Entwurf

Erläuterungen

A. Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte der Novelle sind

-       die gesetzliche Verankerung der in der Praxis bereits bewährten Funktion der Sicherheitsbeauftragten sowie die Schaffung einer Grundlage für die Einrichtung zentraler Anlaufstellen in Bedrohungsfällen und

-       die Schaffung einer Grundlage für die Einrichtung zentraler Justiz-Servicecenter.

Darüber hinaus soll eine Reihe weiterer Anpassungen vorgenommen werden, die sich aus der gerichtlichen Praxis ergeben haben, ohne dabei grundsätzliche Aspekte der Gerichtsorganisation zu berühren:

-       eine Anpassung der Vorgaben für die Geschäftsverteilung zu Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (Ergänzung im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung);

-       die Möglichkeit, auch Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte mit Aufgaben der inneren Revision zu betrauen;

-       der Ersatz der Verpflichtung zur Erstattung von Wahrnehmungsberichten durch die Landes- und Oberlandesgerichte durch eine fakultative Berichterstattung;

-       die Anpassung der Regelung zur (elektronischen) Führung der Register und sonstigen Geschäftsbehelfe sowie die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Regelungen zu IKT-Anwendungen der Justiz im Rahmen des Systems eJustiz (eJ) im eJ-Online-Handbuch und sonstigen Erlässen;

-       eine Anpassung der Zuständigkeit zur Erteilung von Registerauskünften.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des Gerichtsorganisationsgesetzes und des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes sind im Vergleich zur jetzigen Situation keine Mehrausgaben für die öffentlichen Haushalte verbunden.

Kompetenzgrundlagen

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG (Verwaltungsgerichtsbarkeit) sowie Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Justizpflege) und hinsichtlich des Tätigwerdens von Sicherheitsbehörden auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG.

B. Besonderer Teil

Zu Art. I (Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes – GOG)

Zu Z 1 (§§ 15a bis 15d GOG):

Justizbedienstete sehen sich in zunehmendem Maße übergriffigem oder gar bedrohendem Verhalten ausgesetzt, das in besonders tragischen Fällen (wie etwa im Jahr 2009 am Bezirksgericht Hollabrunn) zu echten Katastrophen führen kann. Aufgrund der in § 73 Abs. 1 Z 3 GOG normierten dienstgeberischen Fürsorgepflicht sowie zum Schutz aller sonstigen im Gerichtsgebäude anwesenden Personen ist es daher unumgänglich, Justizbedienstete, die mit Angriffen, Bedrohungen oder Übergriffen konfrontiert sind, zu schützen, zu unterstützen und Maßnahmen zu ergreifen, um im Ernstfall richtig reagieren zu können. Ferner ist in generalpräventiver Hinsicht unmissverständlich klarzustellen, dass ein Rechtsstaat Angriffe und versuchte Einflussmaßnahmen auf Justizbedienstete oder auf die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht dulden kann. Mit den vorgeschlagenen §§ 15a bis 15d GOG sollen die Funktion der Sicherheitsbeauftragten gesetzlich verankert, ihre im Rahmen des Sicherheitsmanagements wahrzunehmenden Aufgaben definiert und die Grundlage für zentrale Anlaufstellen in Bedrohungsfällen geschaffen werden.

Zu § 15a GOG:

Die Funktion der Sicherheitsbeauftragten und ihre Aufgaben sind bereits in der Sicherheitsrichtlinie des Bundesministeriums für Justiz (BMJ-Pr147.10/0221-III 2/2017) geregelt. Da sich diese Funktion in der Praxis bewährt hat, soll sie nun gesetzlich verankert und eine Regelung zur Bestellung und Abberufung der Sicherheitsbeauftragten geschaffen werden.

Bei der Auswahl der Sicherheitsbeauftragten ist ausschließlich auf die Eignung Bedacht zu nehmen. Auf die Bedienstetengruppe, der sie oder er angehört, kommt es nicht an. Die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle kann diese Funktion sowohl selbst ausüben als auch andere Bedienstete bestellen. Da dem Sicherheits- und Bedrohungsmanagement eine zentrale Bedeutung zukommt, ist bei der Auswahl der Sicherheitsbeauftragten darauf zu achten, dass besonders verlässliche Bedienstete bestellt werden. Diese sollten tunlichst bereits einschlägige Schulungen absolviert haben oder zumindest zeitnah planen, an solchen teilzunehmen. Relevante Themen für den Bereich des Sicherheitsmanagements sind etwa Konfliktprävention, Krisenmanagement oder Organisation und Durchführung von Räumungsübungen, und für den Bereich des Bedrohungsmanagements beispielsweise die Grundstruktur eines Bedrohungsmanagementprozesses.

