimmt die in § 6 MedienG angeführten Handlungsweisen, Z 2 übernimmt die Umschreibung aus § 1328a ABGB (geht also weiter als der Entschädigungstatbestand nach § 7 MedienG) und Z 3 enthält das Tatbild der gefährlichen Drohung (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB; Straftatbestand nach § 107 StGB).

Die in § 33 Abs. 1 und 2 angeführten Voraussetzungen müssen also auch für eine Einziehung nach § 33a vorliegen (arg. „ebenfalls“ in § 33a Abs. 1 MedienG); es kommt daher auch hier etwa eine Einziehung bei Freispruch nach § 29 Abs. 3 MedienG (§ 33 Abs. 1 Satz 2 MedienG) in Betracht, und es müssen für eine Einziehung im selbständigen Verfahren die in § 33 Abs. 2 Satz 1 MedienG angeführten Voraussetzungen vorliegen.

3. Die in Betracht kommenden Ausschlussgründe (Wahrheitsbeweis, Wahrnehmung journalistischer Sorgfalt, wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten) sollen auch gegenüber dem Arbeit- oder Dienstgeber eingewendet werden können (Abs. 2).

4. Der Arbeit- oder Dienstgeber soll die Einziehung in einem bereits anhängigen Strafverfahren (entsprechend § 33 Abs. 1 MedienG) oder auch mit einem selbstständigen Antrag (entsprechend § 33 Abs. 2 MedienG) begehren können (Abs. 3).

Weiters werden jene Verfahrensbestimmungen angeführt, die auf einen solchen Antrag angewendet werden sollen, nämlich § 33 Abs. 4 und 5 MedienG.

5. Die dem Arbeit- oder Dienstgeber eingeräumte Befugnis, Einziehung zu beantragen, soll neben dasselbe Recht des durch das Medieninhaltsdelikt Verletzten treten.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sollen selbständige Anträge des Verletzten und des Arbeit- oder Dienstgebers im selben Verfahren behandelt werden können (Abs. 4). Werden die Anträge nicht im selben Verfahren gestellt, wird sie das Gericht verbinden können (§ 37 Abs. 3 StPO in Verbindung mit § 41 Abs. 1 MedienG).

6. Als vorläufige Maßnahme soll die Beschlagnahme iSv § 36 MedienG in Betracht kommen; siehe dazu sogleich die Änderungen in § 36 Abs. 1 und 2 MedienG.

Zu Z 27, 28 und 30 (§ 36 Abs. 1 und 2, § 41 Abs. 1 MedienG)

Die in diesen Bestimmungen vorgeschlagenen Änderungen sollen der neuen Bestimmung in § 33a MedienG Rechnung tragen.

Zu Z 29 und 37 (§§ 36b und 56 MedienG)

1. § 36b MedienG soll einen Durchgriff auf Hostprovider ermöglichen. Dieser soll in Konstellationen, in denen der Medieninhaber entsprechend dem engen Begriff des § 1 Abs. 1 Z 8 MedienG nicht greifbar ist, weil er sich etwa im Ausland befindet, Lücken in Hinblick auf die Möglichkeiten eines Vorgehens gegen unerwünschte Medieninhalte schließen.

Überdies können mit der Bestimmung unionsrechtliche Verpflichtungen umgesetzt werden, bestimmte Inhalte (terroristische und kinderpornografische) aus dem Netz zu nehmen bzw. den Zugang zu ihnen zu sperren, nämlich:

-       Art. 21 der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, ABl. Nr. L 88 vom 31.3.2017, S. 6, und

-       Art. 25 der Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates, ABl. Nr. L 335 vom 17.12.2011, S. 1.

