Entwurf

Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) und das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes

Das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG), RGBl. Nr. 217/1896, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2020, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 15 werden folgende §§ 15a bis 15d samt Überschriften eingefügt:

„Sicherheitsbeauftragte

§ 15a. (1) Die Leiterin oder der Leiter jeder Dienststelle hat eine geeignete Person als Sicherheitsbeauftragte oder als Sicherheitsbeauftragten zu bestellen, sofern sie oder er diese Funktion nicht selbst wahrnimmt. Für den Fall der Verhinderung ist zumindest eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu bestellen. Die oder der Sicherheitsbeauftragte und deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter müssen Bedienstete der Dienststelle sein.

(2) Treten Gründe auf, weshalb die Eignung der oder des Sicherheitsbeauftragten nicht mehr gegeben ist, hat die Dienststellenleitung diese oder diesen abzuberufen. Im Übrigen ist eine Abberufung jederzeit auch ohne Begründung zulässig.

(3) Der oder dem Sicherheitsbeauftragten obliegt die Wahrnehmung des Sicherheitsmanagements (§ 15b). Überdies kann sie oder er für Aufgaben des Bedrohungsmanagements (§ 15c) herangezogen werden.

(4) Die Erfüllung der Aufgaben der oder des Sicherheitsbeauftragten ist Dienstpflicht.

Sicherheitsmanagement

§ 15b. (1) Die oder der Sicherheitsbeauftragte hat im Rahmen des Sicherheitsmanagements durch Beratung, Dokumentation und Unterweisungen einen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit und zur Schärfung des Sicherheitsbewusstseins an der Dienststelle zu leisten. Dazu hat sie oder er insbesondere folgende Aufgaben wahrzunehmen:

           1. Beratung und Unterstützung der Dienststellenleitung in Sicherheitsfragen, insbesondere bei

               a) der Planung von Sicherheitskonzepten für Hochrisikoprozesse in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und der Justizwache,

               b) der Organisation und Durchführung von Informations- und Schulungsveranstaltungen sowie

                c) Räumungsübungen;

           2. Erstellung, zentrale Verwaltung und jährliche Überprüfung sowie gegebenenfalls Aktualisierung der sicherheitsrelevanten Unterlagen der Dienststelle;

           3. Nachweisliche Unterweisung der bei der Dienststelle beschäftigten Bediensteten über die Sicherheit in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Gebäuden und Ausfolgung der dafür notwendigen Unterlagen;

           4. Dokumentation von sicherheitsrelevanten Wahrnehmungen und Vorfällen sowie allfällige Weiterleitung an die zuständigen Stellen;

           5. Dokumentation von Überprüfungsergebnissen der technischen Sicherheitseinrichtungen und Weiterleitung an die jeweilige Dienststellenleitung.

(2) Sind in einem Gerichtsgebäude mehrere Dienststellen untergebracht, sind die in Abs. 1 Z 1 und Z 5 genannten Aufgaben tunlichst von jener oder jenem Sicherheitsbeauftragten im Einvernehmen mit den anderen betroffenen Sicherheitsbeauftragten wahrzunehmen, die oder der jener Dienststelle angehört, die den größten Teil des Gerichtsgebäudes nutzt.

Zentrale Anlaufstelle in Bedrohungsfällen (Bedrohungsmanagement)

§ 15c. (1) Die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts hat in jedem Bundesland ihres oder seines Sprengels zumindest eine zentrale Anlaufstelle in Bedrohungsfällen (zentrale Anlaufstelle) vorzusehen, wobei diese beim Oberlandesgericht oder bei den Gerichtshöfen I. Instanz eingerichtet werden kann.

(2) Die Leitung der jeweiligen zentralen Anlaufstelle obliegt der Präsidentin oder dem Präsidenten des Gerichtshofs, die oder der diese Funktion einer Richterin oder einem Richter des Gerichtshofs, allenfalls auch der oder dem Sicherheitsbeauftragten des Gerichtshofs, sofern diese oder dieser dem höheren oder dem gehobenen Dienst angehört, übertragen kann.

(3) Aufgabe der zentralen Anlaufstellen ist es, Justizangehörige und deren Familienmitglieder in Bedrohungssituationen, die sich aus der dienstlichen Tätigkeit ergeben, zu unterstützen und einen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit zu leisten. Dazu haben sie

           1. alle Mitteilungen über Angriffe und Drohungen in ihrem Zuständigkeitsbereich entgegen zu nehmen und zu dokumentieren,

           2. sich daraus ergebende geeignete justizinterne Erhebungen vorzunehmen sowie allenfalls die Sicherheitsbehörden zu befassen,

           3. die jeweilige Dienstbehörde von festgestellten Gefährdungspotentialen umgehend zu verständigen,

           4. bei Bedarf andere Dienststellen über festgestellte Gefährdungspotentiale zu informieren und

           5. Justizangehörige, die Adressatinnen und Adressaten von Angriffen und gefährlichen Drohungen wurden, auf mögliche Unterstützung und Hilfestellungen (Coaching, Supervision etc.) hinzuweisen.