Der Dienststellenleitung obliegt es, die Sicherheitsbeauftragten über einschlägige Schulungsveranstaltungen in Kenntnis zu setzen und ihnen eine Teilnahme im erforderlichen Umfang zu ermöglichen.

Abs. 2 bestimmt, dass die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle die Sicherheitsbeauftragte oder den Sicherheitsbeauftragten abzuberufen hat, wenn die Eignung für die Ausübung dieser Funktion nicht mehr gegeben ist. Solche Gründe können beispielsweise die Vernachlässigung der Aufgaben gemäß § 15b GOG, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder eine längere Abwesenheit vom Dienst wegen Krankheit darstellen.

In Abs. 3 wird festgelegt, dass der oder dem Sicherheitsbeauftragten die Wahrnehmung des Sicherheitsmanagements obliegt und sie oder er überdies für Aufgaben des Bedrohungsmanagements herangezogen werden kann. An jeder Dienststelle ist eine Person zur oder zum Sicherheitsbeauftragten zu bestellen, welche für das Sicherheitsmanagement zuständig ist. An den Landesgerichten und den Oberlandesgerichten kann zusätzlich eine Sicherheitsbeauftragte oder ein Sicherheitsbeauftragter mit der Leitung der zentralen Anlaufstelle in Bedrohungsfällen (§ 15c GOG) betraut werden. Ob die Aufgaben des Bedrohungsmanagements und jene des Sicherheitsmanagements von der- oder demselben Sicherheitsbeauftragten wahrgenommen oder zwei unterschiedliche Personen bestellt werden, obliegt der Entscheidung der Leiterin oder des Leiters der Dienststelle. Abhängig von der Größe der Dienststelle und den örtlichen Gegebenheiten ist dies im Einzelfall zu entscheiden.

Das Sicherheitsmanagement (§ 15b GOG) umfasst insbesondere den Schutz vor Angriffen und Bedrohungen, die sich gegen in gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Gebäuden befindliche Personen, gegen Bedienstete auch außerhalb dieser Gebäude in Ausübung ihrer beruflichen Funktion (Personenschutz), gegen gerichtliche und staatsanwaltschaftliche Gebäude und darin befindliche Sachwerte (Objektschutz) und die unabhängige Rechtsprechung richten. Ausgenommen vom Tätigkeitsbereich sind jedoch insbesondere Belange der Betriebssicherheit, des Brandschutzes, der IT-Sicherheit, des Datenschutzes sowie der Informationssicherheit. Die Aufgaben der oder des hiefür zuständigen Sicherheitsbeauftragten sind in § 15b GOG näher definiert.

Das Bedrohungsmanagement (§ 15c GOG) umfasst die Unterstützung von Justizangehörigen und deren Familienmitgliedern in Bedrohungssituationen, die sich aus der dienstlichen Tätigkeit ergeben. Die diesbezüglichen Aufgaben ergeben sich aus § 15c Abs. 3 GOG.

Abs. 4 stellt klar, dass die Tätigkeit als Sicherheitsbeauftragte oder Sicherheitsbeauftragter Dienstpflicht ist.

Zu § 15b GOG:

Aufgabe der Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des Sicherheitsmanagements ist es, durch Beratung, Dokumentation und Unterweisungen einen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit und zur Schärfung des Sicherheitsbewusstseins an den Dienststellen zu leisten.

Sofern die Sicherheitsbeauftragten nicht selbst der Dienststellenleitung angehören, ist eine gut funktionierende Zusammenarbeit mit der Dienststellenleitung unerlässlich, weshalb auf diesen Aspekt bei der Auswahl der Sicherheitsbeauftragten besonderer Wert zu legen ist. Die Sicherheitsbeauftragten haben die Dienststellenleitung in Sicherheitsfragen mit ihrer Expertise im Bereich des Sicherheitsmanagements zu beraten und zu unterstützen. Dazu gehören insbesondere die Planung von Sicherheitskonzepten für Hochrisikoprozesse in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und der Justizwache, die Organisation und Durchführung von Informations- und Schulungsveranstaltungen in regelmäßigen Abständen an den Dienststellen in ihrem Zuständigkeitsbereich sowie die jährlich abzuhaltenden Räumungsübungen.