2. Die Möglichkeit des Durchgriffs auf Provider ist zwar im Bereich des Mediengesetzes etwas Neues, orientiert sich aber an den bereits im Urheberrechtsgesetz (§ 81 Abs. 1a, § 87b Abs. 3 UrhG) bestehenden Ansprüchen gegen Vermittler, wie sie nun im Zivilrecht allgemein für Verletzungen von Persönlichkeitsrechten vorgesehen werden sollen (siehe § 20 Abs. 4 ABGB in der Fassung des Entwurfs im Bereich des Zivilrechts). Sie soll für die geltenden Bestimmungen über Einziehung, Urteilsveröffentlichung und Beschlagnahme (§§ 33, 34 und 36 MedienG) zur Verfügung stehen, aber auch für die vorgeschlagene neue Einziehung wegen Beeinträchtigung des Arbeit- oder Dienstgebers (§ 33a MedienG).

3. Jegliche Maßnahme unterliegt nach dem Verweis in § 41 Abs. 1 MedienG auf die StPO dem dort herrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 5 StPO) und ist daher – auch mit Blick auf das Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit – auf das unbedingt nötige Maß zu beschränken.

4. Schon die bisherige Erfahrung zeigt, dass es Fälle geben wird, in denen auch der Hostingdiensteanbieter seinen Sitz im Ausland hat oder sonst nicht belangt werden kann. Um auch in solchen Fällen – wenn nicht freiwillige Maßnahmen der Anbieter greifen – effizient gegen Hass im Netz vorgehen zu können, würde als letztes Mittel nur noch in Betracht zu kommen, den in Österreich tätigen Zugangsdiensteanbietern aufzutragen, den Zugang zu der betreffenden Website als Ganzes sperren (zumal es ja technisch einem Zugangsdiensteanbieter regelmäßig nicht möglich sein wird, nur die betreffenden Äußerungen zu „sperren“). Dies würde eine Beschränkung des freien Zugangs zum offenen Internet bedeuten.

Es wird ausdrücklich dazu eingeladen, im Begutachtungsverfarhen auch zu diesem Thema Stellung zu nehmen.

Zu Z 31 (§ 41 Abs. 5 MedienG)

Seit dem Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, mit 1. 1. 2008 ist ein Ermittlungsverfahren nur mehr bei Offizialdelikten vorgesehen (§ 71 Abs. 1 StPO); ein Ermittlungsverfahren ist demnach in Privatanklageverfahren und daher auch in zahlreichen Medienrechtsverfahren nicht (mehr) zulässig.

Der Entwurf schlägt nun an anderer Stelle (s. § 71 StPO) vor, dem Opfer in bestimmten Fällen (wieder) die Möglichkeit einzuräumen, bei Gericht (Zuständigkeit des Haft- und Rechtsschutzrichters) einen Antrag auf Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen zur Ausforschung des Beschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen zu stellen.

Diese Möglichkeit soll künftig auch im Bereich des Mediengesetzes bestehen, weshalb der bisher im ersten Satz von Abs. 5 enthaltene Ausschluss eines Ermittlungsverfahrens durch einen Verweis auf den (neu gefassten) § 71 StPO ersetzt werden soll.

Im Übrigen soll die Bestimmung gestrafft und insbesondere um den zweiten und dritten Satz gekürzt werden, die bloß deklaratorischen Charakter haben (Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 41 Rz 13 und 23; Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 42 Rz 15 und 23).

Zu Z 32 (§ 41 Abs. 8 MedienG)

1. Mit diesem Entwurf sollen an anderer Stelle (§ 66b StPO) die bisher bestehenden Möglichkeiten, bestimmten Personen psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren zu gewähren, erweitert werden.

Überdies hat ein Opfer, dem im Strafverfahren psychosoziale Prozessbegleitung gewährt wurde, schon bisher auch Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung in einem zwischen ihm und dem Beschuldigten des Strafverfahrens geführten Zivilprozess, wenn der Gegenstand des Zivilprozesses in sachlichem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Strafverfahrens steht (§ 73b ZPO).