(4) Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind die zentralen Anlaufstellen berechtigt,

           1. in die Verfahrensautomation Justiz mittels Namensabfrage und in die die Person der Angreiferin oder des Angreifers oder der oder des Drohenden betreffenden Akten Einsicht zu nehmen sowie Erhebungsersuchen und Anfragen an die solcherart ermittelten Dienststellen und Betroffenen zu richten,

           2. Meldung an die jeweils zuständige Sicherheitsbehörde zu erstatten, damit diese die Aufgaben im Sinne der Gefahrenerforschung nach § 16 Abs. 4 SPG iVm § 28a SPG wahrnehmen kann,

           3. falls ausreichende Anhaltspunkte für die Ernsthaftigkeit und die Gefährlichkeit des Angriffs, der Drohung oder Bedrohungssituation vorliegen, die Sicherheitsbehörden zu informieren und diesen die dazu vorhandenen Informationen zur Verfügung zu stellen.

(5) Bei Dienststellen ohne zentrale Anlaufstelle ist die oder der Sicherheitsbeauftragte zur Unterstützung der für die Dienststelle zuständigen zentralen Anlaufstelle berechtigt, in die Verfahrensautomation Justiz mittels Namensabfrage und in die die Person der Angreiferin oder des Angreifers oder der oder des Drohenden betreffenden Akten Einsicht zu nehmen. Das Ergebnis dieser Erhebungen hat die oder der Sicherheitsbeauftragte ohne Verzug der zentralen Anlaufstelle schriftlich mitzuteilen.

(6) Die Sicherheitsbehörden haben im Rahmen des § 22 SPG den zentralen Anlaufstellen zu den von diesen bekanntgegebenen Angriffen, Drohungen oder Bedrohungssituationen (Abs. 4 Z 3) das Ergebnis der Gefahrenerforschung zur Verfügung zu stellen und mitzuteilen, ob und bejahendenfalls welche Maßnahmen in Aussicht genommen werden, sowie allfällige Verhaltensempfehlungen zu erstatten.

(7) Die zentralen Anlaufstellen haben alle im Zuge der Prüfung von Gefährdungspotentialen vorgenommenen Erhebungen und sonstigen Veranlassungen aktenmäßig festzuhalten.

(8) Über die von ihnen getroffenen Veranlassungen haben die zentralen Anlaufstellen die jeweils zuständige Präsidentin oder den jeweils zuständigen Präsidenten des Oberlandesgerichts umgehend zu informieren.

(9) Die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts hat

           1. regelmäßige Schulungen für die Dienststellenleitungen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zentralen Anlaufstellen gemeinsam mit der Polizei durchzuführen und

           2. über die im gesamten Sprengel gesetzten Maßnahmen einmal jährlich dem Bundesministerium für Justiz zu berichten.

Datenaufbewahrung

§ 15d. Personenbezogene Daten und besondere Kategorien personenbezogener Daten, die zur Erfüllung der in den §§ 15 bis 15c GOG normierten Dokumentationspflichten gespeichert werden, sind nach Ablauf von fünf Jahren zu löschen. Bei mehreren Speicherungen bestimmt sich der Zeitpunkt der Löschung nach dem Zeitpunkt der letzten Speicherung. Ist im Einzelfall eine Aufbewahrung der Daten für einen längeren Zeitraum erforderlich, so kann unter Dokumentation der dafür maßgeblichen Gründe die Aufbewahrungsfrist einmalig um höchstens fünf weitere Jahre verlängert werden.“

2. In § 32 Abs. 5 erster Satz wird der Klammerausdruck „(§§ 201 ff StGB)“ durch den Klammerausdruck „(§ 107b Abs. 3a Z 3 und §§ 201 ff StGB)“ ersetzt.

3. § 47b samt Überschrift lautet:

„Justiz-Servicecenter

§ 47b. (1) Nach Maßgabe des Bedarfs der rechtsuchenden Bevölkerung und der regionalen Bedeutung eines Standorts, jedenfalls aber an solchen Standorten, an denen Landes- und Bezirksgericht im selben Gebäude untergebracht sind, kann die Bundesministerin oder der Bundesminister für Justiz zur Behandlung insbesondere von einfachen und rasch zu erledigenden Ansuchen und Auskünften Justiz-Servicecenter einrichten. Soweit dies tunlich ist, sind diese an Standorten, bei denen auch eine Staatsanwaltschaft untergebracht ist, gemeinsam mit dieser zu führen.