Zu den sicherheitsrelevanten Unterlagen, die von den Sicherheitsbeauftragten erstellt, verwaltet, jährlich überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden, zählen insbesondere Alarmierungs- und Räumungspläne, eine Sicherheitsbroschüre, eine Notfallmappe, ein Krisenhandbuch und Einsatzpläne.

Um das Sicherheitsbewusstsein aller an der Dienststelle tätigen Bediensteten zu schärfen, haben die Sicherheitsbeauftragten diese zum Thema „Sicherheit in Gerichtsgebäuden“ nachweislich zu unterweisen und ihnen die für sie notwendigen Unterlagen über die Sicherheit in Gerichtsgebäuden wie beispielsweise die Sicherheitsrichtlinie in der aktuellen Fassung sowie die Hausordnung und die Sicherheitsbroschüre der gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Gebäude, in denen sie tätig sind, zu übergeben.

Ferner sollen die Sicherheitsbeauftragten als zentrale Stelle für die Dokumentation sämtlicher Angriffe und Bedrohungen in ihrem Zuständigkeitsbereich und für eine allfällige Weiterleitung an die zuständigen Stellen fungieren. In diesem Zusammenhang gehört es insbesondere zu ihren Aufgaben, sämtliche relevanten Wahrnehmungen gemäß § 11 Abs. 1 Z 39 Geo. zu dokumentieren. Dazu zählen Vorfälle, die Angriffe und Bedrohungen darstellen oder befürchten lassen oder ein sonstiges Sicherheitsrisiko bedeuten könnten, wie beispielsweise eine bevorstehende Veranstaltung mit einer größeren Personenzahl oder ein bevorstehender Hochrisikoprozess. Diese Dokumentationspflichten sind als Ausfluss und Konkretisierung der Dokumentationspflicht gemäß § 15 Abs. 1 GOG zu verstehen. Soweit Angriffe oder ernstzunehmende Drohungen bereits von den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen ihrer Tätigkeit dokumentiert wurden, ist damit die Verpflichtung nach § 15 Abs. 1 GOG erfüllt.

Von einem Hochrisikoprozess, bei welchem aufgrund des Prozessgegenstands oder der Beteiligten von einem weit über das übliche Ausmaß hinausgehenden erhöhten Sicherheitsbedarf auszugehen ist, sind jedenfalls auch die jeweiligen für die Dienststelle zuständigen Mediensprecherinnen und Mediensprecher zu verständigen.

Das Bundesministerium für Justiz ist über Angriffe und Bedrohungen im Wege einer Sicherheitsmeldung umgehend zu informieren. Weitere Verständigungspflichten ergeben sich insbesondere aus der Sicherheitsrichtlinie und aus § 15c GOG. Bei Verdacht einer Straftat ist überdies Anzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft gemäß § 78 StPO nach Genehmigung durch die Dienststellenleitung zu erstatten.

Einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit in Gerichtsgebäuden stellt schließlich die zumindest jährliche Überprüfung von Sicherheitseinrichtungen dar. Zu diesen Einrichtungen zählen neben Schlüsseln und Schlössern auch sicherheitstechnische Anlagen wie beispielsweise Notrufsysteme und Videoüberwachungs-, Lautsprecher-, Sirenen-, Alarm- und Gegensprechanlagen. Aufgabe der Sicherheitsbeauftragten ist es, die notwendigen Überprüfungen und Funktionskontrollen niederschriftlich festzuhalten und die Ergebnisse der Leiterin oder dem Leiter der jeweiligen Dienststelle zur Kenntnis zu bringen, damit diese oder dieser allfällige weitere Veranlassungen treffen kann.

Sind in einem Gerichtsgebäude mehrere Dienststellen untergebracht, sieht Abs. 2 vor, dass die in § 15b Abs. 1 Z 1 und Z 5 genannten Aufgaben tunlichst von jener oder jenem Sicherheitsbeauftragten im Einvernehmen mit den anderen betroffenen Sicherheitsbeauftragten wahrzunehmen sind, die oder der jener Dienststelle angehört, die den größten Teil des Gerichtsgebäudes nutzt. Diese Regelung verfolgt den Zweck, Doppelgleisigkeiten hintanzuhalten und damit ein ressourcenschonendes Vorgehen zu ermöglichen. 