2. In medienrechtlichen Verfahren fehlen bisher Bestimmungen über Prozessbegleitung.

Zwar ist davon auszugehen, dass die nach der StPO zustehende Prozessbegleitung Anträge nach dem MedienG (insbesondere nach den §§ 6, 7, 7a, 7b und 7c sowie nach den §§ 33 und 34 MedienG) insoweit mitabdeckt, als diese in einem Strafverfahren gestellt werden. Für derartige Anträge im selbstständigen Verfahren kann es nach geltendem Recht aber keine Prozessbegleitung geben, nicht einmal in jenem Umfang, wie er im Zivilprozess schon bisher vorgesehen ist.

Mit derartigen Anträgen sind aber psychosoziale Belastung von Opfern bzw. Betroffenen ebenso verbunden, wie sie oftmals schwierige Rechtsfragen aufwerfen – unabhängig davon, ob sie in einem Strafverfahren oder selbstständig gestellt werden. Es besteht daher die Gefahr, dass Opfer bzw. Betroffene aus diesen Gründen davon Abstand nehmen, ihnen zustehende medienrechtliche Ansprüche geltend machen.

3. Es wird daher vorgeschlagen, für die genannten Entschädigungsansprüche (§§ 6, 7, 7a, 7b und 7c MedienG) im selbständigen Verfahren (§ 8a MedienG) sowie für die Ansprüche auf Einziehung und Urteilsveröffentlichung im selbständigen Verfahren (§ 33 Abs. 2 und § 34 Abs. 3 MedienG) die gesetzliche Grundlage für Prozessbegleitung zu schaffen, und zwar wegen des engen inhaltlichen Zusammenhangs mit dem Strafverfahren für den selben Personenkreis und im selben Umfang, wie nun in § 66b StPO vorgeschlagen, also nicht bloß psychosoziale, sondern auch juristische Prozessbegleitung.

Zu Z 33 (§ 42 MedienG)

Durch diese Änderung soll lediglich klargestellt werden, dass sich § 42 MedienG ausschließlich auf gerichtlich strafbare Handlungen und nicht auch auf verwaltungsrechtlich strafbare Ehrenkränkungen bezieht(Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 42 Rz 3; ebenso Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 42 Rz 5).

Zu Z 34 (§ 50 Z 1 MedienG)

Auch hier soll lediglich ein Redaktionsversehen (der Mediengesetz-Novelle 2005) beseitigt werden, indem an die Stelle der Medienunternehmen Medieninhaber treten sollen.

Zu Artikel 3 (Änderung der Strafprozeßordnung 1975)

Zu Z 1 (Inhaltsverzeichnis), Z 3 (§ 66 Abs. 2 und 4 StPO), Z 4 (§ 66b StPO), Z 5 (§ 67 Abs. 7 und § 381 Abs. 1 Z 9 StPO) und Z 6 (§ 70 Abs. 2 StPO):

Gemäß § 66 Abs. 2 StPO ist Opfern iSd § 65 Z 1 lit. a oder b StPO sowie Opfern (§ 65 Z 1 StPO) terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) auf ihr Verlangen psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu gewähren, soweit dies zur Wahrnehmung der prozessualen Rechte der Opfer unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Der Opferbegriff des § 65 Z 1 lit. a StPO umfasst Personen, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt, in ihrer sexuellen Integrität und Selbstbestimmung beeinträchtigt oder deren persönliche Abhängigkeit durch eine solche Straftat ausgenützt worden sein könnte. Demgegenüber umfasst der Opferbegriff des § 65 Z 1 lit. b StPO den Ehegatten, den eingetragenen Partner, den Lebensgefährten, die Verwandten in gerader Linie, den Bruder oder die Schwester und sonstige Unterhaltsberechtigte einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren. Für Opfer nach § 65 Z 1 lit. c StPO ist die Gewährung von Prozessbegleitung aktuell nur bei terroristischen Straftaten (§ 278c StGB) möglich.

