Erläuterungen

Zu Artikel 1 (Epidemiegesetz 1950)

Zu § 15:

Angesichts der Vielfalt der nach § 15 EpiG zu regelnden anzeigepflichtigen Krankheiten und den Unterschieden insbesondere in der Übertragbarkeit und Schwere der Krankheiten wirft die Einschränkung des § 15 auf Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen, Auslegungsfragen auf. Insbesondere bestehen Unsicherheiten, ab wann von einem Zusammenströmen „größerer Menschenmengen“ auszugehen ist. Am Beispiel von COVID-19 hat sich gezeigt, dass bei hoch ansteckenden Krankheiten mit dem Potenzial einer exponentiellen Verbreitung bereits beim Zusammenkommen weniger Personen jene Gefahren verwirklicht sein können, die bei anderen Krankheiten (z.B. solchen, die nur durch Schmierinfektionen übertragen werden) erst bei größeren Veranstaltungen vorliegen mögen. Dass sich diesbezüglich das Regelungsbedürfnis sogar betreffend ein- und dieselbe anzeigepflichtige Krankheit ändern kann, haben zudem erste Mutationen des Krankheitserregers SARS-CoV-2 gezeigt. Um – auch im Hinblick auf mögliche künftige Epidemien durch Krankheitserreger mit noch unbekannten Eigenschaften – für Rechtsklarheit zu sorgen, wird nunmehr auf Zusammenkünfte zwischen Personen aus verschiedenen Haushalten (ab einer Größe von zumindest vier Personen aus zumindest zwei verschiedenen Haushalten) abgestellt. Dies ermöglicht der Vollziehung die erforderliche Flexibilität in Reaktion auf jeweils sehr unterschiedliche Krankheiten und entspricht der Komplexität der mannigfaltigen seuchenrechtlich zu regelnden Sachverhalte.

Das in einer Epidemie erforderliche Ausmaß an Kontaktbeschränkungen hängt aber nicht nur von der Art der meldepflichtigen Krankheit und ihren Übertragungswegen, sondern auch vom Ausmaß ihrer Verbreitung, von der Größe und Art der Veranstaltung (also z.B. davon, ob mit einer Durchmischung der teilnehmenden Personen zu rechnen ist) und etwa vom Umstand ab, ob die Teilnehmer einander persönlich kennen oder nicht. Auf diese Umstände nimmt auch Abs. 2a Bezug. Mit der Möglichkeit nach dem Grad persönlicher Beziehungen zwischen den Veranstaltungsteilnehmern zu unterscheiden, soll dabei klargestellt werden, dass private Treffen unter Personen, die einander kennen, anders behandelt werden können als Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer einander fremd sind, da dies ein wesentlicher Faktor im Hinblick auf die Kontaktpersonennachverfolgung und damit die Eingrenzung von Infektionsquellen darstellt. Dies steht der Vollzugstauglichkeit einer auf dieser Grundlage erlassenen Verordnung nicht entgegen, zumal das Vorliegen persönlicher Beziehungen ebenso glaubhaft gemacht werden kann, wie etwa Kontakte im Rahmen der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens iSd § 5 des COVID-19-MG oder das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts. Im Hinblick darauf, dass „Orte der Zusammenkunft“ nicht auf bestimmte Orte eingeschränkt sind, sieht § 15 Abs. 2a vor, dass in einer Verordnung gemäß § 15 auch die Beschaffenheit des Ortes der Zusammenkunft berücksichtigt werden kann. Klargestellt wird, dass Orte der Zusammenkunft sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum liegen können, eine Kontrolle durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im privaten Wohnbereich gemäß § 28a Abs. 1a letzter Satz aber jedenfalls nicht zulässig ist.

Um all diesen unterschiedlichen Umständen Rechnung tragen zu können, sieht § 15 EpiG ein Bündel an Maßnahmen vor, mit denen jeweils sachadäquate und differenzierende Regelungen getroffen werden können. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz „sofern und solange die im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit unbedingt erforderlich ist“ stellt sicher, dass nur die jeweils adäquaten und unbedingt notwendigen Maßnahmen ergriffen werden (s zu den engen Grenzen, die § 15 EpiG dem Verordnungsgeber damit steckt, VfGH 1. 10. 2020, V 428/2020).