Zu § 15c GOG:

Um in Bedrohungssituationen Justizangehörigen (Justizbedienstete sowie die in einem Ausbildungsverhältnis zur Justiz stehenden Personen) und deren Familienmitgliedern einen erhöhten Schutz zu bieten, sollen bundesweit zentrale Anlaufstellen in Bedrohungsfällen eingerichtet werden. Deren primäres Ziel ist es, in enger Abstimmung mit der jeweils örtlich zuständigen Landespolizeidirektion die Ernsthaftigkeit und Gefährlichkeit des Angriffs, der Drohung oder Bedrohungssituation abzuklären, um allenfalls adäquate Schutzmaßnahmen setzen zu können (wie etwa die Beistellung einer Polizistin oder eines Polizisten bei Verhandlungen).

Um ein zielorientiertes, ressourcenschonendes und umsichtiges Vorgehen der zentralen Anlaufstellen sicherstellen zu können, bedarf es einer engen Zusammenarbeit mit der jeweils örtlich zuständigen Sicherheitsbehörde. Es ist daher unabdingbar, in jedem Bundesland zumindest eine solche Anlaufstelle einzurichten, wobei die konkrete Ausgestaltung nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernissen zu erfolgen hat. Jedenfalls soll mit der Leitung der zentralen Anlaufstelle jeweils die Präsidentin oder der Präsident des Gerichtshofs betraut werden, die oder der diese Funktion einer Richterin oder einem Richter des Gerichtshofs oder der oder dem Sicherheitsbeauftragten des Gerichtshofs, sofern diese oder dieser dem höheren oder dem gehobenen Dienst angehört, übertragen kann.

Aufgabe der zentralen Anlaufstelle ist es, alle Mitteilungen über Angriffe und Drohungen in ihrem Zuständigkeitsbereich entgegenzunehmen und zu dokumentieren (§ 11 Abs. 1 Z 39 Geo.), sich daraus ergebende geeignete justizinterne Erhebungen vorzunehmen sowie allenfalls die Sicherheitsbehörden zu befassen. Darüber hinaus hat die zentrale Anlaufstelle die jeweilige Dienstbehörde von festgestellten Gefährdungspotentialen umgehend zu verständigen und bei Bedarf andere Dienststellen über festgestellte Gefährdungspotentiale zu informieren. Nicht zuletzt sollen Justizangehörige, die Adressatinnen und Adressaten von Angriffen und gefährlichen Drohungen wurden, auf mögliche Unterstützungs- und Hilfestellungsangebote (Coaching, Supervision etc.) hingewiesen werden.

Für das Verhältnis der Dokumentationspflicht der zentralen Anlaufstelle gemäß § 15c Abs. 3 Z 1 GOG und jener gemäß § 15 Abs. 1 GOG gilt ebenso, da es sich auch hier wie bei § 15b Abs. 1 Z 4 GOG um einen Ausfluss bzw. eine Konkretisierung der in § 15 Abs. 1 GOG verankerten Dokumentationspflicht handelt, dass die Verpflichtung nach § 15 Abs. 1 GOG erfüllt ist, wenn die Angriffe oder ernstzunehmenden Drohungen bereits von der zentralen Anlaufstelle im Rahmen ihrer Tätigkeit dokumentiert wurden.

Damit die zentralen Anlaufstellen ihre Aufgaben wahrnehmen können, ist ihnen – vor dem Hintergrund der geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen – die Berechtigung zur Einsicht sowohl in die Verfahrensautomation Justiz per Namensabfrage zur Person der Angreiferin oder des Angreifers oder der oder des Drohenden sowie in diese oder diesen betreffenden Akten einzuräumen. Unter die Person der Angreiferin oder des Angreifers oder der oder des Drohenden betreffenden Akten sind dabei all jene Akten zu verstehen, in denen dieser Person eine Rolle in der VJ zugeordnet ist. Dadurch können nicht nur Verfahren erhoben werden, in denen die Angreiferin oder der Angreifer oder die oder der Drohende Partei ist, sondern auch alle anderen Verfahren, in denen sie oder er anderweitig als Beteiligter in der VJ erfasst ist (etwa als Zeugin oder Zeuge sowie Vertreterin oder Vertreter). Die zentralen Anlaufstellen sind aufgrund der Erhebungsergebnisse berechtigt, an die solcherart (zusätzlich) ermittelten Dienststellen und Betroffenen, worunter die vom Verhalten der Angreiferin oder des Angreifers oder der oder des Drohenden betroffenen Personen zu verstehen sind, Anfragen zu richten. Bereits an dieser Stelle ist auch anzumerken, dass die Abfragebefugnis der zentralen Anlaufstelle zu allen Rollen der Person der Angreiferin oder des Angreifers oder der oder des Drohenden in der VJ zudem erforderlich ist, um der in § 15c Abs. 3 Z 4 GOG vorgesehenen Informationspflicht anderer Dienststellen über festgestellte Gefährdungspotentiale effektiv und vollständig nachkommen zu können.