Nunmehr soll die Möglichkeit der Gewährung von Prozessbegleitung erweitert werden und zwar einerseits auf Opfer (§ 65 Z 1 StPO) bestimmter weiterer Straftaten und andererseits auf minderjährige Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum. Aufgrund des größeren Regelungsumfangs und der damit einhergehenden steigenden Bedeutung des Instituts der Prozessbegleitung wird vorgeschlagen, die Regelungen zur Prozessbegleitung – unter Entfall der bisherigen § 66 Abs. 2 und 4 StPO – in einem neuen § 66b StPO in übersichtlicher Art und Weise zusammenzufassen. Die in der StPO enthaltenen Verweise auf § 66 Abs. 2 StPO sind entsprechend anzupassen (§ 67 Abs. 7, § 70 Abs. 2, § 381 Abs. 1 Z 9 StPO).

Die neu für die Gewährung von Prozessbegleitung in Frage kommenden Personen werden in § 66b Abs. 1 lit. c, d und e genannt.

Bei den in lit. c angeführten Opfern (§ 65 Z 1) von beharrlicher Verfolgung (§ 107a StGB), fortdauernder Belästigung im Wege einer Telekommunikation (§ 107c StGB) und Verhetzung (§ 283 StGB) werden die Tathandlungen üblicherweise gegen gezielt ausgewählte Opfer begangen, die sich oftmals direkt gegen sie als Person gerichtetem Hass ausgesetzt sehen. Ähnliches gilt für die in lit. d genannten Opfer (§ 65 Z 1) von übler Nachrede (§ 111 StGB), Beleidigung (§ 115 StGB) und Verleumdung (§ 297 StGB), wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine solche Tat im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems (vgl. hierzu Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c [Stand 27.4.2020, rdb.at] Rz 15 sowie unten zu Z 7) begangen wurde. Bei der Tatbegehung im Internet oder auf sozialen Medien werden die Opfer solcher Straftaten darüber hinaus auch noch vor einer breiten Öffentlichkeit diskreditiert, können sich gegen rasche Vervielfältigung („teilen“ von Beiträgen in sozialen Netzwerken, Weiterleiten von Screenshots etc.) nicht wehren und haben häufig nur geringe Einflussmöglichkeiten darauf, dass derartige Inhalte wieder entfernt werden. Die Tat selbst wie auch die Aufklärung im Rahmen eines Strafverfahrens wirken auf diese Opfer daher oft außerordentlich belastend und machen eine professionelle Unterstützung und Beratung erforderlich, weshalb die Eröffnung der Möglichkeit der Gewährung von Prozessbegleitung für diese Opfer sachgerecht scheint.

Bei übler Nachrede (§ 111 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB) handelt es sich überdies um Privatanklagedelikte, die in den letzten Jahren stark gehäuft im Internet bzw. auf sozialen Medien begangen werden. Durch die Eröffnung der (juristischen) Prozessbegleitung soll einerseits die Hemmschwelle für die Stellung von formal korrekten und vollständigen Beweisanträgen zur Ausforschung des Täters bzw. Beweissicherung (vgl. unten zu Z 7) und in weiterer Folge das Einbringen einer Privatanklage herabgesetzt werden. Andererseits soll Bedenken im Hinblick auf allfällige Kosten für eine professionelle juristische Beratung und Vertretung im Strafverfahren, die Opfer möglicherweise von der weiteren Strafverfolgung abhalten könnten, begegnet werden.