Insbesondere ist bei der Verordnungserlassung auf den Umstand Bedacht zu nehmen, dass auch Veranstaltungen mit einer relativ geringen Teilnehmerzahl unter die Bestimmung fallen, und sind im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechend differenzierende Regelungen zu erlassen (s Abs. 2a).

In Zusammenschau mit § 5 COVID-19-MG ergibt sich im Hinblick auf COVID-19 eine „Kaskade“ an zu ergreifenden Mitteln, wonach Kontaktbeschränkungen als gelindere Mittel zu einer Ausgangsbeschränkung zu sehen sind. Daraus ergibt sich auch, dass Kontaktbeschränkungen auf der Grundlage des § 15 EpiG den Einschränkungen des § 5 COVID-19-MG nicht gleichkommen dürfen. Beschränkungen auf als Grundbedürfnis zu wertende Kontakte dürfen daher nur unter den Voraussetzungen des § 5 COVID-19-MG verordnet werden. Darunter fallen etwa Zusammenkünfte zum Zweck der Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen und der Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten sowie zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens (§ 5 Abs. 2 Z 2 und 3 COVID-19-MG). Dies kommt explizit auch in der Definition der Veranstaltung zum Ausdruck, wonach Zusammenkünfte unter der Mindestanzahl von vier Personen aus zwei verschiedenen Haushalten nicht auf der Grundlage des § 15 geregelt werden dürfen.

Zur Mindestgröße von Veranstaltungen wird klargestellt, dass die Personenzahl nicht danach unterscheidet, ob es sich um erwachsene Personen oder minderjährige Kinder handelt. Angesichts des Charakters der Veranstaltungsdefinition als Untergrenze solcher Zusammenkünfte bleibt es dem Verordnungsgeber freigestellt, minderjährige Kinder oder Minderjährige, denen gegenüber eine Aufsichtspflicht besteht, nicht in eine festzulegende Höchstzahl einzubeziehen.

Zu § 15 Abs. 6:

Die verpflichtende Anordnung von Übergangsbestimmungen für bereits bewilligte Veranstaltungen bei Nichtvorliegen von Gefahr in Verzug entfällt. Da das Erfordernis einer raschen Reaktion auf geänderte epidemiologische Umstände im Wesen seuchenrechtlicher Maßnahmen liegt, hat diese Bestimmung in der Praxis keinen Anwendungsbereich.

Zu § 24:

Die Maßnahmen in § 24 Abs. 2 Z 1 und 2 (Voraussetzungen und Auflagen für das Verlassen des Epidemiegebietes und Untersagung des Verlassens, sofern Voraussetzungen und Auflagen nicht ausreichen) entsprechen der geltenden Rechtslage (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer Quarantäne auf der Grundlage des § 24 EpiG VfGH 10.12.2020, V 535/2020-17). § 24 Abs. 2 Z 1 dient lediglich der Klarstellung, dass als gelindere Mittel zu einer Quarantäne eines Gebietes auch Voraussetzungen und Auflagen für das Verlassen des Epidemiegebietes vorgesehen werden können. Im Hinblick auf die mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2021 erfolgten Änderungen wird insbesondere klargestellt, dass es sich etwa beim Erfordernis eines Nachweises über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr um eine entsprechende Auflage handeln kann. Was die Auflage einer selbstüberwachten Heimquarantäne betrifft, wird durch das Wort „selbstüberwacht“ nicht ausgeschlossen, dass die Heimquarantäne einer behördlichen Kontrolle unterliegt.

Als Zwecke für das Betreten bzw. das Verlassen des Epidemiegebietes kommen etwa berufliche oder familiäre Zwecke oder der Zweck der Durchreise ohne Zwischenstopp in Betracht.

Ebenso werden die bereits bisher möglichen „Beschränkungen für den Verkehr von außen“ präziser ausformuliert.

Zu § 25:

Im Hinblick auf die Präzisierungen in § 24 wird auch § 25 nach diesem Vorbild ausformuliert und es erfolgen sprachliche Modernisierungen. Inhaltlich treten dadurch keine Änderungen ein.

§ 25 ist (ebenso wie § 24) nicht auf eine Verordnungsermächtigung beschränkt, vielmehr muss im Hinblick auf die Verankerung im Dauerrecht auch die Möglichkeit bescheidförmiger Verfügungen im Einzelfall bestehen. Klargestellt wird, dass somit auf der Grundlage des § 25 (und § 24) je nach Adressatenkreis sowohl Verordnungen als auch Bescheide erlassen werden dürfen.