Mit § 15c Abs. 4 Z 3 GOG wird die Bestimmung des § 78 StPO für Behörden und öffentliche Dienststellen auf Ebene der zentralen Anlaufstellen abgebildet, wobei diesen die Berechtigung eingeräumt wird, die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde zu informieren und dieser die vorhandenen Informationen zu übermitteln, wenn sich durch die vorgenommenen Erhebungen ausreichende Anhaltspunkte für die Ernsthaftigkeit und die Gefährlichkeit des Angriffs, der Drohung oder Bedrohungssituation ergeben. Niederschwelliger setzt § 15c Abs. 4 Z 2 GOG an, der die Anlaufstellen dazu ermächtigt, Meldungen über Vorfälle, die an sie herangetragen werden, die jedoch noch nicht in den strafrechtlichen Bereich hineinspielen, an die zuständige Sicherheitsbehörde zu übermitteln, damit diese ihre Aufgaben im Sinne der Gefahrenerforschung nach dem Sicherheitspolizeigesetz wahrnehmen kann. Meldungen an die Sicherheitsbehörden werden regelmäßig insbesondere Daten zur eindeutigen Identifikation einer Person, wie etwa Namen, Geburtsdatum und -ort, Staatsbürgerschaft und Anschrift enthalten. Darüber hinaus werden vorfallsbezogene Daten zu übermitteln sein. Die Sicherheitsbehörde wird auf Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen eine Bewertung unter Einbeziehung von Risiko- und Schutzfaktoren vornehmen und leitet, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, weitere Schritte ein. Das Ergebnis einer derartigen Beurteilung ist von der Sicherheitsbehörde jener zentralen Anlaufstelle, die zuvor die Meldung erstattet hat, zur Verfügung zu stellen, damit allenfalls als notwendig erachtete (Schutz)Maßnahmen auch durch die Justiz ergriffen werden können. Weitere justizinterne Informationspflichten für die Anlaufstelle, der das Ergebnis der Gefahrenerforschung von den Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt wurde, normiert in diesem Zusammenhang § 15c Abs. 3 Z 3 und 4 GOG. Sowohl im Bereich der Justiz als auch der Sicherheitsbehörden sollen auf dem Gebiet des Bedrohungsmanagements und der Einschätzung von Gefahren geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Einsatz kommen.

Durch regelmäßige von der Präsidentin oder dem Präsidenten des jeweiligen Oberlandesgerichts durchzuführende Schulungen für die Dienststellenleitungen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zentralen Anlaufstellen gemeinsam mit der Polizei sollen Kenntnisse auf dem Gebiet des Bedrohungsmanagements vertieft und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden gefördert werden.

Zu § 15d GOG:

Diese Bestimmung enthält die näheren Vorschriften zur Aufbewahrungsdauer von personenbezogenen Daten, die in Entsprechung der in den §§ 15 bis 15c GOG normierten Dokumentationspflichten gespeichert werden.

Unstrittig ist, dass die Tätigkeit der Sicherheitsbeauftragten und der zentralen Anlaufstellen der monokratischen Justizverwaltung zuzurechnen ist. Ohne eine ausdrückliche Regelung im GOG wären die nach den §§ 15 bis 15c GOG vorzunehmenden Dokumentationen als Akten von Justizverwaltungssachen erst nach Ablauf einer Frist von 30 Jahren auszuscheiden bzw. zu löschen (§ 174 Abs. 1 Z 12 Geo.).

Gemäß dem in Art. 5 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DSGVO) verankerten Grundsatz der Speicherbegrenzung hat sich die Aufbewahrungsdauer von Daten auf das für die Verarbeitungszwecke unbedingt erforderliche Mindestmaß zu beschränken.