Durch die Beibehaltung der Einschränkung auf die Erforderlichkeit zur Wahrung der prozessualen Rechte unter größtmöglicher Bedachtnahme auf die persönliche Betroffenheit des Opfers wird sichergestellt, dass die Entscheidung über die Gewährung der Prozessbegleitung trotz der Ausweitung des anspruchsberechtigten Opferkreises auch weiterhin immer eine Einzelfallentscheidung bleibt. Nach lit. e soll Prozessbegleitung auch „Minderjährigen, die Zeug*innen von Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) waren,“ gewährt werden können. Die Gruppe der indirekten Opfer nach § 65 Z 1 lit. b ist auf Zeug*innen eines Tötungsdelikts bei Angehörigen beschränkt und stellt auf „die Schwere der persönlichen Betroffenheit bei unmittelbarer Konfrontation mit dem Tatgeschehen“ ab“ (vgl. Böttcher in FS Miklau [2006] 67 [82]; s. auch Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 65 [Stand 30.6.2018, rdb.at] Rz 15). Zeug*innen anderer Delikte gegen einen ihrer Angehörigen und damit auch minderjährige Zeug*innen von Gewalt im sozialen Nahraum (z. B. Gewalt innerhalb der Familie oder Gewalt an Kindern) zählen derzeit nicht zum Kreis jener Opfer, die psychosoziale und/oder juristische Prozessbegleitung in Anspruch nehmen können. Nunmehr soll auch Minderjährigen, die Zeug*innen familiärer Gewalt wurden, das Recht auf Prozessbegleitung eingeräumt werden. Damit wird nicht nur der besonders hohen emotionalen Betroffenheit dieser Gruppe bei Gewalttaten in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld Rechnung getragen, sondern auch der im GREVIO-Bericht dargestellten Kritik an der derzeitigen österreichischen Gesetzeslage iZm Art. 56 Abs. 2 und Art. 26 der Istanbul-Konvention, die eine altersgerechte psychosoziale Beratung sowie Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die Zeug*innen einer Straftat auch ohne Todesfolge wurden, vorsehen. Darüber hinaus dient diese Änderung der Umsetzung des Regierungsprogramms 2020-2024 „Aus Verantwortung für Österreich“.

Zu Z 2 (§ 31 Abs. 1 StPO), Z 7 (§ 71 Abs. 1 StPO) und Z 8 (§ 71 Abs. 3 bis 5 StPO):

In Privatanklageverfahren findet ein Ermittlungsverfahren derzeit nicht statt (§ 71 Abs. 1 letzter Halbsatz StPO). In Rechtsprechung und Lehre ist anerkannt, dass in Fällen, in denen (noch) keine Anklage eingebracht werden kann, aber zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen Zwangsmaßnahmen angeordnet werden sollen, das zur Privatanklage berechtigte Opfer Anträge auf Erlassung von Anordnungen im Sinne des § 445 StPO stellen kann. Ein solcher Antrag führt zur Eröffnung des Hauptverfahrens und ist insbesondere im Immaterialgüterrecht relevant. Auf diese Weise wird etwa die Anordnung von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme sowie Sicherung von Daten, sofern diese Maßnahmen auch vermögensrechtlichen Charakter aufweisen, ermöglicht (Engin-Deniz, Angriffs- und Verteidigungsrechte im Privatanklageverfahren MR 2015, 81 [82f]). Die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen durch Privatankläger ist nach § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO aktuell jedoch auf bekannte Angeklagte oder Betroffene beschränkt. Eine teleologische Reduktion des § 71 StPO in Richtung der Ermöglichung eines selbständigen Antrags des Privatanklägers auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO auch bei vorerst unbekannten Betroffenen scheidet mangels erkennbar planwidrig überschießenden Regelungsgehalts aus (RIS-Justiz RS0126294). Der Angeklagte oder Betroffene muss also bekannt sein, denn Anträge gegen Unbekannte erfüllen die Voraussetzungen für einen Verfolgungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO aktuell nicht (Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 71 [Stand 1.11.2019, rdb.at] Rz 19).

Diese Situation erweist sich v.a. bei Privatanklagedelikten, die im Internet oder in sozialen Medien begangen werden, oft als unbefriedigend: Die Täter sind in diesen Fällen regelmäßig unbekannt, mangels verfügbarer Ermittlungsmaßnahmen zu deren erfolgreicher Ausforschung können weder eine Privatanklage noch Anordnungen nach § 445 StPO eingebracht werden.