(2) Justiz-Servicecenter können für den jeweiligen Standort (einfache Justiz-Servicecenter) oder unabhängig vom Standort zentral für alle Gerichte und Staatsanwaltschaften (zentrale Justiz-Servicecenter) eingerichtet werden. Wird von einem zentralen Justiz-Servicecenter ein protokollarisches Anbringen aufgenommen (§ 56 Abs. 1), so ist für seine Rechtzeitigkeit der Zeitpunkt der Protokollaufnahme maßgebend. Das protokollarische Anbringen ist erforderlichenfalls unverzüglich an das zuständige Gericht zu übersenden.“

4. § 78b Abs. 2 lautet:

„(2) Die Leitende Visitatorin oder der Leitende Visitator wird überdies durch die Visitatorinnen und Visitatoren der Landesgerichte unterstützt. Visitatorin oder Visitator des Landesgerichts ist die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident, bei mehreren Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten die oder der damit von der Präsidentin oder vom Präsidenten des Oberlandesgerichts betraute Vizepräsidentin oder Vizepräsident. Zur Unterstützung der Visitatorin oder des Visitators kann die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts mit deren Zustimmung auch andere Richterinnen und Richter des Landesgerichts im Rahmen der für die Justizverwaltung gebundenen Arbeitskapazitäten unter Anrechnung auf ihre Auslastung mit Aufgaben der inneren Revision betrauen. Darüber hinaus können Richterinnen und Richter der Landes- und Bezirksgerichte mit deren Zustimmung, jedoch ohne Anrechnung auf ihre Auslastung, mit Aufgaben der inneren Revision betraut werden.“

5. § 78b Abs. 4 lautet:

„(4) Die Visitatorin oder der Visitator des Landesgerichts sowie die weiteren mit Aufgaben der inneren Revision betrauten Richterinnen und Richter können im gesamten Sprengel des Oberlandesgerichts eingesetzt werden. Bei dem Gericht, bei dem sie ernannt sind oder verwendet werden, dürfen sie in dieser Funktion nicht eingesetzt werden.“

6. § 80 Abs. 2 und 3 lauten:

„(2) In die Register und sonstigen Geschäftsbehelfe dürfen nur solche Daten eingetragen werden, die erforderlich sind, um den Zweck des Registers oder des sonstigen Geschäftsbehelfs zu erfüllen. Die Führung der Register und sonstigen Geschäftsbehelfe sowie die Speicherung des Inhalts gerichtlicher Akten haben nach Maßgabe der technischen und personellen Möglichkeiten mit Hilfe von Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologie im System eJustiz (eJ) zu erfolgen. Die Daten der Register und sonstigen Geschäftsbehelfe dürfen vom Akteninhalt nicht abweichen.

(3) Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Justiz hat durch Verordnung zu bestimmen, welche Register und sonstigen Geschäftsbehelfe bei den Gerichten zu führen sowie welche Gattung von Angelegenheiten darin einzutragen sind, welche Organe sie zu führen haben und wie lange sie aufzubewahren oder verfügbar zu halten sind. Die Form und Einrichtung der Register und sonstigen Geschäftsbehelfe, wie bei deren Führung im Einzelnen zu verfahren ist sowie andere interne Vorgaben zu den Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologie im System eJustiz (eJ) sind im eJ-Online-Handbuch oder in sonstigen Erlässen zu regeln. Das eJ-Online-Handbuch ist in der jeweils aktuellen Fassung über das Intranet der Justiz abrufbar zu halten; die sonstigen Erlässe sind dort zu verlautbaren.“

7. § 82 samt Überschrift lautet:

„Berichte

§ 82. Die Landesgerichte können den Oberlandesgerichten und diese dem Bundesministerium für Justiz ihre Wahrnehmungen über Zustand und Gang der Rechtspflege sowie über Mängel der Gesetzgebung oder des Geschäftsganges berichten und gegebenenfalls geeignete Änderungsvorschläge unterbreiten, soweit sie dies als erforderlich erachten.“

8. In § 89l Abs. 1 erster Satz wird die Wortfolge „beim Bezirksgericht seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts“ durch die Wortfolge „bei einem Bezirksgericht“ ersetzt.

9. § 98 wird folgender Abs. 29 angefügt:

„(29) Die §§ 15a bis 15d samt Überschriften, § 32 Abs. 5, § 47b samt Überschrift, § 78b Abs. 2 und 4, § 80 Abs. 2 und 3, § 82 samt Überschrift,§ 89l Abs. 1 sowie § 99 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2021 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“

10. In § 99 Abs. 2 wird die Wendung „sowie § 13“ durch die Wendung „, 13 sowie § 15c Abs. 6“ ersetzt.

Artikel II

Änderung des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes

Das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/2019, wird wie folgt geändert:

1. In § 3 Abs. 5 wird nach der Wendung „§§ 1 bis 14 und“ die Wendung „15a bis“ eingefügt.

2. Dem § 27 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) § 3 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2021 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“