Es soll daher nunmehr in Entsprechung dieses Grundsatzes für Akten, die auf Grundlage der §§ 15 bis 15c GOG erstellt wurden, die 30-jährige Aufbewahrungsfrist auf fünf Jahre verkürzt werden. Setzt jedoch die Angreiferin oder der Angreifer oder die oder der Drohende vor Ablauf dieser Frist neuerlich ein Verhalten, das Anlass zu einer Dokumentation nach den §§ 15 bis 15c GOG gibt, so sind alle personenbezogenen Daten erst zu löschen, wenn seit der Speicherung des letzten dokumentierten Vorfalls fünf Jahre verstrichen sind. Im Einzelfall ist eine einmalige Verlängerung der Frist um höchstens weitere fünf Jahre möglich, wobei in diesem Fall ausdrücklich begründet werden muss, warum eine weitere Speicherung der Daten zum Schutz von Justizbediensteten und anderer in Gerichtsgebäuden aufhältiger Personen erforderlich ist.

Grundsätzlich stellen vergangene Vorfälle, bei denen eine Person als Angreiferin oder Angreifer oder Drohende oder Drohender aufgetreten ist, eine wesentliche Grundlage für die Beurteilung der Gefährlichkeit einer Person dar. Bei der Gefahrenerforschung sind daher auch Vorfälle in jüngerer Vergangenheit zu berücksichtigen, um ein vollständiges Bild über die von einer Person ausgehende Gefährlichkeit erhalten zu können. Gleichzeitig sollen die Daten jedoch ein möglichst aktuelles Bild einer Person zeichnen, wobei Daten, je länger sie zurückliegen, ohne dass eine Person zwischenzeitig wieder ein zu dokumentierendes Verhalten gesetzt hat, immer mehr an Aussagekraft verlieren. In Abwägung des Grundrechts auf Datenschutz und des Grundsatzes der Speicherbegrenzung sowie dem öffentlichen Interesse an dem ordnungsgemäßen Funktionieren der Justiz wurde die fünfjährige Frist für die Aufbewahrung der Daten festgesetzt, wobei sich das Ende der Frist auf den letzten dokumentierten Vorfall bezieht. Damit kann zudem auch ein weitgehender Gleichklang mit den im Sicherheitspolizeigesetz verankerten Speicherfristen für Daten von Gefährderinnen und Gefährdern im Bereich der Gefahrenerforschung erreicht werden. Mit der einmaligen Verlängerungsmöglichkeit um bis zu fünf Jahre wird besonders gelagerten Einzelfällen, in denen eine bloß fünfjährige Aufbewahrung nicht ausreicht, entsprechend Rechnung getragen. Eine besondere Begründungspflicht soll sicherstellen, dass die für diese Verlängerung angeführten Gründe dargelegt werden und so den datenschutzrechtlichen Vorgaben bestmöglich entsprochen wird.

Das Recht der Angreiferin oder des Angreifers oder der oder des Drohenden darüber, welche sie oder ihn betreffenden Daten verarbeitet werden, sowie auf Richtigstellung und Löschung unrichtiger oder unzulässigerweise verarbeiteter personenbezogener Daten richtet sich nach den entsprechenden Bestimmungen der DSGVO (Art. 15, 16 und 17 DSGVO).

Zu Z 2 (§ 32b Abs. 5 GOG):

§ 32 Abs. 5 GOG zielt darauf ab, dass mit Strafverfahren, die Sexualdelikte zum Gegenstand haben, gebündelt speziell geschulte Richterinnen und Richter befasst werden, die über besondere Kenntnisse und ausreichende Erfahrung im Umgang mit Sexualopfern verfügen sollen. Mit BGBl. I Nr. 40/2009 wurde § 107b StGB neu geschaffen, dessen Abs. 4 erster Satz zweiter Fall (nunmehr Abs. 3a Z 3 idF BGBl. I Nr. 105/2019) auf die wiederholte Begehung von Straftaten gegen die sexuelle Integrität abstellt. Die dadurch eingetretene planwidrige Lücke des § 32 Abs. 5 GOG, der bislang nur auf die §§ 201 ff StGB verwies, hat der Oberste Gerichtshof zu 11 Os 125/19w aufgezeigt und soll nunmehr durch eine Anpassung des Verweises geschlossen werden.