Es wird daher vorgeschlagen, für die Privatanklagedelikte der üblen Nachrede und der Beleidigung (§§ 111 und 115 StGB), die „im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden“, vorzusehen, dass das Opfer bei Gericht (§ 31 Abs. 1 Z 6 StPO) einen Antrag auf Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen nach § 76a, § 110, § 115 oder § 135 StPO zur Ausforschung des Beschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen stellen kann. Voraussetzung ist (nur), dass aufgrund bestimmter Anhaltspunkte (im Sinne eines Anfangsverdachts nach § 1 Abs. 3 StPO) angenommen werden kann, dass eine solche Tat im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurde. Erfasst sind daher neben Telefonanrufen (einschließlich Internettelefonie), SMS, MMS, Faxen und E-Mails insbesondere auch Postings und die Platzierung von Nachrichten und Bildern auf Webseiten oder Internetplattformen aller Art sowie die Verbreitung durch soziale Netzwerke (Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c [Stand 27.4.2020, rdb.at] Rz 15 mwN).

Die hier vorgeschlagene Ausdehnung der Bestimmung des § 71 StPO soll gezielt Opfern von Hass im Netz die Rechtsdurchsetzung erleichtern, deren Grad der Betroffenheit sich gegenüber anderen Delikten, die nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen sind, deutlich unterscheidet (massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte). In diesem (eingeschränkten) Bereich, in dem eine strafrechtliche Verfolgung des Täters derzeit faktisch nicht möglich ist, soll also ein Ermittlungsverfahren bei Privatanklagedelikten vorgesehen werden. Möglich sein soll in diesem Rahmen die Beantragung der taxativ aufgezählten Ermittlungsmaßnahmen nach § 76a, § 110, § 115 oder § 135 StPO zur Ausforschung des Beschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen.

Gemäß § 71 Abs. 3 StPO soll es eines – den Anforderungen eines Beweisantrags (§ 55 StPO) – entsprechenden Antrags des Opfers, über den der Einzelrichter des Landesgerichts (§ 31 Abs. 1 Z 6 StPO) zu entscheiden hat, bedürfen.

Aus der Anordnung der sinngemäßen Geltung von § 104 Abs. 1 StPO in § 71 Abs. 1 letzter Satz StPO ergibt sich, dass das Gericht die beantragten Beweise aufzunehmen hat bzw. den Antrag mit Beschluss ab- oder zurückzuweisen hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (z. B., weil die Zulässigkeitskriterien für eine Ermittlungsmaßnahme in einem konkreten Fall nicht erfüllt sind oder die beantragte Ermittlungsmaßnahme in einem konkreten Fall nicht verhältnismäßig wäre).

Die grundsätzlich vom Gericht vorzunehmende Zustellung der Anträge zur Äußerung binnen 14 Tagen (§ 71 Abs. 4 erster Satz StPO) soll vorerst unterbleiben können, wenn besondere Umstände befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck einer beantragten Ermittlungsmaßnahme gefährdet wäre (§ 71 Abs. 4 zweiter Satz StPO). Die vorgeschlagene Regelung ist bewusst an § 50 StPO angelehnt, in dessen Abs. 1 dritter Satz festlegt wird, dass die Informationspflicht gegenüber dem Beschuldigten aufgrund besonderer Umstände aufgeschoben werden kann, wenn Ermittlungen oder Beweisaufnahmen (also auch Zwangsmittel) durchzuführen sind, deren Erfolg voraussetzt, dass der Beschuldigte keine Kenntnis von den gegen ihn geführten Ermittlungen hat. Nachdem § 50 StPO das Aufschieben der Information nur für Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft vorsieht, soll mit dieser Bestimmung eine entsprechende Regelung für das Gericht im Privatanklageverfahren geschaffen werden.

Um die erforderliche Abgrenzung zu Abs. 1 zweiter Satz herzustellen, soll in Abs. 5 ausdrücklich normiert werden, dass der Privatankläger Ermittlungsmaßnahmen im Hauptverfahren zu beantragen nur insofern berechtigt ist, als dies zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen erforderlich ist. Die im 9. Hauptstück geregelten Ermittlungsmaßnahmen zu beantragen, ist er nicht berechtigt.