Als bestimmte Zwecke für die Einreise in das Bundesgebiet kommen insbesondere berufliche oder familiäre Zwecke oder der Zweck der Durchreise ohne Zwischenstopp in Betracht. Als Auflage für die Einreise kann insbesondere wie bisher ein negatives Testergebnis und/oder der Antritt einer selbstüberwachten Heimquarantäne vorgesehen werden, sofern dies die epidemiologische Situation verlangt.

Klargestellt wird, dass Verordnungen auf Grundlage der Z 2 (Untersagung der Einreise) unter Berücksichtigung verfassungs-, unions- und völkerrechtlicher Vorschriften zu erlassen sind, insbesondere muss etwa das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht österreichischer Staatsbürger, nach Österreich einzureisen (Art. 3 Abs. 2 4. ZP EMRK) und die persönliche Freizügigkeit der EU-Bürger gemäß Art. 21 AEUV unberührt bleiben.

Was die Ein- und Durchfuhr von Waren betrifft, kommen – je nach Art der meldepflichtigen Krankheit – als Voraussetzungen und Auflagen etwa Desinfektionsmaßnahmen (zB bei bakteriellen Krankheiten) oder ein Verbot der Einfuhr bestimmter (möglicherweise mit Krankheitskeimen behafteter Waren) in Betracht.

Zu § 32 Abs. 1 Z 7 und § 36 Abs. 1 lit. f:

Es erfolgen Anpassungen an die neue Diktion des § 24.

Zu § 40:

§ 40 Abs. 2 enthält nunmehr abgestufte Strafdrohungen, die dem Unrechtsgehalt der jeweiligen Übertretungen unter Berücksichtigung der dem COVID-19-MG zugrunde liegenden Wertungen besser gerecht werden. In Anpassung an die Strafbestimmungen des § 8 Abs. 3 und 4 COVID-19-MG wird insbesondere ein entsprechender Straftatbestand für Personen geschaffen, die Veranstaltungen gewerbsmäßig organisieren. Dies können vor allem Veranstaltungsunternehmen, aber auch sonstige Personen sein, die Veranstaltungen entgeltlich und in Erwerbserzielungsabsicht organisieren. Es handelt sich bei solcherart organisierten Veranstaltungen in der Regel um größere Veranstaltungen, mit denen in seuchenrechtlicher Hinsicht auch ein größerer Unrechtsgehalt einhergeht.

Was die Abgrenzung zwischen untersagten Veranstaltungen und Veranstaltungen, die eine festgelegte Personenzahl überschreiten, betrifft, so ist festzuhalten, dass es sich bei der Beschränkung der Teilnehmerzahl – ungeachtet der in einer Verordnung gemäß § 15 verwendeten Terminologie – in jedem Fall um eine Auflage gemäß § 15 Abs. 2 Z 3 handelt. Selbst wenn nach einer Verordnung gemäß § 15 Veranstaltungen über einer bestimmten Personengrenze „untersagt“ sind, fällt dies daher unter den Straftatbestand der Z 1 bzw. Z 4. Zudem wird festgehalten, dass die Verletzung von Auflagen nur dann strafbar ist, wenn es sich um an den Teilnehmer adressierte Auflagen handelt. Begrenzungen der Personenzahl richten sich demgemäß etwa an den Veranstalter, nicht aber an die Teilnehmer einer Veranstaltung, die die Einhaltung dieser Auflage insbesondere bei größeren Veranstaltungen nicht überprüfen können.

Innerhalb des festgelegten Strafrahmens sind insbesondere Faktoren wie die Größe und Art der Veranstaltung, die hygienischen Umstände bzw. die Beschaffenheit des Veranstaltungsortes, die Beziehungen der Teilnehmer untereinander, etc. zu berücksichtigen.