Zu Z 3 (§ 47b GOG):

Die bereits seit einigen Jahren bei mehreren Gerichten und Staatsanwaltschaften eingerichteten Justiz-Servicecenter sind erste Anlaufstellen der rechtsuchenden Bevölkerung und ein bewährtes Instrument eines zeitgemäßen und effektiven Bürgerservice. Um das Serviceangebot den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft anzupassen, den Menschen den Zugang zur Justiz noch weiter zu erleichtern und die in der Justiz vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen, wird mit der Neufassung des § 47b GOG die Einrichtung zentraler Justiz-Servicecenter ermöglicht, ohne dadurch das derzeitige System zu ändern. Justiz-Servicecenter können also nicht wie bisher nur für einen bestimmten Standort (einfache Justiz-Servicecenter), sondern auch unabhängig vom Standort zentral für alle Gerichte und Staatsanwaltschaften (zentrale Justiz-Servicecenter) eingerichtet werden. Der rechtsuchenden Bevölkerung wird es dadurch möglich, in jedem zentralen Justiz-Servicecenter einfache und rasch zu erledigende Ansuchen zu stellen und Auskünfte zu erlangen, unabhängig davon, welches Gericht oder welche Staatsanwaltschaft in der konkreten Angelegenheit zuständig ist. Einen immensen Vorteil stellt diese Möglichkeit insbesondere für jene Bürgerinnen und Bürger dar, deren Beschäftigungsort vom Wohnort divergiert. Sie können sich in Zukunft mit ihren Anliegen auch an ein zentrales Justiz-Servicecenter ihres Beschäftigungsortes wenden. Durch den Einsatz von besonders qualifiziertem Personal wird ein umfassendes und qualitativ hochwertiges Bürgerservice gewährleistet. Die bisher bestehenden Möglichkeiten, sich an ein für einen bestimmten Standort eingerichtetes (einfaches) Justiz-Servicecenter oder direkt an ein zuständiges Gericht zu wenden, bleiben unverändert bestehen.

Zu beachten gilt, dass zu den Aufgaben der Justiz-Servicecenter die Protokollierung einfacher Anbringen (§ 56 Abs. 1 GOG) zählt. Darunter fallen auch fristgebundene Anbringen, die oft erst kurz vor Fristablauf mündlich zu Protokoll gegeben werden. Wird ein solches Anbringen bei einem zentralen Justiz-Servicecenter protokolliert, so soll für seine Rechtzeitigkeit der Zeitpunkt der Protokollaufnahme maßgebend sein und dieses mit diesem Zeitpunkt als bei dem für das Verfahren zuständigen Gericht eingebracht gelten. Es wäre der Rechtssicherheit abträglich, wenn die Rechtzeitigkeit nach dem Einlangen des Protokolls beim zuständigen Gericht beurteilt werden würde. Die fristgebundene Verfahrenshandlung wäre durch die häufige Notwendigkeit der Übersendung des Protokolls an das zuständige Gericht wohl meist verspätet. Der neue § 47b GOG folgt daher der stRsp zu § 434 ZPO und knüpft an den Zeitpunkt der Protokollaufnahme an.

Die Ziele und konkreten Aufgaben der Justiz-Servicecenter werden im Detail in einem gesonderten Erlass geregelt.

Zu Z 4 (§ 78b Abs. 2 GOG):

Entsprechend dem Wunsch der Praxis sollen nach der vorgeschlagenen Fassung des § 78b Abs. 2 GOG künftig zur Unterstützung der Visitatorin oder des Visitators auch Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte herangezogen werden können. Die Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass in bestimmten Sparten (z.B. Erwachsenenschutzverfahren, Exekutionsverfahren) gerade erfahrene Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte aufgrund ihrer Alltagsarbeit spezifische(re) und jedenfalls aktuelle(re) Praxiserfahrung haben. Es erscheint daher zweckmäßig, auch solche Richterinnen und Richter mit Aufgaben der inneren Revision betrauen zu können; dies freilich nur mit deren Zustimmung, zumal diese Tätigkeit nicht auf ihre Auslastung angerechnet werden kann.

Zu Z 5 (§ 78b Abs. 4 GOG):

Bereits bisher sah § 78b Abs. 4 GOG vor, dass eine Visitatorin oder ein Visitator bei allen Bezirks- und Landesgerichten des Oberlandesgerichtssprengels Revisionshandlungen vornehmen kann, er oder sie jedoch von der Prüfung desjenigen Gerichtshofs ausgeschlossen ist, bei dem sie oder er selbst ernannt ist. Um jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden, sollen künftig alle Richterinnen und Richter, die mit Aufgaben der inneren Revision betraut werden, von der Prüfung desjenigen Gerichts ausgeschlossen sein, bei dem sie ernannt sind oder verwendet werden.