Zu Z 9 (§ 76a StPO):

In seiner Entscheidung vom 13. Juni 2019, C-193/18, der ein deutsches Vorabentscheidungsersuchen zu Grunde lag, hat der EuGH festgestellt, dass Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37, berichtigt im ABl. 2013, L 241, S. 8) geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass ein internetbasierter E‑Mail-Dienst, der wie der von Google erbrachte Dienst Gmail keinen Internetzugang vermittelt, nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht und daher keinen „elektronischen Kommunikationsdienst“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt (Rz 41).

Unter diese vom Europäischen Gerichtshof angesprochene Kategorie von Diensteanbietern fallen auch mit Google vergleichbare OTT-Dienste („Over the top“-Dienst ist ein über das Internet zur Verfügung stehender Dienst, ohne dass ein traditioneller Internet-Service-Provider involviert ist, siehe EuGH vom 13. Juni 2019, C-193/18, Rz 10). Beispiele für OTT-Dienste können Suchmaschinen (Google), Videoplattformen wie Youtube sowie soziale Kommunikationsnetze wie etwa Facebook und Twitter ebenso wie WhatsApp, (Video)Telefoniedienste wie Skype und auch Cloud-Services sein, wobei der EuGH bestimmte OTT-Dienste durchaus als „elektronische Kommunikationsdienste“ qualifiziert hat (EuGH vom 5.6.2019, C-142/18, Rz 46; vgl. Feiel, "SkypeOut" ist ein Telekommunikationsdienst, MR 2019, 198ff).

Da § 76a StPO aktuell (nur) auf „Anbieter von Kommunikationsdiensten“ abstellt, ist im Lichte der genannten Entscheidungen des EuGH fraglich, in wie fern Internetdienste, insbesondere die genannten OTT-Dienste, erfasst sind.

Es wird daher vorgeschlagen, in § 76a StPO sonstige Diensteanbieter ausdrücklich zu nennen. Aus dem Verweis auf § 3 Z 2 ECG ergibt sich, dass natürliche oder juristische Personen oder sonstige rechtsfähige Einrichtungen, die einen Dienst der Informationsgesellschaft bereitstellen, umfasst sein sollen. Zu den Diensteanbietern zählen Access-, Host- und Contentprovider im engeren Sinn, Websitebetreiber (inklusive Gästebuch), Forenbetreiber, Blogger (soweit er Dritten die Speicherung von Inhalten ermöglicht), Tauschbörsenbetreiber, Online-Auktionare, Werbedienste, Registries (Domainvergabestellen) sowie WLAN-Betreiber (als Access-Provider), nicht aber bloße Registrare, Domaininhaber oder Admin-C (Laga/Sehrschön/Ciresa, E-Commerce-Gesetz², § 3 Z 2).

Durch die Ergänzung um Nutzer „eines sonstigen Dienstes (§ 3 Z 4 ECG)“ soll der korrespondierende Adressatenkreis abgedeckt werden.

Zu Z 10 (§ 390 Abs. 1 StPO), Z 11 (§ 390a Abs. 1 StPO) und Z 12 (§ 393 Abs. 4a StPO)

Während die Kosten eines auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendeten Strafverfahrens gemäß § 390 Abs. 1 erster Satz StPO grundsätzlich der Bund trägt, wird im zweiten Satz davon abweichend normiert, dass dem Privatankläger der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen ist. Um die Verfolgung von Hass im Netz-Delikten zu erleichtern und den Betroffenen mögliche Bedenken im Hinblick auf allfällige Kostenfolgen zu nehmen, soll das Kostenrisiko des Privatanklägers in Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB) für Kosten des Strafverfahrens zur Gänze entfallen. Eine korrespondierende Regelung für das Rechtsmittelverfahren soll in § 390a Abs. 1 zweiter Satz StPO ergänzt werden. Diese Erleichterung soll der besonderen Lage und persönlichen Belastung der Opfer von Hass im Netz sowie insbesondere dem Umstand Rechnung tragen, dass diese Opfergruppe bislang oftmals durch das Kostenrisiko von der Einbringung einer Privatanklage abgeschreckt wurde. Die vorgesehenen Maßnahmen stehen darüber hinaus im Einklang mit dem Vorhaben im Regierungsprogramm 2020-2024, eine grundsätzliche Kostenreduktion bei bestimmten Privatanklagedelikten iZm Hass im Netz zu erwirken (S. 38).