Im Übrigen wird auf § 22 Abs. 1 VStG verwiesen, wonach mangels gegenteiliger Verwaltungsvorschriften eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Zu § 49 Abs. 3:

Dient auf Grund der zahlreichen Anträge der unbedingt erforderlichen Entlastung der Bezirksverwaltungsbehörden. Im Hinblick auf bereits laufende Verfahren wird klargestellt, dass die Entscheidungsfrist mit Inkrafttreten dieser Bestimmung nicht neu zu laufen beginnt. Vielmehr handelt es sich bei den zwölf Monaten um eine absolute Frist, die ab Einlangen des Antrags zu laufen beginnt.

Zu § 50:

Regelt das Inkrafttreten.

Zu Artikel 2 (COVID-19-Maßnahmengesetz)

Zu § 1 Abs. 5b:

Erweiterung der Möglichkeit zur Normierung eines negativen Testergebnisses als Auflage für das Betreten von Betriebsstätten unabhängig von der Dauer des Kontakts zu Personen. Auch diese Möglichkeit wird insbesondere im Hinblick auf die Problematik der Virusvarianten eingeführt und soll als gelinderes Mittel zu einem Betretungsverbot von Betriebsstätten vorgesehen werden.

Diese Auflage darf jedoch nicht für das Betreten von Betriebsstätten oder bestimmten Orten vorgesehen werden, die der Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens dienen (zB Lebensmittelhandel, Apotheken, Krankenanstalten, Drogeriemärkte).

Zu § 1 Abs. 5c:

In § 1 Abs. 5c entfällt die Verpflichtung, in einer entsprechenden Verordnung das Tragen einer FFP2-Maske als Alternative zum Nachweis über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr vorzusehen.

Zu § 4a und § 1 Abs. 1:

Um Rechtsklarheit hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlage zur Regelung von Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe zu schaffen, wird im Hinblick auf den speziellen Charakter derartiger Einrichtungen eine ausdrückliche rechtliche Grundlage geschaffen.

Zu § 5:

§ 5 ermächtigt nicht nur zur Bekämpfung eines bereits eingetretenen Zusammenbruchs der Gesundheitsversorgung. Ziel einer Ausgangsbeschränkung ist vielmehr, einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung zu verhindern. Maßnahmen auf der Grundlage des § 5 sind somit nicht bloß reaktiv, sondern primär präventiv zu ergreifen. Da im Falle eines hohen Niveaus des Infektionsgeschehens die Kapazitätsgrenzen des Gesundheitswesens insbesondere bei exponentieller Verbreitung sehr rasch und vor allem nicht linear steigend, sondern plötzlich erreicht werden können, wird in diesem Zusammenhang als Zielsetzung nunmehr auch die Verhinderung einer nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung von COVID-19 aufgenommen. Eine nicht mehr kontrollierbare Verbreitung liegt dann vor, wenn Maßnahmen des Contact Tracing nicht mehr greifen. Durch das Abstellen auf eine „nicht mehr“ kontrollierbare Verbreitung und nicht etwa auf eine unkontrollierte Verbreitung soll eine Aushöhlung dieser Voraussetzung vermieden werden, zumal dadurch klargestellt wird, dass nicht schon das grundsätzliche Potential von SARS-CoV-2 bzw. das Wesen der Pandemie, unkontrollierbar zu sein, ausreicht. Vielmehr wird darauf abgestellt, dass Infektionsquellen nicht mehr nachvollzogen werden können. Eine nicht mehr kontrollierbare Verbreitung muss dabei im Zusammenhang mit einem exponentiellen Wachstum, wesentlich veränderten Eigenschaften des Virus oder sonst durch das Infektionsgeschehen bedingten Entwicklungen stehen, darf aber nicht durch organisatorische Versäumnisse bedingt sein.

Zudem erfolgen Klarstellungen dahingehend, dass Maßnahmen auf der Grundlage der §§ 3 bis 4a nicht erst ausgeschöpft sein müssen, um die Maßnahme einer Ausgangsbeschränkung zu ergreifen. Vielmehr ist – wie bereits in den Materialien zur Stammfassung des § 5 zum Ausdruck kommt (IA 826/A 27. GP 11) – ex ante zu beurteilen, ob Maßnahmen nach den §§ 3 bis 4a COVID-19-MG sowie § 15 EpiG zur Zielerreichung ausreichen.

Ebenso klargestellt wird, dass sich die Ausgangsregel auf den eigenen privaten Wohnbereich bezieht. Dies ergab sich auch nach bisheriger Rechtslage eindeutig aus einer teleologischen und historischen Interpretation.