Zu Z 6 (§ 80 Abs. 2 und 3 GOG):

§ 80 enthält die gesetzliche Grundlage für die bei jedem Gericht zu führenden Register und Geschäftsbehelfe, die nunmehr durchgehend als „sonstige Geschäftsbehelfe“ bezeichnet werden.

Mit wenigen Ausnahmen werden die Register der verschiedenen Geschäftsgattungen im Rahmen der Verfahrensautomation Justiz (VJ) elektronisch geführt. Daneben werden die Register für Verfahren im Grundbuch, im Firmenbuch, in der Einbringungsstelle, im Unterhaltsvorschuss und zur Beglaubigung technisch außerhalb der VJ geführt. Der vorgeschlagene Abs. 2 bezieht sich daher auf das System eJustiz (eJ), das sämtliche IKT-Anwendungen der Justiz umfasst. Entsprechend wird das „VJ-Online-Handbuch“ künftig als „eJ-Online-Handbuch“ bezeichnet.

Zudem soll in Abs. 3 eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, dass in das eJ-Online-Handbuch über Regelungen zur Führung der Register und der sonstigen Geschäftsbehelfe hinaus allgemeine Regelungen aufgenommen werden können, die den Einsatz von IKT-Anwendungen der Justiz betreffen, einschließlich der sich daraus ergebenden Besonderheiten für die Geschäfts- und Aktenführung sowie den Verfahrensgang. Klargestellt werden soll, dass es sich dabei keinesfalls um verfahrensrechtliche Bestimmungen oder Regelungen mit sogenannter Drittwirkung nach außen handeln darf, also Eingriffe in die Rechtssphäre Rechtsunterworfener mit „imperativer Wirkung“. Solche Anordnungen sind weiterhin in den (Verfahrens-)Gesetzen oder in entsprechenden Ausführungsverordnungen, insbesondere der Geo., zu regeln. Aufgrund seines Erlasscharakters sind im eJ-Online-Handbuch ausschließlich „behördeninterne“ Vorgaben zu regeln, also Anordnungen im Bereich der digitalen Justizapplikationen für den Justizinnenbereich (Behördeninterna).

Zu Z 7 (§ 82 GOG):

Die in § 82 GOG geregelten Wahrnehmungsberichte haben mittlerweile insbesondere aufgrund anderer im Erlassweg geregelter Berichtspflichten (vgl. z.B. den Erlass zu Urteilsrückständen und überlangen Verfahren vom 1. Oktober 2017, BMJ-Pr225.01/0029-III 5/2017) weitgehend an Bedeutung verloren. Was die Anregungen an die Gesetzgebung betrifft, hat sich der diesbezügliche Informationsaustausch auch auf anderen Kanälen etabliert und bewährt. Im Sinne eines zweckgerichteten Ressourceneinsatzes sollen die Wahrnehmungsberichte daher nicht mehr verpflichtend sein, sondern nur noch fakultativ erstattet werden, soweit dies die Gerichte als erforderlich erachten. Im Erlassweg geregelte Berichtspflichten bleiben davon selbstverständlich unberührt.

Zu Z 8 (§ 89l Abs. 1 GOG):

Die geltende Regelung, dass eine Registerauskunft beim Bezirksgericht des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts beantragt werden kann, lässt zum einen offen, welche Stelle zur Erledigung von entsprechenden Anträgen von Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zuständig ist. Zum anderen erscheint die Einschränkung auf ein bestimmtes Bezirksgericht überhaupt verzichtbar. Nach der vorgeschlagenen Fassung soll daher eine Registerauskunft bei jedem Bezirksgericht im Bundesgebiet beantragt werden können.

Zu Z 9 (§ 98 Abs. 29 GOG):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten der Novelle.

Zu Z 10 (§ 99 Abs. 2 GOG):

Diese Bestimmung nimmt hinsichtlich des neuen § 15c Abs. 6 GOG auf das Bundesministeriengesetz 1986, BGBl. Nr. 76 idF BGBl. I Nr. 8/2020, Bedacht.

Zu Art. II (Änderung des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG)

Zu Z 1 (§ 3 Abs. 5 BVwGG):

Um die Bestimmungen über die Sicherheitsbeauftragten und der zentralen Anlaufstelle in Bedrohungsfällen auch für das Bundesverwaltungsgericht anwendbar zu machen, ist es notwendig, den Verweis auf das GOG anzupassen.

Zu Z 2 (§ 27 Abs. 8 BVwGG):

Diese Bestimmung ordnet das Inkrafttreten der Novelle an.