Aufgrund der vorgeschlagenen Ausnahme der Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB) in § 390 Abs. 1 zweiter Satz StPO kommt die Regelung des § 393 Abs. 4 StPO über die Ersatzpflicht des Privatanklägers für die Verteidigungskosten des nicht verurteilten Angeklagten nicht mehr zur Anwendung. Vorgeschlagen wird daher ein neuer Abs. 4a, der die Kostenersatzpflicht des Privatanklägers in diesen Strafverfahren für die Kosten der Verteidigung des Angeklagten im Hauptverfahren festlegt.

Nachdem die Privatanklage gemäß § 71 Abs. 3 StPO in der vorgeschlagenen Fassung – wie bereits nach geltendem Recht – den formalen Erfordernissen einer Anklageschrift (§ 211) zu entsprechen hat und darüber hinaus dem Gericht gemäß § 485 StPO eine umfassende Möglichkeit zur amtswegigen Prüfung der Anklage zukommt, ist aus derzeitiger Sicht nicht davon auszugehen, dass es durch den vorgesehenen Entfall der Kostenersatzpflicht für bestimmte Opfergruppen zu einer leichtfertigeren Inanspruchnahme von Rechtsinstrumenten kommen wird. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass auch weiterhin die entsprechenden Gerichtsgebühren bei Einbringung zu entrichten sind und sich die Regelung lediglich auf die Verfahrenskosten beziehen würde. Demgegenüber hätte der Privatankläger im Falle eines Freispruchs nach der vorgeschlagenen Bestimmung des § 393 Abs. 4a StPO jedenfalls die Verteidigungskosten des Angeklagten zu ersetzen, sodass weiterhin ein gewisses Kostenrisiko bei ihm verbliebe.

Zu Z 13 (§ 514 Abs. 46 StPO):

Sämtliche Änderungen sollen mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten. Die Änderungen in § 390 Abs. 1 StPO, § 390a Abs. 1 StPO und § 393 Abs. 4a StPO sollen vorerst befristet bis 31. Dezember 2023 eingeführt werden. Rechtzeitig vor diesem Datum soll die Akzeptanz und praktische Anwendung der neuen Regelungen im Privatanklageverfahren für Opfer von Hass im Netz im Hinblick auf die Auswirkungen des Entfalls der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers für Kosten des Strafverfahrens in Verfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB) aussagekräftig evaluiert werden. Sodann sollen die Regelungen mit allfälligen erforderlichen Änderungen in den permanenten Rechtsbestand überführt werden.

Zu Z 14 (§ 516a Abs. 12 StPO):

Bereits vor Umsetzung der RL Opferschutz hatte der Opferschutz in Österreich ein ausgesprochen hohes Niveau, wobei insbesondere das bislang in § 66 Abs. 2 StPO verankerte Institut der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung stets als positives Beispiel hervorgehoben wurde. Mit dem am 1. Juni 2016 in Kraft getretenen Strafprozessrechtänderungsgesetz I 2016, BGBl. I Nr. 26/2016, hat Österreich die RL Opferschutz vollständig umgesetzt. Das Strafrechtsänderungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 70/2018, führte schließlich in Umsetzung der RL Terrorismus unter anderem bei der Prozessbegleitung zu einer Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises auf die Opfer terroristischer Straftaten (§ 278c StGB). Durch die geplanten Änderungen ist nunmehr neuerlich ein wesentlicher Ausbau des Opferschutzes durch die Erweiterung des Personenkreises, der Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung hat, in der neuen Bestimmung des § 66b StPO vorgesehen, sodass diese der Ergänzung der bereits erfolgten vollständigen Umsetzung der RL Opferschutz im nationalen Recht dient.